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Ma-e Mr Wcherih Mmg. Dienstag, den 13. Mai 1902. Nr. 53. 68. Jahrgang. Sächsisches. — Der Bericht der zweiten Deputation der Ersten Kommer über die wegen Erbauung von Eisenbahnen nsw. eingegangenen Petitionen ist jetzt erschienen. Die Anträge der Deputation decken sich allenthalben mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer. — Die Staatseisenbahnverwaltung hat jetzt die be- theiligten Dienststellen angewiesen, mit dem 15. Mai dieses Jahres die Erwärmung der Personenwagen einzu stellen. Die Winterfußdecken werden ebenfalls vom gleichen Zeitpunkte ab aus den Eisenbahn-Personenwagen entfernt werden. — Auf den Werken des sächsischen Kohlen syndikats soll gegen Ende des Monats eine erhebliche Förderein- schrüntüng erfolgen, die mit umfangreichen Arbeiter- entlassungen Hand in Hand gehen würde. Im allgemeinen überwiegen also* doch die Klagen dieser Industrie, wenn auch die Nuhrkohlen-Zechenbesitzer davon nichts wissen wolle». Stetzsch. In einer vom hiesigen Gemeinderathe am vergangenen Mittwoch einberufenen öffentlichen Versamm lung gelaugte ein auf 290000 Mk. veranschlagtes Re- schleusungsprojekt für unsere Gemeindesluren zur Durch- berathung. Die in Frage kommende Schleusenlänge be trägt 5075 m. Die Schleuse ist mit einem Absperrschieber geplant, um bei Hochwasser der Elbe einer Ueberfluthung zu begegnen. Der Eemeinderath wird das Beschleusungs- projekt, welches von der königlichen Amtshauptmannschaft Dresden-Altstadt bedingungsweise genehmigt worden ist, erwägen und demnächst darüber beschließen. Die zu be schleusende Gesammtfläche umfaßt 601/2 ka. Königshain. Jedes Jahr am Sonntag nach dem 3. Mai wird allhier Nachmittags 2 Uhr unter sehr zahl reicher Betheilignng der Gemeinde die sogenannte Brand oder Feuer-Prozession abgehalten. Dieser Gebrauch beruht auf einem Gelübniß unserer Vorfahren: Am 3. Mai 1825 schlug nämlich während eines ungewöhnlich heftigen Gewitters der Blitz in das ehemals Niedelsche, jetzt Hübncrsche Gutsgehöft, zündete, und sowohl dieses Kut, als auch das benachbarte Gartennahrungsgebäude brannten gänzlich nieder. Die ganz nahe gelegene, da mals mit Schindeln gedeckte Kirche war in äußerster Ge fahr, blieb aber doch von der Feuersbrunst verschont. Zum Dank dafür findet nun alljährlich die Prozession statt, die sich von der Kirche aus die Nobnauer Straße hinauf, die Mittelstraße entlang, durch „Andersbauers Hos" bis wieder zur Kirche bewegt. Ein feierliches De cleum schließt die ganze Andacht. Heuer ereignete sich nun während der Prozession ein erschütternder Fall: An derselben betheiligte sich auch die Ehefrau des Gutsaus- züglers Franz Nönsch, Frau Juliane Rönsch geb. Heidrich, eine rüstige, 62 Jahre alte Person. Kaum war der Zug aus dem Dorfe heraus, da befiel die Frau ein heftiges Unwohlsein, sie blieb zurück, sank nach wenigen Schritten zusammen und Hinzueilende fanden sie sterbend am Wege liegen. Ein Herzschlag hatte ihrem Leben ein ungeahnt rasches Ziel gesetzt. Stadt Wehlen. In der letzten Stadtgemeinderaths- sitzung gelangte ein Gegenstand zur Verhandlung, der von der steuerzahlenden Bürgerschaft mit Eenugthuung begrüßt werden wird. Es wurde nämlich beschlossen, nachdem verschiedene Ausgabeposten Einschränkungen erfahren hatten, den Anlagenbedarf der Stadt für das Jahr 1002 in 13 >/2 facher Höhe des einfachen Steuersatzes zu erheben. In den beiden Vorjahren wurde der 14 fache, in den früheren Jahren der 15- und 16 fache Satz erhoben. Bei der jetzigen verdienstlosen Zeit, in der alle Erwerbsthätig- keii stockt, wird