Volltext Seite (XML)
Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Zu dem am 30. März d. I. ab gehaltenen Viehmarlte waren 33 Stück Pferde, 13 Stück Rinder, 8 Läuferschweine und 90 Ferkel aufgetrieben. Hiervon sind 10 Pferde, 8 Rinder, 2 Läufer und 65 Ferkel verlaust worden, die letzteren das Paar zum Preise von 30 bis 46 Mark. Zu diesem Markte waren stattliche Tiere aufgetrieben worden, sodaß Pferde das Paar zu 2500 Mark vorhanden waren. Der Verkehr war diesmal ein recht guter und konnte man noch bis zum späten Nach mittag die Pferde mustern sehen. — Von morgen Sonnabend an werden die Post schalter im Verkehre mit dem Publikum bereits früh 7 Uhr geöffnet. Auch der Telephondienft beginnt zu dieser Stunde. — Morgen Sonnabend, l. April, vollenden sich 90 Jahre, daß Deutschlands erster Kanzler, Fürst Bismarck, geboren wurde. An verschiedenen Orten unseres Vater landes werden zu dieser Gelegenheit Gedenkfeiern veran staltet. — Ein schreckliches Familiendrama ereignete sich Mitt woch abend in Leipzig im Grundstück Körnerplatz 4. Dort sprang die Ehefrau des Amtsgerichtsdieners N., der, wie verlautet, seines Dienstes verlustig gegangen war, in einem Anfalle von Schwermut, der durch bevorstehende Nahrungssorgen hervorgerufen worden sein dürfte, mit ihrem jüngsten, etwa 3 Jahre alten Kinde aus dem Küchenfenster der 4. Etage in den Hof hinab. Sie erlitt Labei außer Arm- und Beckenbrüchen schwere innere Ver letzungen. Das Kind, das sie bei dem verhängnisvollen Sprunge wahrscheinlich im Arme gehalten hat, war äußer lich nicht verletzt, soll aber ebenfalls schwere innere Ver letzungen davongetragen haben. Ein etwa 6 Jahr altes Kind soll sich während des Vorganges in der elterlichen Wohnung befunden haben, während der Vater nicht an wesend an. Hänichen. Im hiesigen Gasthofe fand am vor- gangenen Sonntag die Monatsversammlung des Evangcl. Arbeitervereins zu Possendorf u. Umg. statt, die recht gut besucht war. Im Mittelpunkte des Abends stand der vortreffliche Vortrag des Herrn Pfarrer Nadler über: „Einiges aus der Vergangenheit unsrer Parochie". Reichen Beifall und Dan? spendete man dem geschätzten Redner für seine Ausführungen. Freiberg. Vom königl. Landgericht wurde die Ar beiterin Henriette Christiane verehelichte Häntsch, geborene Kühnert, in Possendorf, geboren am 15. April 1858 in Leubnitz-Neuostra wegen Rückfallsdiebstahls zu 5 Monaten Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt. Pirna. Durch den Gendarmen Böhme aus Gott leuba wurde in Gersdorf bei Berggießhübel der böhmische Arbeiter Gürt, der in Sebnitz seine Frau und Kinder mit einer Art erschlagen hat, verhaftet. Lunzenau. Mittwoch abend in der II. Stunde trat der Zigarrenabeiter Hornauer an das Bett seines Kollegen Jäntke und richtete im Scherz einen geladenen Revolver auf ihn. Da entlud sich die Waffe und das Geschoß drang I. in den Kopf. Aus Furcht vor der ihn für seine Leichtfertigkeit treffenden Strafe erschoß sich der unvorsichtige Schütze. Jäntke liegt schwerverletzt darnieder. Ebersdorf. Mittwoch abend in der 11. Stunde versuchte hier ein junger Mann namens Frenzel, aus noch unaufgeklärter Ursache seine Geliebte zu erschießen. Dem Mädchen gelang es jedoch, sich noch rechtzeitig in Sicher heit zu bringen. Der Bursche, der sich bei der Schießerei an der Hand verletzte, wurde festgenommen und ins Amts- gerichtsgcsängnis zu Frankenberg