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848 scheine der Kirchengemeinde Riesa mit Poppitz und Mergendorf im Betrage bis zu 300000 Mk. Es sollen, und zwar je nach Bedarf, 100 Stücke zu je 1000 Mk., 320 Stücke zu je 500 Mk. und 200 Stücke zu je 200 Mk. ausgegeben werden,, deren 3'/, Proz. Zinsen Ende Juni und Ende Dezember zahlbar werden. In 61 Jahren, im Mai 1895 beginnend, soll die Tilgung spätestens beendet sein. Mit der hiernach verwilligten Bausumme von 300000 Mk. hofft man eine genügend große und würdig auSgestattete Kirche erbauen zu können. Rochlitz. Für unsere Stadt steht die Anlage eines Fernsprechens in nicht zu ferner Zeit bevor. Einige hiesige Einwohner, die sich für das Zustandekommen desselben aus lokalpatriotischen Gründen besonders er wärmen, haben die Heranziehung einer genügenden Anzahl Firmen persönlich in die Hand genommen und rechnen mit großer Wahrscheinlichkeit bereits auf 15 Theilnehmer, eine Zahl, welche die Anlegung des Telephonnetzes Seitens der Post sicher stellt. Tagesgeschichte. Berlin. Gegenüber Meldungen in englischen Blättern von gemeinsamen deutsch - österreichischen Manöver» im Jahre 1894 wird von durchaus zuver lässiger Seite mitgetheilt, daß zwischen Kaiser Wilhelm und Erzherzog Albrecht Abmachungen getroffen worden find, wonach im nächsten Jahre ein großes deutsches Manöver nach dem Muster der ungarischen stattstnden soll, damit dem Kaiser Franz Joseph Gelegenheit ge- geben werde, eine Probe von der Organisation und Schlagfertigkeit des deutschen Heeres zu sehen. — Knapp zwei Wochen sind es demnach nur noch bis zum Wiederbeginn der parlamentarischen Thätig- keit im Reiche und angesichts dieser so kurzen Zwischen zeit erscheint es ganz erklärlich, wenn jetzt in den verschiedenen Reichsämtern die Borbereitungen für die anhebende Reichstagssession mit verdoppeltem Eifer betrieben werden. Es verlautet bestimmt, daß der Reichstag bei seinem Zusammentritte die neuen Steuer vorlagen, den neuen Etat, die Handelsverträge mit Spanien, Rumänien und Serbien und vermuthlich auch die Novelle zum Viehseuchengesetz vorfinden werde, wobei natürlich Voraussetzung ist, daß die genannten gesetzgeberischen Materien vorher im Bundesrathe zur Erledigung gelangen. An Arbeitsstoff würde es dem nach der deutschen Volksvertretung zunächst nicht fehlen, aber auch im weiteren Fortgänge der Session wird sicherlich überreichlich Berathungsmaterial vorhanden sein, wenn anders die umlaufenden Zeitungsangaben über die sonst noch für den Reichstag bestimmten Vor lagen nur Halbwegs zutreffend sind. — Bei der in Aussicht genommenen Verdoppelung der Börsenumsatz steuer soll, wie die „Post" erfährt, eine gewisse Erleichterung für die Report-, sowie für die Vermiitelungsgeschäfte der Provinzialbankiecs Platz greifen. Die Quittungssteuer soll 10 Pfennige be tragen und von Quittungen über 20 Mark, und möglicherweise auch von Checks und Giroanweisungen erhoben werden. — Die erste Session der 4. Legislaturperiode des Reichstages hatte am 4.Juli d.J. begonnen und war am 15. Juli d. I. zu Ende gegangen.! Dieselbe zeigte am Schluffe folgende Parteistärke: 68 Deutsch-Konser vative, 27 deutsche Reichspartei, 10 deutsche Reform partei, 99 Centrum, 19 Polen, 52 Nationalliberale, 13 freisinnige Vereinigung, 22 freisinnige Volkspartei, 11 süddeutsche Volkspartei, 43 Sozialdemokraten, 28 bei keiner Fraktion. Im Ganzen waren 392 Mandate besetzt, 5 erledigt und zwar 5. Köslin (Doppelwahl Ahlwardts), I. Hamburg (Doppelwahl Bebels), 8. Hessen (Doppelwahl Trägers), l. Cassel (Doppelwahl Werners), und 3. Hessen (Doppelwahl Zimmermanns). In