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Beilage zu Nr. 97 Die zollpolitische Entscheidung in Nordamerika. Die schweren Tarifwirren im Parlamente der nord amerikanischen Union haben mit den bekannten jüng sten Beschlüssen des Repräsentantenhauses und des Senates endlich ihre Beilegung dadurch erfahren, daß die neue Wilsonbill vom Repräsentantenhause nach der dem Entwürfe vom Senate 'gegebenen Fassung angenommen worden ist. Nur in Sachen der vom Repräsentantenhause genehmigten Anträge zur Tarif bill, betreffend die Zollfreiheit für Stacheldraht, Kohle», Zucker und Eisenerz, ist noch keine Entscheidung getroffen worden, denn der Senat hat sich nach Genehmigung der erwähnten Anträge in erster Lesung zunächst ver tagt, sodaß also dieser Punkt in der amerikanischen Tarifreform noch in der Schwebe bleibt. Dagegen kann der eigentliche Tarif selbst als definitiv erledigt gelten, noch im Laufe des 15. August ist er dem Präsidenten Cleveland zur Unterschrift vorgelegt worden, an deren Vollziehung wohl nicht gezweifelt werden darf, es bliebe demnach nur noch der Tag des Inkraft tretens der Wilson-Bill zu bestimmen übrig. Im Vergleiche mit den entsprechenden Sätzen der zur Zeit geltenden Mac Kinley-Bill weist das künftige amerika nische Zollgesetz folgende hauptsächlichsten Ermäßigungen — sti Prozenten ausgedrückt — auf. Es sind herab gesetzt: Gemaltes Porzellan von 60 auf 35, blankes Porzellan von 55 aus 30, GlaSwaaren von 60 auf 35, Pig-Eisen von 26 bis 4t auf 15 bis 21, Eisenerz von 33 auf 23, altes Eisen von 48 auf 28, alter Stahl von. 43 auf 26, Stangeneisen von 25 bis 33 auf 16 bis 32, Stahlschienen von 58 auf 34, Stangen gerollten Eisens von 62 auf 45, Kessel- oder andere Eisen- oder Stahlplatten von 54 aus 25, Eisen- oder Stahlblech von 25 bis 70 auf 20 bis 55, Zinnplatten von 78 auf 42, Zinnwaaren von 55 aus 35, Stahl- ingots von 29 bis 50 auf 20 bis 40, Nägel von 23 bis 45 aus 26 bis 30, Schrauben von 47 bis 111 auf 33 bis 67, Bleiblech von 37 auf 15, Nickel von 23 auf 14, Metallwaaren von 45 auf 35, Cotton stoffe nicht über hundert Faden und ungebleicht von "17/,,«, auf "s/igo, do. g.bleicht von 38 auf 26, do. gefärbt u. s. w. von 41 auf 30, do. über hundert Faden und ungebleicht von 42 auf 32, do. gebleicht von 43 auf 38, do. gefärbt u. s. w. von 44 aus 38, Wollgarne von 278 auf 30, Wollshawls im Werthe von nicht über 40 Cts. per Pfund von 136 aus 35. Die Herabsetzungen des ursprünglichen Entwurfes der Wilson-Bill, wie sie vom Repräsentantenhause be schlossen worden waren, überragten allerdings die jetzt definitiv genehmigten Sätze noch um ein Erhebliches, aber die Schutzzöllner des Senats waren für jene Er mäßigungen nicht zu gewinnen. Wollte darum die demokratische Mehrheit des Repräsentantenhauses den neuen Tarisentwurs nicht scheitern lassen, so mußte sie wohl oder übel den geringeren Zollermäßigungen Seitens des Senats zustimmen. Immerhin bedeutet die Wilson-Bill in ihrer nun festgegoflenen abge schwächten Form noch eine nicht zu unterschätzende Milderung der Mac Kinley-Bill mit ihren ganz außer ordentlichen Sätzen, so daß die jetzt vom Parlamente vorgenommene Tarifreform doch eine Umkehr zu ver nünftigeren Anschauungen in der amerikanischen Zoll gesetzgebung