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Dresdner Journal : 30.04.1869
- Erscheinungsdatum
- 1869-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-186904301
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18690430
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18690430
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1869
-
Monat
1869-04
- Tag 1869-04-30
-
Monat
1869-04
-
Jahr
1869
- Titel
- Dresdner Journal : 30.04.1869
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überzeugt habe, daß die zum Schutze der Auswanderer bestehenden Einrichtungen in Hamburg den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, daß sie in Bremen, wo dir- nicht der Fall war, Abhilfe getroffen habe; daß ferner ein Bundesbeamter eingesetzt sei, um über die Befol gung der zum Schutz der Auswanderer erlassenen Vor schriften zu wacheu. Dieser Beamte habe wiederholt sebr nützlich eingegrifsen. Endlich sind Verhandlungen mit der Regierung der Vereinigten Staaten etngelettet worden, um internationale Schiedsgerichte in den Ein- und Ausschiffungshäfen einzusetzen. Diese Verhand lungen sind ins Stocken gerathen, sollen jedoch fort gesetzt werden.—Es folgt derAntragvr. Schweitzer' s: „den Bundeskanzler aufzufordern, die sosortigeFrei lassung des am 25. d. M. zu Gladbach verhafteten und zu Düsseldorf noch in Haft befindlichen Abgeord neten zum Reichstage, Fritz Mende, zu veranlassen." Abg. l>r. Schweitzer bemerkt: Ein Mitglied dieses Hauses ist verhastet worden. Ich will eine Zuschrift des Secretärs desjenigen Vereins verlesen, dessen Präsident Mende ist. Ich halte diese Zuschrift für glaubhaft. Wir haben es mit einer jener Säbelasfairen zu Ihun, die in Preußen nicht selten sind. (Oho! rechts.) Ich weiß nicht, warum Sie widersprechen. Wenn mau von Säbelasfairen liest, sind sie gewöhnlich in Preußen gewesen, (großes Gelächter.) Der Inhalt dieser Za- jchrist ist folgender: Sett längerer Zeit war Lem Gladbacher Verein unter dem Vorgeben, daß er ein Zweigverein des Dresdner Lasfalle'schen Vereins sei, das VersammlungSrccht entzogen wor den. Am 23. sollte Mende Zeugniß ablegen von der vollstän digen Einheit des Vereins. Die Arbeiter luden ihn eiu, in einer ausnahmsweise erlaubten Versammlung zu sprechen. Nach dem er über die sociale Frage gesprochen, sprach er von dem hohen Militäretat, der im Reichstage berathen würde. Dieser Mhre die Ueberbürdung der «Steuerlast herbei. Nach diesen Worten proclaonrte die Polizei die Auslösung der Versamm lung. DaS Gerücht war verbreitet, man habe die Versamm lung nur gestattet, um der Sache ein Ende zu machen. Bei der Gegenvorstellung Mende's zog der Eommissar den Degen halb aus der Scheide, stieß ihn aber zurück. (Heiterkeit.) Auf dieses Signal schlug ein Gendarm mit dem Säbel nach Men den, ohne ihn zu treffen. Mende forderte die Versammlung zum ruhigen Auseinandergehen auf. Er ging ins Hotel. Die Gendarmen schlugen aus die Menge ein, ec« Gendarm erhielt Messerstiche in die Brust. Nicht die Arbeiter, sondern die Gen darmen schlugen die Fenster ein. (Schallendes, langes Geläch ter.) Mende hielt eine beruhigende Anrede von den Fenstern seines Hotels auS. Er wurde verhaftet. Als die Arbeiter baten, ihn freizugeben, erwiderte der Polizeipräsident: Endlich haben wir ihn; sobald wird er nicht loskommen. — Dies der Inhalt der Zuschrift. Plein Antrag ist formell wie materiell gerechtfertigt. Denn wenn auch die Verhaftung Mende's. da er auf frischer Thai ergriffen wurde, formell nicht auzugreisen ist, so haben wir doch das Recht, nach Art. 3l der Versassungs- orkunde zu beschließen, daß ein Mitglied des Reichstags wieder freigegeben werde. Selbst wenn Mende schuldig ist, ist kein Grund, ihn von den Sitzungen dieses Hauses fern zu halten. Es ist besser, die Justizpflege werde rin wenig verschleppt oder selbst beeinträchtigt, als daß der gesetzgebende Körper iu seinem Bestände beeinträchtigt wird. Nur bei gemeinen Verbrechen, oder bei Hoch- und LandcSverrath dürste die erstere Rücksicht überwiegen. Mende steht zwar unter einer Anklage, aus der Ivjähriges Zuchthaus steht; aber er ist noch Nicht der Schuld überführt. Politische Gründe verlangen es außerdem, daß man dem Reichstag nicht die Spitzen der Partcidcwegung abbricht. Wir Socialisten sind