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nicht eintretrn, weil durch die Biersteuer und die neugeregelten Abgaben für Befitzveränderungen die Einnahmen der Stadtgemeinde sich um ca. 4060 Mk. erhöhen würden. Borna. Anläßlich eines am Abend des 17 Eept in hiesiger Stadt stattgefundenen Scheunenbrandes rückte auch die Spritze deS eine halbe Stunde von hier gelegenen Dorfes Witznitz auS. Unterwegs lösten sich aus bisher unbekannter Ursache drei Räder, wo durch sämmtliche Mannschaften herabgeschleudert wurden. Hierbei erlitt der Gemeindevorstand Frommhold einen Armbruch und Bruch des linken Schlüsselbeines, während der Spritzenmeister Fischer eine Rippe brach. Die anderen Personen kamen mit leichten Verwundun gen davon. Die Verunglückten wurden zurücktrans- portirt und sofort in ärztliche Pflege genommen. Leipzig. Die Leipziger Handelskammer ließ an die dort ankommenden Meßfremden 10000 Flugblätter vertheilen, in welchen um kräftige Mithilfe zur Ab wehr der Berliner Bestrebungen auf Schädigung der Leipziger Messe gebeten und versprochen wird, daß alle berufenen Organe darin einig seien, daß das zur Beseitigung aller Beschwerden Erforderliche schleunigst geschehen solle, soweit sich dies überhaupt ermöglichen (Fortsetzung des Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berit«. Kurz vor seiner geplanten Abreise von Kisstngen nach Friedrichsruhe erkrankte Fürst Bismarck daselbst an seinem alten Leiden in nicht unbedenklicher Weise, doch befindet er sich erfreulicher Weise bereits wieder auf dem Wege der Besserung, Kaiser Wilhelm, der ebenfalls erst spät davon Kenntniß erhielt, hat von Güns in Ungarn aus, wo derselbe gegenwärtig zur Theilnahme an den Manöver» weilt, dem Alt reichskanzler seine Theilnahme ausgesprochen und mit Rücksicht auf die ungünstigen klimatischen Verhältnisse in FriedrichSruh ihm in einem der kaiserlichen Schlösser Wohnung angeboten. Fürst Bismarck hat für diese Aufmerksamkeit sofort seinen Dank ausgesprochen, je doch auf Annahme des kaiserlichen Anerbietens auf Rath deS Prof. Schwenninger verzichtet, welcher sich gegen Aenderung des gewohnten Aufenthaltes aus sprach. Die unmittelbare Veranlassung zu diesem freu digen Depeschenwechsel waren der Kaiser von Oester reich und der König von Sachsen, welche sich alle Tage nach dem Befinden des Fürsten Bismarck er kundigten. Auch die Erwägungen, welche die Vor kommnisse in der äußeren Politik wachrufen, haben wesentlich dazu beigetragen, den Kaiser zu veranlassen, dem Auslande zu zeigen, daß auch bei ihm die Rück sichten auf die europäische Politik und die Gesammt- lage über den persönlichen Empfindungen und Inter essen stehen. — Der plötzliche Besuch des Prinzen Albrecht von Preußen bei der Kaiserin Friedrich in Homburg wird mit der Angelegenheit in Zusammen hang gebracht. ES heißt, der Kaiser von Oesterreich und der König von Sachsen seien sehr erfreut über diese Wendung der Dinge. — Die Eröffnung deS Kolonialraths hat am Dienstag Vormittag im Auswärtigen Amte zu Berlin stattgefunden. Der Chef der Kolonialabtheilung, vr. Kayser eröffnete die Versammlung mit einem warmen Nachrufe für Emin Pascha, dessen Tod er als gewiß bezeichnete. Nachdem der Vorsitzende dann noch die Beschlüsse des Kolonialraths in dessen letzter Tagung aufgezählt und die Stellungnahme der Reichsregierung zu denselben erörtert hatte, trat die Versammlung in die Berathung der Vorlage, betr. Abänderungen in der Zollordnung für Deutsch Ostafrika ein. Hierbei gelangten im Wesentlichen die Vorschläge der Kolonial- abtheilung gegenüber denjenigen des Gouvernements zur Annahme. — Wie