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Die neue HeereSreform. Der Reichstag hat am Dienstag die Vorlage über die Umgestaltung der vierten Bataillone debatteloS mit großer Mehrheit endgültig genehmigt, womit diese ganze Frage zu einer befriedigenden Lösung gebracht worden ist. Der genannte Gesetzentwurf gehörte be. kanntlich zu jenen neuen Vorlagen, welche dem Reichs parlamente erst in seinem nachösterlichen SessionSab- schnitt zugegangen stnd, und als nun dasselbe an die ihm gewordene neue Aufgabe herantrat, da wurde allerhand von bestehenden Schwierigkeiten der mili tärisch-politischen Lage und den angeblich geringen Aussichten deS jüngsten MilitärgesetzeS gemunkelt. Aber stehe da, dessen Berathung hat sich wider alle Voraussagungen verhältnißmäßig glatt und rasch voll zogen und eine imposante Mehrheit ertheilte ihm schließlich die parlamentarische Genehmigung, so daß die Regierung mit diesem speziellen Erfolge im letzten Thetle der ReichStagssesston sehr wohl zufrieden sein kann. Allerdings waren unverkennbare Schwierig keiten vorhanden, sie wurden durch die mit der vor geschlagenen militärischen Maßregel innerlich eng zu sammenhängenden Frage der Reform des Militär strafprozesses hervorgerufen. Aber die in Bezug auf letztere berechtigte Forderung der deutschen Volksver tretung abgegebenen beruhigenden Regierungserklä rungen bewirkten, daß der Reichstag in seiner Mehr heit eine durchaus zustimmende Haltung gegenüber der jetzigen Militärvorlage etnnahm und dieselbe zuletzt unverändert guthieß, während zugleich der Versuch des Abgeordneten Richter, als Gegenleistung der Regierung die gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit her- beizuführen, scheiderte. Die maßgebenden Parteien hegten eben das Vertrauen, daß die Versicherungen vom Regierungstische aus, wonach eine „ehrliche Probe" gemacht und wonach ferner dem Reichstage im kommen den Herbste bestimmt der Entwurf einer Reform des Militärstrasprozesses unterbreitet werden soll, loyal gemeint waren, und an der Aufrichtigkeit dieser Er klärungen ist gewiß auch nicht im Mindesten zu zweifeln. Was nun die militärische und weiter die finanzielle Seite der Reform, wie letztere durch di« nunmehr definitiv beschlossene Umgestaltung der vierten Bataillone dargestellt wird, anbelangt, so bedarf eS hierüber wohl schwerlich nochmaliger eingehender Er läuterungen. DaS System der sogenannten Halb bataillone, noch eine Erbschaft aus der Aera Caprivi, hat nach dem einstimmigen Urtheile aller militärischen Autoritäten den daraus gesetzten Erwartungen fak gar nicht entsprochen und sich eigentlich nur als ein Ballast für sie Heeresorganisation erwiesen. Die Heeresver waltung entschloß sich daher, diesen «Versuch wieder aufzugeben und dafür die bisherigen 173 Halb bataillone in 86 Vollbataillone umzuwandeln und letztere wiederum in Regimenter und Brigaden zu gliedern, womit die innere Kraft des deutschen Reichs- heeres eine zweckmäßige Stärkung erfährt, ohne daß es doch nöthig wäre, die Fried,nipräsenzstärke aber mals zu erhöhen. Sicherlich hat dieser Umstand wesentlich mit dazu beigetragen, die ursprünglich wohl tn weiteren Kreisen des Reichstages vorhanden ge wesenen Bedenken gegen die neue Militärvorlage zu beseitigen, um so mehr, als ja die unmittelbaren Mehr kosten der Umwandlung der vierten Bataillone ver- hältnißmäßig geringe stnd, so daß die Maßregel auch E die Steuerzahler deS Reiche» so gut wie gar keine Ansprüche stellt. Im Segentheil erfreut sich dieselbe in den an der Reform mehr oder weniger interessirten Bevölkerungskreisen schon jetzt einer unverkennbaren VolkSthümlichkeit, da selbstverständlich für diejenigen Orte, welche zu Garnisonen der neuen Vollbataillone bestimmt stnd, manche wirthschaflliche Vortheile au» dieser Begünstigung erwachsen. Die Befürchtung aber, daß das jüngste Militärgesetz nur al» Vorläufer Liner abermaligen umfassenden Anziehung der „Militär NS MlMlY-MlllW. '"BLL-"' Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Inserate, wekch« bei der bedeutenden Auflage de» Blatte» eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit IVPfg. di« Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complictrw Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile . 