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Tie jetzige Verfassung unserer sozial politischen Gesetzgebung kann auf die Länge nicht so weiter bestehen. Wir haben «inen Koloh aufgebaut, dem die feste Grundlage fehlt, einen „Koloh aus tönernen Füßen". Mit diesen Worten hat Staatssekretär des Innern Gras von Posadowsky den Stand unserer Sozialreform treffend gezeichnet. Unser Reichsversicherungsamt wird mit immer neuen Aufgaben belastet und kann die alten nicht bewältigen; ein Unter bau, aus den diese Zentralbehörde sich stützen könnte, fehlt. Die Unfall-, Alters- und Invalidenversicherung bilden ja eine von einander unabhängige Gesellschaft, die miteinander oft kollidieren. Simulation und Betrug nehmen unter den Rentenberechtigten in erschreckender Weise zu, ein Drittel oller Krankengelder wird an Leute gezahlt, die nicht eigent lich krank sind. Das Gemeinvermögen der Invaliden versicherung wird infolge der dadurch bis ins ungemessene gesteigerten Renten in drei Jahren verbraucht sein. In so deutlicher Weise sind die wahrhaft erschreckenden Mißstände unseres Versicherungswesens von autoritativer Seite noch niemals dargestellt worden wie hier durch den „Führer der sozialpolitischen Lokomotive", der den sozial- reformerischen Drängern noch immer nicht schnell genug fährt. Es ist bezeichnend, dah die erwähnten Mihstände durch Zustimmung auf allen Seiten des Reichstages — olso auch von dessen „wahrhaft sozial gerichteten" Parteien und Gruppen — anerkannt worden sind. Dah aber daraus der richtige Schluh gezogen werden würde, kann leider nicht erwartet werden; denn ungeachtet des Not schreies des Herrn Grafen v. Posadowsky fährt die Reichs tagsmehrheit fort, dem Koloh auf tönernen Fühen Lasten ouf Lasten aufzubürden. Dabei ist der Herr Staatssekretär noch gar nicht einmal auf die politischen Mihstände unserer „jetzigen Verfassung der sozialpolitischen Gesetzgebung" ein gegangen; diese sind aber noch weit schlimmer und ver hängnisvoller als die finanziellen. Der Staatssekretär des Innern hat die Schaffung eines gemeinsamen sozialpolitischen Unterbaues für unsere Arbeiterversicherung und deren Verschmelzung in eine ein heitliche Organisation als eine unbedingte Notwendigkeit hingestellt. Im Prinzip scheinen alle Parteien damit ein verstanden zu sein; denn lebhafter Beifall von allen Seiten des Hauses folgte dieser Kundgebung. Wenn aber Herr Graf v. Posadowsky den Wunsch aussprach, der Reichstag falle eine solche Gesetzesvorlage, ohne auf die Einzelheiten «inzugehen, en bloc annehmen und etwaige Verbesse rungen der Zukunft überlassen, so dürste dieser Wunsch auf Erfüllung kaum rechnen können. Zunächst wird man sich die Vorlage ansehen und sie sehr genau gerade in den Einzelheiten prüfen müssen, ehe man zu einem solchen Politisch auherordentlich wichtigen Organisationswerke Ja rind Amen zu sagen vermag. Die Frage ist aber noch: Sollen die jetzigen schreien den Mihstände bestehen bleiben, bis die grohe Organi- fationsvorlage ausgearbeitet sein wird? Sollen inzwischen immer noch neue Ausdehnungen der Versicherungsgesetz gebung auf weitere Kreise (Heimarbeiter, Landbevölkerung usw.) vorgenommen werden? Soll vorher die Witwen- und Waisen-Versicherung ins Leben treten und gar die Arbeitslosen-Versicherung in Aussicht gestellt werden? Das könnte man bei der jetzigen, vom Herrn Grafen von Posa dowsky so grell beleuchteten Verfassung unserer sozial politischen Gesetzgebung