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Wchmh-Mlllttl Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 71. Jahrgang. Donnerstag, den 20. April 1905. Nr. 48. Die Meihrritz-Zettung' Amtsötatt für die Königliche Umishauptmannschast, das Königliche UmLsgericht und den Stadkat zu Dippoldiswalde. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jetzne. - Druck und Vertag von Carl Jetpre in Dippoldiswalde. Mit achtsetttge» „Nkistrierleu Anterhattungsblatt". Mtt land, und haakwirtfchaftlich«» Msnst«.Beilage. tag und Sonnadend und wird an den vochergehen- ÄenAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 25 Pfg., zweimonatlich «4 Pfg-, einmonatlich.42 Psg. Einzelne Nummern W Pfg. — Alle Postan- galten, Postboten, sowie unsere Austräger nehmen Bestellungen an. Inlerate, welche beide» bedeutenden Auslage de» Blattes 'ine sehr wirk- jame Verdrehung finden, werden mit 12 P^g., solche aus unserer Anitshaupt- mannschaft mit 10 Pfg. die Spaltzelle oder deren Raum berechnet. — Ta- bellarische und kompst- zierte Inserate mit ent sprechendem Aufschlag. — Eingesandt, im redaktio nellen Teile, die Spalten- zelle 20 Psg. Karfreitag. Wer immer einem Toten ins bleiche Antlitz sehen mutz, wird tief bewegt. Denn ernste, zwingende Gedanken ziehen durchs Herz. Isis ein Freund, dessen Tod uns stille stehen heißt, so drängt die Frage unabweisbar streng sich auf: Was war er Dir? Was bist Du ihm gewesen? Am Todestage tritt die Eigenart des Freundes in ein ver klärtes Licht, daß wir ihn nicht ganz genommen, wie er war, ist unsere Klage. Der Todestag Jesu ist heute, des besten Menschenfreundes, den je die Erde trug. Jedem kündets heut die feierliche Stille, jeden, der ernste Klang der Glocken: des Menschen Sohn ist nicht gekommen, daß er ihm dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zum Lösegeld für viele. Damit ist schon Antwort auf die Frage gegeben: was war er Dir, was will er heute noch vielen sein? Dienen wollte der am Kreuz Erblaßte. Jesu Teilnahme an den großen und kleinen Sorgen der Menschen, an ihrem Ach und Wehe, an ihren Freuden und Leiden war ein Dienst des Heiligen aus der Höhe. Aber dieser Dienst wäre noch keine Erlösung, noch keine wahrhafte Befreiung gewesen, die bis tief ins Innerste hinein gewirkt hätte. Die Befreiung von der Uebel größtem, von der Schuld, ward nur vollbracht durch die Teilnahme des Gottes- und Marien Sohnes an der Schuld und an dem Tod der Menschen. Der Heilige trägt die Schuld, der Heilige duldet den Tod: dieser höchste, von keinem andern als von Jesus zu leistende Dienst brachte der Menschheit Erlösung und Versöhnung, Befreiung und Entknechtung. Gebrochen ist der Bann der Schuld, der Weg zum Höchsten ist nun frei. Dem aber ist der Bann der Schuld im eigenen Herzen nur gebrochen, dem ist allein der Weg zum Höchsten frei, der sich den Dienst des besten Menschenfreundes gern gefallen läßt, der sich wirklich von ihm dienen läjset. Wer sich den größten Liebesdienst gefallen läßt, den Liebesdienst des Gekreuzigten, der wird selbst erst fähig zum Dienst der selbstverleugnen- den Liebe. Es ist ein Zeugnis für den alle Worte über ragenden Wert des Todes Jesu, daß der Dienst wahr haft selbstverleugnender Liebe seitdem nimmer erstorben ist. Möchte darum die Karfreitagsbitte reiche Erhörung finden: Lasset euch versöhnen mit Gott! Der deutsch-englische Konflikt in der Siidsee. Im englischen Oberhause sind bekanntlich kürzlich heftige Beschwerden über angebliche empfindliche Schädigungen des britischen Handels auf den