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schast, werfen, vr. Hieber erzählte folgenden Fall: „Ein katholischer Arbeiter in Kahla in Altenburg wollte sich mit einer evangelischen Braut trauen lassen. Er bittet sein heimatliches katholisches Pfarramt Weiden in Bayern um Zusendung eines Firmungsscheines. Das katholische Pfarr amt verweigert schriftlich die Ausstellung eines Zeugnisses mit der Begründung, es sei ihm unangenehm, einem evangelischen Pfarrer gegenüber überhaupt ein Zeugnis auszustellen. Der Superintendent schreibt darauf an das Pfarramt, erhält keine Antwort, wendet sich dann in höf licher Form an das bischöfliche Ordinariat in Regensburg mit der Bitte, das Weidener Pfarramt zur Ausfertigung dieses Zeugnisses zu veranlassen. Darauf erfolgt die Ant wort, der Bischof könne keinen seiner Geistlichen zwingen, wider sein Gewissen ein Zeugnis auszustellen. Das Alten burger Ministerium wendet sich an das bayrische Kultus ministerium, und das letztere „bedauert gleichfalls, nichts tun zu können, da es kein Recht hat, einzugreifen". — l)r. Hieber stellte an die Herren vom Zentrum die Frage: „Halten Sie das wirklich für korrekt oder schön, daß ein katholisches Pfarramt amtlich einen« evangelischen Pfarr amt schreibt, cs sei ihm unangenehm, einem evangelischen Pfarrer gegenüber ein Zeugnis auszustellen?" Die „Deutsch evangelische Korrespondenz" bemerkt dazu: „§ 80 der II. Verfassungsbeilage lautet dahin, daß die im Staate bestehenden Religionsgesellschasten sich wechselseitig gleiche Achtung schuldig seien. Die Antwort des katholischen Pfarramtes verweigert unter gleichzeitiger Billigung seitens des bischöflichen Ordinariats offensichtlich diese Achtung. Warum? „Ketzer" verdienen keine Achtung; sie sind vogelfrei. Und das bayrische Kultusministerium sagt Ja und Amen dazu. Das ist die Toleranz da, wo das Zentrum die Herrschaft hat." — Der neue französische Flottenbauplan, über welchen sich Regierung und Volksvertretung im Prinzip ohne weiteres geeinigt haben, wird eine ganz bedeutende Vermehrung der französischen Kriegsschiffe herbeiführen. Zwölf Jahre lang sollen, vom Jahre 1006 angefangen, jährlich 120 Millionen für die Herstellung von mindestens zwei Schlachtschiffen und einer angemessenen Anzahl von Torpedo- und Unterseebooten aufgcwendet werden. Auf diese Weise würde Frankreich 1917 mindestens 24 Schlacht schiffe neuester Bauart, außer den neun Schiffen des jetzt geltenden Bauplanes vom Jahre 1900, und etwa 200 neue Torpedoboote nebst 100 Unterseebooten haben. Der Marineminister sagte aber noch ausdrücklich, das; er sich durch diesen neuesten Flottenplan nicht unbedingt für zwölf Jahre gebunden fühle, die Forderungen stellen nur das Minimum dar. Jedes Jahr soll deshalb nur der Bedarf für das folgende Jahr bewilligt, jedes Jahr nur für die auf das Jahr entfallenden Schiffe der Kiel gelegt werden. Macht eine europäische Seemacht erhöhte Anstrengungen, wird auch Frankreich mehr Schiffe bauen, als durch den neuen Flottenbauplan in Aussicht genommen sind. Detmold. Die Entgegnungsschriften der Rechtsvertreter dec Biesterfclder Linie auf den ersten Schriftsatz des Rechts vertreters der Linie Schaumburg-Lippe sind dem letztge nannten Herrn und dem Schiedsgericht zu Leipzig vor ungefähr acht Tagen zugestellt worden. Infolge Be schlusses des Schiedsgerichts hat nunmehr wiederum die schaumburg-lippische Seite eine Frist zur Einreichung der Replik bis zum 10. April d. I. Über den Inhalt der bisher ausgetauschten Schriftsätze wird von beiden Seiten Stillschweigen beobachtet. Ungarn. Angesichts des Empfanges Tiszas beim Kaiser gewinnen die von Franz Kossuth in der „Zeit" veröffentlichten Erklärungen an Bedeutung. Kossuths Ant wort auf die Frage: Was nug in Ungarn kommen wird? lautet: Das Chaos! Dann sagt er: Man hätte sicherlich Ordnung schaffen und Frieden stiften können, denn alle Vorbedingungen hierzu waren vorhanden: sämtliche