auch geringe Steuerermäßigung willkommen geheißen werden. Döbeln. An Stelle des zum Bürgermeister aufge rückten Stadtrathes I)r. Lehmann wurde am Mittwoch Abend vom hiesigen Stadtverordneten-Kollegium der Ober stadtschreiber Hotop in Zittau einstimmig zum juristischen Stadtrath und stellvertretenden Bürgermeister gewählt. Derselbe ist 1874 in Geising geboren, war Referendar in Oelsnitz, 1809/1000 amtlicher Landtags-Berichterstatter des Dresdner Journals, dann Staatsanwaltschafts-Assessor am Landgericht Leipzig bis zum Sonimer 1000. Königsbrück. Wie gefährlich eine Füchsin als Mutter für die Jagd werden kann, geht daraus hervor, daß bei einem am l. Mai stattgefundenen Fuchsgraben auf Laußnitzer Staatsfarstrevier bei Königsbrück aus einem Baue außer der alten Föhe mit vier jungen Füchsen nicht weniger als 23 junge Kaninchen und Hasen, die größten- theils noch ganz frisch und unversehrt waren, mit zu Tage gefördert wurden. Zschopau. Mit dem umfangreichen Um- und Er weiterungsbau des hiesigen königlichen Seminars ist nun begonnen worden. Zunächst hat man die Erd bewegungsarbeiten in Angriff genommen. Bekanntlich hat der Landtag für den fraglichen Bau, der die Errichtung eines neuen Hauses, eines Verbindungsganges nach dem selben, Umbau des jetzigen Hauptgebäudes u. s. w. um fassen wird, circa 250000 Mk. bewilligt. Augustusburg. Hiesige Vermiether von Sommer frischler-Wohnungen sind, wie das „Augustusburger- Wochenblatt" berichtet, nach ausführlicher Aussprache darin übereingekommen, ihre Wohnungen an Schwindsüchtige nicht zu vermiethen. Dieser Beschluß liegt sowohl im Interesse der übrigen Erholung suchenden Sommergäste wie des ganzen Luftkurortes Augustusburg. Es wurde besonders darauf hingewiesen, daß für Lungenschwind süchtige eine Anzahl Heil- und Pflegeanstalten eristiren, in denen die Kranken unter steter Aufsicht und Pflege besser ausgehoben sind, als hier, wo sie doch zuweilen, besonders bei ungünstiger, kalter Witterung, ihre Leiden verschlimmern anstatt bessern würden. Auerbach i. V. Wegen Zusatz von Meat- Präservensalz zum Hackfleisch sind 5 hiesige Fleischer mit Geldstrafen von 80 Mk., einer von 100 Mk. belegt worden. Olbernhau. Hier sind Bestrebungen im Gange, ein dauerndes Alterthumsmuseum in unserer Stadt zu errichten. Weiter ist die Errichtung einer Herberge zur Heimath ge plant und sind für letzteren Zweck seitens hiesiger Korpo rationen bereits ansehnliche Beträge gezeichnet worden. Elsterberg. Im Auftrage des königl. Ministeriums des Innern weilte vor Kurzem zur Besichtigung der Ruine Elsterberg Herr Hofrath Gurlitt aus Dresden hier. Dieser Besuch macht in hiesigen Kreisen die Hoffnung rege, daß vom königlichen Ministerium zur Erhaltung des alten Schlosses eine Unterstützung ge währt werde. Eine im Westen der Ruine gelegene Mauer, welche dem Einstürze nahe war, ist auf Kosten des hiesigen Gebirgsvereins in diesen Tagen untermauert worden. Außersächsische, aber auch linksliberale und sozial demokratische sächsische Blätter können sich jetzt, so oft von der Finanzlage Sachsens die Rede ist, nicht genug darin thun, die Situation grau in grau zu malen. Es ist des halb nur mit Freude zu begrüßen, daß das konservative „Vaterland" in einem Artikel, in dem es in der bereits von uns veröffentlichten Weise die Nachtheile, die ein Eintritt Sachsens in die preußisch-hessische Eisenbahngemein- tchaft bringen würde, nachweist, zugleich eine Uebersicht über unsere Finanzlage giebt. Das Staatsvermögen Sachsens bezifferte sich im An fänge der Finanzperiode 1808/1809 auf 1346319 257 Mark 49 