der Zwischenzeit werden diese Mandate besetzt durch ör. Förster (deutsche Reformpartei), Molkenbuhr (Sozialdemokrat), R. Schmidt (freisinnige Volkspartei), vr. König-Witten (Deulschsozial, bei keiner Fraktion) und Bindewald (deutsche Reformpartei). Die deutsche Reformpartei hatte einen Gewinn zu verzeichnen, die freisinnige Volkspartei und Sozialdemokraten erhielten je einen Zuwachs, die Wilden auch. In der Zwischen zeit wurde ein Mandat durch den Tod des keiner Fraktion angehörenden Freiherrn von Hornstein (2. Baden) erledigt. In die neue Session werden bei 396 besetzten Mandaten die Parteien in folgender Stärke eintreten: 68 Deutsch-Konservative (gegen 68 in voriger Tagung), 27 deutsche Reichsparlei (gegen 27 in voriger Tagung), 11 deutsche Reformpartei (gegen 10 in voriger Tagung), 99 Centrum (gegen 99 in voriger Tagung), 19 Polen (gegen 19 in voriger Tagung), 32 Nationalliberale (gegen 32 in voriger Tagung), 13 freisinnige Vereinigung (gegen 13 in voriger Tagung), 23 freisinnige Volkspartei (gegen 22 in voriger Tagung), 11 süddeutsche Volks partei (gegen 11 in voriger Tagung), 44 Sozialdemo kraten (gegen 43 in voriger Tagung), 27 (darunter die Deutschsozialen) bei keiner Fraktion (gegen 28 in voriger Tagung, darunter die Deutschsozialen). — ES wird, wie die „Nordd. Allg. Ztg." hört, beabsichtigt, im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Reichsstempelwesens auch einen Stempel von 10 Pfennigen auf Frachtbriefe einzuführen. Da der 50- Pfennig - Postpacketverkehr frei bleibt, sollen auch die Eiseudahnfrachtpapiere so weit freigelaffen werden, daß keine Prägravirung der Eisenbahnfracht gegenüber dem Postverkehr eintritt. Einer gleichen Behandlung wie die Eisenbahnfrachtpapiere sollen auch die deS Schiff- fahrtSverkehrs unterliegen. — Es ist namentlich von sozialdemokratischer Seite bemängelt worden, daß die Vorarbeiten für die Durch führung der Sonntagsruhe bei der Industrie und dem Handwerk viel zu lange Zeit in Anspruch nehme. Indessen wird jeder, der diese Frage ohne Parteibrille betrachtet, zu der Ucberzeugung gelangen müssen, daß die Gründlichkeit dieser Vorbereitungen keineswegs zu tadeln, sondern im Gegentheil höchst lobenswerth ist. Wenn darauf hingewiesen wird, daß der Bundesrath mit den Ausführungsbestimmungen für das Handels gewerbe weit schneller bei der Hand gewesen sei, so ist dieser Hinweis an sich allerdings zutreffend. Aber ge rade die lebhaften und zum erheblichen Theil gerecht fertigten Klagen, welche die praktische Durchführung der Bestimmungen über die Sonntagsruhe im Handels gewerbe fast überall hervorgerufen hat, müssen den Bundesrath veranlassen nunmehr doppelt vorsichtig und sorgfältig vorzugehen. Stehen doch bei der Industrie besonders Interessen auf dem Spiel, die nicht bloß die deutsche Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt berühren, sondern darüber hinaus auch durch eine etwaige Beschränkung der Arbeitsgelegenheit diejenigen Klaffen treffen würden, als deren Vertreter sich gerade die sozialdemokratischen Agitatoren be trachten. Nur wer diesen Vorschub leisten will, kann es den verbündeten Regierungen zum Vorwurf machen, daß sie vorher eingehende Untersuchungen über die wirklichen Bedürfnisse der betreffenden Gewerbszweige anstellen lassen, ehe sie sich zur praktischen Durch führung der Bestimmungen der Sonntagsruhe für Industrie und Handwerk entschließen mag. — Bei der Landtagswahl im Kreise Hagen-Schwelm wurden 285 nationalliberale und 281 freisinnige Wahlmänner gewählt. — Eugen Richter ist also in seinem alten Wahlkreise unterlegen. Straßburg i. E. Der