Volltext Seite (XML)
PeUM W Weißech Mbm-. M. 72. Sonnabend, den 28. Juni 1902. 68. Jahrgang. i > ....I». . ——M -- -- - Ei————-iii^.77^——^^ n- > «M« ^«S^.sSWWWMS^SWM Sächsisches. — Die neuen Postkarten und Kartenbriefe sind bereits wieder veraltet. Seit einigen Tagen haben sie eine Abänderung dahin erfahren, daß das Wörtchen „An" nicht wie bisher aus der ersten Adressenlinie, vielmehr ein wenig über derselben angebracht ist. Auch sind die beiden Adressenlinien kürzer und enger zusammengedrängt. — Das Testament König Alberts ist am Dienstag eröffnet worden. In demselben vermacht der hohe Ver ewigte der Königin 2/4 seines Privatvermögens einschließ lich der königlichen Schlösser. Weiter setzt das Testament einen Gesammtbetrag von 500000 Mark zu zahlreichen Legaten an die Dienerschaft des hochseligen Königs und an die königlichen Hofbeamten aus. — König Georg ist seit 400 Jahren der erste Regent in Sachsen, der wieder den Namen Georg trägt. Sein Vorgänger mit dem gleichen Namen war Kurfürst Georg der Bärtige (1500—1539), der das Dresdner Nesidenz- schloß in seiner ursprünglichen Gestalt erbaute. — Ein eigenes Geschick zeigt das Haus der Wettiner, seit sie Könige von Sachsen geworden sind: Die Erbfolge vom Vater auf den Sohn hat nur umschichtig mit der von Bruder auf Bruder stattgefunden. Schon der erste König Friedrich August 1. starb kinderlos, während sein Bruder König Anton die Krone dem Sohne Friedrich August II. hinter lassen konnte,- diesem aber folgte wieder der jüngere Bruder König Johann, der Vater König Alberts und unseres jetzigen Königs Georg. — Am Montag Nachmittag wurde an der Sophien- kirche in Dresden ein Postkartenhändler dabei betroffen, wie er einen Posten Karten, die noch von der Trauerfeier anläßlich des Todes Kaiser Wilhelms I. herrührten, an den Mann zu bringen versuchte. In dem großen Menschen gewühle schien das Geschäft des Händlers ganz gut zu blühen, bis ihm schließlich ein Polizist ein Ende machte. — In der Südoorstadt Leipzigs wohnte ein Schuhmacher mit seiner Wirthschafterin, die einen unehe lichen Säugling von ihm besaß, und einem zehnjährigen Knaben ans seiner ersten Ehe zusammen. Der Mann war sehr jähzornig, trank ost viel und fügte sich nur widerwillig der städtischen Kontrolle, welche für die gute Verpflegung des Säuglings sorgen mußte, was auch da durch erfolgte. Als eine Aufsichtsdame der städtischen Kinderpflege zufällig im Bcgrisf war, wieder die Familie zu besuchen, stürzte ihr aus der Straße die Frau entgegen und bat um Hilfe, da sie der Mann gemißhandelt habe. Kurz nachher kam der Knabe gerannt, am Kopfe blutend, der Vater verlange, sie solle sofort zurückkehren. Die Auf sichtsdame duldete dies nicht, sondern ging mit ihnen nach der nächsten Polizeiwache und zeigte an, daß der Nater nach dem Knaben mit einem Schustermesser und einer schweren Zange geworfen habe, wodurch die verschiedenen Verletzungen entstanden waren. Ueberall an dem Knaben zeigten sich entzündete Stellen von Züchtigungen. Die Polizei ging sofort in die Wohnung, der Mann öffnete nicht, obwohl man seine Schritte hören konnte. Als ge waltsam der Eingang erzwungen war, hatte er sich er hängt. In den Ecken fand man mit Petroleum getränkte Gegenstände. Es ist anzunehmen, daß der Mann seine Drohung wahr machen wollte, die ganze Familie zu tödten, wenn die Frau mit dem Knaben zurückgekehrt wäre. Der Knabe wurde im Waisenhause untergebracht, nachdem er vom städtischen Ziehkinderarzte untersucht worden war. — Schwere Verletzungen der rechten Hand erlitt das sechsjährige Söhnchen des Tischlermeisters Hänsel in Le üben bei Lommatzsch beim Spielen an einer im Betriebe be findlichen Handdreschmaschine. Als