Volltext Seite (XML)
15. Februar 1901. Magnetische Eigenschaften von gehärtetem Stahl. Stahl und Eisen. 157 praktische Erprobung von Neuerungen kann zum Ziele führen. Diese aber ist mit unver meidlichen Betriebsstörungen fast immer ver bunden und erscheint darum nur dann als ge rechtfertigt, wenn in den günstigen Resultaten, die durch Versuche im kleinen gewonnen worden sind, eine gewisse Bürgschaft für den Erfolg von vornherein vorhanden ist. Zu solchen physikalischen Versuchen, oft subtiler Natur, besitzt aber der Hütteningenieur selbst meistens, weder Zeit, noch Neigung, noch die nöthige experimentelle Technik. Um so dringender er scheint die Nothwendigkeit einer aufmerksamen Verfolgung der einschlägigen Literatur, die leider den interessirten Kreisen durchweg etwas abgelegen ist. Eine Reihe werthvoller Anregungen für die Magnetstahlfabrication enthält eine Arbeit der Frau Sklodowska Curie* über den Einflufs der chemischen Zusammensetzung auf die magneti schen Eigenschaften des Stahls, über deren Ab hängigkeit von der Art und Weise der Härtung, sowie über die Einwirkung des Anlassens, von Stöfsen und der Zeit auf die Magnetisirung. Die wichtigsten Resultate dieser Arbeit sollen im Folgenden besprochen werden. Während die Aufnahme einer ganzen Hysteresisschleife erforderlich ist, um eine Stahl sorte hinsichtlich ihrer magnetischen Eigenschaften erschöpfend genau zu charakterisiren, genügt bereits die Kenntnifs von drei Punkten der selben, nämlich 1. Maximal - Intensität des inducirten Mag netismus, 2. Intensität des remanenten Magnetismus und 3. Coercitivfeld, um eine ausreichende Beurtheilung der Probe zu ermöglichen. Demzufolge hat Frau Curie alle Stahlsorten, die zum gröfsten Theil in der Form von 20 cm langen Stäben quadratischen Querschnitts von 1 cm Seitenlänge, theilweise aber auch zur Realisirung von geschlossenen magnetischen Stromkreisen in der Form von Ringen untersucht worden sind, bis zur Sättigung magnetisirt und sodann Intensität des remanenten Magnetismus (bei Stäben in der Stab mitte) und Coercitivfeld bestimmt. An den Ringen wurde aufserdem die Schleife der cyklischen Magnetisirung vollständig aufgenommen. Bezüg lich der Vergleichbarkeit der gefundenen Zahlen unter sich und mit anderen müssen hier noch einige Bemerkungen eingereiht werden. Die Intensität des inducirten Magnetismus eines Stabes ist bei gleichen magnetisirenden Feldern kleiner als die eines aus dem Stabe gebogenen Ringes, und zwar um so mehr, je geringer * Sklodowska Curie, Proprietes magnetiques des aciers trempes. Bull, de la Soc. d’Enc. Janv. 1898. p. 36 — 76. die Länge des Stabes im Verhältnifs zu seinem ■ Querschnitte ist. Diese Erscheinung wird hervor gerufen durch das von den freien Stabenden herrührende entmagnetisirende Feld. Ver schwindet nun der Magnetismus des Stabes, so erreicht im gleichen Augenblicke das ent- magnetisirende Feld den Nullwerth. Für das Coercitivfeld kann also zwischen den an Stab und Ring gemessenen Werthen ein principieller Unterschied nicht bestehen. Dabei wird ab gesehen davon, dafs nicht für alle Querschnitte des Stabes gleichzeitig der Magnetismus ver schwindet, die Stabenden vielmehr schon in umgekehrter Richtung leicht magnetisirt sind, wenn die Stabmitte unmagnetisch wird. Die hierdurch bewirkten Unterschiede der beiden Coercitivfelder betragen aber nach Schätzung der Frau Curie für ihre Untersuchungen nur etwa 1 °/o. Gröfser ist der Einflufs der Ungleichförmig keit der Stabmagnetisirnng auf den Werth der Magn etisirungsintensität. Der Mittelwerth, welcher durch Division des totalen magnetischen Momentes durch das Stabvolumen erhalten wird, ist beträchtlich kleiner als der Werth der Magnetisirungsintensität in der Stabmitte, und zwar für die vorliegenden Untersuchungen im Mittel um etwa 20 °/o. Der Quotient der beiden Werthe giebt das Verhältnifs des Polabstandes zur Stablänge. Die wichtigste Gröfse für die Beurtheilung der Brauchbarkeit einer Stahlsorte für die Con- struction von permanenten Magneten ist das Coercitivfeld. Während nämlich die Inten sität der remanenten Magnetisirung im ge schlossenen magnetischen Kreise für eine grofse Anzahl von Stahlsorten und selbst für weiches Eisen von nahe gleichem Werthe ist, kann im Gegensatz hierzu das Coercitivfeld, welches für sehr weichen Stahl kleiner als 1 ist, für be stimmte Specialstähle den Werth 80 überschreiten. Stahlsorten mit schwachem Coercitivfeld sind für die Herstellung von permanenten Magneten ungeeignet. Ihre Magnetisirung im offenen magnetischen Kreise kann nur geringe Intensität besitzen, weil nothwendigerweise das ent sprechende entmagnetisirende Feld schwächer als das Coercitivfeld gehalten werden mufs. Auch die Constanz der Magnete gegenüber den Einflüssen magnetischer Störungen, Stöfsen und Erschütterungen wächst mit der Stärke des Coercitivfeldes. Nach diesen einleitenden Bemerkungen wenden wir uns nunmehr zunächst einer kurzen Be schreibung von Anordnung und Ausführung der Untersuchungen zu. I. Die Mefsmethoden. Zur Erzielung der magnetischen Sättigung wurden alle Stäbe in einer stromdurchflossenen Spule mit einer Feldstärke von ungefähr 700 Ein-