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Dresdner Journal : 08.04.1868
- Erscheinungsdatum
- 1868-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-186804088
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18680408
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18680408
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1868
-
Monat
1868-04
- Tag 1868-04-08
-
Monat
1868-04
-
Jahr
1868
- Titel
- Dresdner Journal : 08.04.1868
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Beilage zu 8l des Mittwoch, deu 8. April 1868. Dj-Esi s-TM-NTI-l-sM-^MN-»-- -"-sI7>.^, 1 - > . ' » ' > ,, ^V^M» La»dtagsverhlm-lu«ge«. Erste Kammer. Sitzung vom 6. April. (Schluß aus Nr. «o.) Zweiter Äegenstand der Tagesordnung: Bericht der ersten Deputation (Referent Prof. vr Heinze) über den Gesetzentwurf, die Entziehung staatsbürger licher Rechte infolge der Verübung von Ver brechen betreffend. Im allgemeinen Theile des Berichts wird bemerkt, daß die Ansichten der Deputation-Mitglieder in mehrer» Hauptfragen weit auseinandergegangen seien uud eine Einigung nicht zu erzielen gewesen sei. Die Majorität der Deputation (Hennig, v. Könneritz, ».König und der Referent) be-eichnet zwar die Vorlage nicht als eine besonders dringliche, vermag aber ebensowenig die Räthlichkeit der baldigen Durchführung derselben zu verneinen. Sie hat sich daher für das Eintreten in die materielle Berathung des Gesetzentwurfs entschie den, obschon die bisherige Einrichtung, wonach die Ent scheidung über die Verwirkung der bürgerlichen Ehren rechte in der Hauptsache den Gemeindeorganen zustehen soll, principiell betrachtet, sehr viel für sich habe. Allein bei der praktischen Ausführung derselben stellten sich nicht nur die Nachtheile ein, welche in dem Deputa- tionsberichte der Zweiten Kammer vom 12. August über zeugend dargestcllt seien, sondern ergebe sich auch sofort, daß diese Betätigung des Selfgovernments bei Landge meinden insofern großenteils illusorisch werde, als hier die Gemeindeobrigkeit, in deren Hände die Entscheidung gelegt werde, nicht ein Gemeindevrgan, sondern ein Staatsbeamter, nämlich der Gerichtsamtmann sei. Hierzu komme, daß eS für die sächsische Gesetzgebung immerhin wünschenswert erscheinen müsse, die Entscheidung den selben Behörden zugewiescn zu sehen, welche fast aus- nahmelos im ganzen übrigen Deutschland über die Ehrcnsolgen der Verbrechen zu entscheiden haben, und welchen diese Entscheidung ohne Zweifel auch von der künftigen Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes werde zugetheilt werden, d. h. den Strafgerichten. Wenn fer ner der allgemeine Gang der Entwickelung in Deutsch land der sei, daß für diese Ehrenstrafen ursprünglich die Strafart, später die Gattung des verübten Verbre chens maßgebend gewesen, gegenwärtig aber mehr und mehr auch die Eigenart des einzelnen Falles bcrücksich- tigenswerth gelte, so liege es am Tage, daß letztgrdach- tes Moment viel besser von dem Gerichte auf Grund der unmittelbaren mündlichen Verhandlung, als von einer dritten Behörde auf Grund der immerhin mehr oder weniger unvollständigen Gerichtsprotokolle erhoben und verwerthet werden könne. Dieser Grund schlage alsdann mit doppeltem Gewichte ein, wenn man sich dafür entscheide, die hier in Betracht kommenden Ehren strafen nicht mehr auf Lebensdauer, wie bisher, sondern nur auf Zeit eintreten zu lassen. Eine Minorität der Deputation (Kammerherr v. Zehmen) dagegen beantragt: „die Kammer wolle die Staatsregierung ersuchen, deu vor liegenden Gesetzentwurf wieder zurückzuziehe« uud denselben nach Befinden der nächsten Stäodeverlammlung zur Be ralkung vorzulegcn." Die Minorität hält nämlich das vorgelegte Gesetz weder für dringlich, noch hat sie sich mit