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die vor zwei Jahren angepflanzt worden waren, voll ständig ab und zwei andere halb durchgeschnitten, doch so, daß auch sie eingehen werden. Oederan. Montag früh gegen '/»2 Uhr brannte die an der Barnhosstraße in unmittelbarer Nähe der Reichenbach'schen Cigarrensabrik stehende große wohl gefüllte Doppelscheune, der Stadt und der Wittwe Haubold gehörig, vollständig nieder. Das Feuer, welches ohne Zweifel böswillig angelegt wurde, ver breitete sich mit so großer Schnelligkeit, daß binnen wenigen Minuten das ganze große Gebäude in Hellen Flammen stand. ES ist dies binnen acht Wochen das fünfte Schadenfeuer, das unfern Ort betrifft. Meißen. Als kürzlich die Frau eines Meißner Gewerbetreibenden in einem Materialwaarengeschäste ihre Einkäufe besorgte und hierbei ihr etwa dreiviertel Jahre altes Kindchen auf dem Arme trug, wollte sich der Ladenbesitzer entgegenkommend zeigen und schenkte dem Kinde einen Zuckerstengel. Das Kind leckte auch Anfangs daran und freute sich über die Süßigkeit, plötzlich aber fing es an zu röcheln, wurde ganz blau im Gesicht und schließlich ohnmächtig. Die Mutter des dem Erstickungstod« nahen Kindes und auch der Kaufmann waren durch den Vorfall so bestürzt, daß sie wie gelähmt unthätig zusahen. Eine glücklicher weise hinzukommende Frau hatte aber Geistesgegen wart genug, um schnell zuzugretken und das Kind mit den Fingern an beiden Seiten des Kehlkopfes zu drücken und seinen Unterkiefer abwärts zu bewegen. Hierdurch gelang es, dos Kind zum Erbrechen zu bringen, wobei das verschluckte Stück Zuckerstengel wieder herauSkam. Laubegast. Eine Büchse Liebigs Fleisch-Extrakt verfehlte kürzlich ihren Beruf, wovon der folgende Fall deutlich Kunde giebt. Einem Krankenkaffen mitglied von hier verschrieb ein Dresdner Arzt eine Büchse des erwähnten Extraktes zur Stärkung seines Körpers, da der Patient über „schwache Beine" klagte. Das Bäuerlein kaufte das Verschriebene, schien aber die Gebrauchsanwesiung entweder falsch verstanden oder gar nicht gelesen zu haben, denn als der Arzt nach einigen Tagen wiederkam und sich nach dem Be finden des Patienten erkundigte, erhielt der Arzt fol gende Antwort: „Mei liewer Herr Dukter, die Salwe mag ja ganz scheene sein, aber Sie müssen mir'sche dünner verschreiben, daß ich sie besser uf de Beene schmieren kann, denn bis jetzt dhun mir sie immer noch weh!" Tableau! Station Schöna. Auf hiesiger Station und in dem gegenüberliegenden Herrnskretschen hat man mit dem Ankauf der Heidelbeeren begonnen. Die hiesige Verladestelle ist eine der bedeutendsten im oberen Ge biete, da hier die Beerensammler aus mindestens 10 Ortschaften ihre Beerenvorräthe zum Kauf anbieten resp. auf den Markt bringen. Im vorigen Jahre sind in Herrnskretschen und hier für ca. 8000 Mk. Heidel beeren aufgekaufr worden; gegen 450 Mk. bekamen allein die Leute, welche sich mit dem Transport der gefüllten Körbe und Butten über den Elbstrom her über bis zur Station befaßten. Neustädte!. Auf dem Holzplatze der Tröger- schen Dampftischlerei hier ereignete sich ein recht be- klagenswerther Unfall. Zwei Arbeiter waren damit beschäftigt, srischgeschnittene Bretter auszuschichten. Eine große Zahl derselben hatten sie bereits aufgestellt, ein plötzlicher Windstoß brachte sie aber zum Fallen. Hierbei geriethen die Arbeiter unter die Bretter und einer derselben erlitt einen Schädelbruch, sodaß er seinen sofortigen