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Mkißmtz-Zntiiiiz. Bellage zu Nr. 32. Donnerstag, den 16. März 1893. 59. Jahrgang. Zur Militärfrage. Die zur Vorberathung der Militärvorlage einge setzte NeichStagskommission hat die erste Lesung des Entwurfes nach wochenlangen und unendlich weit schweifigen Verhandlungen in der Sitzung vom 10. März zum Abschluß gebracht. Das Ergebniß ist ein voll ständig negatives, denn es wurden bei den in ge nannter Sitzung vorgenommenen Abstimmungen so wohl der die Festsetzung ver neuen Friedenspräsenz stärke bis 31. März 1899 aussprechende § 1 der Vor lage als auch der von der Zahl der Cadres handelnde 8 2 mit groben Mehrheiten abgelehnt. Ebenso ver warf die Kommission den Antrag Richter (Festsetzung der gegenwärtigen Friedenspräsenzstärke von 486,000 Mann vom 1. Oktober 1893 bis 31. März 1895 bei gesetzlicher Festlegung der 2 jährigen aktiven Dienstzeit) gegen die Stimmen der Freisinnigen. Dieser vor läufige AuSgang der Kommissionsberathungen kommt allerdings nicht im Mindesten überraschend, denn er war in Anbetracht des gelammten bisherigen Verlaufs dieser Verhandlungen nicht gut anders zu erwarten. Ob die zweite Lesung des Entwurfes, welche am 16. März beginnen soll, ein besseres Resultat zeitigen wird, muß in Erwägung der obwaltenden eigenthüm- lichen Sachlage schon jetzt bezweifelt werden, und die Wahrscheinlichkeit, daß die Kommission mit völlig leeren Händen vor das Plenum tritt, ist darum eine sehr naheliegende. Die Erklärung für den mißlichen par lamentarischen Stand der Militärsrage ergiebt sich aus dem bekannten Gange der Dinge in der Kommission von selbst. In den gesammten bisherigen kommissa rischen Vorerörterungen der Militärvorlage hat es die Regierung sorgfältigst vermieden, auf die an sie deut lich genug und zu öfteren Malen gestellte Hauptfrage, zu welchen Zugeständnissen sie denn eigentlich in dem schwebenden hochwichtigen Problem geneigt sei, eine klare Antwort zu geben. Wohl ist vom Reichskanzler Grafen Caprivi hierbei wiederholt betont worden, daß für die verbündeten Regierungen der einstweilen vom Zentrum und den Freisinnigen eingenommene sozusagen offiziell« Standpunkt, wonach beide Parteien nicht über den Nahmen der gegenwärtigen Friedenspräsenzstärke hinausgehen wollen, einfach unannehmbar sei. Aber gegenüber dem durch Herrn v. Bennigsen vertretenen Kompromißvorschlage der Nationalliberalen, welcher bekanntlich dier Regierung 40,000 Mann jährlich an statt der von ihr geforderten 60,000 Mann anbietet, hat der Kanzler noch immer nicht bestimmt Stellung gefaßt. Mit unleugbarem Geschick verstand er es viel mehr, Parlament und öffentliche Meinung bis zur Stunde in Ungewißheit darüber zu erhalten, ob man regierungsseitig zu einem Eingehen auf das ja un streitig die geeignete Grundlage zu einer Verständigung darbietende Bennigsen'sche Anerbieten gewillt sei oder nicht. Es ist nun kaum anzunehmen, daß der erste Vertreter der Reichsregierung bei dieser seiner so vor sichtigen und hinhaltenden Taktik von der frohen Zu versicht geleitet wird, die Militärvorlage werde vom Reichstage schließlich doch in ihrer jetzigen Gestalt und ohne jedwedes Entgegenkommen der Regierung gutge- heißen werden, zu einer derartigen optimistischen Er wartung berechtigt einfach die Zusammensetzung des jetzigen Reichstages nicht. Aber Graf Caprivi hat auch keineswegs alle Brücken zu einer Verständigung mir der Volksvertretung hidter sich abgebrochen; be kundete er doch in der Freitagssitzung der Kommission ohne Umschweife die Geneigtheit der Negierung zu Entgegenkommen gegenüber von Vorschlägen, die sie als beachtenswerth erachtet, nür von ver Erhöhung der Friedenspräsenzstärke kann sie nach den weiteren > Erklärungen Caprtvi's nicht abgehen. Diese Stellung- s , 7777777^ 1, --7-777 - . '17- nähme des Reichskanzlers hält die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen Negierung