deutsche Förster Neyß aus Plaine bei Schirmeck traf am-1. November fünf fran zösische Wilderer auf deutschem Gebiet, 200 Meter von der Grenze entfernt. Die Wilderer schossen zuerst. Der Förster blieb unverletzt und tödtete zwei Wilderer. Der Staatsanwalt und das Gericht waren sofort am Thatorte. Es wurde festgestellt, daß der Förster Neyß bei der Tödtung zweier französischer Wilddiebe im Falle der Nothwehr handelte. Oesterreich-Ungarn. Der politische Wirrwarr in Oesterreich beginnt sich allmählich zu klären, Freiherr v. Chlumetzky, der deutsch-liberale Präsident des Ab geordnetenhauses, soll vom Kaiser mit der Neubildung des Kabinets beauftragt worden sein, der Rücktritt des Taaffe'schen Versöhnungsministeriums wäre demnach als eine vollendete Thatsache zu betrachten. Nach Lage der Verhältnisse würde ein Koalitionsministerium aus den Reihen der Deutsch-Liberalen, des Hohenwart- Klubs uud der Polen in die Erscheinung zu treten haben, da ja Graf Taaffe durch die sich gegen ihn wendende Annäherung dieser drei großen Parteien zum Rücktritt veranlaßt worden ist. In den Besprechungen zwischen ihren Obmännern sollen bereits die Grund züge des Arbeitsprogrammes für eine etwaige Koali tionsmehrheit der drei Klubs festgestellt worden sein; danach hätten sich dieselben zur gemeinsamen wirth- schaftlichen Thätigkeit unter Zurückstellung nationaler und sonstiger Sonderansprüche zu vereinigen. Der Ausnahmezustand in Prag und die Landwehr-Vorlage sollen genehmigt werden, desgleichen das Budget, ferner ist die Fortführung der Steuerreform und weiter die Ersetzung der Taaffe'schen Wahlreform durch eine Vor lage beabsichtigt, die sich auf die Erweiterung des Wahlrechtes unter Beibehaltung des Grundsatzes der Interessenvertretung bezieht. Frankreich. Die französischen Kammern sind auf den 14. November einberufen worden. Es dürste sich bald zeigen, ob die so glänzend verlaufene fran zösisch-russische Verbrüderungsfeier das Ihrige zur Be festigung der parlamentarischen Stellung des Kabinets Dupuy beigetragen hat, oder ob der Eindruck dieses Ereignisses nicht so weit reicht. In Hinblick auf die bevorstehende Parlamentseröffnung hat Herr Dupuy seine Ministerkollegen ersucht, ihre Gesetzentwürfe, die sie einbringen wollen, dem Ministerrathe detaillirt vorzu legen und sich über deren Tendenz auszusprechen, da mit konstatirt werden könne, ob im Kabinet eine Ein heitlichkeit der politischen Anschauungen vorhanden sei. Es scheint demnach, als ob Dupuy der Harmonie in seinem Ministerium nicht recht traue. — Die Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitern in Frankreich sind zwar während der Dauer deS Ruffenrummels einigermaßen in den Hinter grund gedrängt worden, treten aber jetzt wieder mit Schärfe in Erscheinung. Der Streik in den Kohlen gruben des PaS de Calais hat bis jetzt alle« Be mühungen, ihn friedlich beizulegen, getrotzt. Seine Fortsetzung wurde dieser Tage von einer Arbeiter- Delegation beschlossen, welcher nur sieben Mitglieder angehörten, die mit Fug und Recht als Arbeiter be zeichnet werden dürfen. Alle übrigen, 39 an der Zahl, sind Kneipwirthe. ES zeigt diese Thatsache, daß auch in Frankreich, ähnlich wie bei uns die sog. Arbeiter bewegung in Wahrheit von Leuten gemacht wird, deren Interessen mit denen der Arbeiter nicht nur keine Gemeinschaft haben, sondern ihnen in der Regel entgegengesetzt sind. Der Weizen gewisser Kneipwirthe blüht, wenn die Leute, statt ihrer Arbeit nachzugehen, in den Branntweinschänken herumlungern und sich daselbst toll und voll trinken. Es ist denn auch kein Wunder, wenn die Grubengesellschasten es