Volltext Seite (XML)
1. Januar 1901. Stahl und Eisen. 37 Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. recht gute Dienste geleistet. Derselbe wurde uns von Herrn Boecker empfohlen. Der Panzer wird in der Weise hergestellt, dafs man um den Eisenkasten herum einen Ring von unten zugespitzten Drahtknüppeln in Stärke von ungefähr 500 mm anbringt, welche fest in den Grund eingeschlagen werden und ziemlich tief im Boden sitzen müssen. Man füllt die Zwischenräume mit feuerfester Masse aus und legt eine kräftige Blech zarge um das Ganze. Der Knüppelring ist durch Wasser gekühlt. Erfolgt ein Durchbruch durch das Gestell, so bringt die grofse Eisenmasse des Knüppelpanzers das flüssige, herausdringende Eisen zum Erstarren und bietet hin reichende Widerstandsfähigkeit, um den Durchbruch der Eisenmassen zu beschränken. Der einzige Nach theil, den der Panzer hat, besteht darin, dafs man das Stichloch damit nicht schützen kann, so dafs Durch brüche durch den Eisenabstich dadurch nicht vermieden werden. Das ist nun natürlich sehr fatal bei solchen Hochöfen, die häufige Abstiche machen, also direct für den Stahlwerksbetrieb Roheisen produciren. Hier hat man nun in neuerer Zeit mit grofsem Vortheil die amerikanische Stichstopfmaschine zur An wendung gebracht. Das ist eine kleine Dampfmaschine, mit welcher man gröfsere Mengen feuerfester Masse in den Stich pressen kann. Die Maschine ist in „Stahl und Eisen“ einmal beschrieben gewesen, ohne dafs sie in Deutschland Beachtung gefunden hätte. Mittels derselben reparirt man innerhalb 24 oder zweimal 24 Stunden je nach Bedarf einmal den Abstich. Von Hand ausgeführt, beansprucht die Stichreparatur bei unseren Witkowitzer Hochöfen etwa 80 Minuten Zeit und mufs während derselben der Wind abgestellt sein. Mit der Maschine ist die Sache in wenigen Minuten gemacht. Man hat den Vortheil, während der Stich reparatur weiterblasen zu können, und ist sicher, die Tümpel, welche sich hinter dem Stichloch im Boden stein zu bilden pflegen, mit feuerfester Masse auszu füllen. Bekanntlich sind die Gestelldurchbrüche für die Schmelzer sehr verhängnifsvoll und geben mitunter zu langen Stillständen und Betriebsstörungen Anlafs. Ich wollte nicht verfehlen, unsere Erfahrungen sowohl bezüglich des Knüppelpanzers als der Stichstopfmaschine hier mitzutheilen für solche Werke, bei welchen öfter Eisendurchbrüche durch das Gestell und durch den Stich vorkommen. Herr Director Gerhardt, Milowice: M. H.! Im Anschlufs an den Vortrag kann ich Ihnen die Mit theilung machen, dafs in der raschen Entwicklung der Industrie im Donezgebiet jetzt eine starke Stockung eingetreten ist. So stehen laut Bericht des Ingenieurs Schimanowski auf der augenblicklich in Charkow tagenden Sitzung der Berg- und Eisenindustriellen Süd-Rufslands von 48 dort vorhandenen Hochöfen bereits etwa 18 kalt. Die Productionsfähigkeit dieser 48 Hochöfen wird auf 160 Millionen Pud Roheisen im Jahre geschätzt, dagegen wird die Production im Donezgebiete in diesem Jahre nur etwa 90 Millionen Pud Roheisen erreichen. Die Eisenerzförderung in Kriwoi-Rog hat ebenfalls stark nachgelassen. Man hatte die Absicht, der Regierung ein Gesuch vorzulegen, dahingehend, dafs die Transportkosten von Krivoi-Rog nach Oberschlesien eine Ermäfsigung erfahren möchten und zwar auf 0,66 Pfg. f. d. Tonnenkilometer. Bei diesem Satze hofft man etwa 30 bis 40 Millionen Pud Eisenerze nach Oberschlesien bringen zu können bei einem Ver kaufspreise von 5,5 bis 6 Kop. pro Pud franco Grube. Ich glaube annehmen zu können, dafs diese Mittheilungen nach den Ausführungen des Vortrages für Sie von Interesse sein werden. Beide Vorträge fanden den