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1. Februar 1901. Die russische Kohlen- und Roheisen-Industrie u. s. w. Stahl und Eisen. 113 lieh und es ist kaum anzunehmen, dafs die Frachten so weit ermäfsigt werden können, dafs dieser gegenseitige Materialaustausch durchführ bar wird. M. H.! Wenn wir das Schaubild der Roheisen erzeugung Rufslands Fig. 5 (Heft 2, S. 65) betrachten, erblicken wir eine gewaltig anstei gende Productionscurve, welche vor 20 Jahren, aus bescheidenen Anfängen hervorgehend, heute mit geradezu parabolischem Schwünge alle Schau linien der anderen Industriegebiete Rufslands hinter sich läfst. Diese Linie zeigt uns die Entwick lung der südrussischen Roheisenindustrie, einer Industrie, welche es fertig gebracht hat, ihre Production in 20 Jahren von 1 l l 4 Millionen Pud auf fast 83 Millionen Pud, d. h. um das 64fache, zu erhöhen. Daneben (Fig. 7) sehen wir die Kohlenförderungscurve desselben Gebiets — auch hier eine gewaltige Steigerung, von 86 Millionen Pud auf mehr als 1 / 2 Milliarde. Eine sechsfache Steigerung in 20 Jahren! Als Vergleich führe ich an, dafs Oberschlesiens Kohlenförderung sich in derselben Zeit etwas mehr als verdoppelt hat, d. h. von 617 auf 1432 Millionen Pud (= von 10,1 auf 23,5 Millionen Tonnen) gestiegen ist. Der enorme Aufschwung der südrussischen Industrie wurde in erster Linie durch die that- kräftige Unterstützung der Regierung begünstigt. Grofse Schienenbestellungen bildeten mehrfach die Grundlage für den Bau neuer Werke, und eine lebhafte Bauthätigkeit der Städte, steigender Consuin der Landwirthschaft, wachsende Fabrik- thätigkeit wirkten zusammen, um die allgemeine Vorwärtsbewegung zu stärken und zu vergröfsern. Die eigentliche Basis der südrussischen Eisen industrie bildet das gewaltige Kohlenvorkommen des sogenannten Donezbassins. Die productive Carbonformation breitet sich zur Rechten des Flufsthales des Donez aus, erstreckt sich von Osten nach Westen in einer Ausdehnung von über 350 km und erreicht eine Breite bis zu 150 km. Seine Gesammtoberfläche hat eine unregelmäfsige Form und übertrifft mit ihren 30000 qkm an Ausdehnung alle anderen euro päischen Kohlendistricte. Allerdings ist der Kohlenreichthum weniger bedeutend, man schätzt den Gehalt im Durchschnitt auf 1 °/o Kohle auf das dazwischen liegende taube Mittel gerechnet, gegenüber z. B. 4,4 °/o in Westfalen. Das Kohlen bassin wird durch drei Etagen mächtiger Kalk- und Sandsteinschichten gebildet, welche die zahl reichen , aber vereinzelt gelegenen und wenig mächtigen Kohlenflötze einschliefsen. Vor allem flötzführend ist die mittelste Etage, während die untere fast flötzfrei und die oberste nur in ihren unteren Partien abbauwürdige Kohle enthält. Die oberste Etage ist. fast 2000 m mächtig, demnach würde ein Abbau der mittleren unmög lich gewesen sein, wenn nicht nachträglich mächtige Störungen der Schichten stattgefunden hätten. Der eigentliche productive Theil der Formation erreicht die kolossale Mächtigkeit von 1000 m, enthält dabei aber nur 25 bis 40 ab bauwürdige Flötze und mehr als 200 nicht ab bauwürdige Lager und Schmitze. Die Flötze selbst sind nicht mächtiger als 2,00 m und er reichen selten 1,50 m, durchschnittlich kann man mit 60 bis 75 cm rechnen, allerdings werden auch bisweilen Flötze von 50 und sogar 42 cm noch abgebaut. Die Gesammtmächtigkeit der abbauwürdigen Kohle beträgt 21—38 m. In einigen Fällen liegen die Flötze ziemlich nahe bei einander, manchmal sind sie mehr als 400 m von einander entfernt. Die grofse Mächtigkeit des tauben Gesteines sowie die complicirten Faltungen der Kohlen schichten bedingen die Anlage zahlreicher Schächte, welche im Verhältnifs zu ihrer Tiefe nur geringe Kohlenmengen lösen können. Und da andererseits auf die Einheit der Oberfläche ein geringer Vorrath an Kohle kommt, sind zahlreiche Bahnlinien erforderlich, um eine gröfsere Entwickelung der Kohlenindustrie zu ermöglichen. Erschwerend auf den Abbau wirkt noch die schon erwähnte Form des russischen Bergrechts, nach welcher der Oberflächenbesitzer gleichzeitig der Besitzer des Innern ist. Ab gesehen von den hierdurch hervorgerufenen Ver waltungsschwierigkeiten und von hohen Förder zinsen — man zahlt etwa l / 2 Kop. f. d. Pud, d. i. 65 Pfg. f. d. Tonne — bedingt das Mifs- verhältnifs der Grenzen der abzubauenden Parzelle zu der Lagerung der Flötze häufig einen höchst unrationellen Abbau. Ein nicht unwesentlicher Theil der Kohle geht durch diese ungünstigen Umstände unwiederbringlich verloren. Der Qualität nach enthält das Donez- becken alle Sorten Steinkohle, von der magern mit über 40 °/o flüchtigen Bestandtheilen bis zu den Anthraciten mit nur 2°/o. Ich erinnere hierbei an die Klassifikation, welche von Gruner (siehe folgende Seite) für das belgische Bassin aufgestellt wurde, welche allerdings nicht durch weg für die Donezkohle zutrifft. So giebt dieselbe einerseits bei 50—6O°/o Koks- ergebnifs, andererseits mit 90 °/o Koksergebnils in manchem Bezirk einen dichten schönen trag fähigen Koks. Die einzelnen Flötze wechseln in ihren Eigen schaften. So erscheint ein und dasselbe Flötz manchmal in einem Bezirk des Beckens als Flammkohle, im andern als typische Kokskohle, im dritten als typische Anthracitkohle. Mau kann derartige Umwandlungen in Entfernungen von weniger als 30 km feststellen, und dieselben treten nicht bei einem einzigen Flötz, sondern meistens gleichzeitig bei einer ganzen Gruppe auf. Man sieht also, dafs eine bestimmte Qualität der Kohle nicht eigentlich an gewisse 2