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Doktordiploms erfolgte wegen der vom Landgericht Eorau am l k. September 1879 ausgesprochenen Ver- urtheilung des EvenS zu 8 Jahren Zuchthaus und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Evens war der Anstiftung zum Meineide und des Betrugs ange schuldigt und überführt. Schellenberg. Die hiesige Schützengesell schaft hat sich veranlaßt gefunden, laut Versammlungs beschluß einige Mitglieder, welche erwiesenermaßen bei letzter Reichstagswahl sozialdemokratischer Richtung sich hingegeben und an der Wahlagitation für diese Partei sich betheiligten, von der Gesellschaft auszu schließen. Marienberg. Die königl. Militärbaudireklion läßt auf den Grundstücken von Melzer und Mende einen umfänglichen Neubau ausführen. Es wird für die königl. Unterosfizierschule eine neue Kaserne mit ca. 60 m langer Front und ein Beamtenhaus von ca. 45 m Länge errichtet. Die Gebäude sollen noch in diesem Jahre unter Dach gebracht werden. Eine rege bauliche Thätigkeit steht also für unseren Ort in Aussicht, umsomehr, da auch der Bau der Parentations- und Leichenhalle, sowie der Todtenbett- meisterwohnung endlich in allernächster Zeit in An griff genommen werden wird. EberSbach in der Lausitz. Eine Anzahl von Personen, — man spricht van 25 — ist nach dem Genüsse von Wurst und Fleisch heftig erkrankt. Die Zahl der Erkrankten nimmt immer noch zu, da von dem betreffenden Fleische auch ein Restaurateur be zogen hat. Die Untersuchung hat bei den Erkrankten eine bestimmte Diagnose noch nicht ergeben. Dieselben leiden an Erbrechen und Diarrhoe. Meißen. Zur Theilnahme an den Feierlichkeiten des 350jährigen Bestehens der Landesschule St. Afra wird auch am 4. Juli König Albert hiesige Stadt be suchen. Oschatz. Aus einem besonderen Anlaß hat der gegenwärtige Inhaber der hiesigen Wilh. Bieger'schen Wollwaarensabrik, Rothenburg, 2000 Mk. zur Grün dung eines Unterstützungsfonds für die Fabrik arbeiter der genannten Firma gestiftet. So lange kein Unglückssall vorliegt, sollen die Zinsen alljährlich an die ältesten Arbeiter als Prämien vertheilt werden. Der Inhaber derselben Firma hat auch der Ortsarmen kaffe zu Oschatz 1000 Mk. — „Bieger-Nothenburg'sche Stiftung" — überweisen lassen. Die Zinsen davon erhält der Privatarmenverein, der diese alljährlich zu Weihnachten an vier ortsangehörige, unbescholtene Per sonen in baar vertheilen soll. Bevorzugt aber sollen Arbeiterinnen werden, die für die Firma „Wilhelm Bieger" gearbeitet haben. Oschatz. Der hiesige Stadtbezirksarztvr.moä. Siegelt hat dem Stadtrathe angezeigt, daß er mit Ende September seine Stellung als königl. Bezirksarzt aufzugeben gedenkt. Der Rath hat auf Anregung der königl. Kreishauptmannschaft Leipzig beschlossen, daß der städtische Medizinalbezirk mit dem der königlichen Amtshauptmannschaft Oschatz vereinigt werde. Döbeln. Vom königl. Ministerium des Innern ist neuerdings der Vertrieb von Ausstellungs- Loosen der Gewerbe- und Industrieausstellung zu Döbeln für das ganze Königreich Sachsen genehmigt worden. Zur Verloosung gelangen Gegenstände im Werthe von 1200, 800, 500, 400, 300 Mk. u. s. w. Da der Verkauf der Loose bisher schon ein sehr flotter gewesen ist und derselbe bei dem nunmehr erweiterten Verkaufsgebiete ein um so lebhafterer werden wird, dürften die zunächst vorgesehenen und fertig gestellten 50000 Loose kaum der Nachfrage genügen. Leipzig. Einer neuerdings vielfach aus Handels kreisen an die Handels-Kammer ergangenen Anfrage entsprechend, sollen