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greifen", läßt er sich angeblich aus Versailles schreiben, „in welcher Stimmung die Assemblee sich trennte. Ich sprecht nicht von den Feinden des Gouvernements — sie triumphirten — sondern von Henen, denen das öffentliche Wohl am Herzen liegt, ^ie bedauerten auf richtig, zu sehen, daß der Mann, welcher dem V-ter- lande so glänzende Dienste geleistet hat, sich unfähig zeigt, die modernen Ideen und Nothwendigkeiten (Frei handel und allgemeine Dienstpflicht) zu begreifen; sie waren erstaunt, in dieser langen Rede nicht ein Wort moralischer Ermuthigung, nicht ein Wort zu Gunsten des Lolksunterrichts zu finden; sie fragten sich, wohin der Conflict zwischen den Staatsgewalten auslaufen würde, wenn Thiers zu alle» Parteien, deren Verblen dung und Hartnäckigkeit er selbst beklagt, eine neue fügte, die, welche aus ihm allein besteht mit seinen ab soluten Ansichten und seinem parlamentarischen Des potismus." — Auch der „Soir" wirft Thiers in militärischen und cvmmerzicUen Dingen veraltete Ideen vor und meint, daß, nachdem er einst alle Welt zu- friedengestellt, er nun das Mißtrauen der Majorität und die Unruhe der Kinken erregt habe. — Die „ Constitution" findet, Thiers habe zu viel von der Vergangenheit und zu wenig von der Ankunft gesprochen. „Nicht ein Wort", sagt dieses Blatt, „wurde von jenen Fragen gesagt, welche die öffentliche Mei nung beschästigen, von der Rückkehr nach Paris, vsn der theilweisen Erneuerung der Nationalversammlung, von constitutionellen Reformen u. s. w. Alle diese Sachen kennt die Regierung nicht oder kümmert sich nicht um sie." — Das Journal „La Presse" schreibt: „Dem Präsidenten der Republik hat es beliebt, sich kleiu zu machen und hinter dem delegirten Verwalter zu verschwinden. Aber das ist nur eine Haltung und keine Politik. Der Tag ist nicht entfernt, an welchem die Assemblee und die Regierung gezwungen sein wer den, sich «uszusprechen und das gemeinschaftliche Ter rain aufzusuchen, auf welchem ihre Action sich zeigen muß, um endlich das Heil des Landes vorzubereiten." — Die konservativen Organe „Patrie", „France" und „Moniteur universel" nehmen zwar von der Erklärung Thiers', daß er nur der getreue Diener der Majorität sei, beifällig Act, scheinen aber zunächst thatsächliche Be weise dieser Unterwerfung abzuwarten. Die lcgitimistiiche „Gazette de France" nennt die Botschaft ein „Ge- ichäftsexposv auf amerikanische Art" und beglückwünscht den Präsidenten dazu, daß er die constitutionellen Fra gen nicht berührt hat, sagt jedoch zum Schlüsse: „Wa rum hat aber gegm Ende dieses Exposes Thiers ge glaubt, sich gegen die Parteien erhitzen zu müssen? Frankreich ist vernünftig; die Parteien sind es nicht." — Das Organ Gambetta's, die „Republiquefran- ^aise", hat mit dem Präsidenten der Republik gänz lich gebrochen; es erklärt u. A.: „Die Aufregung, die Enttäuschung des Landes ist außerordentlich. Wir ha ben den Präsidenten der Republik durch zwei Stunden gesehen seine Autorität, seine Würde vor Männern herabzusetzen, welche die Feinde der Republik sind, und welche die Erklärungen Desjenigen, der Frankreich re- präsentirt, mit Murren, hrrabwürdigcnden Unterbrech ungen und Hohn aufnahmen. DaS Land erwartete viel, ja beinahe sein Heil von Thiers. Die Zahl Der jenigen war groß, ja es war die Majorität des Lan des, welche in diesem, durch die Ereignisse bekehrten Eonservativen den Mann zu finden meinte, der dauer hafte republikanische