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zur Folge gehabt zu haben, eS wurde ein doppelter Echädelbruch festgestellt. Leipzig. Lehrer Schindler, der von den sozial demokratischen Abgeordneten im sächsischen Landtage als ein wahrer Prügelpädagog hingestellt wurde, hat sich die Unzufriedenheit der Sozialdemokraten dadurch zugezogen, daß er da- Söhnchen eines Parteigenossen, das vom Fenster seiner Wohnung aus Fratzen nach dem Echulzimmer gezogen und dadurch den Unterricht gestört hatte, mit 5 bis 6 Stockschlägen und einigen Ohrfeigen bestraft hatte. Die Züchtigung war hart, weshalb auch der Lehrer vom Schöffengericht zu 10 Mark Strafe verurtheilt wurde. Das Urtheil wurde sowohl vom Land-, wie vom Oberlandesgerichte be stätigt. Ueber die Gerichtsverhandlung gegen Schindler hatte der „Wähler", die hier erscheinende sozialdemo kratische Zeitung, einen Bericht gebracht, der nicht nur falsch war, sondern auch starke Beleidigung gegen Schindler enthielt. Diesen Bericht hatte der sozial demokratische Restaurateur Stollberg in 6000 Exem plaren als Flugblatt verbreitet. Schindler hatte den Redakteur Wittich, wie auch Stollberg wegen Belei digung verklagt, und Wittich wurde deswegen zu 100 Mark Geldstrafe, Stollberg zu 3 Wochen Gefängniß verurtheilt. — Ein am 4. April, früh '/,1 Uhr, im alten Amtshofe, in der Hinteren Moritzstraße, zum Ausbruch gekommenes Schadenfeuer, das sich mit rasender Schnelligkeit in der dort befindlichen umfangreichen Lumpenniederlage verbreitete, sodaß ein Markthelfer, der in einer Dachkammer schlief, um das Leben kam und viele andere nur mit Mühe und Roth ihr Leben retteten, ist das umfangreichste Feuer, das hier seit langer Zeit stattgefunden hat. Die Feuerwehr arbeitete mit allen disponiblen Spritzen, um dem verheerenden Brande Einhalt zu thun; aber immer und immer wieder loderte es von Neuem auf. Seine größte Aus dehnung erreichte der Feuerheerd um 2 Uhr Nachts, zu welcher Zeit sämmttiche der kleineren Häuser, die sich an den Durchgang nach der Moritzstraße anschließen, in Brand standen und ein Feuermeer zu bilden schienen. Ein Glück, daß während der Nacht ziemliche Wind stille herrschte, sonst wäre unabsehbarer Schaden durch das Feuer entstanden. Bei der Enge jenes TheileS d^r Moritzstraße hatten die Flammen schon den Dach stuhl der gegenüber gelegenen Häuser ergriffen und die Bewohner waren gezwungen, nur leicht bekleidet die Häuser zu verlassen. Erst früh um 6 Uhr konnten die Insassen wieder in ihre Logis zurückkehren. Gera. In der Nacht vom Sonnabend zum Sonn tag hat in dem auf der preußischen Grenze gelegenen Dorfe Kayna ein Raubmord stattgefunden. Bei der Wittwe Höfer, welche ein Hökergeschäft betreibt, war eingebrochen worden, und am Morgen fand man nicht nur diese todt, sondern auch deren Magd mit lebensgefährlichen Verwundungen vor. Gestohlen worden waren Schinken, Würste, Speck, sechs Brode und Klein geld, während ein Sparkaffenbuch, sowie merkwürdiger Weise ein noch vorhandener Betrag in größerer Münze unberührt liegen geblieben sind. Als Thäterin ist eine sich keines guten Leumundes erfreuende Frau verdächtig geworden, welche vordem in dem Hause der Ermordeten gewohnt hat und deren Sohn sich zur Zeit bei ihr auf Urlaub befand. Die gestohlenen Gegen stände wurden bei der Verdächtigen vorgefunden, trotz dem leugnet sie ihre Schuld. (Fortsetzung des Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Der Nachricht, daß zwischen dem deut schen Kaiser und dem Kaiser von Rußland in dem Depeschenwechsel nach Abschluß des Handelsvertrages eine Zusammenkunft für eine spätere Zeit vereinbart worden