eingeliesert. Leubsdorf bei Augustusburg. In der Nacht vom Sonntag zum Montag entstand auf bisher noch nicht er mittelte Weise ein größeres Schadenfeuer, durch welches die den Gutsbesitzern Weichelt und Reuter gehörigen Scheunen, mit allen Erntevorräten und dergleichen gefüllt, bis zum Grunde niederbrannten. Leider ist auch der Ver lust eines Menschenlebens zu beklagen. Der hochbetagte, schwerhörige Gutsbesitzer Kluge von hier wurde, da er die ihm zugerufenen Warnungen nicht vernahm, von einer niederstürzenden Wand so unglücklich getroffen, daß er sofort tot war. Zwickau. Nach einer bei der Königlichen Kreishaupt- mannschast eingegangenen Entscheidung des Königl. Ober verwaltungsgerichts sind von letzterem die sämtlichen gegen die Entscheidung der Kreishauptmannschaft bezüglich der Wiederwahl des Bürgermeisters Münch eingewendeten Anfechtungsklagen abgewiesen und der Anfechtungskläger in die Kosten verurteilt worden. Die Wiederwahl Münchs ist also, wie nunmehr unanfechtbar feftsteht, gültig und als aus Lebenszeit erfolgt anzusehen. — Bei der Aufführung des Märchendramas „Die versunkene Glocke" am Stadttheater zu Zwickau kam es zu einem tragikomischen „Fall" auf der Bühne. Als Rautendelein im 2. Akt dem kranken Meister Heinrich Heilung bringen will, begnügte sie sich nicht damit, sich an den Rand des Bettes zu setzen, wie es wohl der Dichter vorschreibt, sondern sie setzte sich oben auf den Pfosten zu Füßen der Bettstelle. Dieser doppelten Be lastung ist solch ein Bühnenbett, das mehr Schaustück als durables Ruhebett ist, nicht gewachsen. Ein Krach, ein Rutsch und die Bettstelle war halb zusammengebrochen. Meister Heinrich hielt sehr geistesgegenwärtig in der fatalen Situation bis zum Schlüsse des Aktes aus, mit der Stimmung im Publikum aber war es vorbei, die Heiter keit wollte sich nicht mehr legen, hatte man doch fort während die Trümmer der Bettstelle vor Augen. Tagesgefchichte. Berkin. Die Osterferien des Reichstages werden voraussichtlich am 5. April beginnen. — Die neue Arzneitare, die am 1. April d. I. im ganzen Deutschen Reiche in Kraft tritt, sieht auch eine be sondere Vergütung, die sogenannte Nachttare für die Ab gabe von Arzneien in der Zeit von 10 Uhr abends bis 6 Uhr morgens vor. Darnach kostet die Benutzung der Nachtglocke jedesmal 50 Pf. ertra. — Über die Herero und die Entwicklung des Auf standes in Omaruru hielt der Stabsarzt der kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika, vr. Ruhn, in der Deutschen Kolonialgesellschaft in Berlin einen vielbesuchten Vortrag. Die Eingeborenen zeichnen sich, wie der Redner darlegte, durch Geiz und Stolz aus. Ihre Viehherden, meist aus Rindern bestehend, gehen ihnen über alles. Sie seien imstande, Hunger zu leiden, um den Verlust auch nur eines Stückes wieder zu ersetzen. Je größer der Be sitz des einzelnen, um so höher sein Ansehen. Das Volk an sich ist arm, nur die Häuptlinge und deren nächsten Verwandten verfügen über Rinder und verteilen sie je nach Verdienst an ihre Stammesgenossen. Den Gedanken, Herr über das deutsche Heer werden zu wollen, erklärt Redner mit der großen Verlogenheit der Eingeborenen. Wenn auch der 1896 in Deutschland weilenden Herero- truppe hinreichend Gelegenheit geboten worden sei, die Macht des Deutschen kennen zu lernen, so habe sie im Heimatlande eine gegenteilige Darstellung gegeben. Als charakteristisches