Institutionen gründen und insbe sondere der wahnsinnigen Reaction und den aus den Frbruarwahlen geschöpften drohenden Leidenschaften der Kammer widerstehen sollte... Der Schleier, der die Ge fahren unsers Zutrauens zu Thiers verbarg, ist nun zerrissen. Die Botschaft hat den Voreingenommensten die Augen geöffnet. Kann die Linke auch noch ferner den Diensten Thiers' einen Werth beimessen, der von ihm entwickelten Politik kann sie nicht einen Moment, auch nur stillschweigend, zustimmen. Lie Linke hat so eben eine große Enttäuschung erfahren, sie muß den Muth haben, dies ThicrS und dem Lanoe zu erklären. Sie würde nichts dabei gewinnen, ihre Mißstimmung zu verhehlen oder Hoffnungen zu heucheln, die sie nicht mehr hegen kann. Die Simulation würde die Natur der Dinge in nichts ändern; und selbst wenn sie ein scheinbares Einvcrständniß um einige Tage verlängern könnte, würde dasselbe nicht an unvermeidlichen Klippen scheitern? Würde diese Frist nicht auf Unkosten des Landes gewonnen sein?" — Die clericalen Blätter sind von der Platonischen Liebe Thiers' zur Kirche wenig erbaut, die Bonapartistischen über seine Angriffe auf die Kaiserzcit höchlich erbittert. Cngl.^schichte. Dresden, 13. December. Bei Ihren königlichen Majestäten hat heute Nachmittag 4 Uhr Diner stattgefunden, zu welchem die am hiesigen königlichen Hofe beglaubigten Herren Gesandten und Geschäfts träger, der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Staatsminister Frhr. v. Friesen und mehrere distin- guirte Fremde geladen waren. bei mußte der berühmte Geschichtschreiber Tacitus noth wendig etwas herabgedrückt werden, und kein sachkun diger Leser wird in der gründlichen und maßvollen Dar stellung des Hamburger Philologen mit demselben grol len, daß er den Tacitus unbeschadet seiner auch von ihm anerkannten großen Vorzüge als einen in den Tra ditionen der römischen Aristokratie in gutem Glauben befangenen Partcischriftstellrr betrachtet; während Ti berius nicht etwa als Musterregiment verherrlicht aber doch vielfach in ein besseres Licht gerückt wird. Herr Adolph Stahr ist als ein geistreicher Schriftsteller von philologischer Bildung (er war lange Zeit Gymnasial lehrer) bekannt, der sein Talent, seine freie Auffassung, seine vielseitigen Kenntnisse, seit geraumer Zeit als Tourist, als Literarhistoriker, als scharfer uud elegan ter Kritiker in den weiten Kreisen der Gebildeten durch eine reiche Production verdienstlich verwerthet hat. Zn den letzten Zähren hat er sich der römischen Kaiserge schichte zugewendet und es sich zur Aufgabe gemacht, die berüchtigten Frauen dieser Epoche und den Tiberius zn verherrlichen. Gegen solche Essays lätzt sich nicht viel einwenden. Sie machen durch ihren pikanten Zn- Halt in gewissen Kreisen Aufsehen, werben aber bald vergessen und die ernste Wissenschaft braucht solche Li teratur nicht zu brachten. Etwas Anderes aber ist es, wenn Stahr mit einer Uedersetzung und Erläute rung des Tacitus hervortritt. Von dieser wird die wissenschaftliche Kritik wenigstens Notiz nehmen, aber freilich nach kurzer Prüfung vas Buch dem unausbleib lichen Schicksal der oben envähnten Essays überlassen. Der Verfasser jagt selbst, daß die Uedersetzung Sic- Dresden, l3. December. Zur Feier des Ge burtsfestes Sr. Majestät deS Königs fand bei Sr. Excellenz dem Staatsminister v. Fabrice gestern Abend eine Soiree statt, welche Zhre königlichen Ho heiten der Kronprinz und die Frau Kronprinzessin und Prinz und Frau Prinzessin Georg