sei, ist ein bestimmtes Dementi entgegengesetzt worden. Jetzt kommt eine Meldung aus Kopenhagen, nach der eine Begegnung der beiden Monarchen nicht ausgeschloffen wäre. Wie nämlich die „Franks. Ztg." in Bestätigung früherer Bermuthungen erfährt, hat der König von Dänemark den Karser Wilhelm und den Zaren zur silbernen Hochzeit des Kronprinzen nach der dänischen Hauptstadt eingeladen. Die Feier fällt auf den 28. Juli d. I. — Der neueste polnische Spracherlaß des preußischen CultusministerS ist, wie im Eingang der Verfügung mitgetheilt wird, durch eine allerhöchste Kabinetsordre vom 26. Februar veranlaßt worden. Gleichzeitig mit dem neuesten Zugeständniß an die Polen kommt der „T. R." au» Posen die Meldung zu, daß, als vor Kurzem die „Hlstortsche Gesellschaft" der Provinz Posen beabsichtigte, die hundertjährige Wiederkehr des Tages der Einverleibung PosenS in den preußischen Staat durch eine Festversammlung zu feiern, ihr von oben bedeutet worden sei, hiervon Ab- stand zu nehmen, um die Gefühle der Polen nicht zu verletzen! — Mit besonderer Hartnäckigkeit erhält sich in gut unterrichteten Kreisen die Meinung, daß die Wieder herstellung der am 10. November 1887 aufgehobenen veleihungsfähigkeit russischer Staatspapiere chei der deutschen Reichsbank und der preußischen Eeehandlung im Grundsatz längst beschlossen sei und daß nur auf den geeigneten Zeitpunkt zur Ausführung dieses Be schlusses gewartet werde. Das telegraphisch verbreitete offiziöse Dementi sprach ausdrücklich von einer bereits erfolgten Erlaubniß zur Beleihung russischer Papier« durch die Reichsbank; eS leugnete dagegen nicht, daß eine solche Erlaubniß demnächst erfolgen werde. Es ist demgegenüber nur zu wiederholen, daß zwar die Aushebung des erwähnten BeleihungSverbotS nicht amtlich und förmlich zum Gegenstände von Verhand lungen zwischen der russischen und deutschen Regierung gemacht worden ist, daß aber während der deutsch russischen Handelsvertrags-Unterhandlungen die dem- nächstige Aufhebung jenes Verbots diesseits in be stimmte Aussicht gestellt wurde. — Die Sachsengängerei hat in diesem Jahre früher als sonst ihren Anfang genommen. Die schle sischen Bahnen sind schon jetzt von jenen meist pol nischen Arbeitern stark besetzt, die wegen geringem Arbeitsverdienst ihre Heimath verlassen und den Süden und Westen Deutschlands aufsuchen, wo ihnen besserer Lohn für die landwirthschaftlichen Arbeiten gezahlt wird. Frankfurt a. M. Bei dem Brande des Britannia- Hotels (s. neueste Nachrichten in voriger Nummer) sind 4 Personen sofort ihren Verletzungen erlegen; 2 Personen, die verbrannt sind, wurden erst nach träglich aufgefunden. Fünf Personen sind verwundet, davon zwei schwer. Württemberg. Am 4. April, Nachmittags 5»/» Uhr, fand in Stuttgart anläßlich der Hochzeitsseier- lichkeiten Galatafel zu 123 Gedecken statt. An der selben nahmen die anwesenden Fürstlichkeiten (außer der Königin), die Minister, das diplomatische Korps, die Generalität, das Gefolge der fremden Fürstlichkeiten und die obersten Hofchargen theil. Der König feierte das Brautpaar, das die Liebe zusammengeführt habe und flehte Gottes Segen auf dasselbe herab. Sodann dankte er den Gästen für ihr Erscheinen bei dem frohen Feste und sprach die Hoffnung aus, daß alle eine an genehme Erinnerung dauernd bewahren werden. Mit einem Hoch auf das Brautpaar schloß der König seine Rede. Prinz Georg von Sachsen dankte dem König für die Gastfreundschaft und betonte, daß der Ehebund seit 100 Jahren zum ersten Male wieder die Häuser Württemberg und Wettin innig verbinde und brachte ein Hoch auf das Königspaar aus. Um 7'/, Uhr nahm