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Beilage zu 18 des Sonntag, den 24. Januar 1869 sich so weit gebessert hat, daß man seinen Aussagen Glauben schenken kann, hat bereits am Donnerstag Mittag eine Recognitton mit dem v. Zastrow stattge funden. Der Beschuldigte wurde, mit Ketten geschlossen, in einer Droschke nach Bethanien gebracht und, nach dem man ihm dir Fesseln abgenommen, dem Knaben, der sich bet vollem, klarem Verstände befand, vorae- stellt. Beim Erblicken des Mannes prägte sich im Ge sicht des unglücklichen Kindes unverkennbar Angst und Schrecken auS; die ganze entsetzliche Qual, die es er litten, schien in seiner Erinnerung wach zu werden, und es bedurfte einiger Minuten, bis der Knabe sich so weit beruhigt hatte, um mit vollster Bestimmtheit den Beschuldigten als Denjenigen zu bezeichnen, der ihn vom Spielplatz »eg nach dem Boden des Hauses Grüner Weg 45 gelockt und dort so schändlich grmtß- handelt hatte. Die Erklärung wurde in so überzeu gender Weise abgegeben, daß in den Anwesenden auch nicht der leiseste Zweifel an ihrer Wahrheit aufkom men konnte. Auch auf den Verbrecher schien dieser furchtbare Belastungsmoment Eindruck zu machen; er faßte sich jedoch schnell wieder und war zu keinem Ge- ständntß zu bewegen. Die fortschreitende Genesung des HauptbelastungSzeugen, mit dem bereits längere Verhöre vorgenommen werden können, wird die Un tersuchung wesentlich erleichtern. Die Vermuthung, daß v. Zastrow auch dem Eorny'schen Mord nicht fern steht, gewinnt immer mehr Wahrscheinlichkeit. Man erinnert sich jetzt der damaligen Aussage eines Schau spielers, der an jenem Morgen zwei anständig geklei dete Herren im eiligen Laufe „den Grützmacher" hatte verlassen sehen. Die Beschreibung des einen dieser Herren stimmt mit der Person v. Zastrow's im Wr- nachdem Scholz, der übrigens inzwischen wieder wegen Diebstahls verurtheilt worden ist, sofort aus dem Zucht- Hause entlasten worden war, gegen Dietrich Anklage wegen Meineids erhoben, derselbe am 18. September vorigen Jahres schuldig gesprochen und zu 10 Jahren Znchthaus verurtheilt. Heute handelte es sich darum, im Wege des Restitutionsverfahrcns gegen den Scholz das Nichtschuldig wegen jenes Straßenraubes herbei zuführen. Der Staatsanwalt Hecker führte aus, daß es einer andern Beweisaufnahme nicht bedürfen würde, da die Sache so stehe, daß eine Anklage wegen Straßen raubes vorliege, für die jeder Beweis fehle, nachdem der einzige Zeuge Dittrich für meineidig erklärt wor den war und daher nicht producirt werden könne. Daraus folge, daß der Angeklagte für nicht schuldig erklärt werden müsse, da für die Schuld eben jeder positive Anhalt fehle. Die Geschworncn sprachen natür lich das Nichtschuldig. * Nach einer amtlichen Zusammenstellung sind in der Zeit vom 1. August 1867 bis zum 31. Juli 1868 auf Grund des Gesetzes vom 7. März 1850 in den Litern Provinzen des preußischen Staates 22,170 Jagd scheine auSgegeben worden, — S05 mehr als im Vor jahre. Von denselben wurden 87,263 bezahlt, 4907 aber an Förster, Waldaufseher rc. unentgeltlich ertheilt. Verhältnißmäßig dir meisten Jagdscheine kamen auf den Regierungsbezirk Merseburg, nämlich 7299. Dann folgten die Regierungsbezirke