unter deutschem Protektorat stehenden Marschalls-Inseln infolge des Auftretens der dortigen Behörden laut geworden, und der Minister des Äußeren Lord Lansdowne hat sich dieser Beschwerden so fort energisch angenommen, indem er schlankweg erklärte, das Verhalten Deutschlands widerspräche dem deutsch-englischen Vertrage vom Jahre 1886 über die Handels- und Verkehrs fragen in den beiderseitigen Gebieten im Westen des Stillen Ozeans. Hierzu muß erläuternd bemerkt werden, daß am 21. Januar 1888 ein Vertrag zwischen dem Reiche und der Jaluit-Gesellschaft abgeschlossen worden ist, durch welchen letzterer die Verwaltung der Marschalls-Inseln für das Reich auf ihre eigene Rechnung übertragen wurde. Dieser Vertrag nun soll nach den angedeuteten Auslassungen Lord Lansdownes eine Verletzung des erwähnten^ zwei Jahre vorher abgeschlossenen Abkommens zwischen Deutsch land bmd England bedeuten, welcher Vorwurf indessen auf einer sehr künstlich konstruierten Grundlage ruht. Die Tatsache, daß auf den Marschalls-Inseln die Schiffahrts abgaben stark erhöht und ein hoher Zoll auf die Kopra- Ausfuhr eingeführt worden ist, hat eben die britische Welt in Bewegung gesetzt und seine Wellen bis in das eng lische Parlament geschlagen. Die neuen Abgaben wurden eingeführt, weil die deutsche Jaluit-Gesellschaft durch die Konkurrenz der australischen Regierung unterstützt wird. Die gesamte australische Presse macht deshalb einen unge heuren Lärm, der dann in England fortgesetzt wurde, und schließlich zu einer Interpellation im Oberhause führte. Bemerkenswert an dem ganzen Zwischenfall ist es, daß das Londoner Kabinett volle 17 Jahre gebraucht hat, um zu erkennen, daß Deutschland durch seine Verein barung mit der Jaluit-Gesellschaft ein dem deutsch-englischen Abkommen widersprechendes Monopol geschaffen habe. Ein anderes Mittel, um der klagenden australischen Firma zu helfen, konnte man wahrscheinlich in London nicht finden. Da der britische Minister so weit zurückgreift, so haben deutsche Blätter schon darauf hingewiesen, daß man deutscherseits einen Gegenzug machen sollte. In bestimmter Form wird betont, jetzt könnte man die sogenannte Witu- frage wieder in Fluß bringen, d. h. die Engländer an halten, die im Vertrage von 1890 übernommenen Ver pflichtungen endlich zu erfüllen. Daß die Reichsregierung diesen Weg beschreitet, ist nicht wahrscheinlich. Dadurch würde ein jahrelanger Streit entstehen, der kaum zu einem greifbaren Ergebnisse führen könnte. Der Wider streit in Bezug auf die Marschalls-Inseln ist aber viel zu unbedeutend, um solche unübersehbare Wirkungen zu ver anlassen. Doch wird das englische Vorgehen und der Hinweis des Lord Lansdowne wohl dahin führen, daß die Marschall-Inseln, wie alle anderen überseeischen Be sitzungen in die Reichsverwaltung übergehen; sie würden einen besonderen Bezirk des Gouvernements der Südsee biloen. Dann ist englischen Einwänden der Boden ent zogen. Die Jaluitgesellschaft könnte in irgend einer Weise entschädigt werden. Im übrigen bildet die Frage des Handels auf den Marschalls-Inseln, wie die „Köln. Ztg." mitzuteilen weiß, gegenwärtig den Gegenstand diploma tischer Verhandlungen zwischen Berlin und London, die eine baldige freundschaftliche Erledigung des Streitfalles erhoffen lassen sollen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Der Albertzweig verein Dippol diswalde hielt am 11. d. Mts. unter Leitung seiner Vor sitzenden, der Frau Superintendent Hempel, im Sitzungs saal« der Königlichen Amtshauptmannschaft seine dies jährige