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Stiftung in Höhe von 10000 M. mit der Bestimmung ausgesetzt, daß das Kapital und die Zinsen zu Unter« stützungen an verschämte Arme verwendet werden und zu der Zeit aufgebraucht sein soll, zu welcher die „Karl August Schatze-Stiftung" in Wirksamkeit tritt. (Fortsetzung de» Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Auf der Durchreise von Schönhausen nach Varzin langte Fürst Bismarck am 16. Juli Nachmittag» auf dem Stettiner Bahnhofe in Berlin an und hatte daselbst einen etwa viertelstündigen Auf enthalt. Nachdem unter Hoch- und Hurrahrufen der Anwesenden der Salonwagen des Fürsten Bismarck vor den dereitstehenden Zug geschoben war, rief die Fürstin den Fürsten Bismarck an das Fenster heran. Bald darauf wurde Fürst Bismarck sichtbar, den zuerst ein VerS von „Deutschland, Deutschland über Alles" begrüßte. Hierauf erfolgte die Begrüßungsrede eines der Etudirenden, die mit einem brausenden dreimaligen Hoch schloß. Nach einem Silentium für den Fürsten Bismarck schickte sich dieser, indem er seine graue Mütze abnahm, zu einer Erwiderung an. Nach einem kurzen, warmen Dank für die Ovation, sagte Bismarck, indem er sich wieder bedeckte, er käme stets gern nach Berlin und freute sich immer, wenn er unter den ihn Be grüßenden auch Bürger der Universität erblicke, weil er doch selbst akademischer Bürger gewesen sei. Er sei üb rhaupt eigentlich fast Berliner, denn er sei schon mit 7 Jahren hierher gekommen. Dann habe er als Student, als Referendar und später als Minister viel in Berlin gelebt, obschon er eigentlich auf dem Lande großgeworden sei. Seit jener Zeit, da er zuerst in Berlin gewesen, habe Berlin erheblich gewonnen und sei immer größer geworden. Damals habe es noch kein Trottoir und von der Behrenstraße bis zur Koch straße nicht einen einzigen Laden gegeben; damals, im Jahre 1836/37, habe er soviel Bescheid in Berlin ge wußt, daß er hätte Droschkenkutscher werden können. (Heiterkeit.) Jetzt aber sei ihm Berlin über den Kopf gewachsen, räumlich, wirthschaftlich und politisch. Wenn er auch etwas mit den Berlinern auseinandergekommen sei (Widerspruch), so erfülle ihn doch jtets ein gewisses Heimathsgefühl, sobald er Berlin betrete, deshalb wünsche er der Stadt Berlin auch ferneres Gedeihen und bitte einzustimmen in den Ruf: „Berlin hoch!" Nachdem diesem Wunsche jubelnd entsprochen worden war, überreichten Damen und Herren dem Fürsten zahlreiche Rosenbouquels. Unausgesetzt war der Fürst damit beschäftigt, die sich ihm darbietenden Hände zu schütteln und die Bouquets abzunehmen. Hier und da führte er auch dis Hand grüßend und dankend zum Munde. DaS Händeschütteln wurde schließlich so arg, daß die Fürstin ihren Gatten liebevoll vom Fenster zurückdrängte. Auch drinnen im Wagen wurden dem Fürsten weitere Bouquetspenden dargeboten. Inzwischen sang die akademische Jugend unausgesetzt „Deutschland, Deutschland über Alles" und brachte dann auch der Fürstin eine Huldigung dar. Als Fürst Bismarck sich später noch einmal zum Fenster hinaus neigte, bemerkte er bei einigen in Wichs paradirenden Studenten Korps schläger, sprach seine Verwunderung darüber aus uid knüpfte alsdann hieran einige historische Bemerkungen über die Entstehung der deutschen Reichsfarben: schwarz, weiß, roth, die aus den preußischen Farben schwarz weiß und den alten kur-brandenburgischen Farben roth-weiß zusammengestellt seien. Als der Zug 4 Uhr 6 Min. sich in Bewegung setzte, brausten die jubelnden Rufe durch die Luft: „Glückliche Reise! Gute Reise! Aus Wiedersehen! Hurrah! Hoch!" — Die deutsche Kolonialverwaltung in Afrika hatte