doch wahrlich nicht verantworten. Di« Reform der Unfall- und der Invalidenversicherung ist vorgenommen worden, nun muh die der Krankenver sicherung in Angrisf genommen werden; erst dann ist es .möglich, «in grohes Organisationsgesetz zu schaffen, und nbahn- : schätzt ht auf Seiten apaner ch von rur die übrig ¬ en Er- on vor hervor- grohe Flügel Rücken mchalt- cteidig- ssischen g vom rm be- 1904 erfolgt »elingt, !t fast torden t, dah nd ge- , dah >n ver- röglich wächst ^pers ischen, uppen n der e hier Vor- nicht russi- rfgabe u ver- trophe rschall g ge- früh, -rfolgt erst dadurch wird die Herstellung dieses umfassenden Werkes überhaupt ermöglicht. Wir haben mit aufrichtiger Genugtuung gesehen, dah Herr Graf von Posadowsky namentlich die Mihstände auf dem Gebiete des Krankenkassenwesens — wenn auch nur die sittlichen und finanziellen und nicht auch die politischen — vollauf würdigt; aber der einzige Schluh, den er daraus gezogen hat: die verschiedenen Versicherungsarten in eine einheitliche Organisation zu verschmelzen, — sieht etwas nach Vertröstung auf bessere Zeiten aus. Wir hätten gewünscht, schreibt die „Konservative Korrespondenz", daß der Herr Staatssekretär den näherliegenden Schluh daraus gezogen hätte: die Reform des Krankenkassenwesens ist dringend und darf keinesfalls auf die lange Bank ge schoben werden. Insbesondere gebietet es die Wicht der Staatserhaltung, dah dem in den Krankenkassen ausge übten sozialdemokratischen Parteiterrorismus ungesäumt ein Ende gemacht werde. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde, l l. März. Heute vormittag wurde im Rathaus hier die diesjährige ordentliche Generalver sammlung des Vorschuß Vereins für Dippoldiswalde und Umgegend unter Vorsitz des Direktors derselben, Herrn Bürgermeister Voigt, abgehalten. Nach erfolgter Richtig - sprechung der geprüften Jahresrechnung auf das Jahr 1903 erstattete Herr Kassierer Lincke den Geschäftsbericht auf das Jahr 1904. Derselbe ist mit einer Aktiva von 37 l 733 Mk. 38 Pfg. und einer Passiva von 366 629 Mk. 88 Pfg. abgeschlossen und sonach in demselben ein Rein gewinn von 5103 Mk. 50 Pfg. erziel! worden, dessen Verwendung die Generalversammlung nach Abzug der Tantiemen und der dem Reservefonds zuzuweisenden 5 o/o zur Verteilung einer 7 o/oigen Dividende auf 54 752 Mk. dividendeberechtigte Geschäftsanteile vorschlagsgemäh ge nehmigte. Das Gesamtvermögen betrug am Schlüsse des Berichtsjahres 94342 Mk. 48 Pfg. Das statutengemäß ausscheidende Mitglied des Vorstands, Herr N. Lincke, wurde wiedergewählt, nicht minder die ebenfalls aus scheidenden Mitglieder des Aufsichtsrates, die Herrn Schorn steinfegermeister Ebert, Baumeister Klotz hier und Vorwerks besitzer Zimmer, Elend, während die Ergänzungswahl für den infolge Ablebens ausgeschiedenen Herrn Stadtkassierer a. D. Könitzer auf Herrn Schuhmachermeister Linse hier siel. — Die diesjährigen Frühjahrskontrollversamm- lungen im Meldeamtsbezirk Dippoldiswalde für Dispo sitions-Urlauber, Reservisten, Landwehrleute 1. Aufgebots, Ersatz-Reservisten und für die zur Disposition der Ersatz behörden Entlassenen finden wie folgt statt: Sonnabend und Montag, den 1. und 3. April, 7 und 10 Uhr vorm., in Dippoldiswalde, Restaurant „Reichskrone"; Dienstag, den 4. April, 8 und 11 Uhr vor»!., in Frauenstein, Gasthof „zum Stern"; Mittwoch, den 5. April, 9 Uhr vorm. und 12 Uhr mittags, in Kreischa, Blasches Eta blissement; Donnerstag, den 