jetzt Erhebungen darüber ange stellt werden, ob eine Verlegung der Messen er wünscht ist. Viele Gründe werden für und viele gegen eine derartige Maßregel geltend gemacht und man ist gespannt darauf, wie die Umfrage aussallen wird. — Daß Niemand in Leipzig zu verdursten braucht, dafür sorgen die nicht weniger als rund 1700 Schank- wirthschaften. Daß nun bei einer solchen Fülle Seitens des Rathes ca. 700 Neukonzessionsgesuche in einem Jahre abgelehnt wurden, dürste recht verständlich er scheinen. (Aortschung des Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Laut amtlicher Bekanntmachung findet die Eröffnung des Reichstages am 4. Juli, Miltags 12 Uhr, im Weißen Saale des Residenzschlosses in Berlin statt. — Der Schluß des preußischen Landtags erfolgt dem Vernehmen nach am 5. Juni, Nachmittags 3 Uhr, im Weißen Saale durch den Kaiser persönlich. — Dem Bundesrath ist der Bericht der Reichs- ! schuldenkommission zugegangen. Diesem entneh- , men wir folgende einzelne Angaben: An ReichSkaffen- scheinen befinden sich im Umlauf 120 Mill. M., und zwar in 1,400,000 Stücken ä 50 M. 70 Mill. M., in 1,500,000 Stück ä 20 M. 30 Mill. M. und in 4 Mill. Stücken ü 5 M. 20 Mill. M. An Reichs banknoten hatte die Reichsdruckerei in« Ganzen zu liefern 182,600,000 M. Darauf sind geliefert seit dem 27. Febr. 1892 136,100,000 M., und es sind daher noch 46,500,000 M. in Noten zu 100 M. rück ständig. Im Ganzen sind 3,552,660,000 M. an Banknoten an die Neichsbank abgeliefert worden. — Die auf Grund des Antrages Huene umge arbeitete Militärvorlage ist dem Bundesrathe nun mehr zugegangen. Sie soll denselben Umfang und eine ebenso kurze Begründung aufweisen, wie ihre Vorgängerin. — Wie man aus Abgeordnetenkreisen hört, soll die Präsidentenwahl im Reichstage nicht bereits am Mittwoch, dem Tage nach der Eröffnung, statt finden, sondern auf den Donnerstag verschoben werden, um den Fraktionen Zeil zu geben, sich über die ge eigneten Persönlichkeiten zu einigen. An ver Wieder wahl des Herrn von Levetzow zum ersten Präsidenten dürste kein Zweifel bestehen. Den Posten des ersten Vizepräsidenten wird das Centrum neu zu besetzen haben, da bekanntlich Graf Ballestrem nicht wieder Mitglied des Reichstages ist. Der zweite Vizepräsident, den in der vorigen Legislaturperiode die Deutsch- Freisinnigen stellten, hat diesmal aus den Reihen der Nationalliberalen hervorzugehen. Was die Militär vorlage betrifft, so gilt es jetzt der „Nat.-Ztg." zufolge als wahrscheinlich, daß die zweite Lesung nicht sogleich im Plenum vorgenommen wird. Man dürfte es vor ziehen, den Entwurf, mit Rücksicht auf die zahlreich neu in das Haus eintretenden Mitglieder, vorerst einer Erörterung in der Kommission zu unterziehen, für welche man aber nur eine kurze Zeitdauer in Anschlag bringt. Die Sommersession würde danach etwa drei Wochen in Anspruch nehmen und in der letzten Juli woche geschloffen werden können. — Im Schriftführeramte des Reichstages findet diesmal, wie die „Köln. Ztg." berichtet, ein außergewöhnlicher Wechsel statt, da von den 8 Schrift führern nur 3 wiedergewählt sind: neben Herrn von Buol nur der Neichsparteiler Merbach und der Fort schrittsmann vr. Hermes, als Direktor des Berliner Aquariums zur Unterscheidung von seinem in den letzten Wahlen durchgesallenen Bruder mit dem Spitz namen Schlangenhermes ausgezeichnet. Die fünf anderen Schriftführer GrafKleist-Schmenzin, Wichmann, Schneider-Hamm, Schmidt-Elberfeld und vr. Porsch sind nicht Mitglieder des neuen Reichstages. Die