Tod fand. Der zweite Arbeiter wurde glücklicher Weise nur leicht verletzt. Der tödt- lich verunglückte heißt Max Leistner und ist 32 Jahre alt. Erst vor wenig Wochen verheirathete er sich. Crimmitschau. Im Laufe dieses und des vorigen Jahres wurde die Umgegend von Crimmitschau durch eine Reihe von Schadenfeuern beunruhigt, die offenbar aus Brandstiftungen zurückzuführen waren. Es sind deshalb in einigen Dörfern besondere Nachtwachen eingeführt worden. Bei dem am vorigen Freitag auf gegangenen Brand des Jllgenschen Zimmerplatzes wurde der Zimmermann H. als Brandstifter verhaftet. Derselbe hat sich nunmehr zu den meisten der Brand stiftungen bekannt. Plauen i. V. Ein guter Fang ist am Sonntag Vormittag unserer Polizei geglückt. Am Bahnhofs büffet hatte ein junger Mann einige falsche Gold stücke auSgeben wollen, die jedoch zurückgewiesen worden waren. Der Mann bezahlte darauf mit richtigem Gelds und drückte sich schleunigst. DaS Vorkommniß war dem Bahnhossschutzmann mitgetheilt worden, ebenso der Umstand, daß der Mann in den eben in der Richtung nach Reichenbach abdampsenden Zug eingestiegen sei. Kurz entschlossen ließ der Schutz mann den Zug, der schon abgepfiffen hatte, wieder halten, und eS gelang auch mit Hilfe des Lokomotiv führers, den Menschen, der etwa 1000 M. gefälschte« Geld bei sich führte, festzunehmen. Der Verhaftete steht im Alter von 32 Jahren und ist ein Bäcker- — 522 — meister aus Adorf, der Bruder eine- MühlenbefitzerS in Eger. Den na ch Eger gesandten Kriminalbeamten des hiesigen EtadtrathS ist es gelungen, als Falsch münzer zu ermitteln und festzunehmen: den Graveur Quintus, den Mühlenbesitzer Franz MattheS, den Bruder des am Dienstag hier festgenommenen Bäckers, und den Muschelfabrikanten Heberlein. Bei letzterem wurden die Stanzen und sonstigen Apparate zur Herstellung der falschen Zehnmarkstücke beschlagnahmt, überdies fielen den Beamten noch etwa 100 Falsifikate in die Hände. In dem Augenblicke, als Heberlein aus seiner Wohnung abgesührt wurde, vergiftete sich seine Frau mit Cyankali. Die Frau wär in wenigen Minuten eine Leiche. Zwickau. Das hiesige Landgericht hat den Fortbildung «schiller Jonathan Regel in Mülsen, welcher von seinem Schuldirektor zur Verbüßung einer Karzerstrafe abgeführt werden sollte, sich aber dabei widersetzt hat, zu 4 Monate Gesängniß verurtheilt. Tagesgefchichte. Berlin. Der „ReichSanz." veröffentlicht einen allerhöchsten Erlaß, welcher bestimmt, daß für die Unterhaltung des Betriebes des Nord-Ostsee-Kanals am 1. Juli d. I. eine dem Reichsamte des Innern unmittelbar Nachgeordnete Reichsbehörde unter der Bezeichnung „Kaiserliches Kanalamt" mit dem Sitz in Kiel errichtet werde. — Die Vorlage über die Errichtung einer Central anstalt zur Förderung des genossenschaftlichen Personal kredits ist von der Budgetkommission mit unwesent lichen Abänderungen genehmigt worden. — Partikularrechtliche Vorschriften, welche das unbefugte offene Mitsichführen von Waffen unter Strafe stellen, sind, nach einem Urtheil des Reichs gerichts vom 24. Januar, durch das Reichsstrafgesetz buch nicht außer Kraft gesetzt worden. — Der Berliner Korrespondent des „Standard" erfährt, gleich nach dem Amtsantritt des Ministeriums Salisbury würden sehr enge Beziehungen zwischen Deutschland, England und Japan hergestellt werden. Man erwartet, daß die Vereinigten Staaten sich diesem Einvernehmen anschließen dürften. — Aus Kiel schreibt man unterm 