20 Pfg. M die Königliche Htmtshauplmaimschast, das Königliche Amtsgericht und den Stadlrath zn Dippoldiswalde. Verantwortlicher Redacteur: Paul Ithne in Dippoldiswalde. Nr. 69. Sonnabend, dm 20. Juni 1896. 62. Jahrgang. schraube" zu betrachten sei, muß nach der ganzen regierungsseitig beobachteten Haltung in den betreffen den Reichstagsdebatten als entschieden unbegründet gelten. -Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Der Verein der Weißeritzwaffer- Jntereffenten hat sich im vergangenen Jahre von 88 aus 64 Mitglieder erhöht, bestehend aus 36 Besitzern, 11 Fabriken, IS Gemeinden, 3 Schifffahrtsgesellschaften und 3 Korporationen. In der letzten Hauptversamm lung in HainSberg wurden die ausscheidenden Vor-' standsmitglieder, darunter Herr Straube-Echmiedeberg, wiedergewählt. Die Hauptaufgabe für die nächste Zeit soll wie bisher darin bestehen, das Projekt: „Die Wasserversorgung des Plauenschen Grundes" weiter ,u fördern, zu welchem Zwecke eine Umarbeitung des s. Z. der zweiten Kammer vorgelegten Projektes bald vorgenommen werden soll. Erfreut war man darüber, daß die Regierung diesen Bestrebungen deS Vereins volle Anerkennung und Beachtung entgegenbringt. — Der Assistent der Müllerschule und deS Elek trizitätswerkes Herr Grasmeier wird seine hiesige Stellung ausgeben, um nach Dresden zu gehen. — Morgen Sonnabend Abend soll im Hotel „Stadt Dresden" hier die an die Generaldireklion der Staats bahnen abzusendende Petition wegen einer besseren Zugsverbindung mit Hainsberg zum Vortrag und zur Unterschrift ge'angen. Interessenten sind gebeten, sich zu diesem Behuf« gef. einzufinden. — Im nächsten Monat wird in der freundlichen Muldenstadt Grimma der sächs. Feuerwehrlag festlich begangen werden, und allerorten in Feuerwehrkreisen rüstet man sich, denselben möglichst zahlreich zu be schicken; aber mancher Feuerwehrmann würde gern sich an demselben betheiligen, würde dort gern sehen und zum Nutzen seines Korps und seiner Gemeinde lernen wollen, wenn er nur einen Zuschuß zu den Reisekosten erhalten könnte. ES dürfte sicher nicht als überflüssige Ausgabe angesehen werden, wenn manche Gemeinde für Feuerwehrleute eine entsprechende Geldsumme aus der Feuergeräthekaffe bewilligen wollte, um den Besuch deS Feuerwehrtages zu erleichtern. — Jetzt beim Eintritt der heißeren Tage erheischt eS die Pflicht, das menschliche Erbarmen wieder wach- zurusen für die um ihre Existenz für kärglichen Lohn mühsam arbeitenden „Proletarier der Thierwelt", für die armen abgetriebenen Ziehhunde. Wenn irgend ein Geschöpf der Welt den Unterschied zwischen arm und reich in seiner ganzen Bitterniß kennen lernt, so ist eS dieses gute und treue Thier, welches sein ganzes Leben in den Dienst der Menschen stellt, ihm am Tage die schwersten Lasten tragen Hilst und zur Nacht zeit HauS und Hof bewacht. Im Winter muß der Ziehhund in eisigster Kälte oft stundenlang auf offener Straße umherliegen, währenv sein „Herr" sich in der Kneipe aufhält; im Sommer aber, bei glühender Hitze hängt ihm vor Durst nicht leiten die Zunge aus dem Halse heraus. Wer bei schwerer Arbeit, namentlich im Sommer, auch nur einmal di« Qualen de» Durstes au-gestanden hat, wird wissen, was dies bedeutet. Möge deshalb ein Jeder, der ein solches armes dürsten des Thier steht, nicht herzlos oorübergehen! Ein gutes Wort an den Besitzer des Hundefuhrwerks wird meisten« schon genügen. Lauenstei«, 17. Juni. Der Ausschuß zur Ein- sührung geordneter Krankenpflege wählte gestern Herrn Pfarrer vr. Müller-Liebenau zum Vorsitzenden und Herrn Pfarrer Büttner-Lauenstein zum stellvertr. Vor sitzenden. Da die schriftlichen Aeußerungen der Ge- meinderäthe, Kirchenvorstände u. s. w. bi» jetzt nur spärlich einliefen, beschloß man noch ein besonderes dieselben auSzusenden und auch die Prioat- wohlthätigkeit in Anspruch zu nehmen. Dresden. Anläßlich seine» 38jährigen