bisherigen Quästoren vr. Bötticher-Waldeck und Rin- telen gehören auch dem neuen Reichstage an. — Herzog Ernst Günther von Schleswig-Holstein, der Schwager des Kaisers, ist bekanntlich längere Zeit von seiner Thätigkeit im großen Generalstab beurlaubt und weilt gegenwärtig auf seiner Besitzung Primkenau in Schlesien, woselbst seiner Zeit auch die Kaiserin ge boren wurde. Wie die „B. B. Z." hört, soll Herzog Ernst Günther die Absicht haben, die Besitzung Primkenau zu verkaufen. Thatsächlich steht fest, daß er daselbst zahlreiche Einschränkungen der Verwaltung vornehmen läßt. Die Hofgärtnerstelle geht u. a. ein und der bis herige Inhaber derselben soll eine Anstellung in den königl. Gärten von Potsdam erhalten. Man spricht auch davon, daß Primkenau, weil es eben der Geburts ort der Kaiserin ist, als preußisches Schatullgut er worben werden soll. — Ueber die herrschende Futternoth und die zu ergreifenden Linderungsmaßnahmen fand am Mitt woch eine private Besprechung in Berlin im Gebäude des Herrenhauses statt. An derselben nahm u. A. auch der preußische Landwirthschastsminister v. Heiden theil, welcher erklärte, daß der Entwurf eines Verbotes der Ausfuhr von Heu und Kleie dem Bundesrathe bereits vorliege. Von einer Unterstützung der noth- leidenden Landwirthe aus Staatsmitteln wollte der Minister zunächst noch nichts wißen, er empfahl statt dessen Selbsthilfe durch die landwirthschastlichen Or ganisationen. Ein besonderer Beschluß wurde von der Versammlung nicht gefaßt. — Da in Folge des die Landwirthschast gegen wärtig heimsuchenden Futtermangels der Preisstand des Heues und anderer Futterkräuter eine außerordent liche Höhe erreicht hat, nimmt der überseeische Im port von Heu täglich wachsende Abmessungen an. Aus Nordamerika sind bereits zahlreiche mit Heu be ladene Dampfer nach den nothleidenden Ländern Eu ropas unterwegs, einige davon auch schon an ihren resp. Bestimmungsorten eingetroffen. In Hamburg sind ebenfalls derartige Sendungen von mehreren 1000 Ballen Preßheues angebracht und haben flotten Ab satz gesunden. Dem Eintreffen zahlreicher weiterer Heufrachten aus Amerika wird daselbst für nächste Zeit entgegengesehen. Uebrigens dürsten die noth- I leidenden deutschen Landwirthe ihren Bedarf an Futter stoffen, zum Theil wenigstens, aus inländischen Be ständen decken können, da in den Ostprovinzen, wo der Regenmangel minder verwüstend gewirkt hat, die Ernteverhältnisse einen, wenn auch nicht annähernd so großen Ueberschuß wie in Normaljahren, des Ertrages über das eigene Verbrauchsquantum der Besitzer, in Aussicht stellen. Insbesondere wird aus der Weich selniederung berichtet, daß dort die Heu- und Klee ernte sich recht zufriedenstellend anläßt und von dem Proviantamt Thorn augenblicklich für gutes Pserdeheu aus der diesjährigen Ernte frei Magazin 3 Mk. ge zahlt werden. Da aber in Süd- und Westdeutschland bei dem enormen Futtermangel die Preise schon auf 10 und 12 Mk. in die Höhe gegangen sind, so gehen viele Landwirthe der Weichselniederung mit der Ab sicht um, ihre Erntevorräthe auf dortige Märkte zu bringen. — Das Jahr 1893 führt der Kriegsmarine des deutschen Reiches neun große Schiffe von zusammen rund 58000 Tonnen Deplacement zu, d. h. unsere Flotte macht innerhalb dieses Zeitraumes mehr Schiffs - material seeklar, wie irgend eine andere Nation außer England. Drei von den neun Schiffen sind bereits in Dienst gestellt, nämlich die Kreuzerkorvette „Kaiserin Augusta" von 6000 Tonnen, der Kreuzer „Seeadler" von 1460 Tonnen, welche