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Berichte über Versammlungen aus Fach vereinen. Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rhein land und Westfalen. (Hauptversammlung.) Vertreter aller Industriezweige Rheinlands und Westfalens hatten sich am 21. Mai d. J. in der städtischen Tonhalle in Düsseldorf eingefunden und wurden von dem Vorsitzenden der Versammlung, Commerzienrath Ser- vaes, der auch die erschienenen Ehrengäste, u. a. den Regierungspräsidenten v. Holleuffer und den Ober bürgermeister Marx, herzlichst begrüfste, im Namen des Vereins willkommen geheifsen, der auf ein Jahr reicher Arbeit zurückschaue, da eine grofse Reihe wirtschaft lich bedeutsamer Fragen in den Kreis seiner Thätigkeit gefallen. Der Redner wirft zugleich einen Rückblick auf die günstige Lage der industriellen und gewerb lichen Thätigkeit im abgelaufenen Jahre und geht dann zur Erledigung der geschäftlichen Fragen der Tagesordnung über. Die Wahlen zum Ausschufs leitet er mit einem warmen Nachruf an Arthur Meckel- Elberfeld ein, den der Tod im November v. J. hinweg raffte, nachdem ei’ über 20 Jahre dem Ausschnfs des Vereins als überaus thätiges Mitglied angehört hatte. Die Versammlung ehrt das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen. Darauf werden die nach der Reihenfolge aus dem Ausschufs scheidenden HH. Andreae, Böcking, Dr. Böttinger, Bueck, Clouth, Delius, Ercklentz, Frowein, Görtz, de Greiff, Möller, E. v. d. Zypen und Zanders wiedergewählt. Der Haushaltsplan für 1900/1901 wird in der vom Ausschufs vorgeschlagenen Form genehmigt. Darauf erhält das geschäftsführende Mitglied des Vorstandes Abg. Dr. Beumer das Wort zu einem eingehenden Vortrage über das Wirtlischaftsjahr 1899/1900. Er weist einleitend darauf hin, dafs die günstige Lage, in der sich unser Wirthschaftsleben zur Zeit befindet, ihren Anfang im Jahre 1895 nahm, mithin bereits fünf volle Jahre andauert, eine Erscheinung, die in gleicher Erfreulichkeit während des ganzen hinter uns liegenden Jahrhunderts nicht wieder zu verzeichnen war. Das Wirtschaftsjahr 1899/1900 brachte insofern zu dieser günstigen Lage einen neuen Factor hinzu, als es manche Industriezweige, die bis dahin noch abseits gestanden hatten, an dem günstigen Ergebnifs wenigstens einigermafsen theilnehmen liefs, was namentlich bezüglich einiger’ Branchen der Textil industrie festgestellt werden dürfe. Redner erläutert dies an den Ziffern der Ein- und Ausfuhr, die er, ebenso wie den übrigen reichhaltigen statistischen Stoff des Vortrags, gedruckt in die Hand der Zuhörer giebt, was sich zur Nachahmung für ähnliche Vorträge sehr empfiehlt. Besonders erfreulich in den Ausfuhr zahlen erscheint die Thatsache, dafs sich die Ausfuhr von Baumwollwaaren um rund 22 Millionen Mark, die von Seidenwaaren um 10 Millionen und die von Wollen- waaren um 3,3 Millionen Mark gehoben hat, womit freilich seitens der Wollwaarcnindustrie der Stand von 1897 noch nicht wieder erreicht ward, während bei Baumwoll- und Seidenwaaren der Fortschritt ein absolut erfreulicher ist. Wenn aber die Kohlenförde rung und die Eisendarstellung die in erster Linie die für die Signatur unseres Wirthschaftslebens in Betracht kommenden Factoren genannt werden dürfen, so geht XI..o die günstige Lage des letzteren aus der Statistik auf das unzweifelhafteste hervor, die u. a. zeigt, dafs der Roheisenverbrauch für den Kopf der deutschen