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264 3,271,180 Einmarkstücke. Fünfzig- und Zwanzig pfennigstücke sind im Jahre 1892 nicht geprägt wor den. Die Goldmünzen wurden sämmtlich in Berlin geprägt, an der Prägung der Silbermünzen waren außer der Berliner Münze auch die Münzen München, Muldner Hütte, Stuttgart, Karlsruhe und Hamburg betheiligt. — Die „Berliner Militärzeitung" brachte über den angeblich „kugelsicher machenden Bekleidungsstoff" des Schneidermeisters Heinrich Dome in Mannheim einige Mittheilungen, die sich auf auswärtige Zeitungen und auf Anfragen bei der Berliner Firma Joh. Friedr. Wallmann u. Co., welche bereits das Eigenthum der Komposition und Fabrikation des Dowe'schen Stoffes erworben haben soll, gründen. Ueber daS Material konnten natürlich keine Angaben gemacht werden, wohl aber über die Wirkung der Geschosse aus kleinkalibrigen Handfeuerwaffen gegen dasselbe. Danach scheint der Stoff (in welcher Form und Stärke ist nicht gesagt) für Gewehrkugeln jeden Kalibers und jeder Geschoß- Konstruktion unempfindlich; das französische Lebel- Gewehr war noch ausgenommen, doch ist es jetzt nach anderweiten Nachrichten gleichfalls zur Probe heran gezogen und hat sich selbstredend so wie die anderen verwandten Gewehre verhalten. Woraus der Stoff besteht, darüber tauchen nur Bermuthungen auf; man kann jedoch annehmen, daß irgend ein Gespinnst, das mit Metall durchflochte» ist, zu Grunde liegt. Tau werk, Wollsäcke haben sich immer gut als Schutzmittel gegen Gewehrfeuer bewährt. Die Russen benutzten 1884 das Tauwerk der versenkten Schiffe, die Ameri kaner 1861 die Baumwollenballen als Schutzmittelin diesem Sinne. Daß aber schon so geringe Stärke» ausreichen sollen, um den Stoff als Theil oder Ein lage der Bekleidung des Mannes zu benutzen, daß er gleichzeitig so schmiegsam ist, das ist das Wunderbare. Jedenfalls handelt es sich um eine Erfindung, die, wenn Alles zutrifft, bedeutsam genannt werden kann. Namentlich würde sie geeignet sein, um der Kavallerie in ihrer stark gesunkenen Bedeutung für das Gefecht wieder aufzuhelken. Eine Verbindung mit dem preu ßischen Kriegsministerium oder sonstigen Behörden hat bis jetzt aber noch nicht stattgefunden. — Die Zusammenstellung von einzelnen Schiffen der für diesen Sommer im Dienst gehaltenen Manöverflotte zeigt einen wesentlich anderen Cha rakter als im vorigen Jahre und wird insofern vor aussichtlich einen gewissen Uebergang in dieser Bezieh ung zwischen den Jahren 1892 und 1894 bilden, als im ersteren Jahre fast noch durchweg unsere ältesten Panzerschiffe im Geschwader-Verbande erschienen, wäh rend die Geschwader des Jahres 1894 sich jedenfalls nur aus unseren modernsten und zuletzt vom Stapel gelassenen Panzerschiffen zusammensetzen werden, welche in diesem Sommer erst die vorgeschriebenen Probe fahrten beenden sollen. Dies zeigt sich in ganz be sonderer Weise in der II. Division, dem sogen. Schul- gdschwader. — Im preußischen Abgeordnetenhause ist die bereits angekündigt gewesene Eisenbahnvorlage nunmehr eingegangen. In derselben verlangt die Negierung zum Baue von 8 neuen Eisenbahnlinien und zur Be schaffung der nöthigen Betriebsmittel die Summe von 31,487,000 Mark, ferner zu verschiedenen Bauaus führungen auf schon bestehenden Eisenbahnanlagen 1,678,000 Mark und endlich zur Beschaffung neuer Betriebsmittel für die schon bestehenden Staatsbahnen 16,000,000 Mark, im Ganzen fordert der Entwurf die Summe von ca. 48,168,000 Mark. Seine Be- rathung im Abgeordnetenhaus« wird alsbald nach Ablauf der parlamentarischen Osterpause beginnen; an der Genehmigung sämmtlicher Negierungsforderungen