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— Die Erste Kammer bewilligte am 17. März zunächst die in Titel 24 des außerordentlichen Staats haushalts geforderten 97 000 Mk. zur Erweiterung des Bahnhofs Tribischthal und erledigte sodann eine Anzahl Petitionen. — Die Zweite Kammer setzte an demselben Tage die am Tage vorher vertagte Debatte zu Kap. 45o und 45ß des Staatshaushalts, Ausgabe sür Gewerbe- und Landwirthschast betreffend, sort. Abg. vr. Mehnert hatte zum Schluß der letzten Sitzung einen Antrag eingebracht, landwirthschaftlichen und gewerblichen Erwerbsgenoffenschasten von Staatswegen Darlehen bis zur Gesammlhöhe von 2 Millionen Ml. zu möglichst niedrigen Zinsfuß zuzuführen. Nach langer Debatte, auch über die Geschäftsordnung, und nachdem ein Echlußanlrag angenommen worden war, wurden die Kapitel, gleichzeitig mit dem Antrag Mehnert angenommen und auf Antrag des Abg. Philipp die Regierung ermächtigt, bedürftigen Pferdebesitzern, die durch die in neuester Zeit aufgetretene Pferde-Genick starre empfindliche Verluste erlitten hätten, Unter stützungen zu gewähren. Der Negierung wurden hierzu 25000 Mk. zur Verfügung gestellt. — Als Berech nungsgeld für eine normalspurige Bahn Königsbrück- Schwepnitz wurden 1300000 Mk. und für den Umbau der Linie Klotzsche—Königsbrück in Normalspur 1 Mill. Mark in den außerordentlichen Etat eingestellt. Kap. 109u, Dotationen, wurde mit 1789498 Mark Aus gaben bewilligt. Nachdem die Kammer bei mehreren Ge setzesabänderungen den Bkschlüffen der Ersten Kammer beigetreten war, wurden noch mehrere Petitionen erledigt. Pirna. Die sehr der Unterstützung bedürftige Familie des Cigarrenarbeiters Losch zu Copitz, in der drei Kinder zu erziehen sind, wurde durch die Geburt von Drillingen, zwei Knaben und einem Mädchen, in arge Noth und Bedrängniß gebracht. Stadt Wehlen. Daß den Jüngern LipS Tullians dann und wann auch der Schalk im Nacken sitzt, be weist eine jetzt hier vorgekommene Diebstahlsgeschichte. Eine an der hiesigen Neuen Straße wohnende, ziem lich korpulente Frau hatte zum Trocknen über Nacht Wäsche auf der Leine hängen gelassen. Die gute Qualität der Hemden mochte nun Jemandem in die Augen gestochen, der Dieb aber den Umfang der Etaubmäntel nicht berechnet haben, denn eine Zeit daraus erhielt die Bestohlene ein Packet, in welchem sich die in Copitz ausgegebenen Hemden schön gemangelt und gut eingepackl mit der auf einem Zettel bei gefügten Bemerkung vorsanden, daß „in ein solches Kleidungsstück ein ganz anderer Leib hineingehöre als wie der des ehrlichen Diebes." Vielleicht entschließt sich die nun wieder in den Besitz ihres Eigenthums gelangte Hemdenbesitzerin in entgegenkommender Weise zu einer „Schweninger-Kur", um dem Langfinger bei einer eventuellen späteren Annexions-Tour nach unserem „Wehlstädtel" nicht erneute Enttäuschungen zu bereiten. Waldheim. Seit dem 1. Oktober vor. Jahres ist der 16jähr. Karl Prüfer aus Tautenhain bei Gera verschwunden. Er hatte in Penig als Kellner konditionirt und in Waldheim neue Stellung genom men. Da jedoch diese erst mit des Vorgängers Ein tritt beim Militär frei wurde, so hat er sich bis zum Vorabend des Dienstantritts in Döbeln aufgehalten. In Waldheim traf aber nur sein Koffer auf dem Bahnhofe ein; er selbst blieb aus. Die Eltern er fuhren davon jedoch erst, als sie durch das Ausbleiben der Neujahrsgratulationen aufmerksam geworden waren. Ihre Nachforschungen nach dem Verbleib des Sohnes waren bisher vergeblich. Aus dem rechtzeitigen Ein treffen des Koffers und dem Umstande, daß