nicht blos Vertreter eines Wahlkreises, sondern der gesammten Arbeiterpartei, und Mitunter sind wir außerhalb des Reichstags nölhiger, als im Reichstage. - Ich gehe tieser auf die Sache ein. Es ist StaalSmamer iu Preußen, das Unrecht zu thun in der Form des strikten Rechts. Preußen ist ein absoluter Militärstaat, verbreitet aber durch eine Menge Parlamente den Anschein um sich, als sei es konstitutionell. Wir haben Preßfreiheit, aber der Zustand ist ärger, als die Eensur. Ebenso ist es mit dem VersammluugSrecht. (Unter brechung: Alles das gehört nicht Hierher!) Präsident vr. Simson: Auch ich muß bei diesen Aus führungen eine Menge Gedanke» unterdrücken; denn wir haben nichtPreußischt.sonderndeutschcDingehierzu vertreten. (Beifall.) Abg. vr. Schweitzer: Der Fall ist in Preußen vorge kommen, und Preußen ist maßgebend. Redner führt nun meh rere Erfahrungen auS dem Vercinsleben vor, um zu beweisen, daß man kein Versammlungsrecht habe, weil eS dem beschränk testen Wachtmeister erlaubt sei, eine Versammlung aufzulösen, ohne daß dagegen momentan eiu Mittel gegeben sei. Zum Schluß bemerkt er, daßdje Socialisten zwar persönlich nicht unter sich einig seien, es aber sofort würden, wenn es gälte, der re- actionären Staatsgewalt oder dem Druck des Eapitals enlge- genzutreteu. Der Bundeskanzler Graf v. Bismarck: Ich stimme dem Vorredner bei. daß die Vollständigkeit des Reichstags und die Interessen der Bundesgesetzgebung höher stek-n, als locale Verwaltungsinteresscu, und selbst m gewisser Beziehung die Rechtspflege. Ich hätte nur lebhaft gewünscht, daß Hr. Mende selbst auch von diesem Princip lebhaft durchdrungen wäre, und daß er die Arbeiteiinteressen lieber hier aus dem oben der Gesetzgebung als m Gladbach auf dem der Agitation vertreten hätte (Vielsache Zustimmung), daß er eS vorgezogen hätte, an den schwierigen Beralhuogen der Gewerbeordnung, die gerade jetzt die Interessen der Arbeiter so nahe berührte, Theil zu nehmen als in Gladbach — tumultuirende Polizeibcamte zu beruhigen. (Große Heiterkeit.) Ich habe diese Angelegenheit jedoch lediglich dem Gerechftgkeitsgesühl des Reichstags zu über- Imsen. Der Antrag Schweitzer's ist verfassuugsmaßig gerecht und der Reichstag ebenso befugt, darüber zu entscheiden. Als Bert eter der Regierungen kann ich nur wünschen, daß der Gerechtigkeit sreier Lauf bleibt, daß diese erste Versammlung Rorddeutschlauds ihr Zeugniß dafür eiuwcrfe, daß der Sache durch diese tumultuarischeu Bestrebungen nicht gedient sei. Als «in Zeuguiß darüber fasse ich das Verdict dieses HauseS auf, keineswegs als eine Äußerung darüber, bis zu welchem Maße das Buudespräsidium die Ausführung der Gesetze handhaben soll. Die Regierungen werden sich hierin nicht irre machen lassen, auch wenn Ihr Ausspruch in diesem Fall ihnen die Er füllung ihrer Aufgabe erschweren sollte. Redner setzt nun noch dasselbe Spiel an and rer Stelle. Das Dröhnen der Erde vom Hufschlaae der Pferde, das Blitzen der Hatagans, der Staub, Pulverdampf und Knall, Kampf- und Hilfeschrei der Frauen, Flüchten derselben mit Ka- meelen und Schafen, und das Siegcsgcjauchze bilden ein höchst cigenthümliches interessantes Durcheinander, und versinnlichen die Kriegführung der feindlichen Stämme unter sich. Daß ein fo wildes und leiden schaftliches Kriegsbil^ nicht ohne Verwundung, ja kaum ohne Todesfälle abgeht, ist leicht zu errathcn. Das wird aber bei einem kriegerischen Volke, bei dem das Leben so wenig Wcrlh hat, nicht abhaltcn, dieselben, so oft Gelegenheit dazn da ist, zu wiederholen. (Fortsetzung folgt.) Die von Ludwig Eckardt gehaltene Gcdächt- ntßrcde bei der von der deutschen Kunstgenossenschast und dem Vereine Berliner Künstler am 24. März 1869 in der Singakademie zu Berlin veranstalteten Hilde- brandtfeier ist unter oem Titel „Eduard Hilde brandt" im Verlage von N. Wagner in Berlin im Druck erschienen. Den Freunden und Verehrern des Dichters August Grafen v. Platen wird cs angenehm sein zu hören, daß die mannichsachen Hindernisse, welche die Voll endung seines Grabmals im Garten Landolina zu Syraklts verzögert haben, endlich gehoben sind. Wie der „A. Ztg." geschrieben wird, steht die Büste, vom Professor Peter Schöpf in Nom rn kolossal m Maß stab und nach übereinstimmend.n Berichten vortrefflich ausgcführt, schon