26. Juni: Heute Abend wird im Kieler Hafen ein großer Blumen korso stattfinden, an welchem die Boote sämmtlicher Kriegsschiffe sich betheiligen, welche zu diesem Zwecke besonders dekorirt werden. — Unser deutsches nach den ostasiatischen Ge wässern entsandtes Geschwader ist an seinem Bestim mungsorte glücklich angelangt. — Die Schifffahrt durch den Kaiser Wilhelm- Kanal wird mit dem 1. Juli für Schiffe mit einem Tiefgang bis zu 7'/, Meter eröffnet. — Das im großen Belt aufgefahrene italienische Thurmschiff „Sardegna" sitzt noch immer fest, trotz aller Bemühungen, es abzubringen, und es ist auch keine Aussicht vorhanden, das Schiff mit Hilfe der bislang benutzten Schiffe klar zu machen. — Zwei der von Berlin nach Holtenau komman- dirten Schutzleute sind dort verunglückt. Im Menschengedränge wurde der Eine mit solcher Gewalt gegen das Brückengeländer gepreßt, daß ihm das Kreuz verletzt und eine Blutader gesprengt wurde; der Andere wurde zu Boden geworfen und schwer verletzt. Oppeln. Der Aufruhr vor dem Pfarrhause zu Mikultschütz„ welcher ganz Oberschlesien in Auf regung versetzt hat, kommt am 1. Juli d. I. vor dem Schwurgericht zur Verhandlung. — Aus Straßburg liegt die Meldung vor, daß auf dem Artillerieschießplätze in Hagenau ein Pulver schuppen in die Luft geflogen ist. Als die Explosion erfolgte, haben sich über 100 Soldaten in der Nähe des Schuppens aufgehalten. Viele Personen sollen verletzt sein. Zwei weitere Pulverschuppen, welche sich in der Nähe der Unglücksstätte befanden, konnten vor der Explosionsgefahr geschützt werden. Speyer. Im Nachbardorf Neupsotz erwürgte der 24jährige, verheirathete Korbmacher Anton Hauber sein einjähriges Kind. Der Mörder ist flüchtig. Oesterreich-Ungarn. Das Abgeordnetenhaus nahm das Budgetprovisorium mit allen Stimmen gegen diejenigen der Jungtschechen, PernerstorsferS und KronawetterS an. — Wie der „Mattino" aus angeblich informirter Wiener Quelle erfahren haben will, hat Kaiser Franz Joseph dem König von Italien gegenüber den Wunsch ausgedrückt, das italienische Geschwader, welches den Kieler Festlichkeiten beigewohnt hat, möge zum 6. Juli anläßlich des Stapellaufes deS Kriegsschiffes „Wien" nach Triest kommen. Auch Kaiser Wilhelm habe eine Einladung erhalten. — Mittwoch Nachmittag sind beide Delega tionen, nachdem Uebereinstimmung ihrer Beschlüsse festgestellt war, mit Hochrufen aus den Kaiser ge schloffen worden. , Italien. Eduard Kuhsuß, deutscher Wahlkonsul I in Florenz, ist seit einigen Tagen verschwunden. Die Behörde erließ einen Steckbrief wegen Betruges hinter ihm. In Florenz erregt diese Nachricht peinliche» Aussehen. — In Mailand ist kürzlich die große Kuppel der berühmten Kirche San Carlo durch Feuer zerstört worden. Frankreich. Die Pariser „Patrie" nimmt Ver- anläffung anzudeuten, daß die Regierung nächste Woche in die -Lage kommen werde, den Kammern offiziell den Allianz-Vertrag mit Rußland mit- zutheilen. Diese Meldung begegnet im Uebrigen noch starken Zweifeln. — „Gaulois" veröffentlicht ein Interview seines Berliner Korrespondenten mit einem höheren deutschen Marinebeamten. Der letztere soll erklärt haben, Kaiser Wilhelm werde im nächsten Frühjahr ein Geschwader an alle diejenigen Mächte senden, welche sich offiziell an den Kieler Festlichkeiten betheiligt haben. Nach den französischen Häfen würden die Dampfer „Bayern" und „Brandenburg" gehen. Der betreffende Admiral bringe dann ein eigenhändiges Schreiben