Hauptversammlung ab, in der zunächst der Jahres bericht erstattet und die Vereinskassenrechnung auf das Jahr 1904 richtig gesprochen wurde. Alsdann vollzog man die Wahlen zum Vorstände, dem zur Zeit ange hören : Frau Superintendent Hempel als Vorsitzende, Frau Ökonomierat Nitzsche auf Reinhardtsgrimma als stellver tretende Vorsitzende, Frau Bürgermeister Voigt als Kassiererin und Herr Amtshauptmann vr. Mehnert als Schriftführer. Hierauf wurde von der Versammlung be schlossen, daß sich die Vereinstätigkeit nicht nur wie bis her auf das Stadtgebiet, sondern auf den ganzen amts hauptmannschaftlichen Bezirk erstrecken soll. Neben der Unterstützung würdiger und bedürftiger Kranker durch Naturalien, Vermittelung von Freistellen im Carolahause und Beaufsichtigung des Ziehkinderwesens durch Mitglieder des Vereins, hielt man die Unterstützung der Gemeinden bei Einrichtung von Gemeindediakonien, vor allem aber die Fürsorge für kranke Kinder unbemittelter Eltern für eine wesentliche Aufgabe des Vereins. In letzterer Be ziehung soll ins Auge gefaßt werden, der Entstehung und Entwickelung von Kinderkrankheiten vorzubeugen durch Einrichtung von ärztlichen Sprechstunden und unentgelt licher Verabreichung von Heilmitteln. Die Ausführung dieser Beschlüsse, die mit dem durch die Wohltätigkeits vorstellung erzielten Reingewinn ermöglicht wird, wurde dem Vorstande überlassen und dabei der Hoffnung Aus druck gegeben, daß das Vorgehen des hiesigen Albert zweigvereins, dessen Mitgliederzahl bereits auf llO ange wachsen ist, durch den Beitritt weiterer Mitglieder oder durch freiwillige Spenden Unterstützung finden und daß ihm dadurch die Möglichkeit zu einer kräftigen Entwicke lung seiner Tätigkeit gegeben werde. — Nach einer Zusammenstellung hat sich die Tätig keit der hiesigen Schutzmannschaft im Jahre 1904 auf 24 Festnahmen, 399 Anzeigen, 344 Revisionen, 9020 Aus tragungen und 133 andere Vorkommnisse erstreckt. Außer dem sind 129 öffentliche Vergnügungen, 12 Versamm lungen und 9 Mal der Verkauf auf der Freibank über wacht worden. Die Festnahmen und Anzeigen verteilen sich auf die verschiedenen Delikte wie folgt: 1 Anzeige wegen Selbstmord, I Anzeige wegen Brandstiftung, 6 Anzeigen wegen kleineren in der Stadt vorgekommenen Bränden, 1 Festnahme und 19 Anzeigen wezen Dieb stahl, 12 Anzeigen wegen Betrug oder Unterschlagung, 3 Festnahmen und 8 Anzeigen steckbrieflich verfolgter Per sonen, 17 Festnahmen, 19 Anzeigen wegen Betteln, 10 Anzeigen wegen sonstiger Kriminaloergehen, 3 Festnahmen und 144 Anzeigen wegen polizeilichen Übertretungen und 174 Erörterungsanzeigen. Die Revisionen haben sich er streckt: auf Butter 153, Milch 59, Bierdruckapparate 23, auf die Ruhezeiten der Kellner, Kellnerinnen usw. 8, Bäckereien 20, Nahrungsmittel (außer den von den, Nahrungsmittelchemiker vr. Schmidt selbst entnommenen Proben) 3 und 69 verschiedene andere. — In den ver schiedenen Hotels sind 1547 (1512 im vorigen Jahre) Hotelfremde und 2479 (2448) Herbergsfremde über Nacht geblieben. An letztere sind zum letzten Male 470 Mk. 40 Pfg. Verpflegungsmarken verausgabt worden. — Am vergangenen Dienstag hat bei uns der Winter wieder Einzug gehalten. — Am Mittwoch, Donnerstag und Sonnabend vor Ostern dürfen offene Verkaufsstellen bis um 10 Uhr abends geöffnet bleiben. — In der Nacht vom 16. zum 17. d. M. (Palm- sonntag) ist in die außerhalb der Stadt liegende Feld scheune des Vorwerksbesitzers Gäbler eingebrochen und aus derselben 1 Sack Hafer usw. verdachtlos gestohlen worden. — Die Postagentur in