mit Ihrer Gegenwart beehrten. Zn dem ebenso glänzenden wie zahlreichen, durch eine» reichen Damenflor sich auszeichnenden Kreise der Theilvehmer befanden sich Ihre Durchlauchten der Fürst Otto und die Prinzen Georg und Ernst v. Schön burg-Waldenburg und Se. Erlaucht Graf Heinrich v. Schönburg-Hinterglauchau nebst ihren Frauen Ge mahlinnen rcsp. Tochter, Ihre Durchlauchten Prinz Reuß Heinrich IV. und Prinz Günther von Schwarz- burg, das gesammte diplomatische Corps, die Staats minister, die Directorien und viele Mitglieder der beiden Kammern, sowie die höchsten Hof-, Staats - und Militärbeamten, Vertreter des Raths und der Stadtverordneten, der Geistlichkeit, der Institute für Kunst und Wissenschaft, des Lehrerstandcs und viele distinguirte Fremde. Die höchsten Herrschaften ver ließen die Soiröe gegen ll Uhr. Dresden, 13. December. Zn der heutigen Sitzung der II. Kammer fand, in Gegenwart der Staats minister v. Nostitz-Wallwitz und Abeken, des Geh. Raths Körner und geh. Regierungsraths v. Mangoldt, die Vorberathung über den vom Präsidenten Or. Schaffrath ringebrachten Gesetzentwurf, einige Abänderungen der Gesittdcordnung vom 10. Zanuar 1835 betr. statt. Stach einer längern Debatte, an welcher die Abgg. Kä serstein, Walter, vr. Pfeiffer, Ludwig, Uhlemann, Oehmichen, Klopfer, T)r. Wigard, Köckert, Günther, Fahnauer, Barth (Stenn), v. Oehlschlägel, Körner, Schmidt, Philipp, Mannsfeld und l)n. Meischner, zum Theil wiederholt sich betheiligten, wurde folgender An trag des Abg. l)r. Pfeiffer angenommen: „Die Hobe Staatsregierung zu ersuchen, daß dieselbe die Gesindeordnung von 1835 einer Revision unterziehe und demgemäß sobald als möglich der Kammer einen Gesetzentwurf vorlege und dabei auch den Antrag des Präsidenten lB. Schaffrath soweit thunlich in Berück sichtigung ziehe." Atte andern Anträge, namentlich auch der vom Abg. I)r. Wigard gestellte auf Aufhebung der Gesindevrdnung, wurden abgelehnt. Von Seiten der Staatsregierung wurde das Wort nicht ergriffen. Da der Antragsteller Präsident IB-. Schaffrath durch Un wohlsein vom Erscheinen in der Kammer abgchalten worden war, leitete Viccpräsidcnt Streit die Verhand lungen. Nächste Sitzung Freitag: Dircctorialvortrag über die Neuwahlen. * Berlin, 12. December. Wie der „N.-A." mel det, hat die Jury zur Entscheidung bei der Concur- renz für den Entwurf zu einem hierselbst zu errichten den Parlamentsgebäude für den deutschen Reichs tag sich nach den stattgefundcnen Wahlen nunmehr con- stituirt. Es gehören zu derselben: 1) als Mitglieder des Bundesrathcs: der königlich preußische Oberbau- dircctor Weishaupt, der königlich bayersche außerordent liche Gesandte und bevollmächtigte Minister Freiherr Pergler v. Perglas, der großherzoglich mecklenburgische Staatsminister v. Bülow, der hanseatische Ministerresi- dcnt Or. Krüger; 2) als Mitglieder des Reichstages: der Appellationsgerichtspräsident Ur. Simson, der Rit tergutsbesitzer v. Denzin, der Erblandmarschall Graf zu Münster (Hannover), der Freiherr Nordeck zur Ra benau, der Appellationsgerichtsrath 1)r. Reichensperger (Crefeld), der Buchhändler Duncker, der Rezierungs- und Baurath a. D. v. Unruh (Magedcburg), der Se nator Römer (Hildesheim); 3) als Architekten: der geh. Negierungsrath Hitzig und der Professor Lucae zu Berlin, der Professor Semper zur Zeit zu Wien, der Professor Neuräthcr zu München, der Obcr- baurath Professor Schmidt zu Wien, der Baurath Statz zu Köln; 4) als Bildhauer: der Professor Drake zu Berlin. — Zn der heutigen Sitzung des Abgeordne tenhauses berichtet zunächst der Abg. v. Benda als Referent der Budgetcommijsion über den Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des Staatsschatzes. 