seinem In halte befreunden können. Lie erachtet unsre gegen wärtige Gesetzgebung in ihren Grundzügen für ange messener und besser als Das, was der Entwurf biete. Die Entscheidung darüber, ob ein begangenes Verbre chen des öffentlichen Vertrauens unwürdig mache, lege im Wesentlichen und vorbehältlich der Bestimmungen des Staatsdienergesctzes unsre Gesetzgebung in den städtischen Gemeinden in die Hände des Stadtraths unter Vernehmung mit den Stadtverordneten, in den Landgemeinden in die Hände der Gemeindeobrigkeit unter Vernehmung mit dem Gemeinderathe, also in die Hände der Gemeindeorgane derjenigen Gemeinde, wel cher der Verbrecher angehöre. Nur an die Zuchthaus strafe knüpfe unser Strafgesetz gewisse allgemeine Fol gen von Rechtswegen. Ueberweise man die Entschei dung über die Entziehung der staatsbürgerlichen Rechte der Strasbehörde, so liege es in der Natur der Sache, daß die Criminalbehörde stets nur mehr den einzelne» Fall vom criminalistischrn Standpunkte aus in Erwä gung ziehen werde; die Entziehung der staatsbürger lichen Rechte gewinne dadurch mehr den Charakter einer Strafschärfung für den einzelnen Fall. Unterliege dagegen (abgesehen von dem Falle zuerkannter Zucht hausstrafe) die Cognition den Gemeindebehörden und Organen, so werden die Gemeindevertretungen dagegen von selbst die ganze Lebensweise, allgemeine Führung und Persönlichkeit des Verbrechers und den Einfluß des begangenen Verbrechens oder Vergehens auf die öffent liche Achtung und das allgemeine Vertrauen zu der Person des Verbrechers in das Auge fassen. Jeden falls würde, wenn man den Gemeindevertretungen die Cognition hierüber entnehmen wolle, denselben wie der ein wichtiges Stück Autonomie entzogen werden, was man ihnen erst gegeben. Der Entwurf enthalte ferner von den Gesetzgebungen der andern deutschen Staaten durchaus abweichende Bestimmungen, ja, in einer wesentlichen Bestimmung entferne er sich sogar weiter von der preußischen Gesetzgebung, als unsre bis herige Gesetzgebung, welche in Betreff der Folgen zu- erkannter Zuchthausstrafe mit der preußischen überein- stimme. Ebensowenig hat sich die Minorität mit der Casuistik des Entwurfs, sowie damit zu befreunden ver mocht, daß derselbe den Begriff der staatsbürgerlichen Rechte aus Stimmrecht und Wählbarkeit beschränke, während zu denselben jedenfalls auch das Recht, öffent liche Aemter und Functionen zu begleiten, Würden und Ehrenzeichen zu führen und zu tragen, z» zählen sei. Abgesehen von dem Inhalte des Gesetzentwurfes, vermag die Minorität namentlich nicht im aegenwärti gen Augenblicke ein dringendes Bedürfniß für denselben anzuerkennen. Die Motiven für Vorlegung des Ge setzentwurfs seien theils aus den Rücksichten aus das Reichswahlgesetz, theils aus den Anträgen brr Zweiten Kammer an dem Landtage 1863/t'»4 entlehnt Die Differenz zwischen unserm sächsischen Gesetze für dir Wahlen zum norddeutschen Reichstage vom 7. Decem- ber 1866 und dem in Preußen dafür geltenden Gesetze sei an sich ohne Bedeutung ; rin gemeinschaftliches Reichs Wahlgesetz in der Verfassung des Norddeutschen Bun- d«S erst in Aussicht genommen, bis dahin gelten die in den einzelnen Staaten für die erstmalige Wahl -um Reichstaat in Anwendung gewesenen Gesetze, Art. 20. Das sächsische Gesetz über die Reichstagswahlen müsse unabänderlich bestehen bleiben bi- »u Erlaß des Reichs- Wahlgesetzes. Ueberdies sei für tue laufende 3 jährige Legislaturperiode des norddeutschen Reichstags bereits gewählt, und vor den Neuwahlen trete schon wieder im Herbst nächsten Jahres ein neuer sächsischer Spccial- landtag zusammen, von welchem die Vorlage erledigt werden könne. Noch weniger begründeten die aus den Verhandlungen der Zweiten Kammer vom Landtage 1863/64 