6. April, 8 >5 und 11 Uhr vorm , in Glashütte, Gasthof „Stadt Dresden"; Freitag, den 7. April, 9 Uhr vorm. und 12 Uhr mittags, in Lauenstein, „Schützenhaus"; Sonnabend, den 8. April 83o vorm. in Kipsdorf, Hotel „zur Teilkoppe", und 2 Uhr nachm. in Schmiedeberg, Gasthof. Näheres ist ersichtlich, auf den seitens der Ortsbehörden an geeigneten Stellen zur allgemeinen Kenntnis gebrachten gedruckten Bekannt machungen des Meldeamts Dippoldiswalde. Wegen vor zunehmenden Fußmessungen und Vereidigungen kann eine. Befreiung von den Kontrollversammlnngen nur in den allerdringendsten Fällen stattfinden. — Am Freitag nachmittag stürzte aus dem über dem Hauptportal befindlichen Teile des hiesigen Kirchturmes ein ziemlich großer Stein herab, und fiel in der Nähe eines Kindes nieder, glücklicherweise ohne dasselbe irgend» wie zu beschädigen. — Am 9. dss. Mts. ist infolge Kurzschlusses in der elektrischen Lichtleitung nachmittags zwischen 6 und 7 Uhr im Hause des Kaufmanns Becher am Obertorplatz ein Stubenbrand entstanden, der, wenn er nicht sofort wahrgenommen und noch im Entstehen unterdrückt worden wäre, leicht eine größere Ausbreitung gewinnen konnte. Der Brand wurde dadurch begünstigt, daß die Leitung noch in Holzleisten verlegt war, wie dies bei verschiedenen älteren Beleuchtungsanlagen in hiesiger Stadt noch der Fall sein dürfte, obgleich dies nach den jetzt bestehenden Bestimmungen gar nicht mehr zulässig ist. Namentlich müssen die in der Nähe von leicht brennbaren Gegenständen (Gardinen usw.) befindlichen Leitungen in Metallröhren verlegt werden. — Am 10. März abends wurde auch in der Saal stube des Gasthofs „zum Stern" hier noch rechtzeitig ein Brand entdeckt und im Entstehen unterdrückt. Vermutlich durch dem Ofen entfallene glühende Kohlen war ein soge nannter Dielenläufer in Brand geraten, der sich bereits der Diele mitgeleilt hatte, aber, wie erwähnt, noch recht zeitig wahrgenommen und gelöscht worden ist. — 12. März. Heute nachmittag in der 2. Stunde entstand in der sogenannten Heide, unweit des Bormann- schen Gutes in Obermalter, ein Waldbrand, der einen nicht unbedeutenden Schaden angerichtet haben soll. Man vermutet, daß das Feuer durch spielende Kinder verursacht worden ist. Feuerwehren sind nicht in Tätigkeit getreten, die Löschung erfolgte vielmehr durch herbeigeeilte Malterer Einwohner. Schmiedeberg. 88 Kinder (Elementaristen) sind bis jetzt für nächste Ostern zur Aufnahme in die hiesige Volksschule angemeldet worden. Diese Zahl wird sich voraussichtlich noch erhöhen, da am 1. April wieder eine ganze Anzahl neugebauter Wohnungen bezogen werden sollen. In der Zeit vom 1. Oktober 1904 bis jetzt hat sich die Schulkinderzahl durch Zuzug von auswärts um 62 vermehrt. Es erfolgt daher mit Beginn des neuen Schuljahres die Anstellung eines sechsten Lehrers, und von diesem Zeitpunkte an wird das Schulgebäude, dem im vorigen Herbste 2 Schulzimmer angebaut worden sind, wieder vollbesetzt sein. Ein abermaliger An- bez. Neubau von Unterrichtsräumen dürfte demnach nahe beoorstehen Kreischa. Nach mehreren Jahren Ruhe wurde am Donnerstag abend gegen 10 Uhr die Bewohnerschaft von Kreischa und Lungkwitz wieder einmal durch Feuer alarm erschreckt. Infolge Selbstentzündung nach einer am Nachmittag vorgcnommenen Kalklöschung brach auf dem auf Lungk witzer Flur gelegenen Bauplätze des Bau meisters Herrn Händel hier ein Schadenfeuer aus, welches in kurzer Zeit gewaltige