der 13 Jahre alte Bruder des verunglückten Kindes die zerfleischte Hand desselben sah, wurde er ohnmächtig, fiel mit den, Hinter kopfe auf einen Stein und erlitt eine Gehirnerschütterung. — In Aue wurde der 16jährige Sohn des Glaser meisters Mehlhorn durch ein von der Zirkelsäge abspringen des Stück Holz so unglücklich getroffen, daß er bald her nach verstarb. — Beim Füttern des Rindviehes wurde in Forst wolfersdorf die bejahrte Frau Lätzsch von einem jungen Stier mit den Hörnern aufgespießt und über eine Kuh hinweggeschleudert, wobei der Frau der Leib aufgeschlitzt wurde. — In Bautzen wurde in der Mädchenkammer der dortigen Molkerei die 26 Jahre alte ledige Milchver- käuserin Hartmann todt aufgefunden. Wie die ange stellten Erörterungen ergeben haben, hat sich die Hart mann mittels Phosphors von Streichhölzern aus Liebes gram vergiftet. -- In Chemnitz sprang eine 32 jährige Tischlers- Ehefrau in selbstmörderischer Absicht in den Schloßteich und nahm hierbei ihre zwei Kinder im Alter von >/4 und 2 Jahren mit in das Walser. Die Lebensmüde wurde jedoch von hinzueilenden Gondelfahrern sofort wieder mit ihren Kindern lebend an das Land gebracht. — Die Ehefrau des am 14. Mai in dem bekannten Mordprozesse zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilten Süd- sruchthändlers Jäger aus Oybin bei Zittau stürzte sich am Sonntag Abend in die Neiße, wurde aber von nach Grottau zum Tanze gehenden Mädchen noch lebend her ausgeholt. — In Plauen i. V. stürzte ein 1 Zjähriger Geschirr führer von seinem eigenen Geschirr. Die rechten Räder gingen ihm über den Leib und drückten ihm den Hinteren Theil des Brustkorbes ein, so daß er infolge innerer Blu tungen sofort verstarb. — Vor dem Landgericht Chemnitz hatte sich der 1889 in Limbach geborene Schulknabe Hiller zu verant worten, der in seiner krankhaften Schwärmerei für die Buren zum Dieb wurde. Durch Jndianergeschichten und andere phantasievolle Lektüre war in dem Jungen eine Sucht nach Abenteuern lebendig geworden, die ihn am 26. Februar von dein Elternhause forttrieb und veran laßte, sich mit 30 Pfg Reisegeld (!) auf den Weg nach Afrika zu machen. Nach zwei Tagen wurde er aufge griffen und zurückgebracht. Als aber der Lenz ins Land zog, hielt es den Burschen nicht mehr, er verließ seine Kühe und verschwand aufs Neue. Aber auch diesmal fehlte es ihm an Geld, und so kam er am nächsten Tage zurück, schlich sich in die Kammer des Gutsbesitzers H. und stahl dort aus einer Kommode 160 Mk. Um aber auf der Reise repräsentabel auftreten zu können, stahl er dem Sohne des Gutsbesitzers noch Vorhemd mit Kragen und Manschetten, sowie einen Spazierstock. In diesem sonderbaren Aufzuge — die Wäsche war ihm viel zu weit und der Stock zu groß — kam der Knabe nach Chemnitz, kaufte sich dort eine Uhr mit Kette und als Reiselektüre einen Räuber-Roman und wollte nun den Vernichtungszug gegen die Engländer beginnen. Es kam aber nicht soweit, der kleine Gernegroß erregte auf dem Bahnhofe Aufsehen und wurde schließlich festgenommen. Als Strafe erhielt er einen Monat Eefängniß. — Tödtlich verunglückt ist im Ortstheile Chrieschwitz zu Plauen i. V. der 49 Jahre alte Zimmermann H. Der Verunglückte war auf einer Scheune mit dem Aus- bessern des Schindeldaches beschäftigt und ist dabei vom Dache abgestürzt. Er erlitt eine starke Gehirnerschütterung und ist im Krankenhause gestorben. H. hinterläßt eine Wittwe und drei Kinder. Am Montag ist in Plauen i. V. der Führer eines mit Sand beladenen Wagens eines dortigen Speditionsgeschäftes bei der Annäherung eines elektrischen Wagens von dem Sitze auf seinem Wagen heruntergefallen, und so unglücklich überfahren worden, daß