seit längerer Zen in der Werkstatt des Meisters zur Absendung gewärtig Das Postament wird in Palermo nach einem Entwürfe deS Professors E. Lange in München attsgeführt. Im Herbste d. I. soll das Denkmal zur Aufftellttng gelangen. dem Privatschreiben, das Schweitzer verlesen, amtlich« Doc»»«ue entgegen. ES eraiebt^sich aus dem einen, daß die Polnei cer- nirt und ein Polizist schwer verwundet war, daß eine Anzahl Arbeiter, namentlich Familienväter, verhaftet seien. Der Kanz- ler bemerkt: Wenn rch mich an Mende'S Stelle denke, so würde ich das Bedürfnis haben, daS Schicksal meiner Genossen zu thrilen. (Bravo, Heiterkeit.) Ein anderes Schriftstück sagt: daß Mende erst über die sociale Frage gesprochen, die entwever friedlich oder mit allen Schrecken der Revolnuoa zn läsen sei, die Arbeiter wollten die friedliche Lösung; die Arbeitgeber »er übten nur Unrecht, die Arbeiter müßten alles Unrecht dnldro. Er sei gekommen, um sür ihre Recht« zu plaidireu. (Daraus zeige sich, daß er nur zum Agitlren, nicht zum Zeugnißablegeu gekommen seil) Ueberall sei jetzt Ueberbürdung, vtrschmdet zu nächst durch die stehenden Heere, die erst ein Jahr gedrillt, daun aus Kosten des Volks mehrere Jahre herumgesührt würden. Hier stand der Eommissar aus und lö»e die Versammlung auf. Die Menge wollte sich zerstreuen, blieb aber, als Mende den Eommissar b lehren wollte, daß die Auslösung ungesetzlich sei. Mau warf mit Dutzend Gläsern, Stühlen, Ofeudeiuen (einer mir unbekannten Waffe — große Heiterkeit), die Genda men machten von ihren Waffen Gebrauch, alle Polizeibeamteu erlit ten mehr oder minder Eontusionen, einer wurde schwer ver wundet. Nun mahnte Mende zum Weggehen, die Versamm lung ging auch, setzte sich aber wieder fest, um ausgesprochener maßen an den zurückgebliebenen Polizeibeamten sich zu vergreisen. Die Fenster wurden von außen eingeworfen; ich habe es selten erlebt, daß sich die Gendarmen mit Feustereiuwerseu vergnügt hätten. (Große Heiterkeit.) Landraft! und Polizerdirector er litten durch Würfe Verletzungen. Mende äußerte: Er stehe ein für alles Ungesetzliche, das geschehen s«i- Die Mahnung Mende's zum ruhigen Ausemandergehen n um der Bericht des Präsi- denleu nur Mende's übliche MaSle. Tas liegt bisher amtlich vor. Auf die Aeußerungen des Vorredners, die die Grruzeu des auch ihm zur Begründung feines Antrags WünschenSwer then zu überschreiten scheinen, gehe ich nicht e>n. DaS Haus bilde sich nuu ein Unheil darüber ob das Dffcnbleiben eines Platzes in diesem Hanse sür den Augenblick ker größere oder gerinaere Nachcheil ist gegen den andern, wenn aus dem Be schlaffe des Hauses üb:r die Freilassung des Mende unrichtige Eonstgueuzen gezogen werden, daß in diesem lediglich verfas sungsmäßig grüble» Beschlusse zugleich ein Urtheil in Betreff der juristischen Bedeutung der Frage gefunden werden könnte. Abg. v. Luck (conservaliv) und Abg. v. Hoverbeck(Fort schritt) beantragen die Verweisung des Schwertzer'schen Antrags zur schleunigen Berichterstattung an die GefchäftSordnungS- commifsiou. Abg. Försterling: Ich srcue mich, daß sich auch Leute für die Freilassung Mende's verwenden, die Gegner Mcnde'S sind. Die Sache liegt tiefer. Ich werde nicht die dort vorgc- fallenen Sachen vorstellcn, sondern nur darauf aufmerksam machen, daß wir Arbeiter auf richtigem gesetzlichen Wege die Eilangnug des allgemeinen Wahlrechts zur Lchmig der socialen Frage verlangen. Wir Arbei er befinden uns nicht iu derselben Lage wie d e übrigen Gesellschaftsklassen; wenn wir aber den ge setzlichen Weg betret,n, muß man von allen Seiten dafür sor gen, daß wir ihn inne Hullen. Wenn aber Schwierigkeilen uns gemacht werden in der Abhaltung von Versammlungen, so reißt den Arbeitern, die sonst Kinder sind, wenn man sie zu leiten versteht (Gelächter), die Geduld, wenn man mit roher Gewalt auf sie eindringt. Man hat den Lassalleanern in Gladbach keine Versammlung mehr gestaltet, well die Polizei sagte, daß der dortige Verein em Zweigverein des Dresdner Lasfalle'schen Vereins sei. Herr Mende ist Präsident des all gemeinen Lassallc'schen Vereins, er reiste hin, er Halle seiue Pflicht zu ersülleii, um in einem Termine zu erscheinen, denn er war hier als Verein ausgesvideit worden, um ihr Versamm- lungörccht zu wahren. Sonst wäre