ein in weiten Kreisen unbekannter französischer Reisender, Lionel Decke, heftig angegriffen. Die „Nordd. Allg. Ztg." hält es für nöthig, seine Be hauptungen zu widerlegen und schließt: „So gewich tigen Zeugnissen gegenüber können die Phantasien eines chauvinistischen französischen Jünglings, der einen kleinen eben durch uns erworbenen Theil unseres Schutzgebietes flüchtig gestreift hat, nicht in's Gewicht fallen." — Ebenso tritt das offiziöse Organ den eng lischen tendenziösen Meldungen entgegen, wornach der deutsche Dampfer „Wißmann" auf dem Nyassa-See die Araber im englischen Gebiet mit großen Quanti täten Schießbedarf versorgt habe. — Die vereinzelten Cholerasälle in Ostdeutsch land erscheinen zur Begründung ernsterer Besorgnisse um den öffentlichen Volksgesundheitszustand nicht an- gethan. Sie sind sammt und sonders aus Einschleppung über die russische Grenze zurückzuführen, da eben jetzt aus der Weichsel und den sonstigen preußisch-russischen Grenzflüssen ein sehr starker Holzverkehr herrscht und die Schiffer und Flößer bekanntlich aller Warnungen ungeachtet noch fortwährend durch Begehung gröblichster Diätsehler, namentlich durch den Genuß von unge kochtem, ungereinigtem Flußwasser, die Krankheit ge radezu herausfordern, so erscheint damit daS häufigere Vorkommen einzelner Krankheitsfälle genügend erklärt. Im Groben und Ganzen ist der deutsch« Oken auch jetzt noch völlig cholerafrei, da die konstattrten Fälle durch sofortige Anwendung der angezeigt erscheinenden Maßregeln ihres für wettere Kreise bedrohlichen Cha rakters entkleidet find und ein Choleraherd diesseits der russischen Grenze überhaupt zur Zeit nicht vor handen ist. Dauzig. Bezüglich der großen Festu,ngSübung bei Thorn hört die „Danz. Ztg.", daß eS sich in erster Linie um einen Kampf zwischen schweren Ge schützen, um eine Schlacht der Fußartillerie, handeln wird. ES werden aber auch auf dem Gebiete des FestungskriegeS allerhand interessante Versuche gemacht werden. So wird man Versuche machen, ob sich auf 1400 Meter ein Masseninfantcriefeuer gegen Kanone empfiehlt. Sodann werden mit, dem Luftballon spezi elle Versuche dahin vorgenommen werden, wie weit man bei klarem Wetter quS einer gewissen Höhe sehen und auf welche Entfernungen die Bewegungen einzelner Leute zu erkennen find; auch werden aus der Höhe von etwa 1000 Metern photographische Aufnahmen ausgeführt werden. Weiter wird der Feind vom Ballon aus elektrisch beleuchtet und bei Tag und Nacht Mel dungen telephonisch übermittelt werden und mittels kleiner elektrischer Ballons, die mit dem Erdboden in leitender Verbindung stehen, .wird man optisch tele- graphiren. Auch die Brieftaube wird bei dem Festungs kampf eine gewichtige Rolle spielen. Hervorragende Bedeutung wird auch der ersten Artilleriestellung bei gemessen werden. 15-Centimeter-Ring-, kurze 15 Centi- meter-, schwere 12-Centimeter-Kanonen, 31-Centimeter-, bei kürzeren Entfernungen auch 15 Centimeter-Mörser, wahrscheinlich auch 2l-Centimeter-Haubitzen sollen auf 3000—2000 Meter, ja, um die zweite Artilleriestellung zu sparen, auf 1500 —1000 Meter frontal, schräge und enfilirend, namentlich aber mit steilen Einfall winkeln und Echrapnels das Feuer der Forts, An schluß- und etwaigen Zwischenbatterien überwältigen. Bayern. Ein am Sonnabend über einige Ort schaften Oberbayerns niedergegangenes Unwetter hat enormen Schaden angerichtet. Eine Windhose zerstörte die Stadt Forstinning vollständig. Von 150 Wohn häusern wurden 80 dem Erdboden gleichgemacht. Selbst ältere Waldbestände wurden förmlich nieder gemäht. In Moos und Schwabenwegen sind eben falls viele Häuser