entlehnten Motiven die Nothwendigkeit der Vorlegung des gegenwärtigen Gesetzentwurfs noch an diesem Landtage in seinem gegenwärtig schon so weit vorgerückten Stadium. Beide Motiven hätten der Staatsregierung bereits im Sommer 1867 vollständig Vorgelegen, und doch habe sie sich nicht veranlaßt ge funden, den vorliegenden Gesetzentwurf rechtzeitiger an die Ständeversammlung zu bringen. Der jetzige Land tag dauere nun bereits seit 1.D November 1866 mit zweimaliger Unterbrechung durch die Reichstage des Jahres 1867, gegenwärtig tage der Reichstag zum dritten Male; alle Verhältnisse mahnten dringend zu baldigem Schlüsse, die Kräfte der einzelnen Ständcmit- glieder seien fast erschöpft, und noch lägen eine Menge wichtiger Gesetze vor, welche nothwendig Erledigung heischten. Wiederholt hätten die Stände an frühern Landtagen dringend gebeten, die an sie zu bringenden Gesetzentwürfe am Anfänge jedes Landtags vorzulegen und nicht erst in den letzten Stadien, wenn nicht ganz besondere Dringlichkeit es erheische. Die Staatsregie- rung habe diese Bitten gegenwärtig in einer solchen Weise unbeachtet gelassen, daß sie fast wie eine Miß achtung der frühern ständischen Anträge aussche. Die Minorität kann daher den Wunsch nicht zurückhalten, daß alle nicht dringlichen Gesetzvorlagen der nächsten Ständrversammlung Vorbehalten werden und erbittet - sich daher die Zustimmung der Kammer zu dem gedach te» präjudiciellen Anträge: Kammerherr v. Zehmen fügte seinem Separat votum noch einige Erläuterungen bei. Sein Antrag sei dadurch veranlaßt worden, daß die vor 14 Tagen von den Präsidenten und den Deputationen beider Kam mern abgehaltene Conferenz, in welcher die Frage be- rathen worden, welche Vorlagen aufgeschoben werden könnten, resultatlos auseinander gegangen sei. Er habe deshalb zu dem alten Sprichworte seine Zuflucht ge nommen: „Hilf dir selber, so wird dir geholfen." Die Nothwendigkeit eines baldigen Schlusses des Landtags sei immer dringender in den Vordergrund getreten, und dem gegenüber müßten andere Rücksichten schweigen und die Berathung auf die unbedingt nothwendigen Ge genstände beschränkt werden. Zu letztem rechne er aber die heutige Vorlage nicht. Geh. Rath v. König: Es könnten wohl Zweifel darüber erhoben werden, ob die Vorlage uothwendig und gerechtfertigt sei. Allein die jetzigen Bestimmungen hätten den Nachtheil, daß „ein nach allgemeinen Be griffen entehrendes Verbrechen" ein sehr dehnbarer Be griff sei und zu Differenzen zwischen den Gemeinde vertretungen und der Regierung Anlaß gebe. Diese Differenzen habe die Regierung zu entscheiden, und da durch erledige sich von selbst das von dem Scparat- votanten über die Autonomie der Gemeinden Gesagte. Auch könne er nicht zugeben, daß der Criminalrichter nicht geeignet sein solle, die Frage zu entscheiden, ob ein Verbrechen den Verlust der staatsbürgerliche» Rechte nach sich ziehe, da der Criminalrichter über die Ante- cendentien des Verbrechers und die Specialitäten des Verbrechens genau unterrichtet werde. Wie man die Entscheidung in die Hand des Criminalrichters lege, so werde sie auch beim Publicum eine größere Be achtung finden. Der Entwurf enthalte daher im Prin cipe eine entschiedene Verbesserung gegen die bisherigen Bestimmungen. Ucbrigens werde die Zweite Kammer noch recht wohl Muße finden, die Vorlage zu erledigen. Der Referent der Majorität: Was die geschäft lichen Gründe im Separatvotum anlange, so glaube er kein Geheimniß auszuplaudcrn, wenn er sage, daß die Ansichten über den verspäteten Eingang der Vorlagen in der Deputation auf Widerspruch nicht gestoßen seien. Auch die Majorität halte die Vorlagen nicht für be sonders dringlich, und müsse er anerkennen, daß bei der äußerst schwierigen Beschaffenheit