Beispiel führt der Vortragende an, daß ein großer Teil der Herero erst in den Ausstand getreten sei, als man ihnen die abgehauene Hand als Zeichen vom Tode des gefürchteten Gouverneurs Leutwein gezeigt habe. Redner hält die viel verbreitete Ansicht eines von langer Hano vorbereiteten Aufstandes für nicht richtig. Er nimmt im Gegenteil an, daß durch falsche von Stamm zu Stamm übertragene Informationen über die deutsche Wehrfähigkeit das Übcrmachtsgefühl der Eingeborenen gegen ihre vermeintlichen Unterdrücker gewachsen sei. — Die Pockenerkrankungen unter den beim Bau der linksufrigen Saarbahn beschäftigten italienischen Ar beitern haben nach Berichten aus Saarbrücken zu strengen behördlichen Maßnahmen geführt, um die An steckungsgefahr zu beseitigen. Von der Negierung zu Trier ist eine Kommission nach Saarbrücken beordert worden, um das Erforderliche anzuordnen. Einer der Pockenfälle hat bereits einen rötlichen Verlauf genommen. Konstatiert wurden die gefährlichen Erkrankungen durch die Verhaftung einer Frauensperson, die in Gersweiler von den Italienern zur Führung des gemeinschaftlichen Haushalts angenommen worden war. Der unsittliche Lebenswandel dieser Frauensperson führte zur Festnahme und ärztlichen Untersuchung, bei der die Erkrankung von Pocken konstatiert wurde. Diese Frauensperson ist in zwischen an den Pocken gestorben. Die Leiche wurde sofort begraben. Sämtliche Italiener wurden nun sofort der Impfung unterzogen. 16 pockenverdächtige Italiener sind in einem Hause isoliert und daselbst unter Quaran täne gestellt. Ein Gendarmerieposten bewacht Tag und Nacht das Haus, um zu verhüten, daß die Internierten in irgendwelche Berührung mit der Außerwelt treten. Die Einwohnerschaft von Gersweiler, in welcher Ortschaft sich die Italiener aushalten, ist natürlich aufgeregt über die gefährliche Nachbarschaft. Hoffentlich gelingt es, eine Übertragung der gefährlichen Krankheit zu verhindern. — Der Kriegsberichterstatter des Pariser „Matin" sendet aus Irkutsk einen längeren Brief über seine Fahrt vom Baikalsee nach der Mandschurei auf der trans sibirischen Eisenbahn. Wir entnehmen dem Brief folgende Daten: „In Irkutsk mußten wir zwei Tage liegen bleiben. Irkutsk ist ein Stück abendländischen Lebens in den Eis feldern Sibiriens. Infolge der neulichen Amnestie hat man dieser Residenz 800 freigelassene Sträflinge über wiesen und deshalb ist die Sicherheit eine sehr spärliche. Am Hellen Tage werden die Läden angegriffen und ge plündert. Endlich nach zwei Tagen hieß es, daß ein Zug abgehen werde. Der Marineoffizier, Kommandant des Gromoboio, der sich nach Wladiwostok begibt, war seit der Abreise von Moskau mein Begleiter. Am Tage vor der Abfahrt des Zuges mußten wir, um einen Platz zu er halten, im Bahnhof übernachten. Als wir in demselben ankamen, waren die geradezu ekelhaften Warteräume be reits vollbesetzt und wir mußten die Nacht stehend zu bringen. Endlich führte uns der wachthabende Offizier zu dem Zuge ünd stopfte uns in einen Wagen erster Klasse, der sich in einem geradezu fürchterlichen Zustande befand. Auf das über und über mit Kot bespritzte Waggon- fenster hatte ein früherer Reisender geschrieben: „Zugführer, alleiniger Herr dieses scheußlichen Wagens, reinige wenig stens dieses Glas, damit ein wenig Licht durchdringen kann." Leider hatte seine Bitte kein Gehör gefunden. Der Zug fuhr etwa zwölf Kilometer