der junge Mensch zu einem Selbstmorde keine Ursache hatte, schließt man auf das Vorliegen eines Ver brechens. Borna. Die Zahl der Pkerde, die bisher in der Umgegend an der sogen. Bornaschen Pferdekrank- hett gestorben sind, wird auf 120 geschätzt. Wurzen. In der hiesigen Möckelschen Buch druckerei, wo die „Neue Wurzener Zeitung" hergestellt wird, sind Differenzen ausgekrochen, die zur Arbeits niederlegung Seitens sämmtlicher fünf Gehilfen geführt haben. Dem Druckereibesttzer Mückel, den seine „Ge noffen" vor zwei Jahren zum Sladtvater wählten, wird vorgeworfen, daß bei ihm, da er neben fünf Gehilfen fünf Lehrlinge beschäftigte, die Lehrlings züchterri blühe, daß er seine Leute schlecht behandle und ihnen mit Hinauswerfen drohe, daß er ferner die Löhne unpünktlich auSzahle und den Gehilfen Hafer korn, der als Verleger der „N. Wurz. Ztg." zeichne und ihm über die vorhandenen Mißstände Vorstellungen gemacht, entlasten resp. gemaßregelt habe. Die An gelegenheit wird nächstens eine öffentliche sozialdemo kratische Parteiversammlung beschäftigen, in der dem „Genoffen" Möckel gründlich der Kopf gewaschen werden soll. — 210 — Leipzig. Zur Herstellung eine« künstlerischen EingangSportalS zur JohanneSkirche, die jetzt umgebaut wird, wurden aus Mitteln des Johannis hospitals 12000 Mk. gespendet. Markranstädt. Im Anschluffe an die gebrachte Notiz „Streitigkeiten der Ortskrankenkasse Markran städt mit dem hiesigen Apotheker betreffend", wird von dem Vorstande der „Gemeinsamen Ortskranken kaffe Markranstädt" folgendes geschrieben: „Die einzige Schuld an diesen Differenzen trägt dec Apotheker, der bis dato der Kaffe die höchsten Taxpreise aus gerechnet, die Leipziger Taxe der Apotheken für Orts krankenkassen niemals anerkannt hat und als einziger seiner Herren Kollegen sogar zuletzt noch den üblichen Rabatt verweigert. Es ist nicht wahr, daß die Kaffen mitglieder veranlaßt worden sind, ihre Medikamente in Schkeuditz, Lindenau, Plagwitz rc. verfertigen zu lasten, sondern eS bezieht sich dies bloß auf diejenigen Orte, welche genannten Städten näher liegen als Markranstädt, und ist es seit Bestehen der Kaffe so gewesen. Was die Lieferung der Lützener Apotheke anbetrifft, so ist allerdings ein Versuch angebahnt worden, der die Kaffe vor weiteren Uebertheuerungen der hiesigen Apotheke schützen sollte, und zwar sollten diejenigen Rezepte, die nicht in der Drogerie geholt werden dürfen, aber bei denen es auch nicht darauf ankommt, ob dieselben der betreffende Patient sofort oder einige Stunden später erhält, in Lützen verfertigt, diejenigen Rezepte hingegen, die ein Patient sofort be- nöthigt, von dem betreffenden Arzte mit dem Worte „cito" versehen und in der hiesigen Apotheke gemacht werden. Was die Verbandsstoffe bei Unglucksfällen betrifft, so hat der Vorstand mit dem Chemiker und Droguisten Zerbst in Markranstädt einen Vertrag ab geschloffen, nach welchem betreffender Herr sämmtliche Verbandsstoffe und alle sonstigen dem freien Hand verkauf überlassenen Medikamente für die Kaffe zu liefern hat. Beschwerden sind diesseits nicht ein gegangen." " Plauen i. V. Zum Leidwesen hiesiger Garten besitzer hat sich gezeigt, daß in diesem Winter wilde Kaninchen an Neuanpflanzungen in der Gegend des Löwensteins vielen Schaden verursacht haben. — Der Viehschmuggel an der Grenze wird jetzt wieder in großem Umfange betrieben. Nachdem erst am 7. März in der Nähe von Tiefenbrunn zwei Ochsen von den in Ebmalh stationirten Grenzaufsehern Eschke, Uhlig, Rieß und Wessel beschlagnahmt worden sind, wurden am 15. wieder in der Nähe der Sächs.