des Gegenstandes cs ziemlich ungewiß sei, ob eine endliche Vereinbarung zwischen Regierung und beiden Kammern auf diesem Landtage zu erreichen sei. Gleichwohl habe die Zweite Kammer einen ähnlichen Gesetzentwurf beantragt und er glaube daher nicht, daß cs Aufgabe dcr Ersten Kam mer sei, die Regierung zu ersuchen, diesen Schritt wie der, zurückzuthun. Geh. Finanzrath v. Nostitz-Wallwitz für den An trag der Minorität. Im vorigen Jahre habe er die Frage verneint, ob der Landtag sich nur mit dcr Be- rathung dcr Wahlgcsetzvorlageu beschäftigen solle. Jetzt seien dre Verhältnisse wesentlich andere. Das Bndget sei festgcstellt, die Kirchcnordnung und das Berggesetz erledigt und die übrigen nothwcndigen Vorlagen ließen sich wohl bis Ende dieses Monats noch erledigen. Die längere Dauer der Berathungrn mache im Lande, auch in couservativen Kreisen, cincn mehr oder weniger un günstigen Eindruck. Ferner sei cs auch sehr wünschens - werth, daß die sächsischen Abgeordneten, welche Mit glieder des Reichstags seien, bci Berathung der Ge werbeordnung in Berlin nicht fehlten. Hiernächst vcr- anlasse ihn auch der Inhalt des Deputationsdcrichts, für das Minvritätsvvtum zu stimmen. Wenn inner halb einer Deputation die Ansichten so weit auscin- andcrgingen, so müsse man daraus schließen, daß die Ansichten im Lande noch nicht so geklärt seien, um mit Erfolg in die Berathung cintretcn zu können. Wenn die Erste Kammer zu erkennen gebe, daß die Frage noch nicht reif sei, so entspreche dies nur ihrem Stand punkte, indem sic sich mit dem Gegenstände noch nicht beschäftigt habe, und anch in dcr Zweiten Kammer habe auf vorigem Landtage, soviel cr sich erinnere, nur eine kurze Debatte darüber stattgefunden. Rittner ebenfalls für die Minorität. Im Allae- mrinen möge die Regelung dcr fraglichen Verhältnisse wohl wünschrnswcrth sein, dringend nothwendig sei sie aber nicht. Durch den Entwurf grriethrn wir in eine neue Divergenz mit der preußischen Gesetzgebung, und dann seien es die Landtagsverhältntsse, welche ihn ver anlaßten, für dir Minorität zu stimmen. Er könne aus seiner Erfahrung bestätigen, wie unangenehm eS sei, wenn gegen Schluß des Landtags noch die wich tigsten Berathnngen vorgenommen würden. Staatsminister vr. Schneider: Das Einbringen des vorliegenden Gesetzes sei ein Beweis, daß die Re gierung gern den ständischen Anträgen entspreche. Er könne sich auf diese Bemerkung beschränken, wenn ihm nicht eine Stelle im Srparatvotum zu einer Erwide rung Anlaß gcbr, in welcher darin eine indirecte Ver dächtigung der Regierung enthalten sei. Diese müsse er mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Die Regie rung sei sich bewußt, niemals einen ständischen Antrag mißachtet zn haben. Auch objectiv sei der Vorwurf nicht begründet. Der vorliegende Gesetzentwurf stehe mit andern Vorlagen (Abänderungen desStrafgcsekbuchs u. s. w.) im Zusammenhänge. Daß derselbe noch l-abe vorgelegt werden können, sei nnr durch die große Ar beitskraft eines Mitglieds des Ministeriums möglich gewesen, das übrigens zwei Mal durch deu Reichstag den Arbeiten entzogen worden sei. Er bezwecke damit keine Anerkennung, sondern wolle nur einer Verkennung vorbeugen. ' Kammcrherr v. Zehmen erwiderte hierauf, daß der vorliegende Entwurf nicht eine Folge ständischer An träge sei. Im Jahre 1864 habe die Zweite Kammer und sie allein den Wunsch nach dieser Vorlage ausge sprochen, wäbrrnd in der Ersten Kammer der Gegen stand gar nicht zur Verhandlung gekommen sei. Seit dem sei aber keine Anregung seitcn der Stände gege ben worden. Daß in seinem Leparatvotum eine Ver dächtigung der Regierung entbalten sei, müsse er zu- rückiveisen, die Thatsache aber, daß seit Weihnachten 1867 noch 16 Vorlagen eingegangen