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388 Stahl und Eisen. IJeber die zunehmende Anwendung von grossen Gasmotoren u. s. w. 1. April 1900. Licht stehen bleiben konnte, und dafs das Streben der Hüttenwerke, nachdem die Brauchbarkeit der Hochofengase dargethan ist, in erster Linie darauf gerichtet sein mufs, ein brauchbares Gasmotoren gebläse zu erhalten, denn erst mit Aufstellung von Gebläsen, welche direct mit Gasmotoren, statt mit Dampf getrieben werden, läfst sich etwa 2 / 3 der Gasmenge, welche jetzt zur Erzeugung des für die Dampfgebläse nöthigen Dampfes noth- wendig ist, frei machen, so dafs ohne weiteren Aufwand von Kohlen auch noch die mit den Hochofenwerken verbundenen Stahlwerke hin reichend mit Kraft versorgt werden können. Wenn ja ohne weiteres zugegeben werden mufs, dafs der s. Z. von der Gasmotorenfabrik Deutz für Hörde gemachte Entwurf eines Gas motorengebläses eine Erstlingsarbeit ist, so ist es immerhin zu bedauern, dafs das Project nicht zur Ausführung kam; wir würden dann sicher lich heute schon einen wesentlichen Schritt in den Erfahrungen über Hochofengebläse weiter sein. Bei dem erwähnten Entwurf der Gasmotoren fabrik Deutz wurde Seilbetrieb vorgesehen, weil im Jahre 1896 noch keine Erfahrungen über schnelllaufende Gebläse mit Tourenzahlen von 120 bis 180, wie sie grofsen Gasmaschinen eigen sind, vorlagen. Eine Aenderung der Tourenzahl des Motors auf diejenige des Gebläses würde auch die Kraftleistung vermindert und ein Gebläse mit einer kleinen Windmenge bedingt haben, wodurch für Hochofenbetrieb mit einer beträchtlichen An zahl von Einheiten zu arbeiten gewesen wäre. Um ökonomische Gasgebläse zu erhalten, mufste deshalb in erster Linie das Augenmerk des Gon- structeurs aufser auf die Vergröfserung der Cylinder- dimensionen der Gasmaschine auf Erhöhung der Tourenzahl des Gebläses gerichtet sein, um eine directe Kupplung von Gebläse und Gasmotor zu ermöglichen, entweder in der bei Dampfmaschinen gebräuchlichen Weise durch Anhängung der Ge bläsekolbenstange an den Kolben des Motors, nach dem Vorbild der Dampfgebläse, oder durch Kupplung der Achsen von Motor und Gebläse, welches seinen selbständigen Kurbelmechanismus erhält, in ähnlicher Weise, wie man Motoren und Dynamos direct miteinander kuppelt. Für diese Verbindungen mufste in erster Linie das Gebläseventil erfunden werden, welches die bis heute unbekannten Tourenzahlen von mindestens 120 i. d. Minute ohne Schaden für sich selbst und den ganzen ruhigen Gang der Combination zuläfst. Constructiv ist die Aufgabe gelöst durch das Hoerbriger Ventil* und in noch vollkommenerer Weise durch das sich gegen den Luftstrom zwang läufig durch den Kolben schliefsende Gebläseventil von Professor Stumpf.** Auch die amerikanische Construction von Ferd. W. Gordon, welche in * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1899 Nr. 10 S. 476. * , » 1899 „ 16 , 764. „Stahl und Eisen“ Heft 22 Jahrgang 1899 be schrieben ist, erfüllt die Aufgabe. Die Anordnung der 500 pferdigen Gebläse maschine von John Cockerill in Seraing* entspricht vollkommen der bei Dampfmaschinen gebräuchlichen. Das doppeltwirkende Gebläse ist direct an die rückwärts verlängerte Kolben stange des Motorkolbens angehängt; die Gebläse ventile sind die erwähnten Hoerbriger Ventile. Die Maschine soll mit 84 Umdrehungen in der Minute anstandslos arbeiten; ob dies auf die Dauer wegen der enormen hin und her gehenden Massen möglich ist, kann nur die Erfahrung einer längeren Betriebsperiode entscheiden. Nach den Dimensionen der Maschinen dürften die Gewichte der hin und her gehenden Masse etwa 10000 kg betragen, was einem Beschleunigungsdruck von etwa 50 000 kg entspricht. Da die Maschine im Viertact arbeitet, steht diesem Beschleunigungs druck am Ende des Ausblasehubes nur ein Ge bläsedruck von 11 400 kg im Mittel bei 0,5 kg Windpressung entgegen, und bleiben also 38 600 kg auszubalanciren, was durch Gegengewichte an der Kurbel kaum zu erreichen ist. Die Gasmotorenfabrik Deutz hat in Verbin dung mit der „Gutehoffnungshütte“ in Oberhausen ein 500 pferd. Gebläse in Ausführung, welches Sie in Abbildung 11 dargestellt sehen. Motor sowohl als Gebläse bestehen aus zwei gegenüber liegenden Cylindern, deren Kolben mittels Pleuel stangen mit Kurbeln verbunden sind, die um 180° versetzt liegen, so dafs alle hin und her gehenden Massen vollständig ausgeglichen sind. Die Construction des Gebläses stammt von Riedler & Stumpf und ist in der Zeitschrift „Stahl und Eisen“ Heft 16 Jahrgang 1899, und im „Schnell betrieb“ ausführlich beschrieben. Das Gebläse ist für die Hütte Aumetz-Friede bestimmt und wird noch im Laufe dieses Jahres in Betrieb kommen, so dafs die Praxis bald in der Lage sein wird, zu entscheiden, welche der beiden Constructionen am vortheilhaftesten arbeitet und sich am besten bewährt. Die meisten der jetzt für Hüttenwerke in Ausführung befindlichen Motoren dienen zur Er zeugung von Elektricität und, da es sich in fast allen Fällen um Fortleitung auf weite Strecken handelt, in Verbindung mit Wechsel der Drehstrom dynamos, entweder seitlich gekuppelt oder unter gleichzeitiger Ausbildung des Polrades zum Schwungrad. Als Beispiel dieser Ausführungen führe ich Ihnen zunächst die 300 pferd. Zwillingsmotoren (Abbild. 12) der Friedenshütte bei Morgenroth vor, die mit Drehstromdynamos der Elektricitäts-Actien- gesellschaft vorm. Schuckert & Co. gekuppelt sind. Die Construction der 600 pferd. Maschinen mit vier Cylindern, wie sie gegenwärtig in * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1899 Nr. 11S. 530.