demolirt. In Forstern wurde der Kirchthurm niedergeschmettert. Ueberall ist die Ernte vernichtet. Für die Hunderte von Obdachlosen werden Sammlungen und Unterstützungen unternommen. Frankreich. Die Franzosen haben, am vergange nen Sonnabend, als dem 14. Juli, das National fest der Republik gefeiert. ES war diesmal aber an gesichts des tragischen Heimganges des Präsidenten Carnot eine sehr stille Feier, nur in der Hauptstadt hat eine „ziemlich angeregte" Stimmung geherrscht, doch ist auch hier das Nalionalfest weniger glänzend verlaufen, als in früheren Jahren. Auch bei der dies jährigen Feier deS Nationalsestes in der französischen Hauptstadt fehlte nicht die bekannte Demonstration der elsässischen Vereine vor der Statue der Stadt Straß burg und dem Gambetta-Denkmal, doch scheinen sich die Demonstranten politischer Kundgebungen enthalten zu haben. Vor dem Gambetta-Denkmal kam es zu einem Zwischenfall, indem ein Mann auSrief: „Im Namen Gambettas Freiheit für uns, wie in Deutsch land!" Die Menge stürzte sich sofort auf den ver meintlichen „Prussien", der nur durch seine schleunigste Verhaftung dem Schicksal, mindestens furchtbar durch geprügelt zu werben, entging. Auf dem Polizei kommissariate erklärte der Verhaftete, Eugen Felden zu heißen, aus Straßburg zu stammen und gebürtiger Franzose zu sein. Weiter deponirte er, allzeit sei er ein Vertheidiger der Freiheit gewesen und diese Ge sinnung habe er im Augenblicke, wo man in Frank reich das Recht dr.r Presse und des Wortes bedrohe, an der Statue Gambettas bekunden wollen; im Uebrigen sei er ein guter französischer Patriot. Der Unvorstch- tiqe wurde schließlich wieder entlassen. — In Bastia auf Corsica ist ein Individuum, Namens Oreste Lucchesi, verhaslet worden, welches von Livorno kam und des Moides des italienischen Journalisten Bandt ver dächtig ist. — Beim französischen Dorfe Bruville unweit MarS- la-Tour, auf dem Schlachtfelde vom 16. August 1870, wurde am 15. Juli das neue Denkmal zu Ehren der dort gefallenen 850 französischen Offiziere und Sol daten durch den Bischof Turinay von Nancy eingewetht. Eine bedeutende Volksmenge aus weiterem Umkreise wohnte der Feier bei. Italien. Trotzdem man von Rom aus nicht müde wird, alle Meldungen über den gefährdeten Gesundheitszustand des Papstes sofort mit einer ge wissen Gereiztheit al» völlig unrichtig zu erklären, er halten sich diese Gerüchte mit großer Hartnäckigkeit. Nun erfährt auch der römische Correspondent der „Köln. Ztg." von einem im Vatican wohl bewanderten Geistlichen über den Gesundheitszustand des Papstes Folgend«« : Papst Leo XM. werde in Folg« seines hohen Alter» immer schwächer und schwächer. Die Beine versagten den Dienst, so daß man ihn bei der letzttägigen Üeberfiedelung in da» Casino de» vatica- nischen Garten» vom Sessel bi» zur Sänfte tragen mußte. ES sei möglich, daß er seine Kräfte wieder gewinne; indessen habe in den letzten Tagen der Um stand Grund zu lebhaftesten Besorgnissen gegeben, daß sein Magen nicht mehr arbeiten wolle. Die Nahrung des Papstes mußte auf drei Fleischbrühen täglich be schränkt werden. Spanien. In den spanischen Regierungskreisen herrschen erneut Besorgnisse wegen der Entwickelung der marokkanischen Dinge. Die Riffkabylen be finden sich zweifellos abermals in starker Erregung, als deren Grund der Umstand angeführt wird, daß die von Prinz Muley Lraaf, dem Statthalter im Ge biete der Riffkabylen, den Häuptlingen gemachte Zu sage, es sollten den spanischen Befestigungen in Melilla gegenüber einige Forts marokkanischerseitS aufgesührt werden, bis jetzt nicht erfüllt worden ist. Die Riff kabylen wollen daher die