Jubiläum» als Chef deS altmärktschen Manen-Regiment» Hennig» v. Treffenfeld erhielt Prinz Georg von Sachsen am 16. Juni da» kgl. preuß. DienkauSzeichnungSkreuz mit folgendem Handschreiben des Kaisers: .Durchlauchtigst«!: Fürst I Freundlich lieber Bett«! Nachdem es Mir vor kurzer Zeil vergönnt gewesen ist, Ew. König!. Ho» heil anläßlich Ihres 50jährigen Militär-Dienst-JubiläumS Meine freudige Antbetlnahme zu bekunden, gereicht eS Mir zum beson deren Vergnügen, Ew. König!. Hohe«! nunmehr zu dem Tage, ast welchem Sie vor 25 Jahren zum Ehef deS UlanmregimenIS HennigS v. Tressenfeld (AltinärkifcheS) Nr. 16 ernannt wordm sind, Meine aufrichtigsten und herzlichsten Glückwünsche sowie Meine» wärmsten Dank für das wohlwollende Interesse aus» zufprechen, welches Sie in dieser langen Zeit fortgesetzt dem Regiment in so reichem Maße erwiesen haben. Indem Ich diesem Dank di« Bitte hinzufüge, die beifolgend« Dekoration — das DienflauszeichnungSkreuz — zur Erinnerung an diese langjährigen freundschaftlichen Beziehungen von Mir anvehmen und tragen zu wollen, verbleibe Ich mit dem leb haften Wunsche, daß es dem Regiment vergönnt stein möge, in Ew König!. Hoheit noch recht lange in Dankbarkeit seinen hoben Ehef verehren zu dürfen und yiit der Versicherung der vollkom menen Hochachtung Ew. König!. Hoheit sreundwilliger Vetter Wilhelm. Neues PalaiS, den 16. Juni 1896. An d.'S Piinzen Georg von Sachsen König!. Hoheit." — Seit«» deS Regiment» wurde dem Jubilar eine Ehrengabe überreicht, bestehend au» einer reich in ge schnittenem Leder gearbeiteten sehr geschmackvollen Kassette, in welcher sich 35 Photographien mit Dar stellungen der verschiedenen Dienstzweige deS Regiment befinden. — Im Europäischen Hofe fand zu Ehren der Erschienenen am Abend ein Diner statt. — Am 18. Juni erfüllte sich der Zeitraum eine» JahreS, seitdem die Ueberlettung de» Eisenbahnbe triebes aus der Tieflage aus die Hochgleise de» interi mistischen Personenhauptbahnhofes stattgefunden. Der erste Zug, der auf dem Hochgleise fuhr, war der von Görlitz 3 Uhr 55 Minuten Vormittags auf diesem Bahnhofe ankommende Schnellzug Nr. 334, welchem der nach Bodenbach fahrende Personenzug Nr. 133 4 Uhr 15 Minuten folgte. In diesem Zeitraum haben den Bahnhof mindestens 5 Millionen Menschen passirt, und man wird die Zahl der aus- und eingefahrenen Züge zur Passagierbesörderung mit 66000 nicht über schätzen. Die Anlage hat sich zur Bewältigung eine» so gewaltigen Verkehres trefflich bewährt. — Das Kgl. Landgericht Dresden verhandelte am l7. Juni zunächst gegen den 60 Jahre alten Han- delSmonn K. G. Anders au» Coswig wegen fahrläs siger Gefährdung eines Eisenbahntransporte». Am 31. Februar d. I. gegen Mittag fuhr der Angeklagte tn einem einspännigen Planwagen auf der Müglitzthal- straße nach Niederschlottwitz, um daselbst Maaren zu verkaufen. Ander» saß mit seine: Ehefrau in der Schoßkelle des Wagen», die Plane war weit herunter gezogen, so daß die Eheleute zur Seite nicht hinaus - sehen konnten. Infolge dieser großen Unvorsichtigkeit bemerkte Ander» nicht, als er über den Bahnkörper fuhr, das Pfeifen und Läuten eines herankommenden Zuges. Nur durch die Vorsicht des Lokomotivführer» Ihle ist ein Zusammenstoß des Zuges mit dem Ge schirre de» Angeklagten vermieden worden. Der Loko motivführer ließ sofort bremsen und es war nur hier durch möglich, den Zug ungefähr l V» m entfernt von dem Geschirre zum Stehen zu bringen. Ander» ist be schuldigt, daß er aus Fahrlässigkeit den Eisenbahn transport gefährdet hat; es lag die Möglichkeit vor, daß ein Zusammenstoß stallfand und der Zug entgleiste. DaS Ansühren des Angeklagten, eS sei an jenem Tage heftiger Sturm und sein Pferd sehr unruhig gewesen, in Folge dessen er die Warnungssignale nicht gehört habe, wies man ihm als widerleg! zurück. DaS Ge richt verurtheilte den Angeklagten wegen dieser Fahr lässigkeit nach 8 316 des Reichsstrafgesetzbuche» zu 14 Tagen Gefängniß. — Der 17 Jahre alte, noch nicht vorbestrafte Handarbeitrr Karl Julius Paul Becker au» Poffendorf stahl am 7. Mat d. I. der Tochter seiner