Volltext Seite (XML)
Der Stahl der Bethlehem Steel Co. und der Taylor- White - Procefs. Von Otto T h a 1111 e r - Bismarckhütte. (Schlufs von Seite 176.) Vom Standpunkte dieses stellt sich die Be- urtheilung des Bethlehem-Stahls und des daran anzuwendenden Härteverfahrens schwieriger dar, obwohl der Taylor-White-Procefs nur natürliche und seinem Wesen nach bekannte Gefügezustands änderungen von Stahl bestimmter chemischer Zusammensetzung zur Grundlage haben kann. Wie früher erwähnt, erleidet der Span durch Zusammenschiebung schon vor dem Auftreffen auf den Stahl eine Formänderung und infolge dessen eine Verkleinerung der Fläche, mit welcher er an dem Werkstücke haftet. Die Fliefsvorgänge erstrecken sich auf alle Theile des zusammen- geprefsten Spanes nach Ueberwindung des Wider standes gegen die Formänderung; die Trennung der Massentheilchen erfolgt also bei abnehmendem Widerstande dagegen, auf jener verkleinerten Fläche, an welcher der Span noch mit dem be arbeiteten Materiale zusammenhängt. Weil sich (Figur 3 a) die maximalen Spannungen nicht in der Richtung o r, sondern in jener Richtung o fortpflanzen,* so erfolgt auch die Abtrennung des Spanes nach o . Das Vorhandensein des Keiles ror { würde ein intermittirendes Anschneiden des bearbeiteten Körpers herbeiführen, wenn der Span der ganzen Fläche a n nach gleichzeitig abspringt. Bei sprödem Eisen kommt dies vor, bei zähem Eisen bleibt aber der Zusammenhang o n, f c, hi erhalten, weil im Augenblicke der von o nach a fortschreitenden Abtrennung des Spanes der Widerstand im unteren Theile des selben gegen die Formänderung sinkt, diese also ihren Fortgang nehmen kann, wobei die bei o n gelegenen Massentheilchen so lange in der Rich tung R fliefsen können, bis durch die Dicke des Spanes dessen Widerstand gegen die Formände rung gröfser wird, als jener der Massentheilchen in oa gegen die Abtrennung u. s. f. Die Schneide des Stahls hat also die durch die Formänderung des Spanes eingeleitete Trennung nur fortzu zusetzen und hierbei eine naturgemäls kleine Arbeit zu verrichten. Die bekannte Thatsache,** dafs die Form änderungsfähigkeit von Flufseisen bei steigender * Eines speciellen Nachweises hierfür bedarf es wohl nicht. ** Siehe auch Ledebur, „Eisenhüttenkunde“. Streck- und Bruchgrenze erfahren eine Erhöhung, Deh nung und Einschnürung eine Verminderung. Erwärmung im Temperaturintervalle zwischen etwa 200 und 400° C. sinkt, dessen Festigkeit aber wächst, worauf eine rasche Steigerung der Formänderungsfähigkeit bei stark abnehmender Festigkeit erfolgt, bringt es mit sich, dafs mit der bei der Formänderungsarbeit am Span entstehenden Wärme eine sehr energische Steigerung der Form barkeit, bei gleichzeitiger Verminderung des Widerstandes gegen die Trennung verbunden ist. Dafs die Wärmemenge, welche bei der Form änderung frei wird, sehr grofs ist, belegt der Umstand, dafs man das Erglühen des Spanes am Drehstahl ohne Schwierigkeiten wahrnehmen kann. Man kann die Wärme wohl mit Recht auf etwa 600° C. schätzen. Diese Wärme theilt sich bald dem Drehstahle mit und führt auch dessen Erglühen am erhitzten Theile herbei. Dafs die zwischen Span und Drehstahl entstehende Reibung grofs ist (aber nicht grofs genug, den Span zum Glühen zu bringen), erklärt sich aus dem Druck, welcher auf die Stirnfläche des Stahls ausgeübt wird. Das Weiterschieben des glühenden und sehr formänderungsfähigen Spanes führt unter dem vorerwähnten Drucke zur Entstehung einer sehr glatten Unterfläche desselben, welche leicht als „Schnittfläche“ angesehen wird, es aber eigentlich gar nicht ist. Dessenungeachtet darf die bei der Spanabnahme erzeugte Wärme nicht als Frictionswärme bezeichnet werden, wenn der Span eine Querschnittsveränderung erlitten hatte. Von der Richtigkeit dieses kann man sich leicht überzeugen, wenn man die Drehbank während der Abnahme eines gröfseren Spanes rasch aus rückt. Der vor der Schneide stehen bleibende Spantheil läuft ebenso rasch dunkelblau an, als der über die Schneide hinweggegangene Span. Aus dem Vorgesagten ergiebt sich die Be anspruchung des Werkzeuges von selbst, aus dieser die nothwendigen physikalischen Eigen schaften desselben. Das Werkzeug mufs in erster Beziehung ein bestimmtes hohes Mafs an Widerstandskraft gegen dauerndwirkenden Druck bei der Deformation des Spanes besitzen und darf unter der Einwirkung der gleichzeitig ent stehenden Reibung nicht abgenutzt werden. Dies erfordert einen ebenso hohen absoluten Widerstand gegen die Formänderung, als gegen die Trennung, denn die Schneide darf weder durch Formänderung noch durch Loslösung kleinster Theilchen, wie sie die Reibung herbei-