Breslau mit 6151, Düs seldorf mit 6089, Magdeburg mit 6072, Frankfurt mit 5499, Potsdam mit 5418, Liegnitz mit 5281 rc. Die wenigsten Jagdscheine wurden vom Polizeipräsidium in Berlin ausgegeben, nämlich 822. Dann folgtcn die Regierungsbezirke Stralsund mit 992, Danzig mit 1370, Minden mit 1862, Bromberg mit 1919, Köslin mit 1932 Jagdscheinen. Dresdner Nachrichten vom 23. Januar. — Von morgen (Sonntag) an sind im Locale deS sächsischen KunstveretnS auf der Brühl'schrn Ter rasse (geöffnet von 11—3 Uhr) neu ausgestellt: „Nach dem Sturm", Oelarmälde von K. Rettich; Landschaft, deSgl. von F. A. Wolff in Loschwitz; männliches Por» trLt, desgl. von Rödig; Studie, in Ori gemalt von Goldstein; Aquarellgemälde von Schietzold; Album blatt, e» xooackv gemalt von Herrmann. — Laut einer Bekanntmachung der hiesigen Han dels- und Gewerbrkammrr soll in den Monaten August und September d. I. von dem Verein zur Förderung von Fabrik- und Gewerbeindustrie in den Niederlanden eine internationale Ausstellung von Gegen ständen, welche die häusliche und gewerbliche Oeko- nomie des Handwerkers betreffen, in Utrecht veranstaltet werden, und haben die Anmeldungen bis zum 1. Mat zu erfolgen. * Ein amerikanisches Journal sucht auf dem Wege der öffentlichen Anzeige einen Mitarbeiter in folgen der Weise: „Wir suchen einen Mann von starkem Muskelbau, welcher sich vor Nichts scheut, namentlich nicht fürchtet, Messerstiche zu geben und zu empfan gen. Derselbe hätte sich selbst sein Pferd, seinen Re volver und sein Bowiemesser zu besorgen." Statistik und Volkswirthschast. Chemnitz, re. Januar. (Eh. Tgbl.) Der soeben versandte vierte Rechenschaftsbericht über den Stand der hiesigen neuen Actienvereinsbäckerri bezeichnet das abg^aujtvc Geschäftsjahr atS das erfreulichste und beste seit dem Bestehen der Anstalt. ES ist den vereinten Bemühungen der Verwal tung gelungen, ein sowohl den Producenten, als auch die Cou- sumenlen befriedigendes Resultat und ebenso einen nicht un bedeutenden Eewrnnüberschuß zu erzielen. Dieser Reingewinn beträgt 1094 Thlr.: hiervon kommen statutengemäß 13 Proc. zur Auszahlung, 205 Thlr. sollen dem Rescrvefond überwiesen und von dem verbleibenden Rest 10 Thlr. als Prämie unter das in der Bäckerei angestellte Personal Verl heilt werden. Die erhöhte Consumtion beweist, wie der Vorstand bemüht gewesen ist, nur gutes und möglichst billiges Brod zu liefern. Es sind im vergangenen Jahre aus 9170 Centner 79 Pfund verschiede ner Mehle gebacken worden: 36,150 Stück Semmel ä 1 Rar. (im vorigen Jahre 29,100'^ St.). 983,920 St. Brodcheu luu v. I. 640,827), 26,461 St. Süßbrod ä 4 Ngr. (im v. I. 20.743^). 68,726 St. Butterwaarcn (im v. 1.28,552). 1,046,352 Psd. Brod (im v. I. 668,570). Dieser so bedeutend gesteigerte Absatz muß wohl den Beweis geben, daß die Waare gut ge wesen, und mit diesem in Verbindung war auch der Preis e»» solcher, daß er saft der billigste hier genannt werden kann. Freiberg, 19. Januar. Aus dem so eben durch den Druck veröffentlichten Rechenschaftsberichte der Spar- und Vorschußbank — sie hatte mit dem Jahre 1867 ihr erstes Jahrzehnt» znrückoelegt. nachdem sie 1857 mit einem Stamm kapital von dOO Thlr. begonnen — entnehmen wir Folgende-. Ihr