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sich der erst 14 Jahre alte junge Mann vor dem königl. Schwurgericht zu verantworten. Das Urteil war ein recht überraschendes: er wurde freigesprochen, da eine ärztliche Untersuchung seines Geisteszustandes ergeben hat, daß Rudolph nicht zurechnungsfähig ist. Er wurde sofort aus der Haft entlassen. Meerane, 15. Juli. Dem Krankenhaus zugeführt wurde heute mittag der gestern vom Schwurgericht zu Zwickau wegen geistiger Störung freigesprochene und auf freien Fuß gesetzte Wirtschaftsgehilfe Rudolph, der wegen mehrfacher Brandstiftung angeklagt war. Es geschah diese Maßnahme von seiten der Polizei, um das Publikum zu beruhigen. Rudolph wird demnächst in einer Heilanstalt untergebracht werden. Werdau. Renoviert wird die hiesige Stadt kirche Die Gottesdienste finden deshalb bis auf weiteres in der Turnhalle der 2. Schule und in der Parentationshalle statt. Werdau. Wegen fahrlässiger Tötung verurteilte das Landgericht Zwickau die Schlossersehesrau Böhme hier zu 2 Monaten Gefängnis, weil durch das Umkippen eines Topfes mit heißem Kaffee ein ihr zur Aufsicht über lassenes 2 Jahre altes Kind überschüttet, verbrüht und ge tötet worden ist. Plauen i. V. Bös verrechnet hat sich ein hiesiger Jurist, der bei der letzten Reichstagswahl als Agitator für das Ordnungs-Kartell tätig war. Der schneidige Po litiker war nämlich «ine Wette eingegangen, wonach er für jede Stimme, die der Kandidat der freisinnigen Volks partei Fabrikant Arnold von Schwarze in Plauen über 3000 hinaus erhalte, eine Flasche Sekt geben wollte Nach dem Ergebnis der Reichstagswahl hat der Aermste um nahezu 4000 Flaschen Sekt verloren! Reichenbach. Eine große elektrische Ueberland- Zentrale für das Vogtland plante, wie schon früher mit geteilt, die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin; sie hatte deshalb Umfragen an die vogttändischen Orte und ihre Industriellen wegen ihres eventuellen Bedarfs an Kraft und Licht erlassen. Die Umfragen sind so wenig befriedigend ausgefallen, daß man den Plan einer vogt ländischen Ueberland-Zenlrale als gescheitert ansehen muß. Schuld daran ist vor allem die Tatsache, daß zahlreiche Orte und Industrielle auch im Vogtlande bereits eigene Elektrizitätswerke und elektrische Lichtanlagen haben. Da jedoch Reichenbach selbst noch kein Elektrizitätswerk besitzt, so will die obige Gesellschaft nun mit Reichenbach allein in Unterhandlungen wegen Schaffung eines hiesigen Elek trizitätswerkes treten. Zittau, 14. Juli. Das Zittauer Schulfest, das seit' seiner Gründung im Jahre 1807 alle drei Jahre stattfindet, wurde heute bei prächtigem Wetter zum 13. Male gefeiert. Es nahmen daran über 4000 Schulkinder der höheren Mädchenschule, der drei Bürgerschulen und der katholischen Bürgerschule teil. Das Fest bestand in einem imposanten Festzuge nach dem Weinaupark, wo unter Leitung der Lehrer Spiele stattfandrn und die Kinder bewirtet wurden. Die 11000 Mark betragenden Kosten werden aus der Kommissionsrat Grohmannschen Stiftung bestritten. Tagesgeschtchte. — Aus dem Magdalenenstift in Teltow entsprangen infolge gewaltsamer Auflehnung zwanzig dort in Zwangs erziehung befindliche Mädchen. Italien. Ungeachtet des verhältnismäßig beruhigen den Zustandes des Papstes werden die Vorbereitungs arbeiten zum Konklave eifrig fortgesetzt. Aus der Six tinischen Kapelle werden bereits alle Tribünen fortgeschafst; hier wird das Konklave seine Plenarsitzungen halten. Rampolla räumt seine Wohnung in der Staatskanzlei und siedelt von dort in die Wohnung des Erzpriesters von Sankt Peter über, die er vor 1888 innehatte. Mit dem Tode des Papstes tritt an die Stelle des Staats sekretärs der Kardinal-Camerlengo. — Ueber die Zeremonien, die bei dem Tode und Begräbnis des