er nicht hmgereist, er würde viel lieber hier sein, und Sic werden mit Mir UbereiNilinimue, daß es kein Vergnügen ist, immer aus Reisen zu sein. (Große Heiterkeit.) Der Polizeicommiffar Hal zu den Arbeitern, die seine Freilassung verlangten, gesagt: „Wir haben ihn endlich ge sunden, er soll nicht so leichl davon kommen." Vorher dursten sie keine Versammlung halten, diesen Abend aber bekamen sie'S erlaubt. Dieses „endlich" zeigt, daß mau nur die Versamm lung gestattete, um ihn zu fangen. Die Versammlung ist ganz ungesetzlich ausgclüst worden, d,e Polizei hat die Thüre besetzt, mit dem Säbel in der Haud, da konnten d.e Arbeiter nicht hinaus. Mende hat zum friedlichen Auseinandergeheu aufgc- fordert, weil wir wissen, daß wir auf dem Wege der Gewalt nichts erreichen. Mende ist zu den Untersuchungsgefangenen gesetzt worden, obwohl er das Geld dazu hat, sich selbst zu be köstigen. Der Director hatte ihm erst ein Zimmer eingerichtet, man hat es ihm aber nicht gegeben. Ich bin Arbeiter, ich bin das Entbehren gewöhnt, das ist aber nicht so schwer, al» das Entsagen. Mende gehört dem gebildeten Stunde an, er ist nicht an Entbehrungen gewähnt, und einen solchen Mann unter die Untersuchungsgcsangnen zu stellen, das wirst ein komisches Licht. — Der Reichstag ist sich's selber schuldig, die Freilassung Mende's zu beschließen. Was heute Herrn Mende passtrt, kann morgen jeder andern Partei auch passirea. Dieser Schlag ist nicht allein gegen Herrn Mende, er geschieht in einer Beziehung g-gen den hohcn Reichstag, und in anderer Beziehung den Ar- beiiern gegenüber. Anders fassen wir's nicht auf. Wenn Sie etwas thun wollen bei der Sach', fo bitte ich um die sofortige Freilassung Mende's. Er wird sich der Untersuchung nicht ent ziehen, wenn er frei ist. Es können ihm unmöglich die Messer stiche zur Last gelegt werden. Was Andere getdan haben, da für kann er nicht bestraft werden. Mehrere Andere sind gesetzt worden. Meikwürdigerweise sind es lauter Lassalleaner. Es ist schlimm genug, daß diese Familienväter gesetzt werden, aber ich w ll nicht auf das Mitleid provoclren. Es ist vielmehr nur der Würde deS Reichstags angemessen, daß Mende sosort ent lassen wird. Nachdem vr. Löwe den Antrag Schweitzer, v. Hen nig den Antrag v. Luck unterstützt hat, beschließt man mit sehr großer Mehrheit und gegen wenige Stimmen die Annahme des v. Luck'schen Antrags auf Ueberweisung an die Geschästsordnungscommission. Die Versammlung ist durch diese Verhandlung in hohem Grade aufgeregt. Das Haus leert sich, in den Corridorcn wird lebhaft über diese Frage discutirt. Die folgende Verhandlung findet im Anfang fast vor leeren Bänken statt; während der Ackcrmann'schen Rede füllt sich allmählich der Saal wieder. Es folgt der Antrag Miquel-Lasker in zweiter Lesung, die Bundescompetenz zu erweitern auf das gesammte Civilrccht und die Gcrichtsvrganisation. Hierfür spricht vr. Bär (Kassel), dagegen Graf Bassewitz, Letzterer, indem er vor dem allzuausgedehnten Ccntralisiren warnt; dafür Abg. vr. Planck, mdem er die Frage, ob der Bund zur selbstständigen Erweiterung seiner Eompetenz befugt sei, bejahend beantwortet und sich selbst für ein allgemeines deutsche« Recht verwendet. Abg. Ackermann: Ich will den Standpunkt darlegen, den ich nicht blos diesem Anträge, sondern allen Fragen der Erweiterung der Verfassung gegenüber einnchmen. Daß die Verfassung der Ergänzung und Ausbildung fähig ist, wird Niemand laugnen; daß daS Streben nach einheitlichem Rechte den schönsten Idealen beizuzählen ist, welche alle deutschen Ju risten in ihrem Innern seit Jahrzehnden gehegt haben, daß alle Keime, die auf dem Boden dieser gemeinschaftlichen Gesetz gebung auswuchsen, mit Freuden begrüßt wurden, nicht blos von Denen, welche wissen, was Recht m, sondern auch thun, waS Recht ist, ist allgemein bekannt. Ich habe auch dieses Ideal i« mir getragen, und habe erfahren, daß ein allgemei- nes Recht m Deutschland allgemein wünschenSwerth ist. Aber man kann von der Nützlichkeit und Schönheit einer Idee über zeugt sein, ohne zu wissen, sic praktisch zu machen. In dieser Lage bin ich heute, war ich gegen den Antrag aus Bundes- Ministerien, und werde ich sein, wenn cs sich um Erweiterung der Bundescompetenz handelt. Ihnen, meine Herren, ist die Erörterung der