beide Schiffe bekanntlich zu Eröffnung der Columbischen Weltausstellung nach New-Jork gesandt waren, ferner die Jacht „Hohen- zollern". Die übrigen 6 Schiffe, die noch vor Schluß des Jahres fertiggestellt sein und ihre Probefahrten vollendet haben sollen, sind die Panzer „Heimdall" und „Hildebrand", je 3500 Tonnen groß, gehören der „Siegfried"-Klaffe an, haben jedoch stärkeres Panzerdeck und über diesem gar keine Holzkonstruktion, auch ist als Baumaterial bereits in umfassender Weise Nickelflußeisen zur Verwendung gekommen. Die Schiffe laufen 16 Meilen und tragen als Hauptgeschütze drei lange 24 ow-Hinterlader. Die anderen vier Panzer sind die vielbesprochenen 10000 Tonnen großen Schlachtschiffe „Kurfürst Friedrich Wilhelm", „Bran denburg", „Weißenburg" und „Wörth", die bis 40 ow starken Stahlpanzer tragen und an Artillerie 6 bis 28 om-Hinterlader von 35 Kaliber Rohrlänge und 44 Tonnen oder 880 Zentner Nohrgewicht nebst 6 bis 10,5 ein- und 8 bis 8,7 om-Schnellladern, System Krupp, führen. Zwar haben sowohl England, Frank reich, Italien und Rußland zahlreichere und bis zu 4000 Tonnen größere Panzer, auch die Vereinigten Staaten bauen vier von bedeutenderen Abmessungen, doch sind die neuen Schiffe an Seetüchtigkeit, Schnellig keit, Panzerschutz und namentlich an Zuverlässigkeit und Güte der Artillerie jedem modernen schwimmen den Schlachtschiffe gewachsen. Gotha. Obwohl im ganzen deutschen Reiche fast überall die Schlagbäume an den Chausseen beseitigt sind und das Chausseegeld abgeschafft ist, hat sich in unserem Lande diese Eigenthümlichkeit noch erhalten und sie wird auch einstweilen beibehalten werden, zu mal trotz wiederholter bezüglicher Anträge der Landtag die Aufhebung abgelehnt hat. Als Grund wird an gegeben, daß der Einnahme-Ausfall keine Deckung finde. Gleichzeitig ist man im Herzogthume aber so glücklich, die Frage erörtern zu können, ob angesichts der erheblichen Ueberschüfse im Staatssäckel ^/is oder »fi» der Einkommensteuer unerhoben bleiben sollen. Oesterreich. Die polnischen Blätter berichten über Mißhelligkeiten im österreichischen Ministerium. Ein Theil der Minister sei für Erfüllung der Wünsche der Deutschböhmen, insbesondere bezüglich Errichtung des Kreisgerichtes in Trautenau. Eine Ministerkrise soll fortbestehen, doch wurde deren Lösung auf den Herbst vertagt. Dann werde entweder eine Umbildung des Ministeriums bei Fortsetzung seiner bisherigen Politik mit Anlehnung au die Linke oder die Bildung eines neuen Kabinets mit neuem Programm erfolgen. Gegenüber diesen Meldungen wird indessen von der Negierung das Bestehen einer Ministerkrise geleugnet. — Die Frage der Aenderung der Gerichts sprengel, welche in der inneren österreichischen Po litik nachgerade eine Nolle zu spielen beginnt, verur sacht dem Kabinet Taaffe viel Kopfschmerzen, da in der Angelegenheit sich verschiedene nationale Tendenzen direkt bekämpfen. Vorläufig hat der Ministerrath einen Nothausweg gesunden, dahingehend, daß ein Gesetz über die Aenderung der Gerichtssprengel ohne Gutachten der Einzellandtage erlassen werden soll, dem Vernehmen nach hat der Kaiser die Fassung des betreffenden Gesetzentwurfes bereits genehmigt. Sollte derselbe im österreichischen Abgeordnetenhause eine Mehrheit finden, so könnte dann an die Verwirklichung des Projektes der Errichtung eines deutschen Kreis gerichtes zu Trautenau gegangen werden, ohne daß die Regierung nöthig hätte, Rücksicht auf den Einspruch der jungczechischen Opposition des böhmischen Land tages zu nehmen.