die Festvorstellung im Hoftheater ihren Anfang. Aufgeführt wurde Verdis Oper „Falstaff". Das Haus war ausverkauft. Glänzende Uniformen und Damen roben, blendender Brillantschmuck überall. Inmitten der Kronloge hatte das Brautpaar Platz genommen. Rechts von demselben saß der König und die Prinzessin Friedrich August von Sachsen, links die Prinzessin Mathilde von Sachsen und Erzherzog Ludwig Viktor, in der rechten Fremdenloge die Königstochter Pauline und Herzogin Philipp mit Prinzessin Olga von Weimar, Prinzessin Elsa und Erzherzog Albrecht, Prinzessin von Weimar Mutter. In der linken Fremdenloge hatten Platz genommen: Prinz Georg von Sachsen und Her zogin Albrecht mit Herzogin Wera, Prinzessin Olga und Prinz Friedrich August von Sachsen. Nach dem zweiten Akte war große Pause, in welcher Erfrischungen eingenommen wurden. Die Traufeier am 5. April verlief auf das Glänzendste. Der Bischof erschien in großem Ornat mit Stab und Insul und seinen Assi stenten in prächtigen Visitengewändern; nach dem Ein tritt der Fürstlichkeiten, wobei der König die Prinzessin Mathilde von Sachsen führte, kniete das Brautpaar auf den Betschemel vor dem Altar nieder, hinter ihnen stand der württembergische Dienstadjutant de» Bräu tigams. Der Bischof führte in seiner Rede aus: „Die Ehe sei die wichtigste Verbindung der Menschen, sie begründe die Familie, und dies sei dem Staate, was die Wurzel dem Baume sei; wie die Familien, so blühe auch der Staat. Die Zerrüttung der Familie bedeute auch die Zerrüttung der gesellschaftlichen Ordnung. Der Bischof ermahnte die Braut, ihr Hau» zu einem Hause der Liebe und der Barmherzigkeit zu machen, wo Niemand ungetröstet weggehen dürfe: Das Brautpaar solle JosuaS Wahlspruch eingedenk sein: Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen, dafür segne und beglücke Gott das Ehepaar in Zeit und Ewigkeit. Der Bischof fragte zuerst den Bräutigam und dann die Braut, ob sie vor Gott und Menschen ungezwungen den Ehebund eingehen wollten, Beide antworteten mit einem lauten „Ja". Hiermit erfolgte der Ringwechsel, de: Bischof legte die Stola um die verschlungenen Hände deS Paares und sprach: Ich verbinde Euch im Namen Gottes. AlSvann trat der württembergische Dienst ab und der sächsische Dienst vor; der Bischof stieg vom Altar herab und stimmte da» ro ävum an. E« folgte eia achtstimmtger Demo Ehor. Hierauf sang der Bischof 8io nomou Domini rc. Der Ehor respoudirte. Unter Borantritt zweier Kammerherren ging sodann da» Brautpaar mit dem Dienst ab, es folgte der König, die Königin von Sachsen, Prinz Ludwig Victor, die Mutter des Königs, der Erzherzog Albrecht, die Prinzessin Friedrich August, der Prinz Georg von Sachsen, die Prinzessin Mathilde, Prinz Friedrich August von Sachsen Und die übrigen Herrschaften. Dann fand die Destlircour statt und hierauf war bei dem Herzog Albrecht für die aus-. wärtigen Fürstlichkeiten ein Familienfrühstück servirt, zugleich im WilhelmSpalast für die anderen Fürstlich keiten und im Restdenzschloffe für die Suiten. — Nachmittags 4 Uhr begab sich da» junge Paar mittelst Extrazug nach Konstanz und trat seine Hochzeitsreise in die Schweiz an, während die meisten Gäste Stuttgart noch im Laufe des Tages verließen. Oesterreich, Dr. Schmeykal, der Führer der Deutschen in Böhmen, ist am S. April gestorben. Oesterreich-Ungarn. Die KosziuSkofeier der österreichischen Polen zur Verherrlichung des Gedenkens des hervorragendsten Führers der großen Erhebung der Polen im Jahre 1794 hat in der alten polnischen KrönungS- und Königsstadt Krakau zu sehr bedenk lichen Kundgebungen Seitens ultra-nationaler pol itischer