8 5 der Vorlage beantragte er in folgender, von dem Regie- rungscommissar acccptirter Fassung anzunchmen: „Alle Einnahmen, welche in Gemäßheit der bisherigen Bestimmungen dem Staatsschatz zuzuführen waren, flicken fortan den allgemeinen Staatsfonds zu und sind, soweit über dieselben nicht als Deckungsmittel im Staatshaushalt des betreffenden JahreS oder anderweitig unter Zustimmung der beiden Häuser des Landtags verfügt wird, zur Tilgung von Staatsschulden zu verwenden und an die Staatsschul dentilgungskaffe abzusühren." Mit dieser Modifikation genehmigte das Haus ohne Debatte die Vorlage und beschloß sodann, den Gesetz entwurf, betreffend die Steuerreformen, einer besondern Commission von 21 Mitgliedern, den Entwurf, betref fend die Ueberweisung von Geldmitteln an den com- munalständischcn Verband des Regierungsbezirks Wies baden, dagegen der Vudgetcommisfion zu überweisen. — Hierauf wurde die Generaldiscussion über den Staats- hauehaltetat für 1872 wieder ausgenommen. Abg. Or. Virchow constatirte mit Befriedigung den wohlthuenden Eindruck, den die Vorlagen des Finauzministers durch bensache sei, nur „möglichste Richtigkeit und Lesbar keit" bezwecke und dem Leser Schritt für Schritt den Maßstab zur Beurtheilung der Anmerkungen geben solle. In diesen Anmerkungen schildert nun aber Stahr den Tacitus vielfach als einen „eingefleischten Zunker" (S. 130), absichtlichen und boshaften Fälscher der Wahr heit und Heuchler (z. B. S. >09, 123, 129, 138), als Sophisten und rhetorischen Dcclamator mit oft uner träglich gesuchter Ausdrucksweise (z. B. S. 87, 114, 119—120, 125), um einerseits Tiberius als den größten Regenten Roms zu verherrlichen, andererseits den Ger- manicus als unfähigen Schwächling, die Agrippina als leidenschaftliche Intrigantin zu verlästern. Nur ein Beispiel, wie weit der Verfasser in der Herabsetzung des Tacitus geht. Dieser erwähnt II. 9, als er den Armin mit seinem Bruder Flavius sich besprechen läßt, daß dieser in römischen Diensten und den Römern ganz besonders treu gewesen sei, ohne weitere Bemerkung. Stahr ist indignirt, daß sich bei Tacitus „keine Spur von Gefühl der Niedertracht dieser Treue gegen die Feinde seines Volkes zeige" und eifert gelegentlich gegen gleiche Gesinnung der Napoleonischen Franzosen, „der richtigen Nachfahren der alten römischen Wolfsbrüt". Wie kann dies Jemand vom Tacitus schreiben, einem Römer, der wie kein anderer den Nationalsinn und die Tapferkeit der Germanen zu würdigen wußte. Stahr kannte doch woll die später (Annal. H, 88) folgende berühmte Stelle vom Armin. Dort aber hat er kein Wort zum Lode des Tacitus beizufügen für gut befun den, denn er macht nur Noten, wo er den Tacitus hrrabsetzen zu können meint. Cm ein« wer nun der daß mi an du tu« ter pub pen Nal setzu hat, Mö, ren, Schl Rhü unte der pari Beis stimi Een liche in Mn trn rin zu l hab« dop« pub ven vdci vero veif n b d« r< r w w P er E U de A E au des vo« all! ver wo fest Ne der stn w»! Vci woi St, mit Gu ven Zu Re. von k. wur pite lisch Ras man Kra bez. flrof behr Reg Ede runj der beda auch kch und badi trieb Prir Han »roß drei Zwe « der viele eini eins Min Poli fürst ihre von Laste rrng, der erim den, gesta Cor: Gesc Thi seine Mit einer solchen Behandlung schießt der leicht er