ungetheilten Beifall der Anwesenden und statteten diese auf Veranlassung des Vorsitzenden beiden Rednern für ihre interessanten Ausführungen herzlichsten Dank durch Erheben von den Plätzen ab. Nach Beendigung des Arbeitstheils der Tages ordnung versammelte man sich, wie üblich, an gemein schaftlicher Festtafel im unteren renovirten Saale des Locals und obwohl der Beginn der Festtafel durch theilweises Versagen des elektrischen Lichtes eine un liebsame Hinausschiebung von mehr als einer halben Stunde erfuhr, wurde die Feststimmung dadurch doch keineswegs beeinträchtigt. Den Kaisertoast brachte der Vorsitzende aus, Hr. Generaldirector Kollmann den Trinkspruch auf die Gäste und Vortragenden. Ihm erwiderten Hr. Ge heimrath Dr. Wedding, dessen besonders freundlich gedacht war, sodann der Vertreter der Königlichen Eisenbahndirection Hr. Bauinspector Vofs, sowie als Vertreter der Stadt Gleiwitz Herr Bürgermeister M i e t h e mit Dankesworten für die Gastfreundschaft des Vereins „Eisenhütte Oberschlesien“. Den HH. Geheimräthen Ledebur-Freiberg und Hilger-Saarbrücken, welche Begrüfsungstelegramme gesandt hatten, dankten herz lich für diese Aufmerksamkeit die Festtheilnehmer, indem sie ihre Gläser auf das Wohl der beiden ge ehrten Herren leerten. Verein zur Beförderung des Gewerb- fleifses. In der Sitzung vom 5. November 1900 sprach Geheimrath Reuleaux: üeber den Taylor-Whiteschen Werkzeugstahl.* „Es ist nur eine Kleinigkeit von der Pariser Aus stellung,“ begann der Vortragende, „worüber ich Ihnen Mittheilung machen wollte, aber eine solche, die eine gröfsere Bedeutung gewinnen kann, theilweise sogar schon gewonnen hat. Es handelt sich um gufsstählerne Dreh- und Hobelmeifsel, vorgeführt in der amerikani schen Maschinenhalle zu Vincennes, mit denen vermöge ihrer höchst merkwürdigen Härtung weit schneller und weit wirksamer, d. h. unter Abarbeitung weit stärkerer Späne, eiserne und stählerne Werkstücke sich bearbeiten lassen. Erfinder der Neuheit sind die Amerikaner Taylor und White, beide angestellt auf den Stahlwerken in Südbethlehem, Pennsylvanien. Taylor ist Maschinen ingenieur, White Chemiker. Die Amerikaner hatten im Park von Vincennes für ihre Maschinen eine eigene Halle aufgebaut, 105 m lang und 38 m tief. In derselben waren hauptsächlich Arbeitsmaschinen und Werkzeuge ausgestellt, die zwar nicht auf den äufseren Anblick, wohl aber bei näherer Betrachtung viele, ganz ausgezeichnete Leistungen und wesentliche Fortschritte seit 1893 bekundeten. Nament lich galt dies auch von den Hülfsmitteln zur Fein messung. Man konnte sich in Vincennes mit den amerikanischen Neuheiten weit eingehender beschäf tigen, als in dem Gebrause der Pariser Schaupaläste möglich gewesen wäre. Was nun das Bethlehemwerk für seinen neuen Werkzeugstahl vorführte, geschah in der Form einer grofsen, kräftigen Drehbank, auf der eine reichlich fufsdicke Stahlachse arbeitsfertig * Anmerkung der Redaction. Bei dem all gemeinen Interesse, welches der Bethlehem-Stahl erregt hat, glaubten wir unserer Notiz in Nr. 17 1900 S. 923 die obigen ausführlicheren Mittheilungen nachfolgen lassen zu sollen. Die Zusammensetzung dieses Stahls ebenso wie diejenige des Böhler „Rapid“, dessen Leistungen auf S. 26 bis 28 dieser Ausgabe beschrieben sind, wird als Geheimnifs behandelt. Es dürfte sich in beiden Fällen um naturharte Werkzeugstahle handeln und die Neuheit weniger in deren Herstellung' und Zusammensetzung als in der Art und Weise der Be arbeitung liegen. Die Anregung, die Leistungsfähigkeit der Drehbänke zu controliren und nach Möglichkeit zu verstärken, ist jedenfalls dankenswerth und dürfte noch weitere Fortschritte veranlassen.