Eompetenz freilich unangenehm, aber daS än dert nichts an der Verpflichtung die Competcnzftagc zu erör tern. Nun sagt die Verfassung im Eingänge: Die deutschen Fürsten und Reichsstädte haben einen ewigen Bund geschlossen zum Schutze des innerhalb des Bundesgebiets geltenden Rechts. Welches Recht gilt nun im Bunde? Darauf giebt Art. 4 der Verfassung klare Antwort, denn dieser bezeichnet die Gegen stände, zu deren Erhaltung und Ausbildung die Eontrahenten zusammenaetreten sind Dieser schreibt dcu Rahmen der Bun- deSgeseygevung vor; waS darüber hinauslicgt, ist nicht zu in- tcrpretiren aus dem Eingänge und dem Art. 4 der Verfassung. Nun spricht zwar Art. 7ü von Abänderungen der Verfassung; dieser Artikel ist aber, da er in die Fundamente der Berfas sung einschneidet, nur restrictiv, nicht extensiv zu erkläre«. „Abänderungen" 'kann man nicht ohne Weiteres al- „Erweite rungen" erklären. Abgesehen aber von den Competenzzweiselu ist der Antrag jedenfalls verfrüht. Wir Haden oersaffungs- mapio groß« Aufgaben zu lösen. Wo ist daö gemeiusame Oblisatiouenrecht? Wo der gemeinsame Strasproceß? Wo daS gemeinsame gerichtlich« Verfahren? Löse» wir erst dirs« Ausgaben! Sind alle Eomvetenzerwriterungeu, die Sie bean tragen, eilig, so könnten sich Reichstag und Bnndesrath aus Jahre permanent erklären; hat aber diese Sache, wie Sie selbst sagen, Zeit, wozu drängen Sie daraus hin, die Verfassung zu ändern? Bei dem constitulrendeu Reichstag widersetzte sich der Abg. Laöter demselben Antrag, der Henle vorlieat; er erklärte daß ein Bcdürunß nach einem einheitlichem Rechte iu Deutsch land sich nach allen Seiten hin nicht gezeigt habe. (Redner liest mehrere Stellen der Lasker'scheo Rede von damals vor, um zu beweistu, daß LaSker damals die Eodification deS Lbli- uiun > chls ohne eine Eodification de« ganzen bürgerlichen Rechts sür recht gut möglich erklärt habe). Non ist zwar von einem Manne, der m so eminenter Weife an der Gesetzgebung in Preußen und Deutschland Theil nimmt, wie Abg. Lasker, nicht zu verlangen, daß ihm alle seine Worte von 2 Jahren her erinnerlich seien, aber Andere können ihn doch daran er innern. — Am bedenklichsten ist mir aber die beantragte Ein- sührung einer gemeinschaftlichen GerichtSorganisation. Nehmen Sic diese an und exteodiren Sie sie so weit, wie Sie eS in der Eompetenzfrage der Verfassung thun, so wird man dann mit diesem Anträge auch das Recht des Bundes getroffen wissen wollen, daß alle Justizbeamten aus den Bundesetat übernommen und die Justlzhoheit der Ginzelstaateu vernichtet werde. Art. 4 hat der Bundesgesetzgebung alles Das Vor behalten, was als nationales und wirthschaftliches Bedürfniß erkannt wurde. Alles, was darüber hinausliegt, überlasten Sie doch ruhig der Eompetenz der Einzelstaateu. Diese- ewige Hämmern und Pochen an dem jungen Gebäude des Norddeut schen Bundes führt unter allen Umständen nicht zur Befesti- gung, sondern rechtfertigt die Befürchtung des Gegentheils. Beherzigen den Spruch Rückert's: Des Maßes Werth, des Maßes Schwert Macht stark in allen Landen. Nur wer das Uebermaß begehrt, Der macht sich selbst zu Schanden. Abg. Künzer (katholischer Geistlicher): Nur wer die Er eignisse von i«üv von so Niedrigem Standpunkle aoffaßt, daß er sie einen deutschen Bruderkrieg nennt, kann verlangen, daß wir aus dem Boden bleiben, den das Jahr 1»«« geschaffen hat. Die v««r Ereignisse waren eine Explosion des deutschen Nationalgefühls, endlich einmal zu einer würdige» Stellung in Europa zu gelange«. Ich werde jeden Antrag mit Freuden zustimmen, den die Reichszimmerleute uns bringen. Je rascher und derber gepocht wird, um so eher wird das neue Gebäude fertig, und erst wenn das Haus fertig ist, werden die Süd- denischen mit Sang und Klang in dieses Haus einziehen. (Heiterkeit.) Es ist gut, wenn das Pochen den Schlaf aufrüt- tclt. Wir werden es noch e>leben, daß ganz Deutschland einig wird. (Lebhafter Zuruf.) Abg. LaSker als Antragsteller: Ackermann hat sich nicht sehr wohlwollend über mich ausgesprochen. Er hat vergessen, den Schlußsatz meiner damaligen Rede vorzulesen, wo ich mich materiell für den Miquel'schcn Antrag aussprach und auch da für stimmte. Warum schlagen Sie denn so viel politisches Capital aus dem Anträge. Wäre dieser, der im ersten Reichs tage