regbare Verfasser weit über das Ziel hinaus, welches Sievers besonnen ins Auge gefaßt hatte: Stahr, der des Tacitus subjective Tendenzhistorik bekämpfen will, wird selbst zum ungerechtesten Tendenzkritiker und richtet sich dadurch selbst. Wozu aber die „lesbare", den Charak ter des Tacitcischen Stils allerdings verwischende Ueber- setzung? Zwar wird der unbefangene Leser, selbst wenn er nur diese Uedersetzung zum Maßstab nimmt, mit dem Inhalt vieler Anmerkungen nicht einverstanden sein können. Doch dürfte wohl schwerlich ein Urtheil dar über Dem geziemen, welcher das so leicht mißzuver- stchcnde und schwer zu übertragende lateinische Original nicht Nachlesen kann. Für wen ist also die Uedersetzung gefertigt? Stoch schlimmer aber als in den Anmerkungen sieht cs in der Einleitung mit dem Urtheil über Tacitus' Charakter aus. Hier benutzt Stahr die dürftigen Nach richten, welche Tacitus selbst von seinem Leben giebt, dazu, ihn als einen jungen ehrgeizigen Mann darzu- stellen, der unter Domitian nicht blos durch stumme Resignation, sondern durch loyale Hingebung seine Car- ri«re gemacht und erst, wie sich der Wind gedreht, gegen ihn und die früher» Kaiser als Verleumder aus getreten ist. Mit der von Stahr hier angewendeten Sophistik könnte man manche literarische Notabilität unsrer Zeit brandmarken, wenn man Problematisches, was in ihrem Leben vorkommen mag, ohne Rücksicht auf Zeitverhältnisse, besondere Umstände und Beweg gründe des Thuns und Lassens auf ihrer Lebensfahrt voreingenommen verurtheUen wollte. Vr. Helbig. die darin sich offenbarende tüchtige Arbeit zu machen pflegten. Der Abg. v. Wedell (Malchow) erklärte, die Bedeutung der Zeitungssteuer werde überschätzt, die Aufhebung derselben aber sei in Zukunft nicht »u um gehen. Zu einer Reform der Einkommensteuer sei feina Partei bereit. Im LUgemeinen begrüßte der,R<lucl die Vorlagen der Staatsrcgiernng als den glnf«mg einer werthvollen Steuerreform, als deren letzter Ziel eine einfache Einkommensteuer zu betrachten su, Reiche die Grundsteuer absorbvre. Eine Endete über die Wir kung der Grundsteuer werde für die Zukunft unver meidlich sein. Die Generaldiscussion wird hier geschlos sen. Bei der Specialdiscussion werden die Etats für das Herrenhaus und für das Abgeordnetenhaus mit 4 -,910 resp. 243,0'0 Thlr. angenommen. Tas Haus genehmigt mit sehr großer Majorität einen vom Abg. Berger gestellten Antrag: dem Etat für das Abgeord netenhaus folgende Bemerkung hinzuzufügrn: „Die An stellung aller Beamten und Diätarien des Hauses steht dem Präsidenten zu. In der Zeit zwischen zwei Ses sionen übt das Recht der Präsident der vergangenen Session." Bei der Berathung des Etats für das Staatsministerium wird der Antrag, dem nächsten Etat eine» Specialetat deS Staatsanzeigers zuzusügen, an genommen. Ohne erhebliche Discussion wurden noch die Etats des Staatsministcriums, des Gesetzsamm lungsdebitscomptoirs, der Laudesverwaltung des Jahde- gebiets und des Finanzministeriums genehmigt. Ab striche wurden nur gemacht bei dem Posten für Ein ziehung von Münzen (wo statt 175M0 Thaler nur 75/00 Thaler bewilligt wurden), da nach Einstellung desselben in den Etat das Reich den abgesehen Theil übernommen bat und an dem Ansatz „für den Ankauf eines Grundstücks für die Regierung zu Danzig." Letzterer Posten (30,000 Thlr.) wurde mit 155 gegen 123 Stimmen abgelehnt, da die Motivirung der Re gierung darauf hinzudeuten schien, als ob zunächst we sentlich nur die Beschaffung