Pf., denen Staats- und Finanzhauptkassenschulden in Höhe von 754 164950 Mk. gegenüberstanden. Das reine Staatsvermögen betrug also damals 592 154307 Mk. 49 Pfg. Während der Finanzperiode 1898,1899 sind vem Vermögen zugewachsen 156789876 Mk. 12 Pf., während die Passiven eine Vermehrung um 136670859 Mark 21 Pf. erfahren haben. Es hat also das reine Staats vermögen in dieser Finanzperiode um 20110016 Mark 91 Pf. sich gehoben, so daß dasselbe am Schlüsse der erwähnten Periode auf 612 264324 Mk. 40 Pf. sich be zifferte. Wenn im Laufe der Finanzperiode 1900/1901 die Rentenanleihe um >10 Millionen vermehrt worden ist, so sind um den entsprechenden Betrag doch auch Werthe geschaffen worden, die das Staatsvermögen beträchtlich erhöhen. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die Er höhung des letzteren um 110 Millionen annimmt. Das reine Staatsvermögen Sachsens wird sich danach gegen wärtig auf mindestens 600 Millionen stellen. Es ist des halb keinerlei berechtigter Grund vorhanden, die Finanz lage Sachsens als ungünstig hinzustellen. Im Vergleich zu der Lage der übrigen deutschen Staaten befindet unser Staat sich unter denjenigen, die geordneter lind günstiger Verhältnisse sich erfreuen. Daß diese Lage sich für Sachsen verschlechtern sollte, dafür sind keinerlei Anzeichen vor handen. Es ist deshalb eine durchaus ungerechtfertigte Schwarzmalerei, wenn die Dinge anders und ungünstiger dargestellt werden. Allerdings kann nicht verkannt werden, daß die Staatsausgaben gegen früher erheblich gewachsen sind. Die Ursache liegt aber in dem steten Fortschreiten der kulturellen Entwickelung und der immerwährenden Zu nahme der Bevölkerung. In dieser Beziehung sei nur daran erinnert, daß die jährlichen Ausgaben des Staates zu den Alterszulagen der Volksschullehrer gegenwärtig «rüf 2 212000 Mark sich belaufen und daß diese Aus gaben naturgemäß jährlich steigen. Ferner kommt hinzu, daß die Verzinsung und Amortisation der ver- Auf der anderen Seite kommt in Betracht, daß die Erträgnisse aus dem in den Eisenbahnen des Landes an gelegten großen Vermögen erheblich gegen früher sich gemindert haben. Während das in den Eisenbahnen an gelegte Kapital in den Jahren 1890 bis 1897 mit 4,972, 4,716, 4,270, 4,521, 4,282, 4,515, 5,070 bezw. 4,643 Prozent sich verzinste, ist die Verzinsung in den nächsten beiden Jahren auf 4,075 bezw. 3,702 Prozent gesunken, und die eingetretene Depression in unseren wirthschaftlichen Verhältnissen macht eine weitere Abnahme dieser Erträg nisse wahrscheinlich. Es ist daher kein Wunder, wenn unter diesen nur kurz angedeuteten Umständen die Ansprüche an die Steuer kraft des Landes wachsen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Wie in den Osterferien, sollen auch zu Pfingsten wieder zwei Klassenzimmer der Stadtschule mit neuen größeren Fenstern versehen werden, während sodann in den Sommerferien sämmtliche noch übrigen sieben Zimmer an die Reihe kommen sollen. Die Mehrzufuhr an Licht ist durch die neue Verbesserung eine ganz wesentliche, da durch Beseitigung des oberen Vogens in der Mauer zunächst 40 cm höher und auch durch Ab schlägen der Wände dem Lichte mehr Zugang ermöglicht wird. Zugleich ist damit auch eine sehr einfache, aber wie bis jetzt beobachtet werden konnte, recht praktische Ventilation geschaffen worden, indem der obere Theil des Fensters aufgeklappt werden kann, im Osenkasten unter halb der Feuerung aber eine verschließbare Oeffnung an gebracht wurde. Durch den so zu erzielenden Gegenzug reinigt sich die Luft im Zimmer merklich und bald — Nachdem von Fr. verw. Biedermann, wie