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418 Auch unter den Schülerinnen der achten Mädchenklaffe der mittleren Bürgerschule sind zahlreiche Erkrankungen an den Masern erfolgt. — Die Gutmüthigkeit eines MühlsührerS aus der hiesigen Nähe wurde dieser Tage recht übel be lohnt. Derselbe nahm einen Handwerksburschen, der sich die Füße wund gelaufen hatte, mit auf seinen Wagen und ließ denselben, da der Wagen leer war, von einem Orte oberhalb Riesas bis nach Meißen milsahren. In Fischergasse angekommen, stieg der Fahrgast ab, bedankte sich freundlichst und schlug sich seitwärts in die Büsche. Erst als der Handwerksbursche eine Weile fort war, kam es dem Kutscher verdächtig vor, daß der Bursche vor der Stadt abgestiegen war und seinen Weg statt in die Stadt nach Niedermeisa genommen hatte. Plötzlich fällt ihm auch ein, daß er seine Tasche im Wagen hat, voll schlimmer Ahnungen untersucht er dieselbe und muß wahryehmen, daß der Inhalt, welcher aus 2 Pfund Blutwurst, einer Flasche Cognac, einem Halstuch und einem Taschenmesser bestand, ver schwunden ist. AuS der Lößnitz. In diesem Jahre macht sich in den Billengärten und an den mit Obstbäumen be setzten Straßen außer anderen Schädlingen das Auf treten der Blutlaus in sehr bedenklicher Weise be merkbar. Olbernhau. Die Masern treten gegenwärtig sowohl in unserer Stadt selbst, als auch in der Um gegend überaus häufig auf. Die meisten Fälle scheinen in Grünthal vorzukommen, wo in der einen, 50 Schul kinder zählenden Klasse nur noch 15 den Unterricht besuchten, so daß diese Klaffe vorläufig geschloffen werden mußte. Chemnitz. Eine in der Schloßvorstadt wohnhafte Herrschaft, welcher Mittwoch früh das ungewöhnlich lange Ausbleiben eines ihrer Dienstmädchen ausfiel, machte nach gewaltsamer Oeffnung des Schlafraumes die Wahrnehmung, daß dasselbe bewußtlos im Bette lag; im betreffenden Zimmer war ein starker Gas geruch bemerkbar. Da es auch mit ärztlicher Hülse nicht gelang, das Mädchen ins Leben zurückzurufen, so wurde die Bewußtlose mittelst Krankenwagens ins Stadtkrankenhaus gebracht. Vermuthet wird, daß das Mädchen beim Schlafengehen aus Versehen oder durch irgend welchen Zufall mit dem Gashahn in Berührung gekommen ist und hierdurch über Nacht eine Gasaus strömung erfolgt sein kann. Meerane. Daß das „Renommiren" zuweilen recht kostspielig werden kann, erfuhr dieser Tage ein Fleischermeister aus der Umgegend. Er kehrte vorige Woche unterwegs in einem Gasthause ein und traf dort einen Berufsgenoffen. Dec Fleischer schlug eine Partie „Sechsundsechzig" um vier Glas „Bayrisch" vor, ein Vorschlag, der aber von dem Anderen mit dem Bemerken abgelehnt wurde, daß seine Mittel ihm das nicht erlaubten. „Ja, die Meeraner scheinen kein Geld mehr zu haben," sagte dieser in „fideler" Stim mung. Hierauf zog er seine Geldbörse hervor, ent nahm ihr einen Fünfzigmarkschein, faltete ihn zu einem Fidibus und brannte kalt lächelnd seine Cigarre damit an. Verblüfft schauten die Gäste diesem Treiben zu. Als der Fleischer später die Zeche berichtigte, zählte er seine Banknoten. Er war im Besitz von 6 Stück sogenannten „Blüthen", Geschästsreklamen mit der Aufschrift „Fünfzig-Markscheine", die er sich zu solchen Späßen gekauft hatte; den