einer Dienstwohnung für den Präsidenten ins Auge gefaßt wäre. Man wünschte oen Plan für ein vollständiges Dienstgebäude vorgelegt zu erhalten. — Sonst ist hervorzuhebcn, daß nach den Anträgen der Commissare des Hauses wiederholt die Re organisation der Verwaltung des Jahdcgebiets, wo noch gar keine eigentliche Civilverwaltung besteht, und dem gemäß die Auflösung des Admiralitätscommissariats und die Vorlegung eines CivilpensionSgesetzes gefordert wurde. Die Regierung gab in beiden Beziehungen zu stimmende Erklärungen ab; ein Pensionsgcsetz ist, wie der Finanzminister mitttheilte, ansgearbeitct, hat aber noch nicht die Genehmigung des Staatsministcriums er halten und es ist fraglich, ob dasselbe noch in der ge genwärtigen Session zur Vorlage kommen wird. — Die Budgetcommission des Abgeordneten hauses beschäftigte sich gestern in einer Äbendsitzuug mit den Vorlagen der Staatsregierung in Betreff der Consolidation der Staatsschuld, nämlich dem Rechenschaftsberichte über die Ausführung des Gesetzes vom 19. December 1869 und dem fernerweiten Ent wurf eines „Gesetzes, betreffend die Consolidation preußischer Staatsanlchen". Nachdem der Negicrungs- commissar bezüglich der für die Schließung der Con- solidation zu bestimmenden Frist die Erklärung abge geben hatte, daß die Regierung sich eine Verkürzung derselben wohl gefallen lassen könne, wenn die Landes vertretung in dieser Beziehung gegen die Staatsgläu- bigcr weniger Rücksicht gellen lasten wolle, als die Re gierung geglaubt habe nehmen zu müssen, wurde schließ lich der tz 1 des Gesetzes in folgender Form angenom men: „Mit dem 15. Januar 1872 erlischt die dem Finanzminister im § 4 des Gesetzes vom 19. December 1869 ertheilte Ermächtigung, die Einlösung derjenigen Verschreibungen der im K 1 unter 1 daselbst aufge führten 4'/s procentigcn Anleihen, welche von den In habern dazu angcbotcn werden, in der Weise bewirken zu lassen, daß die Verschreibungen dieser Anleihen gegen Ueberlassung von Verschreibungen der consolidirten An leihe in gleichem Nennbeträge erworben werden." Der tz 2, welcher den Finanzminister ermächtigen sollte, die unconsolidirten 4^procentigcn Staatspapierc einzuzichen und dagegen consolidirte zu verkaufen, wurde mit 20 gegen 6 Stimmen abgelchnt. Auf die Frage, ob die Regierung daS so geänderte Gesetz, welches jetzt einfach die Schließung der Consolidation festsetzen würde, an- nchmen werde, war der Regicrungscommissar nicht in der Lage, eine Antwort geben zu können. — Wie die „N.-Z." meldet, hat auf Antrag des Kämmerers Runge der Magistrat beschlossen, der Stadtverordnetenversamm lung die Convertiruug der 5procentigen städti schen Anleihe von 1866 in eine 4^procentige vor zuschlagen. Die Finanzcommission hat sich mit diesem Beschlusse bereits einverstanden erklärt. Die Endfrist zur Anmeldung der Conversion soll auf den 1. April festgesetzt sein.' — Aus Nancy, dem Hauptquartier der deutschen Occupationsarmee in Frankreich, wurde bekanntlich jüngst telegraphisch gemeldet, daß im ganzen Umkreise des Occupationsrayons in Frankreich der Bela gerungszustand proclamirt sei und Verbrechen ge ¬ gen deutsche Soldate» du^ch, adgeurtheilt werden. Aus zu jetzt die „N. Pr. Z " hierzu mittheilen, daß der Bela gerungszustand allerdings proclamirt ist und Verbrechen gegen deutsche Soldaten durch deutsche Militärgerichte abgeurtheilt werden, aber nicht etwa erst seit den ersten Tagen dieses Monats. Die occupirten Departements von Frankreich befinden sich