von einem hiesigen Bürger, der ungenannt bleiben will, nicht minder auch letztwillig von Frl. Marie Lincke die nöthigen Beträge gestiftet worden sind, wird es möglich sein, die noch übrigen 2 Fenster des Altarplatzes unserer Stadt kirche mit den noch fehlenden Glasgemälden zu versehen. — Geschäftsbericht des Vorschußvereins für Dippoldis walde und Umg. (e. G. m. b. H.) für Monat April cr. Einnahme: 50 Mk. Geschäftsantheile, 15 106 Mk. Spar einlagen, 24880 Mk. Darlehne, 103 Mk. Kouponzinsen, 18859 Mk. zurückgezahlte Vorschüsse, 410 Mk. Provision, 1533 Mk. Zinsen. — Ausgabe: 14 389 Mk. Vorschüsse, 46535 Mk. zurückgezahlte Spareinlagen, 32 Mk. 16 Pf. Zinsen, 918 Mk. zurückgezahlte Stammeinlage, 36 Mk. Unkosten. — Die Platten der Ziehungsliste der Landeslotterie sind bis heute Vormittag nicht eingetroffen und können wir sie erst in nächster Nummer veröffentlichen. — Eine Ueberraschung im wahren Sinne des Wortes wurde einigen Bergkraxlern zu theil, die im Felsengebiete Felsenkammer geriethen. Dieselbe war aber nicht leer, sondern wies einen Bewohner auf und zwar einen statt lichen Hirsch. Als dieser des ungewohnten Besuches an sichtig wurde, sprang er auf und, da die Kammer nur einen Ausweg besitzt, mußte er, um ins Freie zu gelangen, an den Bergsteigern vorüber. Ehe diese zur Besinnung kamen, lagen zwei von ihnen am Boden, die anderen klebten an den Wänden — der Hirsch hatte sich gewalt sam Platz geschafft und war dabei etwas zu ungestüm zu Werke gegangen. Nur langsam erholte man sich von dem allgemeinen Schrecken. — Das Gesuch um Ermäßigung der Fracht auf Musterkoffer für reisende Kaufleute auf 50 Prozent ist jetzt auch von der sächsischen Staatsregierung abgelehnt worden. Reinhardtsgrimma. Am vorigen Sonntag, Abends 8 Uhr, landete der Luftschiffer Herr Eastwirth Beckert aus Dresden mit seinem Ballon glücklich auf hiesiger Flur. Er war vorher H48 Uhr in Freiberg aufgestiegen und hatte dem nach die Entfernung bis hierher in 2/4 Stunden zurückgelegt. Der Ballon sei durch drei Wolkenschichten hindurch gedrungen, deren unterste mit Eisnadeln erfüllt gewesen sei, deswegen habe der Mann so empfindlich an Kälte gelitten, daß er fast kein Glied zu rühren vermocht habe. Mindestens 1000 Meter habe sich der Ballon noch über die oberste Wolkcnschicht erhoben und damit eine Gesammt- höhe von etwa 3000 Meter erreicht. Herr Beckert, der an diesem Tage seine 22. Fahrt vollbrachte, ist übrigens ein beredter Zeuge dafür, zu welch „schwindelnder Höhe" es in kurzer Zeit ein Mensch durch Strebsamkeit bringen kann — er hat früher vier Jahre bei zwei Gutsbesitzern hier gedient. Frauenstein. Seiten des hiesigen Erzgebirgs-Vereins wird eine Petition zur Unterschrift aufgelegt, um die Generaldirektion der Staatsbahnen zu bitten, die früheren vier Züge in jeder Richtung auf der Klingenberg— Frauensteiner Bahn, die bekanntlich im Sommerfahrplan auf 3 herabgesetzt wurden, wieder verkehren zu lassen. — Der Petition ist ein guter Erfolg zu wünschen. Bischofswerda. Donnerstag, den 15. Mai d. I., wird die neuerbaute vollspurige Nebenbahn Bischofs werda—Elstra mit den Verkchrsstcllen Schönbrunn, Burkau und Rauschwitz erösfnet. Sie wird mit der bereits be stehenden Strecke Elstra -Kamenz zusammen als eine einheitliche Strecke Bischofswerda—Kamenz betrieben und von drei Personenzügcn in jeder Richtung täglich befahren werden. Bischofswerda. Ein frecher Spitzbube stattete vorige Woche in Wölkau einen Besuch ab; in einem Hause kleidete er sich neu und nahm mit, was ihm begehrens- werth schien, und trotzdem er ganz nngenirt laut die