einzigen echten Schein, den Erlös für verkauftes Fleisch, hatte er verbrannt. AuS dem Vogtlande. In der zweiten Hälfte des verflossenen Monats hat der größte Theil tws Vogtlandes so zahlreiche und ausgiebige Niederschläge erhalten, daß der traurige Eindruck, den Saatfelder und Wiesen machten, allmählich verschwunden ist. Das Wintergetreide ist rasch emporgewachsen, hat Aehren von mittlerer Größe getrieben und ist rasch zur Blüthe gelangt. Das Sommergetreide, das bisher nur spär lich aufgegangen war, wurde viel dichter und beginnt nun zu schossen. Ebenso hat sich auf den Wiesen die Pflanzenwelt rasch entfaltet; nur die Kleefelder er holen sich recht langsam. Leider giebt es auch kleine Landstriche, die fast noch keinen Regen erhielten und deshalb ein dürftiges Aussehen zeigen. Aehnlich liegen die Verhältnisse im Erzgebirge; so erhielt ein Landstrich zwischen Zwönitz und Geyer am 25. Mai den ersten Regen seit Ende März. Coldih. Von der in hiesigem romantischen Thier garten stehenden uralten, auf 800 Jahre geschätzten Eiche, der Dreibock genannt, welche 12 Meter im Umfange mißt, hat sich dieser Tage der eine Stamm, im Durchmesser von 1,75 Meter, vom Hauptstamm getrennt. Trotzdem wird der viel bewunderte Baum erhalten bleiben. Riesa. Vom 18. bis 21. Juli wird in hiesiger Stadt der Diesjährige Sächsische Gastwirthstag abge halten. — Betreffs des großen Looses der König!. Sächs. Landeslotterie, das in eine hiesige Kollektion gefallen ist, schreibt das „Riesaer Tageblatt", daß die Loos- theile nicht von Einwohnern Riesas gespielt wurden, sondern der ganze Gewinn nach auswärts geh'; es ist daran, dem Vernehmen nach, die hiesige Umgegend etwas, im übrigen zum Havpttheil Oschatz und Leipzig betheiligt. Döbeln. Von dem Dache eines dreigeschossigen Hauses an der Bahnhosstr. stürzte am 31. Mai der 17 Jahre alte Zimmerer Pohle von hier auf das Trottoir herab. Er stand auf den letzten Sprossen einer auf dem Gerüst ruhenden Leiter, die unten abrutschte. Dem Verunglückten wurde sofort ärztliche Hilfe zu Theil, später wurde er nach dem Stadtkrankenhause gebracht. Man hofft, den Verunglückten am Leben zu erhalten. Grimma. Eine interessante Entdeckung hat man am Fuße des Tempelberges auf dem Grundstücke des Restaurateurs Vogel gemacht. Man fand durch Zu fall einen in den Fels getriebenen Keller von sehr be trächtlicher Länge. Das durchgängig gut erhaltene. Gewölbe war stellenweise von Mauersteinen in Kalk hergestellt. Mehrere Seitengänge zweigen ab. Von dem Vorhandensein des Kellers ist jedenfalls Jahr hunderte lang Niemand unterrichtet gewesen, es fanden sich nur Ueberreste von altem morschen Holz und einer bemalten thönernen Schüssel in demselben. Leipzig. Am Wahltag, den 15. Juni, werden sämmtliche hiesige Schulen geschloffen und die Schul gebäude als Wahllokal benutzt. — Der Mühlenbesitzer Leine aus Gölzschen bei Pegau hat schon seit Jahren Kleie mit Schlemmkreide gemischt und das Gemisch als gute Kleie an die Land- wirthe verkauft. In den letzten 2 Jahren hat er allein 270 Zentner Schlemmkreide bezogen und diese unter 9000 Zentner Kleie gemengt. Ein Zentner Schlemm kreide kostet 2 Mk. 30 Pfg., ein Zentner Kleie jedoch 6—7 Mk.; der Fälscher hat also 1000 Mk. Gewinn erzielt. In