Element« geführt. In den letzten Tagen ist eS in Krakau anläßlich der erwähnten Polenfeier zu ernsten Ruhestörungen gekommen, welche zuletzt das Einschreiten des Militärs erforderten; dasselbe mußte sogar bataillonsweise gegen die Excedenten vorgehen. Die vorgenommenen Verhaftungen sollen sich auf annähernd 100 belaufen; bei vielen der Verhafteten fand man fremdes Geld vor, welches sie von un bekannten Leuten erhalten haben wollten. Die ganzen Krawalle sind offenbar planmäßig in Scene gesetzt worden, was auf einen förmlichen Putschversuch von polnischer Seite hindeutet; gerade die österreichischen Polen, welche sich ja mit ihrer Selbstverwaltung in Galizien ganz ausgezeichnet unter den übrigen Volks stämmen Oesterreichs stehen, hätten aber am wenigsten Anlaß zu politischen Demonstrationen' und Exzessen. — Die Lage in Ungarn weist eine plötzliche Besserung auf, da sich die Söhne Kossuths offen als Anhänger des Ministeriums Wekerle erklärt haben. Belgien. Das neue belgische Kabinet de Burlet stellte sich am Dienstag den Kammern vor. Aus der ziemlich matten Erklärung, welche Minister präsident de Burlet verlas, ist nur die Mittheilung erwähnenswerth, wonach die neue Regierung die Vor lage über die proportionale Vertretung zurückzieht, welcher von der Mehrheit der Deputirkenkammer ge- mißbilligte Entwurf die Demission des KabinetS Beernaert nach sich gezogen hatte. Frankreich. Die Verstärkung der Jäger-Ba- tailone um je 2 Kompagnien ist jetzt nahezu durch geführt. Von den 30 Bataillonen bleiben nur noch 4 auf vier Kompagnien, darunter ein einziges der Ost grenze, woselbst nunmehr IS Bataillone stehen (ein gerechnet das 20., welches am 10. April aus Ver sailles nach Baccarat abrückt). Vor Ende des Jahres werden ganze 90 Jägerkompagnien an der Ostgrenze dislociert sein, während deutscherseits nur 16 solche Kompagnien im Elsaß zur Hand sind. Außerdem ist bei den französischen Jägerbataillonen der im vor jährigen Cadresgesetz vorgesehene erhöhte Osfiziersetat nahezu vollständig durchgeführt; die Vermehrung be steht in 1 Hauptmann und 1 Lieutenant. Man spricht davon, daß Regimentsverbände für je zwei Jäger bataillone errichtet werden sollen. — Im Restaurant Foyot in der Rue Vaugirard in Paris, gegenüber dem Senatspalast, explodirte am 4. April Abends eine Bombe, welche daselbst bei einem Fenster niedergelegt worden war. Die Deto nation war eine ungeheure; alle Fensterscheiben zer sprangen. Zahlreiche Personen wurden verwundet. Die Eprengmaschine bestand au» einer mit Dynamit und großen Nägeln gefüllten Konservenbüchse. Der im Innern des Restaurants ungerichtete Schaden ist beträchtlich. Drei Verwundete wurden ins Kranken haus gebracht. ES war der Schriftsteller Lausant A. Taillade, ein 26 jähriges Fräulein und der 19 jährig» Kellner Thomazo des Restaurants Foyot. Taillade ist am rechten Auge verwundet; das Augenlid ist wegge- riffen, die ganze Haut über dem Auge verbrannt. Am ganzen Leibe ist Taillade durch GlaSsplitter verletzt; die Verwundungen find jedoch nicht lebensgefährlich. Während Taillade verbunden wurde, protestirte er un aufhörlich gegen die anarchistischen Theorien, die mau ihm vorwarf. Als ein Assistenzarzt Taillade an dessen Zeitungsartikel und daran erinnerte, daß Taillade am Tage nach dem Bombenattentate in der Deputirten- kammer erklärt hatte: „Was liegt an den Opfern, wenn nur die Thar schön ist", schwieg Taillade und verlangte dann Ehloral zur Linderung seiner Schmerzen. Der Urheber de§ Attentates soll etu etwa 30 jähriger Mann in Arbeiterkleidung sein, der nach der Angabe eine» löjährigen jungen Manne» die Bombe in deu