Kaiser Wilhelms an den Präsidenten der französischen Republik mit und überreiche diesem den Schwarzen Adlerorden. — Die Bestrebungen der französischen Industrie, sich ein neues Absatzgebiet in China zu verschaffen, werden demnächst greifbare Gestalt annehmen, da aus Lyon gemeldet wird, daß die von der dortigen Handelskammer projektirte Mission, welche außer Industriellen auch Ingenieure, Aerzte rc. zu Mitgliedern zählt, sich konstiluirt Hal und Anfang September nach Süd-China abreisen wird. — Nizzaer Blätter theilen mit, daß zwei französische Alpenjäger während eines Manövers von italienischen Carabinieri verhastet worden seien. Die Angelegen heit erregt in Nizza großes Aufsehen. — Die betreffende Kommission der Kammer be schloß, die aus den südwestlichen Departements ein gegangenen Petitionen um die Erbauung eines Kanals vom Atlantischen Ocean zum Mittelländischen Meere dem Arbeitsministerium mit dem dringenden Ersuchen zu überweisen, das Kanalprojekt prüfen zu lassen, damit die Kammer im nächsten Jahre darüber be- rathen könne. — Die „MissionS katholiques" veröffentlichen eine Depesche aus Schanghai, wonach die Verfolgungen der Missionäre in der Provinz Sz'-Tschwan aufgehört haben. Durch ein kaiserliches Edikt sei angeordnet worden, daß die entstandenen Schäden wieder gut zu machen sind. Spanien. Der Kriegsminister erklärte, die nächste, auf den Dezember fallende Heeresrekrutirung werde schon im Oktober vorgenommen werden. Als bald würden neue Verstärkungen nach Cuba abgehen. Auch werde die erste Reserve einberufen werden. Großbritannien. Das neue englische Ka- binet Salisbury war im Verlaufe des Dienstag theilweise bereits gebildet. Es haben Lord Salisbury den Vorsitz und das Auswärtige, Goschen das Marine ministerium, der Herzog von Devonshire den Vorsitz im Geheimrath, Chamberlain das Ministerium der Kolonien übernommen, Balfour ist erster Lord des Schatzes, Hicks-Beach Kanzler der Schatzkammer geworden. Großbritannien. Maccarthy, der Führer der Parnelliten, veröffentlicht eine Erklärung, worin er sagt, daß mit dem neuen Ministerium Irlands bitterste Feinde ans Ruder kämen, und worin er die Iren aller Länder auffordert, Mittel zusammenzuschaffen zum Zwecke eines Homerulef-ldzugeS. Norwegen. Im Storthing beantragten Steen, Sievers, Nielsen und andere Mitglieder der Linken die Ausnahme einer neuen inneren Staatsanleihe von 12 Millionen Kronen zu VerthcidigungSzwecken. Der Antrag wurde der Kommission des HeereSauSschuffes zur gemeinsamen Berathung zugewiesen. Rußland. Die Blätter melden, der Regierung liege ein Projekt vor, betreffend die Verbindung Rußlands mit Persien vermittelst einer Eisenbahn. Die Linie sollte von Baku über Täbris nach Rescht gehen. Rußland. Rußland macht augenblicklich fieber hafte Anstrengungen, um seine Kriegsmacht in die Höhe zu bringen. Die durch die jüngsten Ereignisse in Ostasien geschaffene Situation hat den Anstoß zu dieser Bewegung gegeben. DaS amtliche Organ deS russischen MarinemintsteriumS kündigt diesen Schritt der Regierung in etwas hochtrabenden Ausdrücken an anscheinend bedarf es nach der Ansicht dieses Blattes nur eine- kaiserlichen Beschlusses, um eine Flotte ins Leben zu rufen, die allen Seemächten der Welt zugleich gewachsen ist. ES steht ja allerdings jeder Nation frei, Schiffe zu bauen, bezw. zu kaufen, aber ihre Kriegstüchtigkeit hängt doch in hervorragendem Maße von dem Vorhandensein eine« durchgrbildeten Materials