ist wohl nicht zu zweifelt«, da man sich auf keiner Seite der Erkenntniß von ihrer Nothwendigkeit ver schließt. — Der sozialdemokratische Zukunftsstaat wie er sich in seinem Entstehen seinen Anhängern präsen- tiren will, wird in einem nachträglich bekannt gewor denen Wahlmanifest, welches den sozialistischen Schneider meister Kühn in Langenbielau bei der jüngsten Reichs tagsersatzwahl für Liegnitz - Goldberg - Haynau, als Kandidaten ausstellt, durch nachstehende Programm punkte enthüllt: „. . . Die Sozialdemokratie will in wirthschastlicher Beziehung vor Allem die gänzliche Beseitigung des Kapitalismus. Sie will, daß die Ausbeutung der städtischen und ländlichen Arbeiter unmöglich gemacht werde durch Gesetze und Reformen. Der fleißige Landmann, der Handwerker und Arbeiter der Stadl, durch deren Fleiß und Mühe die ganze Welt erhalten wird, der Gewerbtreibende und Beamte, sie alle sollen empfangen, was ihnen von Rechts wegen zukommt. Die Ursache der Geschästskrisen mit ihrem Elend für alle Erwerbsschichten ist die planlose Pro duktion in den Städten, bei der Niemand nach Bedarf fragt, die Produktion, wie sie besonders durch die Großindustriellen betrieben wird. Im wirthschaftlichen Leben hängt Alles zusammen. Die Städte sind der wichtigste Absatzmarkt für die landwirthschastlichen Pro dukte. Sobald nun die städtische Produktion mehr Maaren herstellt, als verkäuflich,^schränken die Unter nehmer die Betriebe ein, die große Masse der Beschäf tigten und Gewerbetreibenden verdient weniger und unter Verkettung aller Ursachen und aller Wirkungen leidet schließlich das ganze Land unter der planlosen Produktion der Städte. In wirthschastlicher Beziehung verlangen wir Ablösung der kapitalistische» Anrechte durch staatliches Eingreifen, Zusammenfassung der ländlichen Wirthschasten zu GenossenschastSverbänden, Umwandlung der landwirthschastlichen Großbetriebe in Genossenschaften unter Aufhebung und Ablösung der Rechte der seitherigen Besitzer, Umwandlung der kapi talistischen Produktionsanstalten in Genossenschaften, wobei die seitherigen Leiter oder Inhaber zu Direktoren gewählt werden unter Ablösung ihrer Besitzrechte. Umwandlung des gelammten Verkaufs- und Handels wesens in staatliche und kommunale Konsum-Organisa tionen, aller Verkaufsgeschäfte und Filialen, Auslösung der überzähligen Geschäfte mit Entschädigung der In haber! Für alle Staatsangehörigen ohne Unterschied das Recht auf Beschäftigung in allen staatlichen und kommunalen Betrieben, Aemtern und Anstalten, wobei einem zu großen Andrange durch entsprechend niedrigere Normirung der Besoldung in den betreffenden ArbeitS- zweigen vorgebeugt werden könne. — „Das sind im Wesentlichen die hauptsächlichsten Reformen, welche die Sozialdemokratie vornehmen würde, sobald sie zur parlamentarischen gesetzlichen Macht gelangt wäre", so schließt das sozialdemokratische Wahlmanifest, dessen Ausführungen, wie man sieht, doch sehr auf die Interessen der Wählermassen zugeschnitten sind. — Die Feier des 78. Geburtstages des Fürsten Bismarck ist an zahlreichen Orten unseres Vater landes infolge des Zusammenfallens des 1. April mit dem diesmaligen Ostertermine erst am Dienstag, den 4. April, begangen worden. An der Herzlichkeit, mit der hierbei allerwärts das Geburtsfest des Altreichs kanzlers wiederum begangen morden ist, hat diese Ver legung aber nicht das Mindeste geändert, im Gegen- theil, vielleicht darf man behaupten, daß die diesjährige Bismarckseier im deutschen Volke ihre Vorgängerinnen an Innigkeit und Freudigkeit noch übertroffen hat. Im Ganzen sollen dem Fürsten Bismarck zu seinem diesjährigen Geburtstage an