Dimensionen annahm. Durch reichliche Nahrung von Holz, Dachpappe und Teer unter stützt, hatte sich dasselbe bald auf eine große Fläche ver breitet, so daß dem verheerenden Elemente in wenigen Stunden viele Baumaterialien im Gesamtwerte von etwa 14000 M. zum Opfer fielen. Der Schaden dürste jedoch durch Versicherung gedeckt sein. Nach Eintreffen der Feuer- wehren (Lungkwitz, Kreischa, Quohren und Wittgensdorf, letztere kam nicht in Tätigkeit) konnte aber dem Brande bald Einhalt getan werden, so daß noch vieles wertvolle Holz gerettet werden konnte. In großer Gefahr befanden sich die nächst dem Zimmerplatze stehenden Häuser. (B.v.W. Glashütte. Als Krankenkassenkassierer der hiesigen städtischen Krankenkasse wurde an Stelle des ver storbenen Kämmerer Pietzsch Herr Bildhauer Earl Wahl gewählt. Derselbe hat sein Amt angetreten. Der Gemeindeälteste, Herr Schieferdeckermeister Julius Emil Ehregott Heerklotz in Reichstädt ist als stellvertretender Standesbeamter für den zusammengesetzten Standesamtsbezirk Reichstädt bestellt und in Pflicht genommen worden. Dippoldiswalde, am 9. März 1905. Königliche Amtshauptmannschaft. Nr. 209 V. vr. Mehnert. Sch. Die Firma A. Lange L Sohne in Glashütte beabsichtigt eine allmählige Höher legung bez. Verlegung ihres auf dem Flurstücke 460 des Flurbuchs für Glashütte gelegenen Mühlgrabens vom Wehre ab nach Maßgabe der auf dem Bürgermeisteramte zu Glas hütte zu etwaiger Einsichtnahme niedergelegten Zeichnung und Beschreibung vorzunehmen. In Gemäßheit § 17 der Reichsgewerbeordnung wird dies zugleich unter Auf hebung der Bekanntmachung vom 19. Juli 1904 — 715 — mit der Aufforderung hier ¬ durch bekannt gemacht, etwaige Einwendungen hiergegen, bei deren Verlust binnen 14 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, allhier anzubringen. Dippoldiswalde, am 13. März 1905. Königliche Amtshauptmannschaft. 121 ä. vr. Mehnert. Holzversteigerung auf Wendischcarsdorfer Staatsforstrevier (Dippoldiswaldaer Heide). Gasthof zur Heidemühle in Wendischcarsdorf. Montag, den 20. März 1905, vorm. 10 Ahr: 161 birkene und 390 w. Stämme, 15 h. u. 1223 w. Klötzer, 8816 w. Derb- und 17060 w. Reisstangen, 146,5 rm w. Nutzknüppel, 1 rm h. u. I3,s rm w. Brenn scheite, 16,5 rm h. u. 234,5 rm w. Brennknüppel, I7;5 rm w. Zacken, 13,5 rm h. u. 365,5 rm w. Äste; Abt. 33, 34, 38, 41, 48, 49, 53, 6! u. 69. Kgl. Forstrevierverwaltung Wendischcarsdorf und Kgl. Forstrentaml Tharandt, Merz. am 9. März 1905. Morgenstern. Anzeiger für Dippoldiswalde «nd Umgegend für die Königliche Umtshauxtmannschast, das Königliche Amtsgericht und den Ktadlrat zu Mppoldiswalde. Verantwortlicher Redakteur: Paul Irhne. — Druck und Verlag von Carl Jehne in Dippoldiswalde Mit achtseMge« „Illustrierten llnterhaltungsblatt".Mit land- und hauswirtschaftlicher »o««t,.Beilage. mal: Dienstag, Donners- -ag und Sonnabend und Preis vlerteIMrua>rA. 25 Pfg-, zweimonatlich Ä4 Pfg-, einmonatlich 42 Ma. Einzelne Nummern 50 Pfg. — Alle Postan- Halten, Postboten, sowie Unsere Austräger nehmen Bestellungen an. Jnlerate, welche bet des bedeutenden Auslage de» Blattes -ine sehr wirk same Verdrehung findet^ werden mit 12 P^g., soH, aus unserer Amtshaupt mannschaft mit 10 Pfg. di« Spaltzeile oder deren Raum berechnet. — Ta- bellarische und kompli zierte Inserate mit ent sprechendem Aufschlag. — Eingesandt, im redaktio nellen Teile, die Spalten zelle 20 Pfg. 71. Jahrgang. Dienstag, den 14. März 1905. Nr. 30.