und Reichstagsmehr heit trotz der aussichtslosen Kommissionsarbeiten noch immer offen und bei allseitigem guten Willen ist die Herbeiführung einer Verständigung in der Militärfrage nach wie vor gewiß nicht mehr allzuschwierig. Macht sich ja sogar innerhalb der freisinnigen Partei in dieser Beziehung ein günstiger Umschwung der Stimmung bemerklich, und was die in der Militärsrage ausschlag gebende Zentrumspartei anbelangt, so ist es ein offenes Geheimniß, daß ein nicht unbeträchtlicher Theil derselben gleichfalls lebhaft eine gütliche Vereinbarung wünscht. Die bevorstehenden Osterferien dürften jedenfalls eine sehr paffende Gelegenheit zur Einleitung ernstlicher Kompro- mißverhandlungen in der schwebenden bedeutungsvollen Angelegenheit abgeben. Wenn die Regierung wie die ein zelnen Neichstagsfraktivnen sich die Thatsache vor Augen halten, daß in dem weit überwiegenden Theile der Nation die Strömung entschieden zu Gunsten einer Verstän digung geht, so darf an einem schließlichen Zustande kommen der im Interesse der Stärkung der Wehrkraft Deutschlands geplanten MiUtärreform gewiß nicht ge zweifelt werden. Der Anbau von Flechtstroh. Der Rückgang im Anbau von Flechtstroh in Sachsen im Laufe des letzten Jahrzehnts ist zum großen Theil auf die Einführung fertigen chinesischen Geflechtes aus vollen ungerissenen Halmen zurückzuführen, unter welcher auch die heimische Strohflechterei zu leiden halte. In den letzten Jahren hat sich aber die Mode wieder mehr den feineren Geflechten zugewendel, die aus dünnwandigem, in schmale Streifen gespaltenem Stroh hergestellt werden, wie es gerade in dem höher gelegenen, durch mageren Boden gekennzeichneten Theile des sächsischen Erzgebirges in geeigneter Beschaffenheit erzeugt werden kann. In einigen Dörfern zwischen Schmiedeberg und Glashütte ist die Gewinnung von Flschtstroh noch nicht völlig zum Erliegen gekommen und gerade in den letzten beiden Sommern sind nicht unbeträchtliche Mengen davon erbaut worden, die sich leicht und zu guten Preisen verkauft haben, so daß erwartet werden konnte, daß für diese Sache ein ge steigertes Interesse leicht zu erwecken sein dürste. Mit Rücksicht hieraus hat das Ministerium des Innern im vorigen Jahre auf 5 Gütern in Johnsbach und Ober- srauendorf Anbauversuche zur Gewinnung von Flecht stroh aussühren lassen, denen folgender Plan zu Grunde lag: u) Ist cs unter unseren Verhältnissen wirthschafl- lich von Vortheil und möglich, Flechtstroh nach aus ländischem (italienischem) Verfahren zu erzeugen? b) Werden gewisse Vorzüge, welche italienisches Stroh vor den hier erbauten Strohsorten für die Flechtstroh industrie besitzt, durch die Getreidevarietät, durch Kul tur- und Ernleverfahren oder durch Nachbehandlung bedingt? Zum Anbau gelangten direkt importirter italie nischer und erzgebirgischer Sommerweizen aus der Ge gend von Glashütte, mit denen an jeder Versuchsstelle 4 Parallelversuche in folgender Weise angestellt wurden: -k) Anbau nach inländischem Verfahren mit in ländischem Saatgut, L) Anbau nach inländischem Verfahren mit aus ländischem Saatgut, 6) Anbau nach ausländischem Verfahren mit in ländischem Saatgut, v) Anbau nach ausländischem Verfahren mit aus ländischem Saatgut. Als Versuchsfeld diente je eine 12 u große Acker fläche von gleichmäßiger Bodenbeschaffenheit, in dritter Tracht nach der Düngung stehend, welche in der für Sommerweizen ortsüblichen Weise zu bestellen war. ' - -7 -7.7- ' 7"77.7.' 