Gesammtumsatz betrug 3,837,037 Thlr.. d. i. gegen 1867 ein Mehrbetrag von 884,350 Thlr. Der Gcschäftsgewinn er gab 9240 Thlr. und es konnte der Reservesond von 3155 Thlr. auf 4876 Thlr. erhöht werde». Die Spareinlagen wiesen die Summe von 127, W9 Thlr. nach, während die Contocorrent- einlageo aus 225.405 Thlr. und die Mitaliedereinzahlnngen in 800 Büchern, von denen schon 1867 nicht weniger als 765 Stück (L 100 Thlr) voll einqezahlt waren, sich erhoben haben. Uebrigens gelangt an die Mitglieder des Bankvereins außer 4 sth Zinsen noch eine Dividende von 5 zur Auszahlung. Einen Verlust hat auch das II. Geschäftsjahr nicht gebracht. Rinderpest. Nach den vom 2. bis 16. Januar l. I. ein- aelangten Berichten ist der Stand der Rinderpest in Oesterreich- Ungarn laut amtlicher Meldung der „W. Z." folgender: In Nieder-Oesterreich sind die Orte Guntramsdors des Ba dener. Penzina des Sechshauser. Unter-Laa und Ulrichskirchen des Bezirkes Bruck a. L. verseucht. — In Galizien herrscht die Seuche in 3 Orten des Jarvslauer, in 2 Orten des Bro- dyer und in je einem Orte deS Czorikowcr, Koffower, Borsz- czower, Sokaler, Kamionkaer und Rohatyner Bezirke». — In der Bukowina sind die Eenchenorte Mchowa und Sergi« rm Wumtzer und Krasna im Stoivzunetzer Bezirke. — In Un garn herrscht die Rinderpest in II Gemeinden des Kraffower, ,n 10 Gemeinden deS Zarander, in 3 Gemeinden und aus einer Pußta des Bibarrr, in 3 Gemeinden des Pesther, in je 2 Ge meinden des Torontaler und Temescher. in je einer Gemeinde des Nyitraer, Marmaroser, Arader, Komorner und Graner Eomitates und in der Stadt Temesvar. — In Siebenbür gen herrscht die Rinderpest in 6 Gemeinden des Huuyadcr und rn b Gemeinde» des Unteralbeufer Cowilats, in 5 Gemeinde» de- Udvarhelper, in 4 Gemeinde» des Foaarascher. in je 3 Gemeinden des Ködalamer u»d Raszoder, in 2 Gemeinden des Esike» und in einer Gemeinde des Szaszvaserro StubleS, sowie in der Stadt Hatszeg. — Die übrigen Länder find frei von Rinderpest. sentlichen überein. * Die „Schics. Ztg." berichtet aus Breslau vom 13. d. M.: Eine Verhandlung, wie sie zum Glück in der Criminalrcchtspflege sehr selten ist, kam heute vor das Schwurgericht. Es handelte sich um die Restitution eines Angeklagten, der früher auf Grund eines mein eidigen Zeugen wegen Straßenraubes zu 10 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war. Der 8 1o1 der Verordnung vom 3. Januar 1849 lautet: „gegen jedes rechtskräftige Urtheil kann der Vcrurthetlte zu jeder Zeit das Rechtsmittel der Resolution einwenden, wenn er darzuthun vermag, daß das Urthcil auf eine falsche Urkunde oder auf die Aussage eines meineidigen Zeu gen gegründet ist." Im Jahre 1861 wurde gegen die Tagarbeitcr Scholz und Sprotte die Untersuchung wegen Straßenraubes einaeleitet, weil der Siellenbesitzer Ditt rich behauptete, daß er am 7. Octvber 186^,von mehrern Personen, darunter Scholz und Sprotte, angefallen, geschlagen und dabei beraubt worden sei. Er bezeich nete bet einer Vorstellung ausdrücklich den Scholz als Denjenigen, welcher ihm bei dem Unfall die Summe von 30 Thlr. gewaltsam fortgenommcn habe. Diese Aussage hat er wiederholt beschworen. Durch andere Zeugen, sowie durch theilwetsrs