also aus der Eröffnungsrede deS vr. Kayser hervorgeht, nimmt man jetzt auch in den Berliner Regierungskreisen an, daß Emin Pascha nicht mehr unter den Lebenden weile, man theilt dem nach daselbst die fast allgemein vcrbceitete Anschauung, daß die Mittheilungen über das gewaltsame Ende des berühmten Asrikaforschers im Kongogebiete zutreffend seien. Anerkennung verdient es immerhin, daß der erste Kolonialbeamte des Reiches rückhaltslos der Thaten und Leistungen Emins gedacht hat, dem man bei seinen Lebzeiten von leitender deutscher Seite nicht immer nach Gebühr gerecht geworden ist. — Die nichtpreußische» Bahndirektionen Nord deutschlands haben, wie aus Erfurt gemeldet wird, ebenfalls der Einführung zehntägiger Rückfahr karten zugestimmt, deren allgemeine Durchführung nunmehr von Preußen abhängt. — Die Abreise der russischen Delegirten für die neuen Handelsvertragsverhandlungen zwischen Deutschland und Rußland von Petersburg nach Berlin erfolgt am 26. d. M., wie der Finanzminister Witte der deutschen Botschaft in Petersburg mitgetheilt hat. Die Verhandlungen selbst werden demnach auf jeden - - " — 726 — Fall am 1. Oktober beginnen, hoffentlich führen sie zu einem besseren Resultate, als die bisherigen Unter handlungen. — Die Revision des Reichstagsabgeordneten Ahl- wardt gegen die ihm in der Judenflinten-Affaire zu erkannte Gefängntßstrafe von fünf Monaten ist vom Reichsgericht verworfen worden. Ahlwardt wird also seine fünf Monate abbüßen müssen, wenn nicht die Reichstagssession mitAnträgen seiner politischen Freunde zu Gunsten deS Verurtheilten dazwischen kommt. — Der bisherige Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, Freiherr von Soden, welcher schon seit einiger Zeit auf Urlaub in Deutschland weilte, ist laut Mittheilung des „NeichsanzeigerS" nunmehr definitiv in den Ruhe stand getreten. An den Namen Soden knüpft sich eine der bedenklichsten Phasen in der Entwickelung der ostafrikanischen Kolonie Deutschlands; die verschiedenen Katastrophen, von denen die Deutschen in Ostasrika gerade unter dem Regime des Herrn v. Soden betroffen wurden, bleiben unvergessen. Man darf wohl er warten, daß die Verwaltung Deutsch-Ostasrikas unter dem Nachfolger Eodsn's, Oberstlieutenant v. Schele, in andere, ersprießlichere Bahnen gelenkt werden wird. Kiel. Die beiden Franzosen Dubois und Daguet, welche bekanntlich in Kiel wegen Verdachts der Spionage in Hast genommen wurden, sind gegen wärtig noch im dortigen Landgerichtsgesängniß internirt, wo sie ihre Verpflegung auf eigene Kosten aus einem benachbarten Etablissement erhalten. Die Untersuchung des Falles wird in Berlin weitergeführt, während, wenn Anklage erhoben wird, die Verhandlung selber vor dem Reichsgericht in Leipzig statlfindet. Der Reichsanwalt Tremplin, welcher kürzlich in Kiel an wesend war, hat die Polizeibeamten, welche mit der Verfolgung der Verdächtigen vertraut waren, eingehend vernommen und ihnen in Aussicht gestellt, daß sie event. auch in Leipzig als Zeugen vernommen werden würden. Oesterreich. Die aus Böhmen eingelaufenen Nachrichten zeigen ein doppeltes Bild: Einerseits die Fortdauer der Exzesse und deren Uebergreifen auf mährisches Gebiet, andererseits den Beginn heftigen Zwiespaltes im Jungczechen-Lager. Was ersteres be trifft, so ereilte die kaiserlichen Adler auf sämmtliche» Briefkästen von Pardubitz das Schicksal jener in Prag, Pilsen u. s. w. — sie wurden mit Schmutz und Eisen lack überschmiert. Ein Gleiches geschah in Mährisch- Ostrau, wo die „Heldenthat", natürlich in der Nacht, von einem jungen, elegant gekleideten Mann ausge führt wurde. In den