bedeutet. Trotzdem werden jedoch die europäischen und namentlich unsere deutschen Export industriellen gut thun, keine allzugroßen Hoffnungen auf die Wilson-Bill zu setzen. Denn wenn sie auch einerseits eine Anzahl mehr oder weniger erheblicher Zollermäßigungen für Artikel bringt, an deren Ein fuhr nach der Union Deutschland hervorragend be- thetligt ist, so hat sie doch anderseits für viele andere Artikel die bisherigen hohen Eingangszölle beibehalten oder sie wenigstens nur ganz unerheblich erniedrigt, und diese Seite der neuen amerikanischen Tarisbill scheint man im Auslande noch nicht genügend zu be achten. Sächsische». — Daß das allgemeine gleiche Wahlrecht es ist, welches in Deutschland Zustände herbeigesührt hat, die kaum noch erträglich erscheinen, darüber ist sich nachgerade jeder Denkende klar. Gleiches Recht bedingt gleiche Pflicht. Da aber die Menschen alle, gleiche Wichten zu übernehmen, sei eS vermöge ihrer natürlichen Anlagen, sei es infolge äußerer Umstände, nun einmal nicht in der Lage find, so können ihnen auch gleiche Rechte nicht ohne Weiteres und in jedem Falle zugebilligt werden. Das allgemeine Wahlrecht hat unser ganzes politisches Leben vergiftet, eS er schwert mehr und mehr die ruhige Weiterentwickelung unseres staatlichen Lebens und legt die Entscheidung über die wichtigsten Dinge mehr und mehr Parteien und Männern in die Hände, die kaum den guten Willen, jedenfalls aber nicht die Einsicht und den Ver stand haben, ein so verantwortungsvolles Amt zum wahren Nutzen und Besten des Vaterlandes und des Staates zu verwalten. Die Frage nach einer Aende- rung des bestehenden Wahlrechts steht daher fast überall auf der Tagesordnung. Belgien hat sich ein neues Wahlrecht bereits gegeben, und in Baden befindet sich ein solches in der Vorbereitung. Ein allgemeines Wahlrecht, wie das deutsche, ist das neue belgische auch, aber es ist darin doch dem Grundsätze, den wir oben aufgestellt, daß nämlich Rechte und Pflichten in angemessener Weise vertheilt sein müßten, insofern Rechnung getragen, als dort zwar jeder unbescholtene Bürger stimmberechtigt sein soll, seiner Stimme aber je nach dem Maße seiner Leistungsfähigkeit ein be stimmter Werth beigemessen wird. Man unterscheidet bekanntlich drei Klaffen von Wählern und giebt der einen oder untersten Klaffe nur je eine, der andern aber 2, der obersten Klasse sogar 3 Stimmen. Darin liegt wenigstens ein Versuch, Rechte und Pflichten an nähernd in Einklang zu bringen und Gerechtigkeit zu üben. Ob dieser Versuch gelingt, ob er die Wirkung haben wird, die man davon erwartet, muß abgewartet werden. Allzuviel versprechen wir uns auch von dieser Beschränkung des allgemeinen Wahlrechts nicht und wir glauben, daß man, um wirklich geordnete Zustände herbeizuführen, wohl auch noch zu weiteren Schritten sich wird entschließen müssen. Indes in einem Punkte scheint, wie im „Vaterland" ausgeführt wird, das neue belgische Wahlgesetz schon jetzt das Richtige ge- ! troffen zu haben, indem es nämlich viel weiter geht I als unser deutsches in der Ausschließung gewisser Per- I sonen vom Wahlrecht überhaupt. Für immer sind I vom Wahlrechte ausgeschlossen die zu einer Kriminal- I strafe Verurtheilten, diejenigen, die ein öffentliches I HauS halten