er sofort todt war. Der Verunglückte ist etwa 30 Jahre alt. — In Oschatz stürzte ein Dienstmädchen beim Fensterputzen aus dem ersten Stock herab und verletzte sich sehr schwer. — Der sächsische Jnnungsverband wird am 13. und 14. Juli in Zittau seinen XV. Verbandstag abhalten. — Das jüngste der von der verehelichten Skiba in Dresden durch Schüsse in den Kopf verwundeten Kinder ist gestorben. — Im Forstschachte bei Zwickau verunglückten durch hereinbrechende Gesteinsmassen 3 Bergleute, davon 2 tödtlich. — Ani 25. Juni war ein Jahr vergangen seit dem Zusammenbruche der Leipziger Bank. — Ein falsches Zweimarkstück (Jahreszahl 1877, Prägezeichen ^) ist in Marienthal angehalten worden. — Durch die Kette eines Fahrrades wurde in Zschorlau einem 12 jähr. Knaben, der barfuß auf den Trittbolzen getreten war, die große Zehe eines Fußes ab gerissen. — Am Dienstag während der Johannisfeier auf dem Friedhöfe traf ein kalter Blitzstrahl den Kirchthurm in Zwönitz und richtete verschiedenen Schaden an. — Infolge eines Sturzes vom Rade erlitt der Post direktor Theile in Mittweida einen doppelten Beinbruch. — Sich selbst bestohlen hat der Uhrmacher und Schmucksachenhändler Weichler in Plauen. Er meldete kürzlich bei ver Polizei an, daß ihm 59 Uhren und eine große Anzahl Broschen, Ringe rc. gestohlen worden seien. Alle Recherchen blieben erfolglos. Später machte er sich derartig verdächtig, daß er verhaftet wurde. Vorher hatte er einen Selbstmord versucht. — Infolge Blutvergiftung, welche durch einen In sektenstich im Gesicht verursacht worden war, ist in Nein- Hardtsdorf bei Zittau die Ehefrau eines Schneider meisters gestorben. Dresden. In Wiesbaden, wo er zur Kur weilte, ist unerwartet der Geh. Medizinalrath vr. Siedamgrotzky, Professor an der hiesigen Thierärztlichen Hochschule, im 62. Lebensjahre gestorben. Deuben. Die Kirchengemeinde Deuben mit Nieder- häslich hat auf ihre»,, auf Vergeshöhe gelegenen Fried- Hofe eine Vegräbnißkapelle errichtet, die, von stattlicher Form und mit modernem Sargaufzuge versehen, unter Sachsens Landgemeinden einzig dastehen dürste. Der im vorigen Jahre begonnene Neubau hat den Zweck, als Parentations- und Friedhofskapelle zu dienen und wird in künftigen Zeiten nur jährlich einmal, am Tage Johannis — den 24. Juni, am Blumenfesttage der Friedhöfe — einem allgemeinen Predigtgottesdienste geöffnet sein. Roßwei». Im nahen Etzdorf ward am Sonntag ein 81 jähriger Wirthschaftsauszügler begraben, welcher an demselben Monatstage (23. April) wie König Albert geboren war (nur 1821, nicht 1828) und an demselben Tage, dem 19. Juni, wie unser unvergeßlicher König, starb. Annaberg. Lin wagehalsiger Bubenstreich ist hier in der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag verübt worden. Ein Unbekannter ist unter dein Schutze der Dunkelheit auf das Ziegeldach eines nach Buchholz gehörigen, noch im Bau begriffenen, 5 Stockwerk hohen Hauses gestiegen und hat dortselbst eine offenbar niedrigem Hasse entsprungene, verhöhnende Inschrift angebracht, die im Laufe des Vor mittags wieder beseitigt wurde. Oberschöna. Ein Radfahrer aus Chemnitz stürzte infolge Ausgleitens des Rades auf der aufgeweichten Straße in den Straßengraben und verstarb an den erhaltenen inneren Verletzungen. Glauchau. Steinbruchbesitzer Lochmüller hier sank vom Schlage gekosten todt vom Rade, und ein Zwickauer Radler stürzte mit dem Rade, in das ihm ein Knabe ge laufen war. Der Nadler erlitt dabei lebensgefährliche Ver letzungen. Crimmitschau. Seit 55 Jahren bezieht Frau Nagel schmied Georgi aus Ronneburg den Jahrmarkt im nahen Blankenhain. An dem kürzlich abgehaltenen letzten Markt wurde ihr von der Rittergutsherrschaft