- Bayr.-Oesterr. Grenze von den Grenzaussehern Eschke und Rieß vier Ochsen beschlagnahmt. Löbau. Infolge des in der Bergdörfer Gegend betriebenen Anbaues von Braunkohlen traten durch Unterminirung des Erdbodens dortselbst, sowie in Schönau Bodensenkungen auf, wobei verschiedene Gebäude beschädigt wurden. Die geschädigten Grund besitzer strengten gegen die Kohlenwerksbesitzer Klage an. Von der Verwaltungsbehörde, der Königl. Amts- hauptmannschast Löbau, in Verbindung mit dem Berg amte Freiberg, ist nunmehr ein Entscheid in diesem Prozesse ergangen, worin die Beklagten verurtheilt sind, den Klägern die Schäden, die an ihren Gebäuden durch den Abbau der Kohlen entstanden sind, zu be zahlen und alle Prozeßkosten zu tragen. Tagesgeschichte. Berlin. Der Reichstag beabsichtigt am 25. März in die Osterferien zu gehen, die bis ,um 16. April dauern werden. — Die Frage der nun schon zwei Mal ver unglückten Neichsfinanzreform taucht wieder auf. Wenigstens wird dieses Problem jetzt wieder einmal durch den von der Budgetkommission des Reichstages einstimmig genehmigten Antrag des Centrumsabgeord neten vr. Lieber angeregt, die Hälfte des Üeber- schuffes der den Einzelstaaten zustehenden Ueber- weisungen über die Matrikularbeiträge zur Schuld-n- tilgung im Reiche zu verwenden. Selbstverständlich bietet dieser Beschluß keinerlei Ersatz sür eine organische Negelung der finanziellen Beziehungen der Einzel staaten zum Reiche dar, sollte der Bundesrarh dennoch den Vorschlag der Budgetkommission genehmigen, so würde dies wohl nur unter dem augenblicklichen Drucke der Verhältnisse geschehen. — In der Zuckersteuerkommission des Reichs tags beantragte Abg. Paasche (natl.), die Export prämie sür Rohzucker, bezw. Candis, bezw. alle übrigen Sorten, die nach der Regierungsvorlage 4 bezw. 5,25 bezw. 4,60 Mk. betragen soll, auf 3, resp. 4, reip. 3'/, Mk. sestzusetzen. Abg. Graf Schwerin (kons.) erklä'te, wenn der Antrag Paasche nicht angenommen würde, werde seine Partei gegen die beschlossene Con- tingentirung und eventuell gegen die ganze Vorlage stimmen. Der Antrag Paasche wurde darauf mit 12 gegen 9 Stimmen angenommen. Mit dem gleichen Etimmenoerhältniß wurde auch der Antrag Paasche- Echweiin, die Verbrauchsabgabe auf 21 Mk. fest zusetzen, angenommen. — An leitender Stelle kommt der in auswärtigen Angelegenheiten gewöhnlich gut unterrichtete „Hamb. Korr." auf die Frage zurück, ob Spanien auf die Unterstützung der Mächte, speziell Deutschlands, zu rechnen hätte, falls eS diese gegen eine Intervention der Vereinigten Staaten betreffs Kubas anrufen wollte. „Wir haben, sagt das Blatt, vor Kurzem ge schrieben, falls spanischerseits ein solcher Schritt erfolgt sei oder erfolgen werde, würden die Kabinete mit Nein antworten. Ob die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Höfen von Wien und Madrid dem dor tigen Kabinet in einem solchen Falle Rücksichten auf erlegen würden, kann man dahingestellt sein lassen. Aber was Deutschland betrifft, so haben wir schon neulich betont, daß das Verhalten der spanischen Re gierung in allen Fällen, wo deutsche Interessen in den letzten Jahren in Frage gekommen sind, durch aus dazu angethan war, ein Entgegenkommen gegen spanische Wünsche unmöglich zu machen." — Sehr richtig! — Bis jetzt haben 22 auswärtige Mächte ihre Betheiligung an der Weltausstellung von 1900 offiziell zugesagt, nämlich: Deutschland, Oesterreich, Rußland, England, Skandinavien, Dänemark, Italien, Holland, Türkei, Belgien, Luxemburg, Schweiz, Bul