mindestens 6000 Tele gramme und Briefe aus allen Weltgegenden zugegangen sein, auch die Zahl der Geburtstagsspenden war wiederum eine riesige. Elsaß-Lothringen. Es ist bekannt, daß der reichsländische Klerus eins ganz besondere Vorliebe für das Französische besitzt und deshalb auch in solchen Gemeinden, in denen so gut wie Niemand des Fran zösischen mächtig ist, an den französischen Predigten festhält. Auf diese Vorliebe ist es auch zurückzuführen, daß dieser Tage in Colmar die Konfirmation mit einer Anzahl Kinder auf französisch vorgenommen wurde. Letztere sollen des Deutschen nur unvollkommen mächtig gewesen sein. Wenn dies zutreffend gewesen wäre, so würde darin ein schwerer Vorwurf für die deutsche Schulverwaltung liegen; in Wirklichkeit liegt die Sache jedoch so, daß in dem urdeutschen Colmar alle Kinder, ohne jede Ausnahme, sowohl in den höheren öffent lichen wie in den Privatschulen nur einige französische Stunden und sonst nur deutschen Unterricht erhalten. Die französische Konfirmationsfeierlichkeit kann daher nicht durch ein vorhandenes Bedürsniß gerechtfertigt werden; die Geistlichkeit ist also selbst schuld daran, wenn man in ihrem Verhalten eine Demonstration erblickt. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Josef sandte an den Papst ein Schreiben, worin die Anwesenheit des Erzherzogs Rainer in Rom durch eine politische Nothwendigkeit begründet und die Fortdauer guter Beziehungen zum Vatikan versichert wird. — An den ungarischen Kaisermanövern im Herbst werden 5 Armeekorps, 2 als Nord-, 3 als Südarmee theilnehmen. Die Nordarmee besteht aus dem Wiener Korps unter Feldzeugmeister Schönfeld und dem Preßburger Korps unter Erzherzog Friedrich und zählt 69 Jnsanteriebataillone (42,000 Mann), ferner 3 Kavallerie- und 3 Artilleriebrigaden. Die beiden Korps der Nordarmee sollen ihre Konzentration am 2. September in Wien und Bruck an der Leitha beenden. Die Theilnohme des Kaisers Wilhelm an den darauf in Ungarn folgenden Manövern und sein Besuch in Gödöllö sind so gut wie gewiß, obwohl bisher nicht programmmäßig vereinbart. Wollte Kaiser Wilhelm doch schon im vor. Jahre Ungarn besuchen, er wurde nur durch die Cholera daran gehindert. WaS aber in Wiener Zeitungen über gleichzeitige Theil- nahme des russischen Thronfolgers erzählt wird, gehört vo> läufig in das Gebiet der frommen Wünsche. Prag. Seit einiger Zeit, so schreibt „Nar. Listy", versetzte ein beim Hotel „Schwarzes Roß" in Prag stehender Dienstmann, Namens Franzos, im dortigen Leihamte kostbare Juwelen. Vor einigen Tagen kam er wieder in dasselbe Leihhaus mit einem außerordent lich prachtvollen Brtllantdiadem, das niit Diamanten, Perlen und Türkisen sehr reich besetzt war. Der Dienst mann verlangte eine verblüffende Summe, die nicht ausbezahlt werden konnte. Der Prager Juwelier P., welcher hiervon zufälligerweise erfahren hatte, suchte den Dienstmann auf und erfuhr, daß er mit dem Ver setzen der Juwelen von einem jungen Fremden be traut war, welcher im Hotel „Zum englischen Hof" Wohnung genommen hatte. Juwelier P. lenkte jetzt die Aufmerksamkeit der Prager Polizeidirektion auf den Fremden, zugleich telegrapbirte er nach Brüssel an die Regierung, da er der Ansicht war, daß die Juwelen von dem großen Diebstahle herrührten, der im Februar d. I. im Palais des Grafen von Flandern verübt wurde. Auf die Ermittelung der Thäter war ein Preis von 100,000 Franken ausgeschrieben. Das belgische Ministerium wandte sich telegraphisch an die Prager Polizei mit dem Ersuchen, in dieser Angelegen heit nachforschen zu wollen. Die Polizeidirektion ent sandte eine Gerichtskommission in das Hotel. Der