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gegen die neue Kanalvorlage für ausgeschlossen erklärt. Und dieser Beschlufs berührt um so wohl- thuender, als unter den „Motiven“, die zu dem selben geführt haben, an erster Stelle das Verhältnifs der oberschlesischen Industrie zu der Industrie des Westens genannt wird. Es sind nämlich für die Nothwendigkeit einer Stellungnahme zur Kanalfrage die nachfolgenden Gründe aufgeführt: „1. In Rücksichtnahme auf unsere Beziehungen zu unsern west lichen Collegen; 2. behufs rechtzeitiger Infor mation unserer Abgeordneten; 3. um denjenigen Collegen der oberschlesischen Eisenindustrie ge recht zu werden, die s. Z. die Erklärung ab gegeben haben, für die Vorlage eintreten zu wollen, wenn die Regierung die gesetzmäfsige Festlegung der schlesischen Forderungen bewilligt; 4. das Interesse der oberschlesischen Industrie selbst.“ Mit der Aufstellung dieser vier Gründe und insbesondere des an erster Stelle genannten ist der thatsächliche Beweis dafür geliefert worden, dafs die deutsche Industrie — mit Ausnahme der Saar, falls diese an ihrem ursprünglichen Wider spruche festhält — sich der Verpflichtung ihrer Zusammengehörigkeit bewufst geworden ist, indem sie einmüthig anerkennt, dafs durch den Ausbau des Mittellandkanals ein Verkehrsmittel geschaffen wird, durch welches die deutsche Industrie in den Stand gesetzt wird, in ihrer für den Wohl stand unserer gesammten Bevölkerung segens reichen Entwicklung fortzuschreiten und vor allen Dingen ihre Stellung auf dem Weltmärkte zu behaupten. Nach den Beschlüssen der ober schlesischen Industrie kann man also nicht mehr die Behauptung aufstellen, innerhalb der deutschen Industrie selber — die Saar immer unter der obigen Voraussetzung ausgenommen — seien die heftigsten Meinungsgegensätze betreffs der Noth wendigkeit und Nützlichkeit des Mittellandkanals vorhanden. Für solche Behauptung fehlt nun mehr die Grundlage. Ferner behauptet Hr. Vopelius, die süd deutschen, die elsafs-lothringischen Indu striellen u. s. w. seien der Kanalfrage gegenüber völlig indifferent. Er beweist damit nur, dafs er über die Frage des Ausbaues unserer deutschen Wasserstrafsen nicht in dem Umfange orientirt ist, um ein sachgemäfses Urtheil fällen zu können. Denn jeder Kenner dieser Frage weifs, dafs nirgend so lebhaft, wie in Süddeutschland, und in erster Linie in Bayern, die genannte Frage als im Vordergründe des wirthschaftlichen Interesses stehend erörtert wird und dafs man in Süd deutschland gerade das Vorgehen Preufsens mit dem Ausbau des Mittellandkanals als vorbildlich und Nachahmung erweckend für das übrige Deutsch land auf das allerfreudigste begrüfsen würde. Hr. Vopelius scheint die Verhandlungen des „Deutsch-österreichisch-ungarischen Verbandes für Binnenschiffahrt“ nicht zu kennen, auf die wir hier lediglich zu verweisen brauchen, um damit ein geradezu erdrückendes Material für die Wahr heit unserer Behauptung ins Feld zu führen. Es mag hier aber ferner auf die goldenen Worte hingewiesen werden, die Prinz Ludwig von Bayern und der König von Württemberg am 27. Mai v. J. in Ulm gesprochen haben. Dort sagte Prinz Ludwig: „Gott sei Dank, wissen wir ja alle, dafs der deutsche Kaiser ein warmer Freund der deut schen Wasserstrafsen ist. Es ist auch bekannt, dafs im preufsischen Landtage Verhandlungen über Kanalbaulen schweben. Die Commission hat zwar die Vorlage abgelehnt, aber die Commission ist ja nicht das Plenum, und wir wünschen alle, dafs die Schwierigkeiten beseitigt werden möchten!“ Schon am Abend vorher hatte der Prinz in längerer Rede bezüglich der Wasserstrafsen besonders aus geführt, dafs der Klassenkampf, die Verhetzung der Stände untereinander, immer heftiger werde. Man suche jetzt die Landwirthschaft gegen die Industrie und den Handel auszuspielen. Nichts sei aber falscher; Landwirthschaft, Industrie und Handel gehörten zusammen. Man müsse danach streben, allen Dreien genug zu thun. Und beim Festmahl brachte der König von Württemberg einen Trinkspruch auf den Prinzregenten und den Prinzen Ludwig von Bayern aus, in welchem er betonte, ein wie lebhaftes Interesse er an den Bestrebungen des Kan al Vereins nehme, und zugleich hervorhob, dafs das Werk, an welchem der Verein arbeite, zum Wohle der gesammten Bevölke rung, der Landwirthschaft, des Handels und der Industrie, in gleichem Mafse dienen solle. Wenn Hr. Vopelius eine derartige Stimmung in Kanal sachen eine „völlig indifferente“ nennen will, so mufs bei ihm mit diesem Worte ein anderer Be griff verbunden sein, als wir ihn von demselben haben. Auch die Elsafs-Lothringer stehen der Kanalfrage keineswegs indifferent gegenüber. Die selben haben ebenfalls ein lebhaftes Interesse an dem Vorgehen Preufsens auf diesem Gebiete, da für sie wichtige Fragen, wie die Vertiefung der reichsländischen Kanäle, gröfsere Schiffbarmachung des Rheins von Mannheim bis Strafsburg, die Kanalisirung der Mosel u. a. unter dem Gesichts punkte ■ einer möglichsten Förderung des Wasser- strafsenwesens in Preufsen als dem vorbildlichen Staate in Betracht kommen. Endlich mag Hr. Vopelius noch daran er innert sein, dafs die Holzinteressenten von ganz Deutschland, die in dem „Gentralverband von Vereinen deutscher Holzinteressenten“ ihre Organi sation haben, auf ihrem Verbandstage in Wies baden am 10. November 1899 die nachfolgende Resolution gefafst haben: „Der Gentralverband, durchdrungen von der Nothwendigkeit des umfassenden Aus baues unserer Wasserstrafsen, bedauert die Ablehnung der Mittelland-Kanalvorlage *