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38 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 1. Januar 1901. aufgespannt war, und sodann eine Reihe von Probe stücken des neuartig behandelten Gufsstahls. Aus- i gegangen mögen die Erfinder, wie mir scheinen will, ' sein von dem sogenannten naturharten Werkzeugstahl. I Dieser ist seit etwa zehn Jahren im Gebrauch, nament lich für die Flächenfräser, das sind grofse Stirnfräsen. Die aus der Stirnwand der Fräserscheibe wie die Zähne eines Kronrades hervorragenden Stähle werden in ihrem „naturharten“ Zustand eingesetzt und mittels vor gesetzter Schmirgelscheibe zwangläufig ganz gleich geschliffen. Das auf den Werktisch gespannte Werk stück, dessen Endfläche geebnet werden soll, rückt stetig (schleichend) vor. Nur von Zeit zu Zeit müssen die Stähle, die namentlich Gufseisen gut bearbeiten, nachgeschliffen werden; sie bleiben dabei eingespannt. Die bemerkenswerthe Dauerhaftigkeit, die sie zeigen, scheint zu dem Versuch den Anstofs gegeben zu haben, noch mehr vom gufsstählernen Dreh- und Hobelstichel, ' der doch aus noch besserem Stoff besteht, zu verlangen. Dies ist aber den Erfindern weit hinaus über das, was erwartet werden durfte, gelungen. Sie haben erzielt: 1. eine gröfsere Schnitttiefe als bisher; 2. ein stärkeres Vorrücken des Schneid stahls; 3. eine gröfsere Schnelle des Schnittes. Letztere richtet sich nach Festigkeit, eigent lich Härte, des Werk stückes, vor allem des Stahls, der ja neuer dings so viel als Bau stoff benutzt wird. Die Erfinder unterscheiden als Stoff des Werk stückes drei Stahlsor ten, nämlich weichen, mittelharten und sehr harten (immer noch un ¬ gehärteten) Stahl. Sie Flgur 1- bearbeiten alle drei Sorten mit genau demselben Werkzeugstahl von ihrer Zubereitung und Härtung, wählen aber die Schnitt schnelle verschieden, nämlich: in der Secunde bei „weichem“ Stahl zu rund .... 750 mm „ „mittelhartem“ „ 300 „ „ „sehr hartem“ „ 75 „ Die durchschnittlich von 1 Werkzeug stündlich abgeschnittene Metallmenge erhöhte sich von 14,1 auf 62,3, also auf das (1 -j- 3,4)fache. Bei der Vorführung lief das Werkstück mit einer Umfangsschnelle von rund einem Fufs englisch oder nahe 300 mm/sec. Der Stichel von üblicher, vorn gerundeter Schneidenform wurde beim Ingangsetzen zuerst von Hand zu feinem Anschneiden, dann kräftiger zum Angreifen gebracht und darauf der selbstthätigen Speisung der Bank über lassen. Die Schnitttiefe betrug, wie der Span zeigt, 9 mm, der Vorschub 4 mm bei jedem Umlauf. Figiu - 1 zeigt einen Längsschnitt der Arbeitsstelle in 2 /s natür licher Gröfse. Der Span wurde rasch sehr warm und lief nach kurzer Zeit dunkelrothglühend ab, wie die Blauschwärze des Musters noch deutlich erkennen läfst. Das Wichtigste dei' durch ihre Schnelle so erstaunlichen Arbeit war, dafs der Stichel kaum irgendwie zu leiden schien; bei dem späteren Herausnehmen desselben zeigte sich seine eigent liche Schneide ganz frisch und unverletzt. Dies er klärte sich aber, wie mir bei genauem Zusehen auffiel und worauf auch der Vertreter aufmerksam machte, daraus, dafs der eigent liche scharfe Rand der Schneide die Werk fläche nicht berührte. Es stand vielmehr, wie Figur 2 zu zeigen be stimmt ist, vielleicht einen Viertels oder drit- tels Millimeter von der Arbeitsfläche ab. Mit anderen Worten: das Ablösen des Spanes ge schieht mit den Tavlor- Whiteschen Stählen so, dafs der Span nicht schabend von dem Werkstück abgehoben, sondern in stetigem, ruhigem Gang losgebogen und -gebrochen wird. Die Schaufelfläche des Schneidstahls lenkt den losgelösten Span ab, der sich demzufolge schraubenförmig weg windet, dabei auch anstöfst, bricht oder auch ab geschlagen werden mufs. Wie mit schief gedrehtem Beil ein breiter Holzspan von einem Block abgezwängt wird, ohne dafs die Beilschneide den Grund des Figur 2. Alles das bei trockner Arbeit; bei feuchter Arbeit, nämlich Anwendung von gesättigter Sodalösung als Kühlmittel, läfst sich die Schnittschnelle noch um die Hälfte steigern. Selbst die kleinste, namentlich auf Nickelstahl zur Anwendung gelangende Schnittschnelle von 75 mm ist grofs gegenüber der bisher üblichen, die zwischen 40 und 50 liegt. 100 mm Schnittschnelle gilt an sich schon für recht hoch, kommt aber z. B. beim Fräsen vor. Die Spantiefe wird weit gröfser, als bisher üblich und statthaft war, gewählt. Die Tiefe von 4,8 mm ist ohne weiteres anwendbar; bei dem Span, den ich hier vorzeige und den ich bei der Vorführung selbst abnahm, beträgt sie 9 mm, dazu die Vorrückung, die gleichbedeutend ist mit der Randdicke des Spans, 4 mm, alles ganz ungewöhnliche Werthe. In einer Maschinenwerkstatt können nun nicht immer gerade diegröfsten Schnittwerthe durchgeführt werden; viele Stücke gestatten das schon nicht wegen ihrer Dünne. Immerhin aber wird bei den neuen Schneid mitteln eine gröfsere Menge Spangewicht in derselben Zeit erzielt werden als bisher. In den Bethlehemwerken ist durch Beobachtungen, die reichlich ein Jahr um fassen, die Mehrleistung der neuen Stähle festgestellt worden. Es ergab sich was folgt: erhöht von Durchschnittliche Spantiefe 5,84 auf 7,62 mm „ Vorrückung 1,78 „ 2,21 „ „ Schnittschnelle 45,6 „ 127 „ angehackten Einschnittes berührt, so geschieht hier stetig durch den Stichel, nachdem einmal der Span kräftig angeschnitten ist. Erklärlich wird nun, dafs der mit grofser mechanischer Arbeit abgebogene und abgesprengte Span, dessen Molecüle heftig erschüttert werden, heifs, wie schon gesagt, bis zur Rothgluth erhitzt wird. Auch erklärt sich so, dafs die eigent liche Schneide des Stichels wesentlich geschont bleibt. Höchst erstaunlich bleibt aber, dafs der Stichel, der doch auch recht warm wird, dadurch seine Härte nicht einbüfst. Dafs er warm wird, zeigte sich daran, dafs sich nach Schlufs des Versuchs auf seiner Schaufel fläche, da, wo diese den Span ablenkt, dünne Eisen schüppchen aufgesch weifst fanden. Die abgedrehte Werk fläche zeigte, entsprechend dem Losreifsungsverfahren, dem die Theilchen unterworfen werden, eine gewisse krystallinische, aber gleichmäfsige Rauhigkeit. Die technische und technologische Bedeutung der Taylor - Whiteschen Stahlbehandlung geht aus den vorhin mitgetheilten Zahlen schon hervor; sie wird noch erhöht durch die werthvolle Verlängerung der Dauer der Schneide. Ein neidloser englischer Ingenieur meinte zu mir, das Verfahren sei die bedeutendste mechanisch-technische Neuheit auf der ganzen Aus stellung. Worin die Stahlbehandlung besteht, konnte mir noch nicht mitgetheilt werden, da noch Patent verhandlungen schwebten. Es wird sich vielleicht um eines der Räthsel handeln, von denen der proteusartig