seien, welche sämmtlich der ersten Deputation hätten überwiesen wer ben müssen, spreche nicht dafür, daß die ständischen Wünsche Berücksichtigung gefunden. Schließlich er klärte Redner es für sehr wünschenswert!), daß die An sichten über den fraglichen Gegenstand sich noch mehr klärten, namentlich auch über die Frage, ob die Ent ziehung der staatsbürgerlichen Rechte, was einer cspiii« llkminuti» gleichkomme, auch von dem Einzelrichter in nicht öffentlichem Verfahren solle entschieden werden können. Nach einer, Entgegnung des Geh. Raths v. König gegen die Redner für das Minoritätsvotum beschloß die Kammer auf Antrag des Kammerherrn v. d. Pla nitz der Schluß der Debatte. Der Referent der Minorität verzichtete auf das Schlußwort. Der Referent dcr Majorität: Er sehe das Schicksal des Majoritätsantrags voraus und wolle nur einigermaßen den Rückzug decken. Nachdem er von dcr Erkärung des Staatsministers, daß die Regie rung den ständischen Anträge» jederzeit Rechnung trage, dankbar Act genommen, entgegnete er in Bezug auf die erwähnte Divergenz mit der preußischen Gesetzge bung, daß letztere jetzt unsern gegenwärtigen Bestim mungen entschieden voranstehe. Bei namentlicher Abstimmung wurde, wie schon gestern erwähnt, der Minoritätsantrag mit allen gegen 3 Stimmen (Hennig, v. König und Referent) ange nommen. Zweite Kammer. Sitzung vom 7. April. Beginn dcr Sitzung Vormitlags 10 Uhr in Gegen wart der Staatsministcr 1)r. Freiherr v. Falkenstein, Dr. Schneider und v. Nostitz-Wallwitz, sowie des Regicrungscommissars Generalstaatsanwalts l)r Schwarze. Auf der Registrande befindet sich unter Anderm eine Petition des vr. Lösche in Dohna, die Eisen bahn im Müglitzthale betreffend. Vor Uebergang znr Tagesordnung wird der cin- berufcne Stellvertreter des beurlaubten Abg. vr. Her tel, Kaufmann Dindorf aus Dresden, in die Kam mer cingcführt und verpflichtet. Gegenstand der Tagesordnung ist der Bericht der außerordentlichen Deputation über das allerhöchste Decret, den Entwurf eines Gesetzes, die Aufhebung beziehentlich Abänderung einiger Artikel des Strafgesetzbuches betr. (Referent. Abg. Müller- Chemnitz.) Auch hier erwägt die Deputation zuerst die Frage, ob in die Berathung einzutreten sei trotz der Bestimmung in Art. 4 sub 13 dcr Bundesacte. Auch hier aber hat aus den bereits früher bci dem Berichte über die Geschworncnvorlagc ausführlich mit- gethcilten Gründen die Majorität der Deputation die Frage bejahend beantwortet. Sodann wird im allgemeinen Theile des Berichtes die Frage erörtert, ob eine Revision des gesamm- tcn Strafgesetzbuches zweckmäßiger gewesen sein würde? In Uebereinstimmung mit der Auffassung der Regierung wird diese Frage von der Deputation ver neint. Dieselbe ist ganz einverstanden damit, daß sich die Revision auf die in den allgemeinen Motiven an gegebenen Richtungen beschränke. Die Regierung hat dort folgende 6 Punkte ausgestellt: l. Die für die Competenz der Geschworuen bestimmten Grcn zen machen bei einzelnen Verbrechen eine Aenderung des letzt bestehenden Strafmaßes nothwendig. (Novelle XII bis XV.) 2. Bei einzelnen Verbrechen ist eine gleiche Aenderung deshalb nvthig, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß daS Strafmaß zu hoch gegriffen ist. (XXIIl.) :t. Bei einzelnen Verbrechen sind die Bestimmungen, bei denen man wohl zu specieü und ohne praktisches Bedürfniß zu viele Unterscheidungen staluirt hat, zu vereinsachen. (XVl bis XX.) 4. Eine Mehrzahl von Vergehen ist auSzuscheiden, welche man zeuher in dem Strafgesetzbuch« («eibehalten bat, obschon sie ihrer Natur nach jedes Moments für die criminelle Strafbarkeit entbehren und daher füglich der polizeilichen Ahndung zu überlassen sind. (XXlV—XXVI.) L. Dagegen sind mehrere