Zugrständniß der An geklagten war allerdings festgestrllt, daß Dittrich bei jener Gelegenheit geschlagen worden sei, dir Thatsache Vermischtes. * Das „Chemnitzer Tgbl." berichtet aus Oelsnitz i. V. unterm 20. Januar: Mittags 12 Uhr ist hier eine ganz merkwürdige HimmelSerscheinung beobachtet worden. Bei vollem Sonnenscheine und fast wolken losem Himmel sah man um den Zrnith am Himmel einen halben Regenbogen mit dem Bogm nach der Sonne hin. Rechts von der Sonne, also nach Westen, war ein ganz leichtes Wölkchen, in dem sich auch ein Theil eines Regenbogen« zeigte, der zu dem andern fast senk recht stand. Ein Zusammenhang zwischen diesen beiden läßt sich nicht erklären und Nachweisen. (Auch in Dres den haben mehrere Personen zu gleicher Zeit eine ähn liche Erscheinung wahrgenommen, doch ist uns eine Mittheilung hierüber nicht zugegangrn. D. Red.) * Die „Nat.-Z." meldet aus Berlin vom 22. Ja nuar: Nachdem der Zustand des Knaben Emil Handke aber der Beraubung beruhte allein auf seinem Zeug- niß. Am 1. Juli 1862 wurden Scholz und Sprotte durch die Geschwornen schuldig erklärt und Jeder zu 10 Jahren Zuchthaus wegen Straßenraubes verurtheilt. Sprotte ist im Zuchthause gestorben. Im Januar 1868 litt Dittrich an einer Augenkrankheit, die seine völlige Erblindung herbeizuführen drohte. Er lag hier im Hospital. Bet einem Besuche seiner Schwester klagte er ihr, daß sein Gewissen beschwert sei, und als diese, die, sowie seine eigene Ehefrau, niemals an eine ge schehene Beraubung geglaubt hatte, ihm rorhirlt, daß er bei der Untersuchung gegen Scholz wohl nicht die Wahrheit gesagt habe, und jetzt dafür durch die Krank heit bestraft werde, entgegnete er, er sei doch so sehr geschlagen worden. Auf die wiederholte Bemerkung, daß geschlagen doch nicht beraubt sei, erklärte er sich bereit, zu beichten und die Wahrheit zu sagen, machte aber demnächst bet seiner gerichtlichen Vernehmung eine sehr unwahrscheinlich klingende Erzählung, wonach er seit jenem Anfalle allerdings 30 Thlr. vermißt, sie aber demnächst in dem Futter eines alten Rockes wieder» gefunden, sich aber geschämt habe, seine Aussage zu berichtigen. Die Wahrheit war wohl, daß ihm über haupt kein Geld geraubt worden sei. Es wurde nun, Proviiyiülnachrichttn. Meißen, 22. Januar. Da seit Eröffnung der neuen Linie der Leipzig-Dresdner Eisenbahn der Ver kehr zwischen Meißen und den Stationen der alten Linie sowie Großenhain ziemlich beschränkt worden war, sollen jetzt zur Erleichterung desselben, wie das „Mßn. Tgbl." von gut unterrichteter Seite hört, von Sonntag, den 24. Januar an, auch Passagiere in 2. und 3. Wagenklasse durch Güterzüge befördert werden. — Gestern Nachmittag 4 Uhr ward in Gegenwart des Raths, der städtischen Baudeputation und des Baumei ster- der Schlußstein zu dem Bogen der Marti ns - brücke unter den dabei üblichen Feierlichkeiten einge lassen. Es geschahen die drei letzten Hammerschläge durch den Rathsvorstand Herrn Bürgermeister Hirsch berg und durch die Herren der Baudeputation, worauf der Stein bekränzt und ein Tannenbäumchen darauf befestigt ward. — Das Ei- der Elbe hat sich bei Uebigau unterhalb Dresden und bei Seußlitz gestellt; hier geht es wieder gedrängt in großen Schollen.