der von ihm gelieferten Kleie wurden 3—25 Prozent Schlemmkreide vorgefunden; in einem Falle ist sogar das Vieh, das die Kleie erhalten hatte, krank geworden. Dem Mühlenbesitzer, der nicht in schlechten Verhältnissen lebte, wurden 1 Jahr Gefängniß und 3 Jahre Ehrverlust zuerkannt. Tagesgeschichte. Berlin. Prinz Viktor von Italien traf am Donnerstag Nachmittag zum Besuch der kaiserlichen Familie ein und wurde vom Kaiser mit einer glän zenden Suite empfangen. Hamburg. Der allgemeine Gesundheitszustand Hierselbst ist zur Zeit außerordentlich befriedigend. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der vor einigen Tagen gemeldete Cholerasall vereinzelt bleibt. Schweiz. Die Berliner .Norddeutsche" bemerkte unlängst in einem Leitartikel über das schweizerische Heer, die Schweiz werde im Kriegsfälle eine möglichst starke Macht derjenigen Partei zusühren, auf deren Seite sie durch das Verhältn'ß der anderen Kriegs partei gedrängt werde. Die „Berner Zeitung" erklärt dem gegenüber, als neutrale Macht dürfe die Schweiz nicht daran denken, ihre Armee mit derjenigen eines anderen Landes zu vereinigen. — In Saint Jmier, dem Hauptorte der Uhren fabrikation im Berner Jura, haben am Dienstag Ruhestörungen stattgesunden, welche darin bestan den, daß die Menge beim Verlassen einer tumultuösen Arbeiterversammlung, in fwelcher anarchistische Reden gehalten worden waren, sich nach der Uhrkapselnfabrik von Gygax begab und dort mit Steinen alle Fenster einwars. Um 11 Uhr Abends ließ der Bürgermeister die Sturmglocke läuten und forderte die Menge auf, sich zu zerstreuen. In dem Augenblicke, als die Feuer wehr aus den Hydranten das Wasser gegen die Menge spielen ließ, entstand unter dieser eine große Ver wirrung, wobei 20 Personen verletzt wurden. Einer Person wurde durch einen Axtschlag der Schädel ge spalten. Die Verhaftungen dauern fort, und man befürchtet neue Ruhestörungen, zumal die Anarchisten in Saint Jmier zahlreich sind. Frankreich. In Frankreich tauchen Anzeichen einer neuen Ministerkrisis auf. Die Annahme des Antrages-Bazille bei der Berathung des Gesetzes über die Wahlkreise Seitens der Deputirtenkammer gilt als gegen den Ministerpräsidenten Dupuy gerichtet. Das Amendement Bazille erklärt das Mandat eines De- putirten als unvereinbar mit jedem öffentlichen be soldeten Amte, abgesehen von einigen zu machenden Ausnahmen. Sollte dieser Kammerbeschluß Gesetz werden, so würden u. A. etwa 60 Mitglieder der jetzigen Kammer, welche Stellen in den großen Staats und Eisenbahn-Verwaltungen bekleiden, nicht wieder wählbar sein, was eine erhebliche Schwächung der eigentlichen Regierungspartei in der Deputirtenkammer bedeuten würde. Insofern stellt die Genehmigung des Amendements Bazille allerdings eine Schlappe für die Regierung dar, und bereits tauchen in Paris Gerüchte auf, welche Constans als baldigen Nachfolger Dupuy's in der Ministerpräsidentschaft bezeichnen. Italien. In Italien ist die politisch-parlamen tarische Lage auch eine ziemlich unsichere. Trotz des glänzenden Vertrauensvotums, welches dem erneuerten Kabinet Giolitti kaum erst von der Deputirtenkammer ertheilt worden ist, sieht sich letzteres immer wieder parlamentarischen Schwierigkeiten gegenüber. Dieselben liegen