garien, Spanien, Portugal, Persien, China, Japan, Vereinigte Staaten, Brasilien, Kanada, Bolivia und dis Argentinische Republik. Wenn man den genannten Staaten den Platz einräumt, welchen sie sür ihre Ab- theilungen in der Ausstellung verlangen, so würde man die doppelte Oberfläche des Marsseldes nölhig haben. — Der Grenadier Thröner von der 9. Kompagnie des Kaiser-Alexander-Regiments zu Berlin, der schon mehrfach von sich hat reden gemacht, wurde zum dritten Male in Untersuchungshaft gebracht. Thröner gehört einer Abzweigung der Mennoniten, dem „Bunde der gläubigen evangelischen Täuflinge", an, der nur im Elsaß Anhänger hat, und weigert sich auf Grund des fünften Gebotes fortgesetzt, ein Gewehr anzufaffen. — Die Errichtung einer Landeshauptmann schaft am Tanganyika stehl nahe bevor; als Oct der Niederlassung dürste Udjidji ausersehen sein, obwohl die letzten Nachrichten, welche von dort kommen, nicht sehr günstig lauten. Der See tritt immer weiter zurück und die Stadt macht den Eindruck des Ver falls. Noch vor wenigen Jahren in voller Blüthe, zählt sie an zweitausend Gebäude, aber die Hälfte liegt in Rumen. Das Haus von Bumaliza, welches bas größte ist, ist vollkommen verwüstet, die meisten der Temben sind verschlossen und ihre Besitzer nach der Küste zürückgekehrt. Die Verhältnisse, welche in folge der Niederlage der Araber im Kongostaate sich in dieser Weise verschlechtert haben, werden sich unter einer geordneten deutschen Verwaltung sicher wieder bessern, obwohl eS mit dem Sklavenhandel vorbei ist. — Die Zeitungsnachrichten von einer kriegerischeu Expedition, welche der Landeshauptmann von Deutsch» Südwestafrika, Major Leutwein, gegen die Hereros nächstens zu unternehmen gedenke, wird von halb amtlicher Seite als unrichtig erklärt. Es schweben allerdings Grenzdifferenzen mit diesem Nomadenvolke, aber es soll alle Aussicht auf gütliche Regelung der selben vorhanden sein. Freilich wird in der nämlichen Meldung die Möglichkeit angedeutet, daß sich bei den wachsenden Neigungen der Herero«, ihre Nomadenzüge über das ihnen zustehende Gebiet hinaus weiter aus zudehnen, doch einmal eine energische Züchtigung der Hereros von deutscher Seite nöthig machen könnte. AuS dem Herzogthum Anhalt. Die Finanz lage unseres Staates ist so günstig, wie es nur in wenigen anderen Ländern der Fall sein dürfte. Nach einer dem Landtage gemachten Mitlheilung wird nämlich das Herzogthum am 1. April 1897 nicht nur keine Schulden mehr haben, sondern sogar noch einen mehrere Millionen umfassenden Reservefonds besitzen. Gleichwohl beantragt die Regierung eine Verstärkung des letzteren, weil aus den fiskalischen Salzwerken wegen der angewachsenen Konkurrenz künftig nicht: gleich günstige Erträgnisse zu gewärtigen sind. Oesterreich. Im Abgeordnetenhause stellten die Abgeordneten Sueß, Milewski und Genoffen folgenden Antrag: Da die Schwankungen in der gegenwärtigen Bewerthung von Gold und Silber sich als ein schwere-, wirthschastUcheS Nachtheil erwiesen haben, wird die Regierung ausgefordert, alle etwa von anderen Staats verwaltungen ausgehenden Bestrebungen, welche auf eine internationale Feststellung des gegenwärtigen Werthes dieser Metalle adzielen, lebhaft zu unterstützen. Karlsbad. Eme Anzahl Mitglieder des gewerb lichen Spar- und Vorschubvereins in Karlsbad, die m»t dem Beschlüsse der Hauptversammlung des Ver eins, zur Vermeidung deS Konkurse- 9b Prozent der GenoffenschastSantheile abzuschreiben, nicht einverstanden waren, hielt kürzlich eine Versammlung ab. In der»