Papstes stattsinden, erhält man genaue Auskunft aus dem kürzlich bei Bachem in Köln er schienenen Buche von vr. Hermann I. Wurm „Die Papst wahl, ihre Geschichte und Gebräuche". Wir geben nach der „Post" das Wichtigste daraus wieder: 24 Stunden nach dem erfolgten Tode muß die Einbalsamierung der Leiche beendet sein. Die edlen Teile werden heraus genommen und in einer Marmorurne verschlossen. Die einbalsamierte Leiche wird mit den gewöhnlichen Ge wändern bekleidet: weißer Soutane, gleichartigem Cingu- lum (Gürtel), Mozetta (einem purpurnem, mit weißem Hermelin besetzten Kragen), rotem Camauro (einer bis über die Ohren herabreichenden gewölbten Mütze) und roten Schuhen. Dann wird die Leiche in einem Vor zimmer ausgestellt; die zwölf Pönitentiare von Sankt Peter beten abwechselnd das Totenoffizium. Das Volk wird zugelassen. Am Abend des zweiten Tages wird die Leiche in die Sixtinische Kapelle übergeführt. Hier wird sie mit den gesamten päpstlichen Gewändern wie zur Messe bekleidet und mit der goldgestickten Mitra versehen. Die Pönitentiare und Schweizergardisten hallen die Wache. Jedoch nur eine Nacht bleibt die Leiche hier. Am folgen den Morgen finden sich die Kanoniker von St. Peter ein, um sie zu übernehmen. Nachdem der Dechant der Kapitels sie mit Weihwasser besprengt hat, wird die Bahre von den Kaplänen von St. Peter unter Borantritt des übrigen Klerus dieser Kirche nach dem Dom gebracht und hier in der Sakramentskapelle so ausgestellt, daß die Füße durch das Gitter herausstehen. Drei Tage lang haben nun die Gläubigen Gelegenheit, durch den Fußkuß dem verstorbenen Pontifex die letzt« Huldigung zu erweisen. Am Abend des dritten Tages der Ausstellung in St. Peter wird der Leichnam in Gegenwart der Kardinäle in die Chorkapelle der Peterskirche übertragen. Nachdem er ein gesegnet ist, wird er in vollem päpstlichen Ornat in einen Sarg von Zypressenholz gelegt. Der Majordomus legt drei Beutel hinzu mit ebensoviel Gold-, Silber- und Kupfermünzen, wie der Verstorbene Jahre regiert hat, und der erste der von ihm ernannten Kardinäle (wenn er noch lebt) in einer Metallkapsel eine Pergamentrolle, welche die wichtigsten Daten seines Lebens und seines Pontifikats enthält. Gesicht und Hände werden in ein Tuch gehüllt, der ganze Körper mit einem roten Schleier und der auf dem Paradebett ausgebreitet gewesenen roten Decke bedeckt. Nach einen. Gebet wird der Sarg ver schlossen, versiegelt, in einen zweiten aus Blei gesetzt, dieser ebenfalls versiegelt und mit einer Inschrift versehen, die *AI,tten, Lebens- und Negierungsdauer, sowie Todestag des Heimgegangenen angibt. Beide Särge kommen in einen dritten von Eichenholz. Ueber die Einsargung wird durch den Kanzler des Kapitels von St. Peter ein Pro tokoll ausgenommen. Die vorläufige Beisetzung findet im Petersdom statt. Ueber der Tür, die zur Sängertribüne rechts neben der Chorkapelle führt, befindet sich der soge nannte loculus, eine Art Sarkophag; der Sarg wird hinaufgewunden, hineingeschoben und die Vorderseite mit einer den Namen des Verstorbenen tragenden Marmor platte geschlossen. Erst nach Jahresfrist darf die Ueber- führung in das eigentliche Grabmonument erfolgen, das unterdessen von den durch ihn ernannten Kardinälen wie von seinen Verwandten in der von ihm bestimmten Kirche errichtet worden ist. An den folgenden neun Tagen finden in St. Peter feierliche Seelenämter statt. Budapest. Durch den gefaßten Beschluß der Bara basfraktion, die Obstruktion gegen die Regierung fortzu setzen, ist die Stellung des Kabinetts Khuen-Hedervary schwierig geworden. Es steht wahrscheinlich eine neue Ministerkrisis bevor. Triest. Der Ausbruch der Pest in Kiew hat die Regierung zu strengsten Schutzmaßregeln für sämtliche österreichisch-ungarische Häfen veranlaßt.