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15 März 1901. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 311 mufsten. Die Preise konnten ungeachtet der Ver- theuerung der Rohmaterialien nur schwer aufrecht er halten werden und um so weniger eine Steigerung er fahren, als die Preise für verschiedene andere Eisen- waaren sogar herabgesetzt worden sind. Die Geschäfts lage der Schrauben- und Nietenindustrie hat sich gegenüber dem Vorjahre etwas ungünstiger gestaltet, da die deutsche Concurrenz infolge der dortigen un günstigen Marktverhältnisse mit Erfolg den Versuch machte, ihrem Exporte neue Gebiete zu erschliefsen, worauf auch das Abbröckeln der Preise in gewissen Artikeln zurückzuführen ist. Ebenso trägt die junge ungarische Schraubenindustrie — wenn auch nicht im gleichen Mafse wie die deutsche — zum langsamen Rück gang der cisleithanischen Preisnotirungen sehr viel bei. In Pflug- und Zeugwaaren hat sich der Absatz annähernd auf gleicher Stufe wie im vergangenen Jahre gehalten. Es werden nach wie vor grofse Partien fertige Pflüge und Pflugbestandtheile, letztere meist roh vorgearbeitet, importirt. Der Export gestaltete sich nach den unteren Donaustaaten theils wegen schlechter Ernte, theils wegen der billigen Frachten des Auslandes dorthin viel niedriger als in früheren Jahren. In Sägen und Messern für landwirtschaftliche Zwecke ist der Import infolge unzulänglichen Zollschutzes noch im stetigen Wachsen begriffen, während das anerkannt vorzügliche heimische Material geeignet wäre, das ausländische vollständig zu verdrängen. In Sensen, Sichel- und Strohmessern wurde der Absatz nach dem Hauptab satzgebiete — Rufsland — mit Ausnahme des süd westlichen Theiles, wo das Geschäft infolge einer Milsernte darniederlag, so ziemlich behauptet, dagegen liefs der Absatz nach den Balkanländern alles zu wünschen übrig, auch der Absatz nach Deutschland und Italien bröckelt von Jahr zu Jahr ab und geht an die stets fühlbarer werdende Concurrenz der deutschen und französischen Sensenwerke verloren. In Zahn sicheln bekämpft Oesterreich jetzt wirksam die bisher in diesem Artikel auch in Oesterreich dominirende englische Concurrenz. Die Sensen-Preise verfolgen leider seit mehreren Jahren trotz erheblich steigender Productionskosten eine stetig sinkende Tendenz. Die Lage der Maschinenfabriken, welche im ein zelnen besprochen wird, war im allgemeinen nicht ungünstig, dagegen wurden bezüglich der Lage der österreichischen Waggonbauindustrie in der jüngsten Zeit unzutreffende Nachrichten verbreitet, wonach die Lage derselben eine besonders günstige sei. „Der Waggonbau in Oesterreich batte wohl in den letzten Jahren eine günstigere Conjunctur aufzuweisen. Der Bedarf an Personenwagen und elektrischen Motorwagen, welcher in den Jahren 1896 und 1897 550 bezw. 429 Wagen betrug, hat sich in den letzten zwei Jahren gesteigert (909 Wagen im Jahre 1898 und 649 Wagen im Jahre 1899), doch ist diese Steigerung auf die Be stellungen für die Wiener Stadtbahn und für die j elektrischen Bahnen der Hauptstädte zurückzuführen; nachdem dieser einmalige Bedarf ausgeliefert ist, wird I der Personenwagenbau wieder auf den früheren nor malen Bedarf zurückgehen. Auch die Herstellung von Güterwagen hat in den Jahren 1898 und 1899 gegenüber dem Vorjahre eine Vermehrung erfahren, denn sie betrug im