rundweg abgelehnt haben, mit den Kneipwirthen über ihre Ar beiterangelegenheiten zu verhandeln. So lange freilich die Arbeiter fortfahren, mit Vorliebe den Bock zum Gärtner zu machen, werden sie kaum auf einen grünen Zweig kommen, in Frankreich so wenig als ander wärts. Rußland. Zur Vorgeschichte des Besuchs der russischen Flotte in Toulon wird noch nachträglich ein inereffantes Detail gemeldet, welches darthun würde, mit welch ängstlicher Vorsorge der Czar bemüht war, allen verfänglichen Kundgebungen vorzubeugen. Als dem Kaiser die Liste der höheren Marineoffiziere vor gelegt wurde, aus welcher der Befehlshaber für die Besuchsflotte auserfehen werden sollte, fragte der Czar, ob die auf der Liste verzeichneten Seeleute alle ge läufig französisch sprächen. Auf die bejahende Antwort hin begehrte der Czar eine andere Namensliste, und zwar von solchen Schiffskommandanten, welche dieser Sprache nur in unzulänglichem Maße mächtig sind. „Denn" — so soll sich der Czar geäußert haben — „Gott weiß, was Einer, der geläufig französisch spricht, dort im Festtaumel alles sprechen könnte, was mir nicht paßt, drum will ich einen Kommandanten, der sich nur schwer französisch auszudrücken versteht." (Wenn nicht wahr, so doch gut erfunden.) England. Den „Times" wird aus Rio de Janeiro vom 27. Oktober gemeldet, daß die Aufstän dischen täglich Nietheroy, Santa Cruz und Sao Jvao bombardiren. Nietheroy soll stark gelitten haben. Die provisorische Negierung, welche festen Fuß gefaßt hat, organisirt eine Armee und hat 8 Geschütze sowie 1500 Gewehre aus Montevideo durch den Dampfer „Re- publica" erhalten. Die Zahl der Mannschaften des Admirals Mello auf den Schiffen beträgt 1500 gegen über 5000 Mann regulärer Truppen unter dem Be fehl Peixotos in Rio de Janeiro und 1500 Mann in Nietheroy. — 40 Personen des Dampfers „Urano" wurden durch das Feuer der Batterien getödtet, als derselbe Rio de Janeiro am 15. Oktober verließ. — Der Dampfer „Republica" rannte mit seinem Sporn ein Transportschiff, welches 1100 Mann von Rio de Janeiro nach Santo bringen sollte, an: gegen 500 Personen haben hierbei den Tod in den Wellen ge funden. Italien. Für das Ministerium Giolitti ziehen wieder kritische Tage herauf. Das italienische Par lament ist für den 23. d. M. einberufen worden und will Ministerpräsident Giolitti sofort bei Eröffnung der Deputirtenkammer ein Vertrauensvotum für die Re gierung beantragen. Serbien. Der frühere Justizminister Velimiro- witsch wurde am 1. November in Belgrad entsetzlich verstümmelt in seinem Bette todt aufgesunden. Der Kopf war vom Rumpfe getrennt, die Brust zeigte gegen 80 Wunden; die im Schlafzimmer befindliche Kaffe war erbrochen und ihres gesammlen Inhalts be raubt. Von den Thätern hat man bis jetzt keine Spur. Spanien. Die Spanier haben sich in Melilla gegen die Uebermacht der Kabylen etwas Lust gemacht. General Ortega vertrieb am Montag die Kabylen aus ihren starken Verschanzungen in der Nähe der Festung und führte zugleich den detachirlen Forts Ersatz und Lebensmittel zu. Dennoch scheint die Lage der Spanier noch eine ziemlich kritische zu sein, denn die Absendung neuer Truppenverstärkungen von Spanien nach Me lilla wird mit möglichster Beschleunigung betrieben. Es geht das Gerücht von der Demission des Kriegs ministers Lopez Dominguez infolge der Schlappe, welche die spanischen Expeditionstruppen zunächst seitens der Kabylen erlitten hatten. Ä^rcrlka. Ohne Sang und Klang ist die Welt ausstellung in Chicago in der Nacht zum 30. Ok tober geschlossen worden. Auf den Ausgang des groß artigen Unternehmens ist noch ein Schatten durch den