Sache selber in die Hand nehmen, und sollte eS wirklich dahin kommen, alsdann läge die Gefahr eines neuen Zusammenstoßes zwischen den Spaniern und den Kabylen aus der Hand. Zu gleich giebt sich in Madrid Mißtrauen gegen England kund, es heißt, von Gibraltar her finde ein starker Waffenschmuggel nach Marokko statt, ohne daß sich die englischen Behörden in Gibraltar veranlaßt fühlten, hiergegen einzuschreiten. Türkei. Trotzdem in Konstantinopel in den letzten 48 Stunden nur ein leichter Erdstoß stattfand, ist die Panik noch groß. Die Menge hat sich dauernd in Gärten und auf Plätzen eingerichtet, indem sie daselbst Hütten und Baracken errichtet hat. In allen Kirchen und Moscheen wird um Behütung vor weiteren Kata strophen gefleht. Das Unglück zeigt sich jetzt erst in seiner ganzen Größe. Die Zahl der Todten übersteigt weit 200, und Tausende von Häusern sind schwer be schädigt und drohen einzustürzen. Die meisten Opfer forderte der Einsturz des Bazars bei der ersten Er schütterung. Die nachfolgenden Erdstöße verboten bis jetzt zumeist ein Ausgraben der Todten. Amerika. Mit der Erklärung des Arbeiterführers Debs zu Gunsten der Beendigung deS Streiks der Eisenbahnbediensteten im Westen der Vereinigten Staaten ist auch die Ruhe daselbst fast überall wieder hergestellt worden. Nur in Kalifornien bleibt die Lage fortwährend noch eine ernste, die Streikenden weigern sich, die Arbeit wieder aufzunehmen. Hoffentlich wird sich aber die Bundesgewalt nunmehr auch in Kali fornien als so stark erweisen, daß sie weitere bedenk liche Ausschreitungen der Streikenden hintanzuhalten weiß. — Aus Mittelamerika wird ein englisch-nicaragua nischer Zwischenfall gemeldet, der aber noch der näheren Aufklärung bedarf. In Corn-Jsland an der zur Re publik Nicaragua gehörigen Mosquitoküste kam es zu einem ernsten Zusammenstöße zwischen ansässigen Eng ländern und nicaraguanischen Soldaten. Der Kampf endete mit der Flucht der Letzteren, worauf der Gou verneur entfloh, in Folge dessen die englischen An siedler die BureauS der Regierung und deren Abzeichen beschlagnahmten. Schließlich bewaffneten sich die Ein geborenen und holten den Gouverneur zurück, welcher den Belagerungszustand über Corn-Jsland verhängte. Offenbar bedürfen diese Vorgänge, welche einen Konflikt zwischen England und Nicaragua in Aussicht stellen, noch der weiteren Aufklärung. — Die in Peru vor einiger Zeit ausgebrochene Revolution macht Fortschritte, doch fehlt eS noch immer an näheren Nachrichten über den Verlauf der Ereignisse auf dem Revolutionsschauplatze. Ostafiev. In dem koreanischen Konflikt zwischen Japan und China haben England, Frankreich, Deutschland und Rußland gemeinsam die Vermittelung übernommen, wie eine der chinesischen Gesandtschaft in Berlin zugegangene Depesche aus Peking angeblich besagt. Ma» glaubt darum auf der chinesischen Ge sandtschaft in Berlin, daß das Zustandekommen einer Verständigung zwischen den beiden streitenden Theilen wahrscheinlich sei. Mit dieser zuversichtlichen An nahme will allerdings eine Petersburger Meldung vom 15. v. M. nicht recht übereinstimmen, denn in letzterer heißt eS, daß Japan vor Wiederherstellung der Ordnung in Korea auf «ine Einmischung daselbst nicht ver zichten wolle. Vermischtes. Wer Hiob war. Gn Schulinspektor wendete sich, so erzählt da» ,N. W. T.", in der Schule an den Lehrer mit der Frage, ob die Kinder auch fest in der Bibel seien. Aus die bejahende Antwort des Lehrers ruft der Schulinspektor einen der Jungen heraus und richtet an ihn die Frage: »Mein Kind, weiht Du, wer Hiob war?" Der Kleine ant wortete ohne Zögern: »Ein Postmeister!" Der durch die