Volltext Seite (XML)
310 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 15. März 1901. hervorgehoben, dafs durch eine einseitige Verkürzung der Arbeitszeit; welchem Beispiele andere Staaten bisher nicht gefolgt sind, eine tiefe Schädigung der Volks- wirthschaft und eine Erhöhung der die industrielle Entwicklung vernichtenden und hemmenden Lasten I eintreten müfste. Es wurde weiter hervorgehoben, dafs eine Schichtdauer von 9 Stunden mit einer effectiven Arbeitszeit von 6 bis 7 Stunden gleichbedeutend sei, und dafs die Arbeit beim Kohlenbergbau keine gesund- ( heitsschädlichere sei als bei vielen anderen Berufsarten. | Es wird erwartet, dafs die Regierung einen derartigen Gesetzentwurf dem Reichsrathe nicht mehr vorlegen wird, und dafs auch der Reichsrath zur Erkenntnifs kommt, welche ernste Gefahr eine solche Mafsregel für das gesammte, ohnehin bedrängte Wirthschaftsleben des Staates in sich birgt. An der Enquete über die Frage der Steigerung hat der Verein nicht theilgenommen, er I verharrt auf dem Standpunkt, dafs ein Eingriff des I Staates in die Preisgestaltung irgendwelcher Industrie- | producte, also auch der Kohle, im Interesse der Ge- | sammtindustrie nicht zweckdienlich wäre. Ferner hat j der Verein sich gegen die Bestrebungen ausgesprochen, welche auf die Erlassung allgemeiner Schutzvorschriften I für gewerbliche Betriebe und auf eine Einschränkung der Verwendung jugendlicher und weiblicher Arbeiter | in der Industrie abzielte. Die handelspolitischen Wünsche des Bergbaues gipfelten in Anbetracht der auch ferner hin für die Producte des Bergbaues im In- und Aus lande zu erhaltenden Zollfreiheit hauptsächlich darin, dafs unter Bedachtnahme auf die wirthschal'tlich schwächere Situation des österreichischen Bergbaues i gegenüber dem Auslande beim Abschlufs der Handels- i vertrage seitens der österreichischen Regierung haupt sächlich jede Benachtheiligung des österreichischen I Bergbaues durch eine ungleiche eisenbahntarifarische | Behandlung der österreichischen Bergbauproducte im j Auslande und auch in Ungarn hintangehalten werden , müsse. Von den übrigen Angelegenheiten, mit welchen I sich der Vereinsausschufs im abgelaufenen Geschäfts- j jahre befafste, wird noch erwähnt, dafs sich der Aus- schufs auch mit der wichtigen Frage beschäftigte, in welcher Weise eine Productions-Statistik der öster reichischen Eisen- und Stahl-Erzeugung eingerichtet , werden könnte. Ueber die Geschäftslage der im Vereine vertretenen Industriezweige im ab gelaufenen Vereinsjahre ist Folgendes zu berichten: Auch im vergangenen Jahre konnten die Kohlen- und Kokswerke einen befriedigenden Geschäftsgang aufweisen. Die geförderten Mengen aller Kohlen reviere dürften ungeachtet des zu Beginn des Jahres ausgebrochenen und durch fast drei Monate andauernden ■ Streikes keinen Ausfall aufweisen, während die Preis aufbesserungen, die sowohl für Kohle als auch für Koks gegen das Vorjahr erzielt wurden, recht ansehn- ; liehe sind. Allerdings trifft dies nur für ein relativ und absolut nicht allzu bedeutendes Quantum zu, zumal sowohl die Gruben als auch die Kokswerke ihre Pro duction zum grofsen Theile im vorhinein verschlossen hatten. Insofern somit jene Industrien, die für ihren Kohlen- und Koksbedarf nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend Vorsorge getroffen hatten, von den mitunter recht bedeutenden Preisaufschlägen empfindlich betroffen wurden, war dies eine Consequenz der aus zweiter und dritter Hand erforderlich gewesenen Materialbeschaffung. Die günstige Geschäftslage der inländischen Kohlen- und Koksindustrie war so wie im Vorjahre in erster Linie dem industriellen Aufschwung Deutschlands, dann aber auch der Kriegführung in Afrika und China zu zuschreiben, indem durch den Wegfall der englischen Concurrenz auf den deutschen Märkten der Wettbewerb von deutscher Kohle und Koks sich auf dem inländischen Markte minder