mit 4 Stimmen Mehrheit abgelchnt wurde, damals ange nommen worden, so hätten Sie deshalb noch nicht damals die Verfassung verwarfen. Richten Sie lieber Ihre Angriffe we gen Eompeteozüberschreitungen gegen die sächsische Regierung. Sie hat für ihren Antrag aus die '--ß - Mehrheit im Bundes- ralhe ertrahirt. Die Coulervativen sind blos deshalb fo peni bel in Bezug auf die Eompetenz des Reichstags geworden, seit dem Herr Windtharst sic daraus hinwies, daß mu der Comp«- tenzerwetterung des Bundes auch daS Herrenhaus medratisirt werden solle. Gestehen sie dies wenigstens offen als ihren Beweggrund ein, ebenso wie wir unsre Absicht, dies thun zu wollen, offen bekennen. Abg. Ackermann (persönlich): So viel ist vom Abg. LaSker heute gar nicht mehr hinwcgzudisputiren, daß Herr LaSker vor 2 Jahren ein Bedürfniß zu E was läugnete, was er jetzt ei« dringendes Bedürfniß nennt. Zn der Abstimmung wird der Miquel'sche An trag gegen die Stimmen der Bundesstaatlichen und der Strcngconservativen zum Beschluß erhoben. Ein weiterer Punkt der Tagesordnung ist der An trag Heubner's, die Aufhebung der Lotterien betreffend. Antragsteller Abg. Heubner (begründet diese« Antrag in cincr langt« Rede, die vom Reichstag theils mit Len Zeichen größter Ermüdung und Tlmlnahmlosigkctt, theils mit Wider spruch begleitet wird. 'Stelleuweiie ist der Lärm und das Privatgesprach so laut, daß Abg Heubuer Mühe hat, mit seiner Stimme burchzudringeu): Mein Antrag wird sich im Priocip Ihrer allseitigen Zustimmung zu erfreuen haben (nein, nein! rechts), aber man hält ihn vielfach für nicht opportun. Er paßt, sagt mau, am wenigsten zur gegenwärtigen Finanzlage, zum Deficit. Wie soll man den Ausfall decken, der entstehen wird, wenn die Einnahmen der Lotterie aushören, jetzt, wo man an alle Thüreu klopft, um neue Steuern herauszuzieheu? Auch stöät der Antrag bei Solchen, die in der Lotterie spielen, um zu gewinnen, oder bei denen das Lotteriespiel eine lieb gewordene Gewohnheit ist, auf Widerspruch. Nachdem man so lange gespielt hat, will mau doch auch einmal das große Loos gewinnen. (Große Heiterkeit.) Man hat die Eompetenz des Bundes zn dieser Aushebung der Lotterie bezweiselt. Sie haben aber schon den Bund hierzu sür compctent erklärt, rü dem der Antrag wiederholt auf Lie Tagesordnung deS Reichs tags gestellt wurde (Staunen ber den Bundesstaatlichen) und, da der Präsident wiederholt meinen Antrag «eben die Gewerbe ordnung auf die Tagesordnung setzte, hat der Präsident viel leicht andeuten wollen, worauf diese Eompetenz beruht. Das Lotteriespiel ist ein Gewerbe, so gut oder so schlecht als dir Spielbanken. Ich hatte sogar die Lotterie für noch schädlicher als die Spielbanken. Redner führt dies weitläafi , anS, da die Spielhöllen nur an eiozelneu Punkten sich befinden, die Lotte- riecollectcure aber in das entlegenste Dorf kämen und alle Schichten des Volkes mit Loose« überschwemmten. Durch Theilung der Loose mache man dem Geringsten das Lolterie- spiel möglich; das trügerische Hoffen auf Gewinn nähre Leideu- schaften der schlimmsten Art. Es gäbe auch Spieler, die auS den edelsten Motiven spielten. (Große Heiterkeit.) Die Frau wolle ihrcin Maune die Sorge erleichtern, nehme daS Wirth schaftSzcls zum Lotteriespiel, mache Schulden und daS Ende sei Zerrüttung des FamuienglückS und Ler Ehe. Das starke Geschlecht sei ebenso schwach. Beamte bättcn oft zum Lotterie spiel die Kaffen angegriffen, und daS Ende sei das Zuchthaus gewesen. Das wären keine Phantasicbilder, nein, dafür biete das tägliche Leben tausend Beweise. Mancher Arme habe zwar in der Lotterie gewonnen, sei aber nicht glücklich geworden. Jemand, der vor Jahren 200 000 Gulden im österreichischen Lotto gewonnen, sei neulich wegen betrügerischen Bankerotts verurtheftt worden. (Heiterkeit) In der sächsische« Lotterie seien 430,000 Spielende zu jeder Ziehung. Der sittliche Nach theil sei gar nicht zu ermessen. Dieser sittliche Krebsschaden sei längst geheilt worden, gäbe es keine StaatSlotterien. Dar über brauche er kein Wort mehr zu verlieren. (Nein, «ein! von viele« Seiten.) Die Lehrer der VolkSnnrthschast vcrurtheitten da- Spiel, Frankreich, Amerika, die Schweiz, ja sogar der Präsident von Mexico haben das Lotteriespiel anfgehoben. Im ersten Jahre nach Aushebung der