oder gehalten haben, und diejenigen, I welche wegen schlechter Aufführung oder Untreue einer I Vormundschaft entsetzt oder von der väterlichen Gewalt ausgeschlossen worden sind. Nicht weniger als 12 Fälle führt das Gesetz auf, in denen eine zeitweise Ausschließung vom Stimmrecht stattfindet. Dahin ge hört z. B. der Fall der Sequestration und des Kon- I kurses. Wer wegen Diebstahls, Unterschlagung, Be trugs, falschen Zeugnisses, Bestechung von Zeugen oder Sachverständigen, betrügerischen Bankerolts rc. zu- einer Gesängnißstrafe von wenigstens 8 Tagen verurtheilt worden ist, verliert das Stimmrecht auf die Dauer von 10 Jahren, wenn die Strafe weniger als einen Monat beträgt, und von 20 Jahren, wenn die Strafe wenigstens einen Monat beträgt. Wer wegen eines anderen Vergehens zu einer Gefängniß- strafe von wenigstens einem Monat verurtheilt worden ist, bleibt auf die Dauer von 5 Jahren vom Stimm recht ausgeschlossen, die Dauer erhöht sich auf 10 Jahre, wenn die Strafe wenigstens 6 Monate beträgt, und auf 20 Jahre, wenn die Strafe wenigstens ein I Jahr beträgt. Bei Denjenigen, welche sich der Mili- I lärpflicht entzogen haben, ruht das Stimmrecht bis zum erfüllten 36. Lebensjahre. Diejenigen, welche aus der Armee auSgestoßen oder welchen der Offiziers charakter genommen worden, find auf die Dauer von 10 Jahren vom Stimmrechte ausgeschlossen. Wie stehts nun aber bei uns in Deutschland? Allerdings zieht auch bei uns Ehrenrechtsverlust infolge gericht licher Bestrafung rc. zeitweiligen Verlust des Wahl rechts nach sich, aber die Grenzen sind doch hierbei viel weiter gezogen, als jetzt in Belgien, und so hat I es kommen können, daß, wie vor einer Reihe von I Jahren die „Nordd. Allgem. Ztg." nachmies, die Zahl I der „Vorbestraften", „Zuchthäusler" u. s. w. unter I unser» Neichstagswählern mehrere hunderttausend be- I trug. Ja selbst unter unfern Neichstagsabgeordneten I fehlt eS nicht an Leuten, die sich selber rühmen, vor- I ! ;er so und so lange „gesessen" zu haben, und dies I > gereicht ihnen bet ihren Wählern, Angehörigen einer! bestimmten Partei, so sehr zum Vortheil, daß man bet I I einzelnen fast vermuthen darf, sie seien eben deshalb I gewählt worden. Das aber ist vernunftwidrig und I verstößt gegen die gute Sitte, und man sollte daher, I wenn denn eine weitere Aenderung unseres Wahlrechts I zur Zett noch nicht möglich sein sollte, wenigstens hie- I rauf sein Augenmerk richten und Bestimmungen treffen, I wie sie im belgischen Wahlgesetz vorgesehen sind, um I notorisch unwürdige Personen vom Wahlrecht auSzu- I schließen. Wer sich gegen die Gesetze des Staates I vergangen und entehrende Freiheitsstrafen verbüßt hat, I der gehört jedenfalls nicht in den höchsten Rath der I Nation und kann nicht berufen erscheinen, über des I Vaterlandes Wohl und Wehe an seinem Theile mit zu I entscheiden. Borna. Noch mehr als in anderen Jahren wird l Heuer für den von Leipzig über Espenhain nach Borna I Wandernden durch die rechts und links der Straße I liegenden Felder der Beweis erbracht, daß hier die I Feldgärtnerei in höchster Blüthe steht. Von den > zum Rittergut KeffelShain gehörigen Feldern sind in I diesem Jahre noch viele Parzellen vergeben und erst- I malig zum Zwiebelbau benutzt worden, der