deutschen Kreisen ist man über die Büberei umsomehr entrüstet, weil diejungczechischen Hetzblätter in Mähren Alles thun, um den Fanatismus ihrer Volksgenossen zu entfachen und wo möglich in Mähren den Ausnahmezustand herbeizuführen. Ueb- rigens suchen sogar in Prag die Czechen und zwar durch falsche Blättermcldungen über Unterdrückung von Vereinen die Erbitterung der Menge zu steigern. So ward kürzlich mitgetheilt, der jungczechische Studenten verein „Slavia" werde aufgelöst; auch sei den Mit gliedern das Tragen der Vereinsabzeichen, der slavischen Trikolore und des Baretts, untersagt worden. Diese Nachricht mußte bereits, als vollständig erfunden, widerrufen werden. Bis zu welchem Grade sich der nationale Haß in Böhmen entwickelt hat, ersieht man, daß in Böhmischbrod dem dortigen Osfizierkorps die Verabreichung des Mittagtisches seitens der czechischen Restaurateure verweigert wird!! Die Offiziere müssen sich jetzt von der Frau des Kantinenpächters kochen lassen. Doch es scheint trotz alledem mit der Einig keit im Jungczechen-Lager schlecht bestellt. Eines seiner Blätter, der „Krakonus" endet eine sehr pessimistisch gehaltene Betrachtung über das Vorgehen der Negie rung mit den Worten: „Wir befürchten, daß wir vor einem großen Fiasko und vor einer Blamage stehen. Mit der passiven Opposition werden wir allein gar nichts erreichen. Eine solche Situation hätten die „Führer" vorhersehen sollen." Frankreich. Die Gespanntheit der französisch italienischen Beziehungen greift immer weiter. Als neuestes charakteristisches Anzeichen dieses den ehrlichen Freunden des europäischen Friedens keineswegs gleich- gilligen Zustandes kann das Scheitern der auf den Donnerstag vergangener Woche in Paris ««gesetzt ge wesenen lateinischen Münzkonferenz gelten, welche auf italienische Anregung tagen und insbesondere die Frage des Scheidemünzenumlauses regeln sollte, deren Lösung den Italienern mit jedem Tage wünschens- werther wird. Denn die Knappheit an Scheidemünze wird im geschäftlichen Kleinoerkehre Italiens bereits vielfach als wirthschaftliche Kalamität empfunden. Bei einigermaßen gutem Willen Frankreichs wäre eS ein luchtes, hier ohne das geringste eigene Opfer Wandel zu schaffen; daß die Männer der Republik im letzten Augenblick das Konserenzprojekt unter den Tisch fallen ließen, wird von der öffentlichen Meinung der latei nischen Münzunionsstaaten übereinstimmend als ein Ausfluß deK außeMbentlicheku Wißvargnüg-nS der französischen StWtSmflßy^ MM« Dange der italie nischen Politik bedeutet; das Brüsseler Franzosenblatt, die „Jndep. beige", sagt gerade hinaus, Frankreich habe Italien für die Theilnahme deS Prinzen von Neapel an den reichsländischen Kaisermon öoern be strafen wollen. Angesichts der jahrelangen Gehässigkeit Frankreichs gegen den italienischen Nachbar erscheint die Andeutung des „Jndep. beige" ohne Weiteres glaubhaft; ist doch die politische Taktik der Republik gegen Italien in Wahrheit nur noch eine fortlaufende Kette von Chikanen, Vergewaltigungen und Verhöh nungen. Frankreich. Das amtliche Programm für den Aufenthalt der russischen Flotte in den französischen Gewässern ist der französischen Negierung vom russi schen Botschafter Baron Mohrenheim jetzt übergeben worden. 