sranzösischen Lotterie wurden in Paris 500,0-0 FrcS. mehr in die Sparkassen eingelegt. (Hört, hört! links.) Die Stände in Sachsen, Braunschweig, Hessen, sogar in Mecklenburg (HeitcrkeM hätten die Loiterie- aushebung beantragt. Selbst der Bundestag habe sich für e ne tdunliche Beschränkung derselben ausgesprochen, aber die Lotte rie« seien nur vermehrt worden. Jeder Staat schiebe die Aushebung der Lotterien bis dahin, wo es der Nachbarstaat thue. Er wolle einen Termin für die Aufhebung frstsetzeu. Zum Schluß (Bravo!) noch eine Bemerkung. (Drese Bemer kung ist jedoch bei dem andauernden Lärm auf der Journaliftrn- tribüne nicht zu verstehen.) Bundescommissar Michaelis: Der Antrag Heubuer'S widerspreche seiner jetzigen Motivirung desselben. Nach seinem Vortragc solle man keinen Augenblick zöger, , die Lotterien auf zubeben, nach dem Anträge aber solle man bis zum l. Januar 1873 warten. Redner erklärt schließlich den Antrag schon auS finanziellen Grün en für unannehmbar. Abg. Stumm: Der Abg. Heubner habe außer dem Prä sidenten von Merico nichts Neues über eine, unzählige Mal dlS- cutirte Frage gebracht und nur grelle Bilder und völlig un wahre Sch lderungen geliefert. Sein Antrag s«i eine Verir rung, außerdem völlig inconsequent, indem er die preußisch« Prämienlottcri« bestehen lassen wolle. Wenn man sremde Prä- mienlotttrien von der preußischen Börse ausschließen wolle, so würde dies zu Repressalien gegen Preußen anderwärts führen. Heulmcr scheine keinen Begriff von dem volkSwirthscdaftlichen und finanziellen Leben der Gegeowart zu haben. Er möge dem Reichstage mit seiner Philuiaphx vom Leid« bleibe« »ab dem Volke seine unschuldigen BergnügungM lasse«. Ob er nicht auch Karlcu-, Würfel- «ad Kcgftspi«! verbiete!, wolle? Nach seiner Theorie müßte eS auch gesetzlich verboten werde«, daß eiu Armer eine reiche Erbschaft mach«, weil er dann da» Geld nicht anzuweuden verstände. (Diese Angriffe aus Heub ner werden von der Fortschrittspartei mit Zeichen lebhafte» Mißvergnügens ausgenommen.) Die Fortschi itspartei habe nur eine ueue Gelegenheit ergreifen wollen, um durch Ent ziehung der Geldmittel eine Waffe gegen dir Regierungen zu haben. Abg. Gras Schwerin beantragt, über den Heubner'scheu Antrag zur eiusachen Tagesordnung übtrjuaehen. Er billigt die sittliche Anschauung Heubner's über die Lotterie. Doch sei diese kein Gewerbe, sondern eine Stellerquelle des Staats und deshalb sei der Antrag «ine Competeuzübcrschreitung. Um ihn für immer zu beseitigen, möge man die einfache Tagesordnung aunehmen. Abg. Or Becker meint, die fo von Stumm angegriffene Partei müsse sich doch vertheidigeil dürfen. Präsident OrSimson bemerkt dagegen, daß Abg. Stumm der Fortschrittspartei keine verwerflichen Motive untergescho ben haße. In der Abstimmung wird der Heubner'sche Antrag durch Urbergang zur einfachen Ta gesordnung erledigt. — Nach längerer Debatte wurde sodann trotz des Widerspruchs drr Bundescom- missare beschlossen: Mehrere Petitionen dem Bundes kanzler mit der Aufforderung zu überwcijrn, die Auf hebung der Eldzölle auf Grund des Art. 54 dcr Bundcsversassung unverweilt hcrbcizuführen. — Nächste Sitzung morgen: Gesetz, betreffend die Telegraphen- freimarken, und Gewerbeordnung. Düsseldorf, 27. April. (Düss. Ztg.) In Glad bach ist die Ruhe vollständig wieder hergesteüt. 22 Personen sind verhastet worden. Barmen, 26. April. Die „Elberf. Z." berichtet: Im Laufe des heutigen Tages tummelte sich in den Straßen eine große Menge feiernder Arbeiter, namentlich Ricmcndreher; sie sträubten sich gegen den Eintritt in die städtischen Kranken- und Sterbekaffen, zu welchem sic, wie wir hören, verpflichtet sind. Es sollen einzelne Ungesetzlichkeiten vorgckommen sein, so daß die Polizei gezwungen war, von der flachen Klinge Gebrauch zu machen. München, 27. April. (A. Z.) Zn Ehren des Prin zen Otto, welcher heute das 21. Lebensjahr vollendet, fand heute in der königl. Residenz Familientafcl statt, worauf der König, die Königin-Mutter und Prinz Otto eine gemeinsame Ausfahrt machten. — Die Kam mer der Abgeordneten hat durch ihre bezüglich des Schulgesetzes gestern Abend gefaßten Beschlüsse die beiden zwischen ihr und der Slaatsregierung in Be treff der Art. 3 und V7 (Religionsunterricht und Zu sammensetzung der