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416 Stahl und Eisen. Verwendung der Hochofengase zum Betriebe von Gasmaschinen. 15. April 1900. Dampfes pro eff. Pferdekraftstunde mit 5 bis 6 cbm Gas auskommen, während die Gasmaschine nur 2,6 bis 2,7 cbm gebraucht. Mit einer gegebenen Gasmenge wird man also auch hier noch reichlich die doppelte Leistung zu erzielen imstande sein. Es ist aber zu beachten, dafs die Kosten einer solchen hervorragend guten Dampfmaschine und Dampfkesselanlage ganz erheblich höhere sind als die der Gasmaschinen und Gasreinigungsanlagen gleicher Leistung, und dafs die mit der hohen Dampfspannung verbundenen Uebelstände die An lage immer zu einer gefährlichen machen. jl/üZ/er-Donnersmarckhütte. II. M. H.! Bevor ich auf die Gasmolorenanlage auf Friedenshütte eingehe, mufs ich im vorhinein betonen, dafs es mir fern liegt, mir irgend ein vergleichendes Urtheil über die verschiedenen Systeme von Gasmotoren anmafsen zu wollen, da dazu vor allem nothwendig wäre, Motoren verschiedener Gonstructionen längere Zeit im Be triebe zu beobachten, wozu mir die Gelegenheit bisher leider nicht geboten war. Ich werde mich deshalb hauptsächlich auf die Beschreibung des von uns gewählten Systems und speciell der Friedenshütter Gasmotorenanlage beschränken. Wenn wir uns erinnern, welche Zweifel und Bedenken noch vor nicht langer Zeit über die j Anwendung der Hochofengase für Gasmotoren geltend gemacht wurden, so mufs man staunen, wie schnell und gründlich dieselben beseitigt ; wurden und wie rasch sich der Fortschritt auch auf diesem Gebiete der Technik Bahn gebrochen hat. Die hauptsächlichsten Schwierigkeiten er blickte man in dem Staubgehalt der Hochofen gase — in dem geringen Gehalt an brennbaren I Bestandtheilen —, in der wechselnden Zusammen setzung derselben und in ihrem Gehalt an Wasser dampf. Was nun den Staubgehalt betrifft, so hat sich herausgestellt, dafs dieses am meisten gefürchtete Hindernifs bei weitem nicht die Rolle spielt, welche man ihm zugemuthet hatte. Der schwere Gichtstaub wird bekanntlich schon in den Trockenreinigern der Hochöfen abgeschieden, während der ganz feine Staub, wenn nicht noch besondere Reinigungsvorrichtungen angewendet j werden, in den Gasmotor gelangt, um bis auf ganz geringe Mengen wieder ausgeblasen zu werden. Einen Beweis dafür erbringt auch die Praxis, da z. B. bei einem unserer Motoren nach vierwöchentlichem Betriebe nttt etwa 400 g Staub aus dem Explosionsraum und vom Kolben boden abgekratzt werden konnten. Was den geringen Gehalt an brennbaren Gasen betrifft, war man hauptsächlich deshalb besorgt, weil man dachte, dafs derselbe zu ver- gröfserten Maschinendimensionen führen, oder dafs die Entzündung des Gemisches Schwierigkeiten bereiten könnte. Auch diese Befürchtung ist nicht eingetroffen, wie die in der Praxis eingeführten Motoren beweisen. Zur wechselnden Zusammen setzung der Hochofengase ist zu bemerken, dafs dieselbe ja fast immer ausgeglichen wird, wenn mehr als ein Hochofen im Betriebe ist. Aber auch in letzterem Falle schmiegt sich die Maschine in ihrer Gonstruction der wechselnden Zusammen setzung an, indem ja der Regulator das Ein strömungsventil sofort weiter eröffnet, wenn sich z. B. infolge der schlechteren Zusammensetzung der Gase der Gang der Maschine verlangsamt. Der Wassergehalt der Gase endlich spielt ja insofern eine Rolle, als er den calorischen Werth derselben herabdrückt, aber wie eben auch wieder die Praxis beweist, ist der calorische Werth unserer Hochofengase genügend, um bei ausreichender Gomprimirung die nöthige Kraft wirkung im Momente der Explosion auszuüben. Dafs bereits, und besonders im Westen, eine gröfsere Anzahl von Werken Gasmotoren zu den verschiedensten Zwecken zum Theil bestellt und zum grofsen Theil im Betriebe haben, ist Ihnen bekannt. Die neueste Verwendung der Gas motoren ist diejenige für Hochofen - Gebläse maschinen. So wurde am 20. November vorigen Jahres ein direct wirkendes Hochofengebläse in Differdingen in Luxemburg mit gutem Erfolge in Betrieb gesetzt. * Das Gebläse soll 600 P. S. effectiv besitzen und etwa 80 Umdrehungen in der Minute machen. Die moderne Ventilconstruc- tion für schnellgehende Gebläsemaschinen, sei es nun nach Hörbiger oder Riedler oder sonst nach einem System, ermöglichen eben eine gröfsere Tourenzahl. Wie Sie aus dem Situationsplan der Friedens- hülter Gasmotorenanlage (vgl. Tafel VIII in vor. Nr.) ersehen, haben unsere Hochofengase einen sehr langen Weg zurückzulegen, bevor sie in die Motoren gelangen, was bezüglich der Abscheidung des Staubes sehr günstig ist. Der Weg beträgt nicht weniger als rund 500 Meter, wenn man die Wege durch sämmtliche Reiniger u. s. w. berücksichtigt. Nachdem die Gase gleich nach den Hochöfen mehrere Standrohre und 5 Stück Trockenreiniger passirt haben, von denen jeder durch eine Blech wand in zwei Theile getheilt wird, gelangen sie durch eine lange Rohrleitung zu weiteren Stand rohren, und dann zu den Koksscrubbern, welche aber jetzt leer gehalten werden. Der poröse Koks versetzte sich nämlich mit dem feinen Staub, so dafs zum Schlüsse überhaupt keine Gase mehr durchgingen. Von hier aus gelangen die Gase durch die sogenannten Sägespänreiniger in den Gasometer, um von da aus den eigentlichen Motoren zugeführt zu werden. Der natürliche Gasdruck, wie er von den Hochöfen kommt, genügt, um die Gase ohne jedwede Hülfe bis zu * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1900 Nr. 1 S. 34 bis 36.