fühlbar machte und somit das in ländische Product schlanke und vermehrte Aufnahme fand. Am Schlüsse des Jahres treten jedoch bereits die Anzeichen eitler Reaction zu Tage. Die im Vorjahre verzeichnete Lebhaftigkeit des Roheisenmarktes erfuhr in der ersten Hälfte des Berichtsjahres noch eine weitere Steigerung, einestheils durch die weitere Auf wärtsbewegung der ungeahnten Conjunctur des Eisen weltmarktes, anderntheils durch die Einschränkung der inländischen Production, welche sich infolge des Berg arbeiterausstandes bei den auf den Bezug von öster reichischem Koks angewiesenen Hochofenwerken in den ersten Monaten des Jahres ergab. Diese Momente bewirkten die Steigerung des Roheisenpreises auf einen seit einem Decennium nicht gesehenen Hochstand. Die beiden angeführten Momente, nämlich die aufsergewöhn- liche Inanspruchnahme der ausländischen Eisenwerke und die durch den Kohlenarbeiterausstand hervor gerufene geringere Production im Inlande, wirkten im gleichen Sinne wie beim Roheisen auch bei allen anderen Eisenfabricaten, so dafs durch diese Sachlage die Wirkung des Concurrenzkampfes zwischen den österreichischen und den ungarischen Eisenwerken zeit weise aufgehoben wurde, und die Eisenpreise eine allgemeine Erhöhung erfuhren, die allerdings gegen die exorbitanten Preise der ausländischen Eisenfabricate noch weit zurückblieb. Mitte des Jahres vollzog sich mit überraschender Plötzlichkeit ein vollständiger Scenenwechsel des Eisenweltmarktes, indem von den Vereinigten Staaten, dem derzeitigen Regulator des Eisenmarktes, ausgehend, ein vehementer Rückschlag der Hochconjunctur eintrat, der die Preise der Eisen fabricate im Ausland von ihrer exorbitanten Höhe bis zu dem heutigen Zeitpunkte auf einen Tiefstand herab drückte, welcher bereits vielfach die Grenze der Ge- stehungspreise streift. Infolge dieses Absturzes der Hochconjunctur wurde den inländischen Eisenwerken, welche in der Ausfuhr einen Ersatz für die mangelnde Aufnahmefähigkeit des Inlandsmarktes finden konnten, in der allerletzten Zeit vollständig die Exportmöglich keit unterbunden und trat demzufolge der in den früheren Monaten latente Concurrenzkampf zwischen den ungarischen und den österreichischen Eisenwerken abermals in Erscheinung und führte einen Tiefstand der Eisenpreise herbei, welcher für viele Eisenwerke ein geradezu verlustbringender ist. Was die Absatz mengen an Handelseisen, Constructionseisen, Fein blechen und Draht anbelangt, so waren dieselben infolge der geschilderten Sachlage trotz der durch den Kohlen arbeiterausstand hervorgerufenen Bctriebsstillstände die gleichen wie im Vorjahre. Dagegen machte sich die Einschränkung der privaten Bauthätigkeit, sowie der äufserst begrenzte Eisenbahnbau als Folgeerscheinungen der desolaten innerpolitischen und wirthschaftlichen Verhältnisse in einem wesentlich geringeren Absatz an Bau- und Waggonträgern, sowie an Eisenbahnschienen und zugehörigem Kleinmateriale empfindlich bemerkbar. Entgegen den Hoffnungen für eine günstige Conjunctur ist der Umsatz in Gufswaare im allgemeinen sehr zurückgegangen. Infolgedessen sind auch die Preise sämmtlicher Gufswaaren gegen das Vorjahr erheblich zurückgegangen. Die Beschäftigung in Stahlgufs war eine genügende, wenngleich die hierfür erzielten Preise zu wünschen übrig liefsen. Die Beschäftigung der Constructions-Werkstätten ist im abgelaufenen Jahre eine ungleichmäfsige gewesen. Während die Mehrzahl derselben im I. Semester sowohl im Brücken- wie im Constructionsbau mit Arbeit ziemlich gut besetzt war, hat sich im II. Semester ein drückender Arbeitsmangel eingestellt, infolgedessen mehrere Fabriken ihr Arbeiter personal und die Arbeitszeit redueiren mufsten. Das Geschäft in Wagenachsen war im laufenden Jahre nicht günstig, der Absatz im Inlande wie in Ungarn schwach. Der Export nach Rumänien fiel fast ganz aus, so dafs alle Achsenfabriken ihre Production einschränken