Ortsschulcommission) noch bestande nen Differenzen beseitigt. Nachdem so zwischen zwei Factoren der Gesetzgebung volle Uebereinstimmung er zielt wurde, und nachdem die Kammer der Abgeord neten in einer Reihe von Artikeln den Beschlüssen der Kammer der Neichsräthe beigctrrten war, und zwar mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Mehrheit, hätte man wohl erwarten dürfen, daß nun auch die letztere Kammer die Hand zur Ausgleichung dreien werde. Es ist anders gekommen. Die Kammer ber Nelchs- räthe ließ sich durch ihren geistlichen Referenten be stimmen — ohne auch nur in eine nochmalige artikel- weise Berathung, wie es die Verfassung und die Ge schäftsordnung verlangt, einzugehen — in Bausch und Bogen zu beschließen, daß sie bezüglich aller noch vor handenen Difscrenzpunkte auf ihren früher» Beschlüssen beharre. Dieser Beschluß erfolgte mit allen gegen 13 Stimmen (Herzog Karl Theodor, Fürst Hohenlohe, Fürst Fugger-Babenhausen, Graf Quadt, Graf Pap penheim, v. Maurer, v. Faber, v. Cramer, Graf v. Botbmer, v. Pranckh, Haubenschmidt, v. Guttenberg, v. Niethammcr). Las Schulgesetz war hiermit ad- gelchnt. Das Schulgesetz ist damit vorerst beseitigt, aber wir fürchten, es wird dafür eine Agitation uls Leben treten, hinter welcher die Agitation gegen das Schulgesetz bedeutend zurückstchen dürfte. --- Wien, 26. April. Die galizischen Mitglieder des Rcichsraths haben zwar an den Resolutionen des Lemberger Landtags festgehalten, jedoch den constitutioncllen Weg bis jetzt nicht verlasfen und auch an den Wahlen für die eisleithanifchc Delegation Theil genommen. Es wäre zu bedauern, wenn sie am Schlüsse der Session von dieser correcten Haltung abweichen und bi Nichtbrrücksichliguug der beregteu Resolutionen unter Protest aus dem Reichstage austreten wollten. Die Erinnerung an viele übereilte und folgenschwere Schritte, die sich im ganzen Laufe der polnftchen Ge schichte der Betrachtung ausdringrn, sollte wohl mächtig genug sein, vou neuen Verirrungen auf verhängniß- volle Bahnen abzuhaltcn. Man vertraut daher noch immcr der durch schmerzliche Erfahrungen gereiften Einsicht, daß die galizischen Polen das letzte Bollwerk ihrer Nationalität, ihrer Rechte, Freiheit und Wohl fahrt nicht mit cigcnen Händen untergraben werden, zumal sie ja deutlich sehen müssen, daß die Regierung und die Majorität des Abgeordnetenhauses bereit sind, den Polen, welchen bereits so viel und so Wichtiges bewilligt worden ist, noch weitere Zugeständnisse zu machen, sofern dicfe nicht außerhalb der verfassungS- mäßigen Grenzen liegen. Was dagegen die Polen mit ihren Resolutionen bezwecken, ist nichts Geringeres, als die Einführung einer abgesonderten Herrschaft über die Provinz, die mit den übrigen Ländern der West- Hälfte des Reiches nur noch in einem losen Zusammen hänge blicke, welcher in jedem Augenblicke vollend- zerrissen werden könnte. Das darf ebenso wenig aus Gründen der innern al» der äußern Politik geschehen. Ein mit solcher Selbstständigkeit ausgerüstetes Galizien wäre eine stete Bedrohung unsrer nordöstlichen Nach barn und würde den Frieden gefährden, dessen Erhal tung der Zweck aller unsrer Bestrebungen ist. Als die Vertreter dcr Ruthenen den Landtag m Lemberg ver ließen, störte das die Abgeordneten polnischer Natio nalität nicht. Sie fuhren fort, Beschlüße cm Namen der Gcsammtheit zu fassen und die Interessen der Pro vinz allein wahrzunehmen. Sollten sich die Herren nicht an diesen Präcedeuzfall erinnern, wenn sie jetzt aus dem Reichsrathe treten wollen? Der nächste ga lizische Landtag muß sich dir Folgen vergegenwärtigen, die rin verfassungswidriges Ve> halten haben müßte; er wird zu erwägen haben, daß der polnische Stamm, der bis jetzt sehr bevorzugt wurde, nicht der numerisch vorwiegeud« im Laute ist, und da« die Regierung in die Zwangslage versetzt werden würde, auf constitutto- nrllem Wege an die Gcsammtheit der Bevölkerung zu appelliren. Alle Lcbensivteressen der poluischen Natio nalität hängen mit der Kraft deS üfterreichisch-uugart. scheu Grsammtstaatcs zusammen. Was diese schwächt, geht jenen verloren, und «S gehörte nur nicht voraus- iujckendc Lurzfichttgkett dazu, in den Eingewetden zu wühleu. AuS dtesru starken Gründe« läßt sich erwar-
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