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15. April 1900. Die Elektricität als Zugkraft auf Eisenbahnen. Stahl und Eisen. 435 gebracht ist und die Fahrgäste daher nicht durch Säuren oder Dämpfe belästigen kann. Leitungsbetrieb. Zahlreicher sind die Versuche, die man mit dem Leitungsbetrieb angestellt hat; in manchen Fällen ist man mit dieser Betriebsweise überhaupt aus dem Versuchs stadium herausgekommen und bereits zu end gültigen Anlagen übergegangen. Beim Leitungs betrieb hat man folgende Haupteinrichtungen zu unterscheiden: a) das Kraftwerk für die Erzeugung der Elek tricität, das sich kaum von den Elektricitätswerken für den Betrieb von Strafsenbahnen unterscheidet. b) Die von dem Kraftwerk nach der Bahn geführte Speiseleitung, welche die zum Be trieb erforderliche Elektricität an die Ver wendungsstelle bringt. c) Die Arbeitsleitung, eine gewöhnlich neben oder über dem Geleise liegende, mitunter als dritte Schiene gelegte Leitung, an der die Fahrzeuge mittels besonders construirter Abnehmer (Rollen, Gleitschuhe) den für ihre Elektromotoren erforderlichen Strom entnehmen. d) die Einrichtungen zur Aufnahme und Ver wendung der Elektricität auf den Fahrzeugen, in der Hauptsache aus den Elektromotoren zum Antreiben der Fahrzeuge und den Handhabungs einrichtungen zur Regelung der Fahrgeschwindig keit, Aenderung der Fahrrichtung, zum Anfahren, Bremsen und Anhalten bestehend. Die Elektromotoren, deren allgemeine Einrichtung als bekannt vorausgesetzt werden mufs, zeigen für Eisenbahnfahrzeuge haupt sächlich Verschiedenheiten in der Art und Weise, wie sie auf die Triebachsen einwirken. Ent weder fällt die Triebachse mit der Achse des Motorankers zusammen, indem der Motoranker eine hohle Achse hat, mit der er unmittelbar auf die Triebachse gesteckt ist, wobei die Achse des Motorankers mit Ansätzen in die Speichen des Rades eingreifen kann, um die Drehung zu bewirken, oder der Elektromotor sitzt auf einer besonderen Achse und wirkt mittels eines Zahnradvorgeleges auf die Triebachse. Besonders hervorgethan haben sich die Amerikaner bei der Anlage elektrischer Bahnen mit Leitungsbetrieb, so dafs ihre Eirichtungen als zur Zeit mit am besten durchgebildet an erster Stelle besprochen werden müssen. Mit der den amerikanischen Technikern auf prak tischem Gebiet eigenen Findigkeit haben sie von vornherein scheinbar das Richtige in der Wahl des Systems getroffen. Heber die Heilmann- Loco motive hat ein amerikanischer Fachmann schon zu Anfang ihres Erscheinens ein un günstiges ürtheil abgegeben, was wohl mit dazu geführt hat, sie überhaupt nicht in den Bereich der Versuche zu ziehen. Ebensowenig Beach tung scheint die Pattonsche Locomotive gefunden zu haben. Accumulatorenbetrieb scheint man in Amerika auch nicht für anwendbar zu halten, theils wegen der oben angedeuteten Mängel in der Bauart der vorhandenen Accu- mulatoren, theils aus betriebstech nischen Gründen mehl’ untergeord neter Bedeutung. Man ist vielmehr gerade auf den Leitungsbetrieb los gesteuert und hat ihn u. a. auf folgenden Linien bereits eingeführt: 1. Auf dem Bahnnetz der Bal timore— Ohio-Bahngesellschaft für eine Bahnlänge von 6 km bei Baltimore. 2. Auf mehreren Anschlufs- bahnen für Fabriken und Häfen, so in Hoboken bei New York, Newhaven und Whitingsville. 3. Auf der Stadtbahn in Boston, den Linien Boston — Nantasket (17 km), Hartfort — Berlin und Berlin—New-Britain (20 km); auf der westlichen Hochbahn in Chicago (29 km) und der Lake- Street-Hochbahn (12,5 km), sowie der südlichen Stadtbahn daselbst; ferner auf den Linien: Washington—Mount Vernon (30 km), Philadel phia—Mount Holly (14,5 km), Norfolk—Ocean View in Virginien (15 km), auf der Zweigbahn Tonawanda—Lockport und einer kleinen Zweig bahn in Californien. Wenn hiernach die Fälle der Verwendung von Elektricität zur Fortbewegung schwerer Züge auf Eisenbahnen in Amerika im Vergleich zn dem grofsen Bahnnetz auch nicht gerade zahl reich sind, so scheinen doch die zur Ausführung gekommenen Anlagen ergeben zu haben, dafs wesentliche Schwierigkeiten auf elektrotechnischem Gebiete für kürzere Linien nicht mehr bestehen. Namentlich sieht man die Frage der Ausnutzung vorhandener Kraftquellen durch Fortleitung der Elektricität auf grofse Entfernungen mittels Starkstromleitungen als gelöst an. Obgleich es sich bei der Fortbewegung schwerer Züge um Abbildung 4. Hefsches Untergestell (Oberhälfte abgehoben).