ja ohne- i hin für unsere Gegend charakteristisch ist. Der Ertrag I unserer Zwiebelfelder wird in günstigen Jahren auf I etwa 200000 Ctr. veranschlagt, wobei indessen auf ! die sogenannten Steckzwiebeln keine Rücksicht genommen I ist. Die Zwiebel ist schon seit Jahren ein tnS Gewicht I fallender Exportartikel und England, Irland, Schweden, I Dänemark sind bereitwillige Abnehmer unserer Zwiebel, I welche sich durch festes, weißes Fleisch und ansehnliche ! Größe von den Produkten der Magdeburger oder Niederlaufitzer Gegend vortheilhast unterscheidet. Der I Marktpreis der Zwiebel ist ein sehr verschiedener, oft ! innerhalb weniger Tage wechselnder; zur Zeit der I Ernte (Ende August und Anfang September) wird der Centner mit 3 Mk. 50 Pf. bis 4 Mk. 50 Pf. I bezahlt, steigt indessen nicht selten zu abnormer Höhe I (im Winter 188S wurde der Centner mit S—10 Mk. I bezahlt). — Zum Begriffe der Feldgärtnerei gehört I freilich nicht nur die Zwiebel, auch Gurken, Bohnen, Meerrettig, Möhren, Kohlrabi, Sellerie und Anderes werden hier ackerweise angebaut und lohnen reichlich die auf sie verwandte Mühe. In der Lobstädt-BraunS- dorfer Gegend wird auch die Feld- oder Edelkamille ! (^ntböwio nobilis) angebaut; die heilkräftigen Blüthen werden vor ihrer völligen Reife abgepflückt. Die selben werden von Drogerien und Apotheken zu me dizinischen Zwecken angekauft und gut bezahlt. Mittweida. Die Neukonstituirung der hiesigen freiwilligen Feuerwehr hat bereits stattgefunden. In der zu diesem Zweck im großen Saale deS Gast hofs zur „Stadt Chemnitz" anberaumten, von über 100 Personen besuchten Versammlung dankte zunächst Bürgermeister Apelt den Erschienenen für ihre durch den Beitritt zu der neu zu begründenden Wehr be wiesene Opferwilligkeit, legte nochmals die Gründe dar, welche den Stadtrath zur Auflösung der freiwilligen Feuerwehr in ihrem alten Bestände bewogen haben, und betonte, daß eine Feuerwehr nur dann das Ver trauen der Bürgerschaft besitzen und ihrer Aufgabe ge recht werben könne, wenn sie sich freihalte von poli tischen Agitationen, aber treu und fest stehe zur be stehenden Ordnung, zu Kaiser und Reich, zu König und Vaterland. Am Schluffe seiner Ansprache brachte Bürgermeister Apclt ein Hoch aus auf den hohen Pro tektor der sächsischen Feuerwehren, König Albert, in welches die Anwesenden begeistert einstimmten. Hierauf sand unter Vorsitz des Branddirektors Rüdiger die Verpflichtung der Erschienenen auf Z 1 der neu auf zustellenden Statuten, wonach Mitglied der freiwilligen Feuerwehr nur sein kann, wer in Treue gegen Kaiser und Reich, König und Vaterland an der bestehenden Gesellschaftsordnung festhält, sowie die Chargen- und Aemterwahl und die Einreihung der Mannschaften in die einzelnen Züge statt. Die neue freiwillige Feuer wehr zählt HO Mitglieder, von denen 46 bereits der aufgelösten Feuerwehr angehörten. Zahlreiche weitere Anmeldungen stehen in Aussicht. Daß die Neuorga nisation der Feuerwehr in so kurzer Zeit erfolgen konnte, ist in hohem Grade erfreulich und legt ein schönes Zeugniß dafür ab, daß man hier nicht mehr gewillt ist, gemeinnützige Einrichtungen den Händen der Sozialdemokratie zu überlassen und dadurch deren Einfluß zu stärken. Chemnitz. Der Dresdner Vierkrieg hat nun