Be völkerung von 105,1 kg in 1895 auf 150,8 kg in 1899 gestiegen ist. Dafs bei einem solchen Fortschreiten unserer Industrie die an den Geldmarkt heran tretenden Anforderungen stiegen und die Zinssätze deshalb eine weitere Erhöhung erfuhren, kann um so weniger überraschen, als in solchen Perioden auf steigender Conjunctur der Kapitalbedarf vielfach der Kapitalbildung voranzueilen pflegt. Wie stark das Geldbedürfnifs war, zeigt Vortragender an den Emis sionen und inländischen Industrieactien. Im Jahre 1899 wurden in Deutschland 364 Actiengesellschaften mit einem Actienkapital von 544390000 -F gegründet gegen 92 in 1894 mit 88 260 000 J!. Einen bedeut samen Werthmesser für unsere steigenden Erwerbs und Besitzverhältnisse bilden ferner die vom Redner mitgetheilten Uebersichten über die Einkommen- und Ergänzungssteuer. Einen interessanten Ver gleich zieht dabei der Redner zwischen Ost- und Westpreufsen einerseits und den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf andererseits, der ergiebt, dafs der eine Regierungsbezirk Köln mehr Staatssteuern zahlt als Ost- und Westpreufsen zusammen, nämlich 8 782122,80 Jt. Der Regierungsbezirk Düsseldorf zahlt mehr als doppelt so viel Staatssteuern, wie Ost- und Westpreufsen zusammen, nämlich 17 600534,40.#, während (ist- und Westpreufsen zusammen 8216143,40.# Staatssteuern entrichten. Redner stellt diesen Ver gleich keineswegs an, um eine sogenannte „Apotheker rechnung“ aufzumachen, denn er vertritt nach wie. vor den einzig annehmbaren Standpunkt, dafs im Staats wesen einer für alle und alle für einen zu stehen und reichere Provinzen die Bedürfnisse weniger ertrags fähiger Bezirke zu decken haben; diese Zusammen stellung ist vielmehr lediglich deshalb gemacht worden, um zu zeigen, was der Westen, der mehr wie einmal im Jahre der „Begehrlichkeit“ geziehen zu werden pflegt, für den Staat leistet, woraus sich doch wohl mit Nothwendigkeit die Gerechtigkeit des Verlangens ergiebt, bezüglich der Verkehrs- und anderer Verhält nisse nun nicht gerade hinter andere Provinzen zurück gestellt zu werden. Nimmt man zu jenen Steuer erträgnissen die Thatsache hinzu, dafs über die Hälfte der Eisenbahnüberschüsse im Westen verdient wird, so ergiebt sich, dafs der Westen doch ein für die Gesammtheit eminent wichtiger Factor ist, den man nicht mit der falschen Beschuldigung der Begehrlichkeit belegen, sondern dem man lieber das Zeugnifs geben sollte, dafs in ihm eine treue, fleifsige, energische und arbeitsame Bevölkerung lebt, durch deren Thätigkeit der Staat überhaupt erst die Möglichkeit seiner Existenz erhält. (LebhafteZustimmung!) Dafs an der günstigen Lage unserer wirthschaftlichen Verhältnisse auch die Arbeiter durch stetige und umfassende Lohnerhöhun gen theilgenommen haben, wird vom Redner ziffer- mäfsig nachgewiesen. Redner erörtert weiterhin die Thätigkeit des Vereins auf dem Gebiete der Unfall versicherungsgesetzgebung, und weist insbeson dere die schweren Bedenken nach, die in dem Be schlüsse des Reichstags betreffs der Erhöhung der Reservefonds liegen. Die .Socialdemokratie quittirt über alle diese Zuwendungen mit neuen Aufreizungen der Arbeiter, wie z. B. ein im Wupperthal zum l.Mai d. J. vertheiltes Flugblatt die schöne Stelle enthält, die Arbeiter müssen sich abrackern wie ein alter Droschken gaul und bekommen, wie dieser anstatt den verdienten Hafer nur Prügel.“ Diese Aufreizungen werden 4