diesmal im Senat, welcher das von der Ne gierung lebhaft befürwortete Pensionsgesetz nicht an nehmen will. Diese oppositionelle Stellungnahme zeigte sich bei der am Dienstag wieder aufgenommenen Berathung des Pensionsgesetzes sofort aus's Neue, denn die Senatoren Blanc, Ferrari und Saracco sprachen entschieden gegen die Regierungsvorlage, wobei ersterer Redner sich auch in Betrachtungen er ging, welche die auswärtige Politik Italiens tadeln. Die Ablehnung des Pensionsgesetzes durch den Senat scheint demnach kaum mehr zweifelhaft zu sein, nur ist es noch fraglich, ob das Ministerium Giolitti in diesem Falle vor dem Senate kapituliren würde. Bulgarien. Die Große bulgarische Sobranje in Tirnowo ist am Montag, nachdem sie die Abänderung der bulgarischen Verfassung endgültig gutgeheißen, vom Fürsten Ferdinand mittels Thronrede feierlich geschloffen worden. Die Rede klingt sehr selbstbewußt, sie be glückwünscht die große Sobranje zu ihren Beschlüssen und bezeichnet die Verfassungsänderung als ein gerade jetzt werthvolles Geschenk für Krone und Vaterland. Serbien, In Serbien haben am Dienstag die Neuwahlen zur Skupschtina begonnen, nachdem die bisherige serbische Volksvertretung infolge des Staats streiches des Königs Alexander aufgelöst worden war. Da sich die Liberalen an der Wahl nicht betheiligen, so wird die neue Skupschtina wohl nur aus Radikalen und Fortschrittlern bestehen; Wahlexceffe, wie bei den letzten Skupschtinawahlen, sind bis jetzt noch nicht an gemeldet worden. Nordamerika. Die Chicagoer Weltausstellung macht höchst wahrscheinlich finanziell Masco. Soeben ist die Streitfrage, ob die Ausstellung auch Sonntags offen bleiben solle oder aber geschloffen werden müsse, gerichtlich in letzterem Sinne entschieden worden. Demnach müßten in Chicago die Sonntagseintritts gelder, die doch auf allen anderen Weltausstellungen eine so hervorragende Rolle gespielt haben, wegfallen, was natürlich eine bedenkliche Minderung der Äusstel- lungseinnahmen bedeuten würde. — Das Preis-Komitee hielt am 30. Mai eine Sitzung ab und sandte an das Komitee der aus wärtigen Aussteller ein Schreiben, welches die Mit theilung enthüll, daß das adoptirte System der Preis- vertheilung nicht geändert werden könne. Es werden sich in Folge dessen voraussichtlich viele Aussteller an der Preisbewerbung nicht betheiligen, ohne jedoch die ausgestellten Gegenstände von der Ausstellung zu rückzuziehen. Kirchen-Rachrichten von Dippoldiswalde. 1. Sonntag nach Trinitatis (1. Juni 1893). Vorn,. '/»9 Uhr Beichte. Für die hieran Theilnehmcnden findet das heil. Abend mahl nach der Predigt statt. Die Bcichtrede hält Herr Sup. Meier. Borm. 9 Uhr Predigtgottesdienst (Tert: Luc. 16, 19—3t). Die Predigt hält Herr Sup. Meier. Nachm. 1 Uhr hält kirchliche Unterredung mit der konstr- mirten weiblichen Jugend Herr Diak. Biichting. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Die Höckendorfer Dorsstraße ist wegen Maffenschüttung vom 5. bis mit 9. dieses Monats für Lastfuhrwerk gesperrt. Letzterer hat für diese Zeit den Weg von Ruppendorf durch die Höckendorfer Haide nach Edle Krone beziehentlich umgekehrt einzuschlagen. Dippoldiswalde, am 1. Juni 1893. Königliche Amtshanptmannfchaft. v. Einsiedel. Ludwig.