Bestimmungen aufzunehmen, durch welche besonders Ünzutraglichkeiten, ivclche mit den jetzigen Vorschriften verknüpft gewesen sind, beseitigt werden. (Il—V, VIII, tX, XXI und XXI l.) v. Einigt Aenderungen sind durch die Verfassung des Nord deutschen Bundes geboten. (VI und Vll.) Die Deputation verkennt nicht, daß das Strafgesetz buch in manchen Partien einer Revision bedürfe und daß dabei einzelne Principien desselben erneuter Prü fung zu überweisen sein möchten. Da dies aber ohne eine Umarbeitung des ganzen Strafgesetzbuchs kaum ausführbar sein werde, es auch angemessener erscheine, hierüber vorerst Erfahrungen anzusammcln, und na mentlich jetzt, bei dem bevorstehenden Eintritte der Gr- fchwornengerichte, von allen Aenderungen abzusehen, welche, obschon mit Rücksicht auf das Institut der Ge schwornen vorgenommen, doch schließlich den von ihnen gehegten Erwartungen nicht entsprechen könnten, so habe man für jetzt von Anträgen auf Aenderung ein zelner Bestimmungen des Strafgesetzbuchs, bei denen es allerdings zweifelhaft, ob sie dem Bedürfnisse des Geschworncngerichts entsprächen, absehen zu müsse» ge glaubt. Auch dic Frage, ob man in den zu beantra genden Abänderungen einzelner Artikel des Strafge setzbuchs hätte weiter gehen sollen, wird im Allge meinen verneint. Unter den verschiedenen Gründen wird vorzüglich der betont, daß dann die Gefahr nahe liegen würde, zu tief ins Gesetz einzugreifen und das Svstem selbst in einer Weise zu verletzen, welche mit der Aenderung Unsicherheit in dic Praxis bringe und insbesondere Zweifel über die Tragweite der Aender ungen selbst Hervorrufe. Partielle Revisionen würden immerhin eine mißliche und in ihrem Erfolge zweifel hafte Arbeit sein. Dagegen sei man der Ucberzeugung, daß wohl in nicht allzu langer Zeit eine allge mein e R e v i s i o u des Strafgesetzbuchs einzutrcten haben würde. Hierbei würden die inmittelst mit den Ge- schwornen in dieser Richtung gemachten Erfahrungen in Berücksichtigung zu ziehen, auch werde vorzugsweise darauf Bedacht zu nehmen sein, auf Grund jener Er fahrungen das Strafgesetzbuch allgemein verständlicher und einfacher abzufassen. Eine solche allgemeine Revision würde auch auf das Gesetz vom 11. August 1855, die Forst-, "Feld-, Garten-, Wild- und Fischdicbstähle, so wie einige damit zusammenhängende Vergehen betreffend, zu erstrecken sein. Dagegen weist der Bericht darauf hin, daß die Deputation in einem Anhänge noch einige Aenderungen beantragen werde, welche sie für dringend nothwendig erachtet habe. Endlich betont die Deputation, daß sich nach defini tiver Verabschiedung dcr Vorlage noch eine Prüfung uothwendig machen werde, ob und inwieweit dic Aen derungen des Strafgesetzbuchs auf andere, nicht unmit telbar uud ausdrücklich in den Novellen erwähnte Ar tikel des Strafgesetzbuchs und deren Fassung influiren und einc redactionclle Abänderung derselben nöthig machen würden. Zu diesem Zwecke würde cs sich empfehlen, aus Kammermitgliedern und Regicrungsbeamten eine be sondere Revisionskommission, welche diese nach trägliche Prüfung, sowie die Verschmelzung der No vellen, einschließlich derer des Jahres 1861, in das Gesetzbuch vornähme, zu bilden. Auf Grund dieser Arbeit werde sodann das Strafgesetzbuch nach der neuen Redaktion in dem Gcsctzblatte vollständig wieder zum Abdrucke zu bringen und als Laudesgesctz zu verkün den sein. Diese Redaktionskommission solle nicht dar auf beschränkt sein, einzelne Allegate zu verbessern und in gleicher Richtung Ergänzungen zu treffen, sondern auch alle bei den einzelnen, mittelst der allerhöchsten Dekrete Nr. 8Z, 94, 97, 108 und 110 eingeführten Vorlagen nach den gefaßten Beschlüssen sich nöthig machenden Aenderungen vornehmen. Hierbei könne es