pro Stunde, und lange wird es dauern, bis wir in Mukden sein werden. Und doch wie froh waren wir, überhaupt mitzukommen." Weimar. Achtzehn deutsche Vundesfürsten haben ihre offizielle Vertretung zur Schiller-Feier in Weimar zugesagt. Der Großherzog wird den Feierlichkeiten persön lich beiwohnen. Straßburg i. Els. 14 von den 15 reichsländischen Neichstagsabgeordneten beabsichtigen eine Revision der elsaß-lothringischen Verfassung anzuregen. Sie brachten im Reichstag einen Antrag ein, in dem gefordert wird, daß Elsaß-Lothringen aufhöre Reichslande zu sein und Bundesstaat werde, sodaß es im Bundesrat vertreten werde. Österreich. Nach einem Ausweise beträgt die Zahl der im letzten Vierteljahr in Wien aus der katholischen Kirche Ausgetretenen 6320. Von diesen schließen sich 4000 der altkatholischen Kirche an, an 2000 werden evangelisch, der Nest bleibt konfessionslos. Die große Mehrzahl der Ausgetretenen gehört dem Arbeiterstande an. Wien. Die österreichische Heeresverwaltung soll zur stärkeren Befestigung der Grenze in Südtirol während der letzten Woche mehr als 200 Geschütze nach dem Süden geschafft haben. Pest, 30. März. Der Kricgsminister trifft heute auf besondere Berufung hier ein. Seine Anwesenheit gilt der endlichen Feststellung jener Grenze, zu der der Monarch in der Gewährung von militärischen Zugeständnissen in Ungarn gehen kann. Rom. Am 2. April wird die von der Tunnelbau- Unternehmung veranstaltete Einweihung der Simplon- Galerie stattsinden. Aus diesem Anlasse wird um 9 Uhr 30 Minuten der Erzbischof von Sion mit den Vertretern der schweizerischen Behörden den Tunnel von der schweize rischen Seite betreten, während der Bischof von Novara mit den Vertretern der italienischen Behörden zu derselben MHeritz-Mulig Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend 71. Jahrgang. Sonnabend, den 1. April 1905. Nr. 37. Amtsblatt für die Königliche UmLshauptmannschaft, das Königliche Amtsgericht und den KLadtrat zu Dippoldiswalde Verantwortlicher Redakteur: Paul Irlrnr. - Druck und Verlag von Carl Jehnr in Dippoldiswalde Mit achtfeMge» „Illustrierte« Unterhaltungsblatt", Mit land- und hauswirtschastlichs« Monats-Beilage. NUi-rate, welche del de» bedeutenden Auflage d« Blattes -ine sehr wirk same Verdrehung finden, werden mit 12 P^g., solch« aus unserer Amtshaupt- Mannschaft mit 1V Pfg. die Spaltzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und kompli zierte Inserate mit ent« sprechendem Aufschlag. — Eingesandt, im redaktio nellen Teile, die Spalten» zeile 20 Pfg. „weitzeritz-ZeUang-, «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird an den vorhergehen- ÄenAbenden ausgegeben. Preis vierteljährlich 1M. 85 Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, elnmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummem !0 Pfg. - Alle Postan- Aalten, Postboten, sowie ANsere Austräger nehmen Bestellungen an. Herr Gutsbesitzer Ernst Wilhelm Schütze in Obercunnersdorf ist als Gemeindeältester seines Wohnortes auf die nächsten 6 Jahre — d. i. bis 15. März I9II — in Pflicht genommen worden. Dippoldiswalde, am 20. März 1905. Königliche Amtshauptmannschast. 243-z. Or. Mehnert. s»l. Die am 1. April fälligen Brandkafsenbeitrage auf den I. Termin mit 1 Pfg. für die Einheit sind innerhalb 14 Tagen an die Stadtsteuereinnahme zu bezahlen. Dippoldiswalde, den 30. März 1905. Der Stadtrat. Voigt.