Värenburg (Lrzgeb.) wird für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September wieder in Wirk samkeit treten. — Über die greuliche Genickstarre, die in diesem Jahre wieder in verstärktem Maße aufgetreten ist, äußert sich ein hervorragender praktischer Arzt in der „Franks. Ztg.". Der Fachmann stellt fest, daß diese Krankheit zum ersten Male im Jahre 1805 in Genf aufgetreten ist, daß ihr ansteckender Charakter bald erkannt wurde, und daß sie sich in wenigen Jahrzehnten über ganz Europa und die Vereinigten Staaten von Nordamerika ausbreitete. Die Genickstarre ist dann niemals ganz verschwunden, ver einzelte Fälle traten bald da, bald dort auf, besonders waren es Hausepidemien in Kasernen, auch wohl in Schulen und Pensionaten. In großen Zügen wie die Cholera und die Pest ist die Genickstarre niemals aufge treten, es waren stets gewisse Nester, in denen sie eine Anzahl von Personen, etwa 20 bis 50, befiel. Malter. Aus dem Garten des Villengrundstücks C. Berge, am Steinbruche, sind am 8. oder 9. d. M. 5 Himbeersträucher gestohlen worden. Für die Ermitte lung des Täters ist eine namhafte Belohnung ausgesetzt worden. Possendorf. Am Freitag hat eine aus drei Herren bestehende Deputation des Eisenbahnkomitees beim Finanz minister l)r. Rüger vorgesprochen mit der Bitte, die Re gierung möge ein Dekret an die Stände einreichen für den Ausbau der Kohlenbahn Potschappel-Possendorf. Der Herr Minister versicherte sein Wohlwollen und sagte: „Ich glaube, wenn die Finanzen keine Verschlechterung erleiden, ein dahingehendes Dekret vorlegen zu können." Mit er neuter Hoffnung konnte die Deputation sich verabschieden. Dresden. Königin-Witwe Karola kehrt am 25. April von ihrer Reise nach Belgien und London nach Dresden zurück und nimmt in der Villa in Strehlep Wohnung. Dresden, 18. April. In dem Befinden des an einer Mandelentzündung erkrankten Prinzen Ernst Heinrich ist eine derartige Besserung eingetreten, daß dieser heute vollständig fieberfrei ist und er das Bett verlassen konnte. — In Rochlitz verunglückte ein 49 Jahre alter Privatmann dadurch tödlich, daß er von einem Wagen fiel und einen Schädelbruch erlitt. — Zwei Einwohner von Hohnstein-Ernstthal kamen wegen Vogelstellerei zur Anzeige. . Freiberg. Das königl. Landgericht verurteilte den Handarbeiter Karl Heinrich Arnold, geboren am 28. Febr. 1858 in Weesenstein, wegen Sittlichkeitsverbrechens und Bettelns zu I Jahr 6 Monaten Zuchthaus und 2 Wochen Haft, sowie zu 5 Jahren Ehrverlust. Hainichen. Für den erledigten Bürgermeisterposten haben sich 22 Bewerber gemeldet. Waldheim. Die hiesige Ortskrankenkasse hatte mit ihren Kassenärzten nach längeren Unterhandlungen einen neuen Vertrag abgeschlossen, nach welchem die Pauschale pro Jahr und Kassenmitglied, gleichgültig, ob dieses ver heiratet ist oder nicht, 4 Mk. betragen sollte. Dabei war Familienbehandlung bis zu 13 wöchiger Dauer vorgesehen. Diesem Vertrag hat jedoch der ärztliche Bezirksverein Döbeln die Genehmigung versagt. Den zur WaldHeimer Ortskrankenkasse zugelassenen WaldHeimer und Harthaer Ärzten wurde vielmehr aufgegeben, mit der Kasse einen tandeswürdigen Vertrag abzuschließen und diesen bis zum l. Juli d. I. dem ärztlichen Bezirksverein znr Prüfung bezw. Genehmigung zu unterbreiten. Grimma. Die kürzlich verstorbene, 89 Jahre alte, eit langen Jahren erblindete Frau Wilhelmine Lehmann vermachte ihr 25 000 Mk. betragendes Vermögen zu wohl tätigen Zwecken. Universalerbe ist die Königliche Blinden anstalt in Dresden; 9000 Mk. erhält der Gotteskasten, der