fernerhin Abgabe freiheit zugesichert und ihr ein Geldgeschenk überreicht. Tagesgeschichte. — Zum neuen Präsidenten des preußischen Oberver waltungsgerichtes ist gutem Vernehmen nach Ministerial direktor Peters im Ministerium des Innern ernannt worden. — Durch einen Erlaß des Reichskanzlers sind die Gewerbeaufsichtsbeamten beauftragt worden, für das laufende Jahr einen Sonderbericht über die wegen Zuwiderhand lungen gegen die Arbeiterschutzbestimmungen der Reichs gewerbeordnung erfolgten Bestrafungen zu erstatten. — Der Unfall, den Graf Haeseler erlitten hat, wird schwere Verwicklungen nicht nach sich ziehen. Die Heilung verläuft dank der guten Natur des Patienten normal. Der Generalarzt l)r. Herzer stellt baldige Heilung in Aussicht. Das Pferd des Generals war auf dem schlüpf rigen, durch den Regen völlig aufgeweichten Boden aus gerutscht, wodurch der General, der im übrigen ein sehr gewandter Reiter trotz seines hohen Alters ist, zu Fall gekommen war. — Im Ruhrkohlenrevier hat die Zahl der Feier schichten wegen Absatzmangels kürzlich wieder etwas ver mehrt werden müssen. Auch haben die Lagerbestände an Kohlen wieder etwas zugenommen. Das sind beredte Zeugnisse von dem schleichenden Geschäftsgänge in unserem wirthschaftlichen Leben. Oesterreich-Ungarn. Die zwischen Oesterreich und Ungarn spielenden zoll- und handelspolitischen Schwierig keiten, in deren Hintergrund die Ausgleichsfrage steht, treiben gebieterisch einer Lösung zu, gleichviel, in welchem Sinne sie auch erfolgen möge. Die ungarische Regierung wurde amtlich von der österreichischen Negierung tn Kenntniß gesetzt, daß letztere die Handelsverträge mit dem Auslande zu kündigen beabsichtige, was eine Entscheidung Ungarns über die Fortdauer seiner Zollgemeinschaft mit Oesterreich oder aber eine Trennung nothwendig macht. — Im Wiener Gemeinderath widmete der Ober bürgermeister, im mährischen Landtage der Landeshaupt mann dem verewigten König Albert einen ehrenden Nachruf. — Nach den Berichten des galizischen Landes- schulrathes für das Jahr 1900/1901 waren in diesem Jahre 285908 Kinder im schulpflichtigen Alter, die nicht die Schule besuchten. An 319 Schulen konnte wegen Mangels an Schulgebäuden oder an Lehrern nicht unter richtet werden. 1113 Lehrer ertheilten Unterricht, ohne die erforderlichen Prüfungen abgelegt zu haben. NiederschlagsverhSltnisse der 50 Flußgebiete Sachsens in der 2. Dekade des Juni 1902. — Flußgebiet V s UZ UZ normal ZI 8 Flußgebiet UZ rz UZ ! normal KZ 8 Elsterthal, n. 44 25 -s-19 Zwodau — 36 — „ IN. 54 28 -26 Elbthal 48 25 >23 58 31 --27 Döllnitz 40 25 — -15 Parthe 45 25 --20 Jahna 44 25 -19 Schnauder — 26 — Lommatzscher W. — 26 Pleiße, ohne W. u.E. 44 26 -s-,8 Triebisch 49 27 - 22 Wyhra uud Eula 45 26 -s-19 Verein.Weißeritz — 26 — Gölßsch 90 30 >60 Wilde 68 31 - 37 Vereinigte Mulden 39 25 >14 Rothe „ 96 30 - -66 Zwick. Mulde, n. Thal 45 27 >18 Lockwitzbach 65 28 - -37 ,, m. „ 55 29 >26 Müglitz 88 30 — -58 " „ 0. „ 84 33 >51 Gottleuba 69 30 - 39 Freib. Mulde, n. Thal 5b! 26 >30 Biela 65 29 - -36 „ „ 0. „ 63! 32 >31 Prießnitz 67 26 s-4l Zschopau 52 28 >24 Wesnitz Polenz 65 28 - 37 Flöha Pockau 69 33 >36 51 29 -22 67 34 >33 Sebnitz 41 29 -12 Zschopau mit Sehma 57 32 >25 Lirnitzsch 72 28 - 44 Preßnitz u. Pöhlbach Chemnitz 60 34 28 >32 Nöder Pulsnitz 44 25 4726 >9 1-21 Würschnitz u. Zwönitz W 31 >29 Schwarze Elster 55!26 29 Lungwitz 51 >28 >23 Spree 58j27 31 Schwarzwasser 69 34 >35 Löbauer Wasser — 26 — Striegis 56 29 >27 Maudau 60 29 - -31 Bobritzsch 58 30 >28 Neiße 68 27 >41 Anmerkung: Ein Strich bedeutet: „nicht beobachtet" eine Null: „kein meßbarer Niederschlag", ein Punkt: „überhaupt kein Niederschlag".