Fremde hatte jedoch schon vor dem Eintreffen der Kommission Prag von dem Staatsbahn Hose aus ver lassen. Im Fremdenbuchs war er als Germain Grott, Privatier aus Brüssel, eingezeichnet. Man fand zahl reiche Briefumschläge mit diesem Namen, ein Rund- reisebillet Brüffel-Prag-Wien-Brüffel, ein Damen mieder u. s. w. Vor der Abreise hatte der Fremde den Auftrag ertheilt, etwa noch einlangende Briefe ihm in ein Hotel nach Wien nachzusenden. Telegraphisch wurde nun nach allen Richtungen hin das Signale ment des Fremden bekannt gegeben. Von Wien langte alsbald die Meldung ein, daß der Fremde that- sächlich in dem von ihm bezeichneten Hotel abgestiegen war, jedoch alsbald spurlos verschwunden und ver- muthlich wieder abgereist sei. Frankreich. Die radikalen Journale bezeigen im allgemeinen Sympathie für das neue Ministe rium, in welchem die vorgeschrittenen Republikaner würdig vertreten seien. Die Mehrzahl der anderen republikanischen Morgenblätter äußert sich mit Vorbe halt und stellt nur unter gewissen Bedingungen ihre Mitwirkung in Aussicht. Das „Journal des Dobats" erklärt, es müsse die Regierungsakle erst abwarten und halte vorläufig mit dem Vertrauen zurück. Das neue Kabinet.bedeule einfach eine Station. Die konservativen Blätter erkennen den ehrenhaften Charakter des Ministeriums an; dasselbe werde jedoch nicht von langer Dauer sein. Italien. Hochgestellte Persönlichkeiten haben den Papst veranlaßt, bei dem Fürsten von Monaco dahin rorstellig zu werden, daß er die Spielhölle in Monte-Carlo schließen lasse. Der Fürst soll erwidert haben, daß er den skandalösen Vorgängen in Monte- Carlo machtlos gegenüberstehe, da der von seinem Vater mit der Kasino-Gesellschaft abgeschlossene Ver trag erst in einigen Jahren ablause. England. In Belfast, der Hauptstadt der reichs treuen irischen Provinz Ulster, deren Bevölkerung von Homer» le nichts wissen will, sand am Ostermontag eine großartige Demonstration der Gegner der Home- rule statt. Viele Tausende hielten unter Musikbegleitung und Vorantragung einer Fahne einen Umzug durch die Hauptstraßen ab, der 3 Stunden dauerte. Balfour, der bekannte »monistische Führer, wohnte dem Umzuge von einer Tribüne aus bei. Von derselben herab hielt er eine Ansprache an die demonstrirenden Massen, in welcher er der Hoffnung Ausdruck verlieh, die Pro vinz Ulster würde nie gezwungen werden, für ihre Freiheit zu kämpfen. Was aber einem tyrannischen König gegenüber zu rechtfertigen wäre, fügte Balfour bedeutsam hinzu, das sei auch einer tyrannischen Majorität gegenüber zulässig. Bulgarien. Die Hochzeit des Fürsten Ferdinand von Bulgarien mit Prinzessin Luise von Parma soll nunmehr auf den 20. d. M. festgesetzt worden sein. Serbien. Jetzt erst, nachdem Wochen seit den Skuptschina-Wahlen verstrichen sind, giebt die serbische Negierung offiziös das Wahlergebniß kund. In Kreisen, welche der Regierung nahe stehen, wird auf Grund der letzten Wahlergebnisse erwartet, daß bei der ersten Skuptschinasitzung die Regierung eine Mehrheit von 9 Stimmen haben würde. Da die- Skuptschina aus 134 Milgliedern besteht, würde dies 71 liberale und rund 60 radikale Abgeordnete er geben; 3 etwa wären der Fortschrittspartei anzu rechnen. In Anbetracht der langanhaltenden und rücksichtslosen Einflußnahme, welche die Regierung auf den Gang der Wahlen genommen, nimmt sich dieses Ergebniß ganz entschieden als eine Niederlage des liberalen Kabinets aus, es kann kein Zweifel daran auskommen, daß eS weit davon entfernt ist, im Lande selbst eine Mehrheit hinter sich zu haben. Die Stetig keit der serbischen Zustände erscheint also in einem recht fragwürdigen Lichte.