vielmehr seit dem Kriege ununterbrochen im Belagerungszustande, und alle Ver brechen gegen deutsche Soldaten sind im ganzen Occu- pationsrayon seit Jahr und Tag durch die deutschen Militärgerichte abgeurtheilt worden, vorausgesetzt na türlich, daß es gelang, die Thäter innerhalb des Okku pationsgebietes zu ergreifen. Es reducirt sich sonach das oblge Telegramm auf die Wiederreröffentlichung eines SicherungSzustandes, der, wie allgemein bekannt ist, in occupirten Gebieten aus selbstverständlichen Noth- wendigkeitsgründens stets, herrscht und herrschen muß. Weimar, 12. December. (W. T. B.) Der Erb großherzog hat sich mit der Prinzessin von Olden burg, Tochter des Prinzen Peter von Oldenburg verlobt. 6 Alteuburg, 10. December. Eine uns vorliegende Uebersicht über die Einschätzung der steuerpflich tigen Bevölkerung des Herzogthums nach dem Ge setze über die Klaffen- und ktassificirte Einkommensteuer vom 27. März 1868 liefert für das Jahr 1970—1871 folgenden interessanten Ueberblick: Von den 141,682 Individuen, welche nach der lehlen Volks, zählung vom December 1867 die Einwohnerschaft d«S Herzog. thumS bildeten, wurden als wirkliche, f«lvstftänd!,e Steuerzahler tingeschätzt. Hiervon wurden 48,839 als solche Personen, welche nur ein Einkommen bis 200 Thlr. beziehe», zur Klaffensteuer qezoaen; die Zahl Derer, welche wegen höher» Einkommens zur klassificirten Einkommensteuer -u ziehen wäre», betrug dagegen 4226. Di« erstern wurden, unter Zugrunde- legunq eines zwölflerminlichen Steuerbetrages. mit einer Summe von 76,369 s Thlr., die letztern dagegen mit einer Summe von 106,179 Thlr. eingeschäht, so daß der Gesammtbetrag der Be steuerung 182,-48,0 Thlr. beträgt. Je auf einen Steuerzahler kommt hiernach eine jährliche Steuer von 3 Thlr. 13 Mr. 2,on Pf.; aus den Kops der Bevölkerung repartirt sich der Be trag mit je 1 Thlr. 8 Nar 6.» Pf. Ein Einkommen unter woo Thlr. bezogen von sämmtliche» Steuerzahlern St,742, ei» Einkommen über 1000 Thlr. dagegen 1323. Auf diese 1323 fiel ein Steuerbetrug von 69,602 Thlr., so daß dieselben fast mehr als ein Drittheil der ganzen Steuer aufzubringen haben Im Bezirke deS Strueramts Altenburg wohnten von denselben 83t, mithin fast zwei Drittheile der Gesammtzahl, mit einem Steuerbetrage von 46,434 Thlr. Im Vergleiche mit der Ein schätzung für das vorhergegangene Jahr 186»—1870 zeigt sich bei der Zahl der mit Klaffcnsteuer belegten Personen (mit einem Einkommen bis »oo Thlr.) ein Mlnus von 224 Köpfen, bei de» mit klassificirter Einkommensteuer belegten Individuen da gegen eiu Zuwachs von 96. Der Steuerbeirag konnte bei der Einschätzung für 187«)—1871 im Gan»en um 2384.» Thlr. Höker angenommen werden, als bei der Einschätzung von 1869—1870, und zwar ergab sich dies Plus mit 771,« Thlr. bei der Klas sensteuer und mit 1813 Thlr. bei der klassificirten Einkommen steuer. Um die wirkliche Besteuerung der Steuerpflichtige» richtig zu schätzen, ist übrigens in Rücksicht zu nehmen, daß nach der dermaligen und voraussichtlich auch für die neue Finan,- periode 1872—1874 beizubehaltenden Steuerbewilligung nicht sämmtliche 12. sondern nur » Termine erhoben werden Es muffen also bei einer Berechnung der wirklichen Steuerlast die oben angegebenen Zahlen der Steuerbeträge überall aus drei Viertheile ermäßigt werden. Z Altenburg, 11. December. In seiner Sitzung vom 5. d. Mon. beschäftigte sich der Landtag be sonders mit der Berathung der vsn der hohen Staats regierung vorgelegten Novelle zu