Mittel und auch die loyale Absicht dazu. Doch hat es den An schein, das; unsere Verfassung die Feuerprobe nicht bestehen kann. Die koalierte Opposition befindet sich in einer an sehnlichen Majorität. Ihr Programm ist vollkommen ver- fassungsmäßig, es enthält keinen antidynastischen Teil, ent hält absolut nichts, was mit dem Buchstaben oder mit dem Geiste der jetzt bestehenden Gesetze in Widerspruch stehen würde. Die Regierung würde keine aus der Un abhängigkeitspartei hervorgegangene, sondern eine Negie rung der koalierten Parteien sein. Aber Se. Majestät akzeptiert das Programm der Majorität nicht; von der Majorität des ungarischen Abgeordnetenhauses darf nian auf moralischer Grundlage nicht fordern, daß sie mit einem anderen, als niit ihrem eigenen Programm eine Regie rung bilde. Die Situation in Ungarn ist zur Stunde die, das; infolge eines königlichen Vetos eine Regierung nicht werden kann. Es wird insolange auch keine Indemnität, kein Budget und keine Rekruten geben, bis der Monarch sich dazu entschließt, die Majorität aufzufordern, auf der Basis ihres eigenen Programms eine Regierung zu bilden. Petersburg, 1. März. Heute ist General Stössel mit seiner Frau hier eingetroffen und auf dem Bahnhöfe vom Kriegsministcr und dem Chef des Eeneralstabes emp fangen worden. Der Frau des Generals Stössel wurden von Petersburger Damen des Port-Arthur-Komitees Blumen überreicht. Stössel begab sich, von Hurra begrüßt, nach dem Paradezimmer, wo General Bogdanowitsch eine An sprache an ihn richtete, worin er darauf Hindles, daß der General ein durch Mißerfolge auf dem Kriegsschauplätze und durch Wirren im Innern gedrücktes Rußland wieder sehe. Stössel sprach in seiner Erwiderung die Überzeugung aus, daß die Wirren nicht von den Russen, sondern von den Japanern heroorgerufen seien, die die russischen Stellungen auch auf dem Kriegsschauplätze mit Proklama tionen überschütteten. Süchetun, 1. März. Das Artillericgefecht dehnt sich über die ganze Front in einer Länge von 120 Werst aus. Die im Osten stehende Abteilung bei Kudiaza warf die Japaner zurück. Die Japaner wurden aus dem Tunsiliailin- paß in die Gegend des Kutulinpasses zurückgeworfen, wo sich ein Jnfanteriekampf entspann. Die Gegend beim Putilowhügel wurde mit clfzölligen Geschützen beschossen. Die russischen Batterien erwiderten das Feuer. An der Schahobrücke ist ein erbitterter Kampf im Gange. Der in der Nähe befindliche kleine Wald ging in die Hände der Japaner über, die ihn endgültig besetzten. Es geht das Gerücht, daß eine auf die äußerste rechte russische Flanke im Marsche auf den Liahofluß befindliche japanische Divi sion in Kalama angekomnien sei. Die Verluste sind nicht bedeutend, weil die Angriffe von wenig zahlreichen Truppen ausgefühlt worden sind. Ostasien. Die Japaner errangen am 27. Februar einen bemerkenswerten Sieg über General Rcnnenkampf, wichtig besonders wegen des gewonnenen strategischen Vorteils. Der Kampf fand in einer gebirgigen Gegend statt, 30 bis 45 Meilen östlich von Jentai. Die In fanterie Kurokis entfaltete wiederum bemerkenswerte Eigen schaften im Kampfe im gebirgigen Terrain und zeigte ihre Überlegenheit über die russische Kavallerie. Die Stellungen des japanischen rechten Flügels für den Winter befinden sich bei Pensiho und dehnen sich von dort den Schaho entlang und westlich den Taitseho entlang aus. Bei der gestrigen Bewegung schwenkte eine Truppenabtei lung, welche an den Pensiho vorgeschoben worden war, nach Nordosten herum und trieb die Russen vor sich her, dann hielt sie die starken Linien besetzt, eilte nach Süd westen und Nordosten, bedrohte den russischen linken Flügel und nahm teilweise Stellungen im Osten von Taitseho ein. Rennenkampf befehligte l'/r Divisionen Kosaken, 2 Divisionen Infanterie und 1 Abteilung Scharf schützen. Das Haupttreffen fand nordöstlich von Tsinchen- chen statt, wo die Russen hartnäckig ihre verschanzten Stellungen verteidigten.