'Die Flotte wird vom 15. bis 27. Oktober in Toulon ankern, ihre Offiziere werden ohne Aufent halt auf den Zwischenstationen am 17. Oktober nach Paris abreisen und daselbst acht Tage verweilen; die russischen Matrosen werden Toulon dagegen nicht ver lassen. Die Franzosen haben demnach noch genügend Zeit, die letzte Hand an die Vorbereitungen zum fest lichen Empfange des russischen Geschwaders zu legen. — Der im nördlichen Frankreich ausgebrochene Bergarbeiterkreik nöthigtdie französische Regierung wegen der unter den Streikenden herrschenden bedenk lichen Stimmung zu besonderen militärischen Maß nahmen; trotzdem kommen im Streikgebiet täglich Ausschreitungen vor. Ein Ueberspringen des Streiks der nordfranzöstschen Bergleute nach dem benachbarten Belgien ist sehr wahrscheinlich, da es unter den bel gischen Bergleuten schon lange gährt. — Der „Figaro" veröffentlicht einen russischen offiziösen Artikel, der ein wahrer Kaltwasserguß auf den überbrausenden Ruffenjubel ist. Der Zar denke sich den Flottenbesuch nur als friedliche Kundgebung; er habe zeigen wollen, daß Rußland defensiv mit Frankreich Krieg zu führen bereit sei, an einem Offen sivkrieg aber, wenn er nicht durch die höchsten Inter essen geboten sei, keinenfalls theilnehme. Dieser Willensausdruck soll genügen, in Europa einen status guo aufrecht zu halten, der zwar viele Gemüther ver letze, doch nur mit Blutopfern abzustellen sei. Unter den besagten Umständen wäre es sranzösischerseitS un politisch, den eigentlichen Gedanken des russischen Kaisers nicht beizupflichten und den Charakter des Flottenbesuches gegen seinen Willen umzugestalten. Der lärmende Ausbruch der französischen Begeisterung nehme Proportionen an, welche weder der russische Hof noch die französische Negierung oorausgesehen habe. In Rußland könnte bei einem Bankett kein Toast ohne Zustimmung gehalten werden, die Volksbegeisterung selber sei dort hierarchisch geregelt. Das projektirte Pariser Bankett drohe alle Mißstände einer tumultu- arischen Versammlung auszuweisen, was den Wünschen der Bundesgenossen ganz zuwiderlaufe. Dänemark. Die Landgräfin von Hessen, welche mit ihrer Tochte Sybille am dänischen Hofe weilte, ist am Dienstag Abend mit ihrer Tochter von Kopen hagen nach Fulda zurückgereist. Prinzessin Sybille von Hessen ist bekanntlich in einigen Blättern als die Verlobte des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland bezeichnet worden und scheinen diese Gerüchte in Hin blick auf die kürzliche Anwesenheit der Prinzessin Sybille und ihrer Mutter am dänischen Hofe in der That nicht unbegründet zu sein. Italien. In Italien scheint sich ein parlamenta rischer Sturm gegen das Ministerium Giolitti an läßlich der Zwischenfälle von Aigues-MorteS zusammen zuziehen. Es heißt, die vereinigten Oppositionsparteien würden alsbald nach der Wiedereröffnung der De- putirtenkammer einen großen Angriff auf das Mini sterium Giolitti unternehmen und sich hierbei der in Italien vielfach als schwächlich aufgefaßten Haltung des Kabinets in der Affaire von AigueS-MorteS als Vorwand bedienen; es verlautet sogar schon, daß Crispi zum Nachfolger Giolitli's ausersehen sei. Herr Giolitti ist für die Ungeduld seiner politischen Neben buhler, der Herren Crispi, Rudini u. s. w. allerdings schon viel zu lange am Ruder, eS ist daher ganz be greiflich, wenn jetzt die Oppositionsführer die Vorfälle von Aigues-Mortes als eine günstige Gelegenheit be nutzen wollen, das Kabinet Giolitti zum Sturz zu bringen. Brasilien. Die Lage der brasilianischen Negierung ist zweifellos eine sehr kritische geworden. Im Norden wird die Negierung durch das aufständische Geschwader vor Rio de Janeiro hart bedrängt, im Süden macht die aufständische Bewegung in der Provinz Rio Grande do Eul immer größere Fortschritte. Die Landarmee hält zwar noch zur Regierung, soll aber völlig dis ziplinlos sein; der Sturz des Präsidenten Peixoto und seines diktatorischen Regimes scheint also unvermeidlich zu sein.