Zeitraum von 1896 bis 1899 3358, 3437, 4966 und 4654 Stück. Die Leistungsfähigkeit unserer Waggonfabriken wird aber selbst durch den in den beiden letzten Jahren gestiegenen Consum keineswegs voll in Anspruch genommen, da von unseren Fabriken jährlich etwa 12000 Waggons geliefert werden können. Die Differenz zwischen Inlandsconsum und dieser Leistungsfähigkeit konnte in den letzten Jahren nur durch Lieferungen ins Ausland ausgeglichen werden. Der im vollen Zuge befindliche Rückgang der Con- junctur im Deutschen Reiche beginnt aber diesen Export in bedrohlicher Weise zu beeinträchtigen. So erwarben vor wenigen Tagen drei deutsche Waggon fabriken in Italien in Concurrenz mit 29 Firmen mehrere Hunderte Güterwagen zu so aufserordentlich niedrigen Preisen, dafs sich die österreichischen Fabriken werden zu grofsen Opfern zwingen müssen, wenn sie nicht ganz auf den Export verzichten wollen. Dabei sind die Aussichten für den Export nach den Orientstaaten infolge der dortigen finanziellen Calamitäten sehr gering und für die österreichischen Waggonfabriken auch noch dadurch gefährdet, dafs die ebenfalls an Arbeitsmangel leidenden ungarischen Fabriken infolge günstigerer Frachtverhältnisse im Vortheile sind. Von den in Aussicht genommenen Investitionsbeträgen der österreichischen Bahnen ent fällt auf die Waggonbeschaffung ein sehr geringer Bruchtheil, da den Löwenantheil Bahnhof-Anlagen und -Erweiterungen, Doppelgeleise, Betriebssicherungs-Vor richtungen u. s. w. in Anspruch nehmen. Bedenkt man, dafs die Südbahn pro 1900/1901 nur 800 Güterwagen, die Staatseisenbahn-Gesellschaft pro 1901 blofs 66 Per sonenwagen, 6 Dienstwagen und 300 Güterwagen bestellt hat und die jährlichen Anschaffungen der k. k. Staatsbahnen im Jahresdurchschnitt 1200 bis 1400 Güterwagen betragen, so wird man beurtheilen können, wie weit diese Bestellungen von der oben bezeichneten Leistungsfähigkeit abweichen. Für die k. k. Staatsbahnen sind die pro 1901 präliminirten etwa 1100 Lastwagen bereits Ende October 1900 com- plet abgeliefert worden, und damit nicht etwa über den nächsten Winter die Fabriken ohne Beschäftigung da stehen, hat das Eisenbahnministerium den Bedarf pro 1902 (1100 Lastwagen) schon jetzt den Waggonfabriken anfgegeben, so dafs dieser Bedarf im Frühjahre 1901 gedeckt sein wird. Die Lage der österreichischen Waggonindustrie wird noch dadurch verschlimmert, dafs in letzter Zeit die Privatbahnen ihren Waggon- bedarf zumeist nur gegen mehrjährige Zahlungs bedingungen decken, und dafs selbst die k. k. Staats bahnen mangels der budgetären Bewilligung der In- vestitionscredite die bewirkten Lieferungen nicht in üblicher Weise zahlen, sondern nur.eine verhältnifs- mäfsig niedere Verzinsung der offenen Beträge ge währen, und ist es infolge der ungeklärten Verhält nisse gar nicht abzusehen, wann die Zahlungen erfolgen werden. Wird endlich berücksichtigt, dafs soeben zwei neue Waggonfabriken entstanden sind und weitere Gründungsobjecte in der Luft schweben, so wird wohl jeder Einsichtige die Erkenntnifs gewinnen, dafs der Waggonbau Oesterreichs keineswegs einer günstigen Geschäftsentwicklung entgegensieht. Die erwähnten Neugründungen beweisen aufs neue, dafs die innere Concurrenz allemal dann eine Vermehrung erfährt, wenn die betreffende Industrie eine günstige Geschäfts periode bereits hinter sich hat.“