7,7. .7^. V Die nach dem inländischen Verfahren zu behandelnden Theile und 8 jedes Versuchsfeldes wurden mit 0,s leg Phosphorsäure, 0,5 kg Kali und 0,»s kg Stick stoff pro a gedüngt und dieselbe Fläche mit 3 kg Samen breitwürstg besät. Das Getreide wurde in der zeitigen Gelbreife geschnitten, bei gutem Wetter 2—3 Tage auf dem Felde aufgebreitet liegen gelassen, bei un günstiger Witterung in bedeckten Räumen getrocknet. Die nach italienischem Verfahren zu behandelnden Par- zellentheile 0 und v erhielten pro a nur 0,s kg PhoS- phorsäure und 0,»5 kg Kali, wurden dagegen mit 7 kg Samen besät. Die Ernte erfolgte nach der Blüthe, zu Beginn der Kernbildung des Getreides, die Halme wurden gerauft oder geschnitten, 2—3 Tage auf dem Felde ausgebreitet und darnach eingebunden. DaS Ergebniß dieser Anbauversuche läßt sich in folgende Sätze zusammenfassen: 1) Die Entwickelung beider Weizenvarietäten ist eine fast gleichmäßige gewesen; die Uebertragung deS italienischen Saatguts in unser Erzgebirgesklima hat einen nennenswerthen Einfluß nicht bewirkt. 2) Die Gesammt-Stroherträge sind beim deutschen Kulturverfahren und bei deutschem Saatgut höhere als beim italienischen. 3) Die Flechtstroh-Ausbeute entspricht im Allge meinen den Verhältnissen der Stroherträge, wird offen bar mehr durch das Kulturversahren als durch die Varietät beeinflußt. 4) Die italienische Weizenvarietät ist etwas lang- halmiger als die deutsche, dagegen vermindert das italienische Kulturverfahren die Längenentwickelung des Halmes nicht unwesentlich. 5) Die italienische Weizensorte hat dünnhalmigeres Stroh als die einheimische, ebenso werden durch das italienische Kulturverfahren dünnere Halme erzeugt. 6) Das italienische Ernteverfahren schließt die Körnerernte völlig aus; die Körnererträge der italie nischen Varietät bei einheimischer Erntemethode sind niedrigere als die von inländischer Saat. Demnach ist in unseren gebirgischen Flechtstrohbezirken und unter unsern wirthschastlichen Verhältnissen durch Einführung italienischen Saatguts und des dortigen Kultur- und Ernteversahrens weder für unsre Landwirthe, noch für die Strohflecht-Industrie ein Vortheil zu erwarten, umsoweniger als unsere heimische Industrie sogenannte gespaltene Geflechte herstellt, während das markhaltige Stroh des italienischen Weizens nur für ungespaltene Flechtereien geeignet ist. Behufs Erzielung einer mög lichst frühen und gleichmäßigen Reife des Strohes, sowie zur Verhütung des Lagerns und damit zur Er höhung der Flechtstroh-Ausbeute erscheint eine stärkere Superphosphatdüngung am Platze, dagegen ist die Einbringung von stickstoffhaltigen Substanzen In Form von Stalldünger, Chilisalpeter und dergleichen thun- lichst zu beschränken. Außerdem dürfte in unserem Produktionsgebiete eine sorgfältigere Pflege und Be handlung des Strohes auf dem Felde, sowie in der Scheune sich durch willigere Abnahme des Flechtstrohes bei erhöhten Preisen reichlich bezahlt machen. Nach diesen im vergangenen Jahre unter für das italienische Saatgut günstigen Wachsthumsverhältnissen erzielten Resultaten, welche für den Vorzug des säch sischen Verfahrens deutlich sprechen, ist im laufenden Jahre eine Wiederholung dieser Anbauversuche nicht beabsichtigt. Dagegen ist das Direktorium des länd- wirthschaftlichen Kreisvereins zu Dresden beauftragt worden, im Bezirke der Amlshauptniannschaft Dippol diswalde die Veranstaltung kleiner Ausstellungen von selbsterbarUem Flechtstroh im Herbste dieses JahreS und die Verleihung von Geldpreisen für gute und besonders auch in guantitativer Hinsicht nennenswerthe Erfolge vorzubeeeiten. Erklärung. Ich habe mich verleiten kaffen, durchaus ungerecht fertigte Anzüglichkeiten in der Annonce vom 31./12. 92 in dieser Zeitung zu kteröffeiWcheti. Ich bereut dies. Lvlumoäo -V orka.uk. Eine Schmiede mit vorzüglicher Kundschaft in einem großen Kirchdorf« bei Glashütte ist zu verkaufen. H/mereS in M Exped. d. Bl. ILuIIK. Voslrvr düLMlsvLor LaLL ist eingelroffen und empfiehlt Oswald Lotze, MM. Fomml MOklWkN zur Saat verkauft Rittergut Naundorf. Medizinal Tokayer in ganzen und halben Flasche» empfiehlt Hngv Neger s Wwe. Nachfolger. WM" Kein ttu8l8N molie. Ein gute- Genußmittel sind bei allen Husten, Keuchhusten, Hals-, Brust- und Lungenleiden die Heldt'sche» Zwiebelbonbons. In Packeten ä 50, 30 und 10 Pfg. nur allein in der Apotheke zu Dippoldiswalde.