vorkommen, daß infolge der gefaßten Beschlüsse ein zelne Artikel des einen oder des andern Gesetzes einer redaktionellen Ergänzung, oder auch einer durch jene Beschlüsse gebotenen Aenderung, welche den Artikel mit ihnen in Uebereinstimmung bringe, zu unterziehen seien. So werde z. B. dic Aufhebung der Todesstrafe eine Abänderung des Art. 109^Abs. 2 (Criminalverjährung), nach sich ziehen. Am Schluffe ihres Berichts werde die Deputation mit einem der bezeichneten Revision gel tenden Anträge bci der Kammer einkommen. Die allgemeine Debatte beginnt Abg. vr. Platz- maun, welcher sich in ausführlicher Rede für die Ab schaffung dcr Todesstrafe ausspricht. Derselbe bemerkt, daß dic Gründe für und wider zahrciche seien. Einige darunter, die au sich nicht zu unterschätzen seien, seien doch nicht geeignet, eine endliche Entscheidung der hoch wichtigen Frage herbcizuführcn. Sehr oft sei man aus einer falschen Sentimentalität gegen die Todesstrafe. Auch die Behauptung, daß dieselbe mit dem heutigen Culturzustande nicht mehr vereinbar sei, vermöge er nicht gelten zu lassen, da er der sogenannten Cultur auf dem Gebiete der Sittlichkeit nur eine beschränkte Bedeutung cinräumen könne. Nach seiner Ansicht seien nur zwei Gesichtspunkte ins Auge zu fasten, nämlich 1) dcr Geist des Christenthums und 2) der Begriff dcr Strafe selbst. In Bezug auf den ersten Punkt wolle er sich durchaus nicht auf das dogmatische Ge biet begeben, und beabsichtige keineswegs seine Ansicht durch Anführen von Bibclstcllen zu bestätigen. Doch weise er darauf hin, daß er eine ziemliche Reihe von Sprüchen für sich anzichen könne. Es genüge ihm, daß ein gelehrter Thcolog nachgewiesen habe, daß das göttliche Wort die Todesstrafe nicht nur nicht verlange, sondern derselben geradezu entgegen sei. Er selbst habe dem letzten hochnothpcinlicben Halsgcrichte in Sachsen als Bei sitzer bcigewohnt, und da sei bei ihm dcr Gedanke entstan den, dcr ihn nie wieder verlassen habe: darf denn ein menschlicher Richter einen Verbrecher vom irdischen Stuhle sofort vor deu Richtcrstuhl Gottes schicken? Er zweifle dic Berechtigung des Staates, die Todes strafe gesetzlich anzudrohen, an. Dic Todesstrafe mache Rcue und Buße unmöglich. Dies führe ihn zum zwei ten Punkte: zum Begriffe der Strafe. Nach seiner Ucberzeugung solle jede Strafe eine bleibende, dauernd« Einwirkung auf den Bestraften haben. Der Zweck der Strafe müsse Besserung sein. Zu berücksichtigen sei ferner, daß auch ein Todcsurtheil auf Jrrthum beruhen könne und daß, wenn dcr unschuldig Bestrafte hinge richtet sei, eine Reparation des Unrechtes nicht mehr möglich sei. Wenn man sage, der Hauptzweck der Strafe sei die Sühne, so halte er rin, warum solle denn auf vergossenes Blut wieder Blut vcrgossen werden? Lebenslängliches Zuchthaus sei eine entsprechendere Sühne; sie sei eine bleibende, dauernde und keineswegs eine leichte. Ueber die Abschreckungstheoric wolle er sich nicht verbreiten, da theils hierüber in der Vorlage bereits das Nöthige gesagt sei, theils man in der Wissenschaft rc. mehr und mehr von dieser Ansicht zurückkomme. Er glaube nicht daran, daß man durch die Todesstrafe mit Erfolg von Begehung derartiger Verbrechen abschrecke. Die Ge schichte der Todesstrafe habe einen Gang genommen, der uothwendig zu ihrer gänzlichen Aufhebung führen müsse. Seit Beccaria sei die Rechtmäßigkeit der To desstrafe anaezweifelt worden. Die Erklärung der Juristen, daß die Todesstrafe jetzt noch nicht entbehrt werden könne, habe dir Frage der Abschaffung »u einer Zeitfragt gemacht. Nach seiner Ucberzeugung sei jedes gesprochene TodeSurtheil ein Armiul)s;nigiuß, welches sich die Justiz und der Staat selbst auSsteuten,
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