dem Gesetze über die Kirchen- und Schullasten vom 30. Juni l862. Cs handelte sich dabei besonders darum, den Fall zu ord nen, wenn über die Aufbringung dieser Lasten ein giltiger Hemeindcbefchluß nicht zu Stande kommt und auch weitere Versuche gütlicher Regelung fehl schlagen. Der Gesetzentwurf schlug in dieser Hinsicht vor, die Sache dann so zu regeln, daß von jeder Anlage min destens zwei Drittel und höchstens vier Fünftel ganz nach Verhältniß der ordinären Staatssteuern, der jedes malige Rest aber nach der Kopfzahl der zum Kirchen- und Schulverbande gehörigen, mindestens 14 Jahre alten Personen vertheilt werden solle. Der Landtag entschied sich jedoch für eine Modification, welcher auch die Regicrungsvertreter zustimmtrn, daß die Aufbrin gung und Bertheilung der fraglichen Lasten in solchen Fällen ganz nach Verhältniß der ordinären Grund-, Klassen- und classificirten Einkommensteuer zu regeln und von der Besteuerung nach Köpfen abzufehen sei. Einer Bestimmung der Ausführungsverordnung zum Bundesgesetz über den Unterstützungswohnsitz, nach welcher, abweichend von dem bisherigen Landesrechte, die An- und Ausführung aller Receß- und Entschä digungsansprüche wegen gewährter Armenunterstützung auch zwischen den einheimischen Armenverbänden nicht mehr im Rechtswege, sondern, wie nach dem Bundes gesetze für dergleichen Streitigkeiten zwischen Armrn- verbänden verschiedener Staaten vorgeschviebLn ist, im Verwaltungswege stattfinden soll, wurde ohne alle Debatte die nachträgliche Zustimmung ertheilt. Ebenso stimmte der Landtag dem Vorkaufe der Domanial brauerei Ehrenberg an den bisherigen Pachter um 21,500 Thlr. bei. Ueber ein Ersuchen des thüringi schen StädtebundeS, welches die Mitwirkung des Land tags dahin in Anspruch nahm, daß bei der nothwen- digen Neuordnung der Bürgerrrchtsvertzältnisse die vom thüringischen Städteverband ausgestellten Grundsätze zur Anwendung gelangen möchten, wurde dagegen zur motivirten Tagesordnung übergegangen, weil man sich durch Anerkennung der ausgestellten Grundsätze für die weiteren Verhandlungen in dieser Sache nicht binden wollte; ein anderer Antrag deS Städteverbandes aber, daß die Gemeindeordnung einer durchgängigen Revision unterworfen und dabei in den sämmtlichen thüringischen Staaten gleichmäßige Grundsätze für daS Gemeinde- wescn aufgestellt werden möchten, wurde der, hohen Staatsregierung zur Berücksichtigung empfohlen. Der Abg. Doll richtete an das Ministerium eine Inter pellation, ob die baldige Vorlegung einer auf dem Gemeindeprincip basirten Kirchenordnung bevorstehc; die Beantwortung wurde Vorbehalten. An neuen Vor lagen find ein Gesetzentwurf, betreffend die Behän digung gerichtlicher Vorlagen durch die Post, und ein Postulat von 1500 Thlr. jährlich zur Erhöhung de» Befoldungsetats bei der Lande»- und Landrentenbank eingegangen. MKucheu, 10. December. (A. Z.) Se. Majestät der König wird in den ersten Tagen der nächsten Woche aus Hohenschwangau hier eintreffen und daun den Winter über in München verweilen. Mit Beginn deS neuen Jahres wird eine Reihe arößerer Hofftstlichkei- ten in der königl. Residenz stattfinden. — T)ie Köni gin Jfabella von Spanien und deren Tpchter, die verwitttpete Gräfin v. GjirAeytt, haherz gestern Abend Dsünchrn vertaffen-^id sich beide vopp«hapd nach Baden-Baden begeben, wahrend der Prinz von Astu rien noch einige Zeit hier verbuchen, w>rd. — Sr. MaMät der König hat Lem gewesenen r. IMschrn, k. hatztrschrn rmh -raßhuzogt. sachse».