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182 der Staatsregierung vereinbarter Aenderungen ihre Genehmigung. Vorausgegangen war eine kurze, vom Abg. Stolle (Gesau) angeregte Diskussion über das Duellwesen an den Universitäten bez. über die von dem genannten Abgeordneten behauptete Thatsache, daß die Statuten der Korpsstudenten Bestimmungen ent hielten, welche mit dem 8 201 des Reichsstrafgesetz buchs im Widerspruch ständen. Der Berichterstatter vr. MinSwitz nahm das akademische Duellwesen in Schutz, während Etaatsminister v. Seydewitz die Ver antwortung für die vom Abg. Stolle behauptete That sache, falls sie wirklich bestehen sollte, und ferner für die von demselben Redner behauptete zu milde Be strafung von Exzessen der akademischen Jugend ab lehnte, da dem Kultusministerium weder auf die Be stätigung der Statuten von akademischen Vereinen noch auf die Bestrafung der Exzesse ein Einfluß zustehe. — Am 15. März trat die Kammer in die Schluß- berathung des Entwurfs einer revidirten Gesindeord nung ein, über welche die Gesetzgebungsdeputation durch den Abg. Eulitz Bericht erstattet hatte. Die Deputation beantragte in allen wesentlichen Punkten Annahme der Regierungsvorlage, daneben jedoch noch eine Reihe von Abänderungen und Zusätzen, welche die Deputation mit der Staatsregierung vereinbart hatte und welche in der Hauptsache bezwecken, den Dienstboten einen noch größeren Schutz zu verschaffen. Gegen den Entwurf und zahlreiche Bestimmungen des selben wendeten sich in der allgemeinen Berathung die Abgg. Goldstein und Geyer, welche sich als grundsätz liche Gegner einer besonderen Gesindeordnung bekann ten, für den Fall des Zustandekommens einer solchen aber eine Menge Bestimmungen, in welchen sie eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit fanden, befestigt oder geändert wissen wollten. Von dem Be richterstatter Eulitz, dem Abg. Horst und dem Vize präsidenten Streit wurde dagegen die Vorlage ver- theidigt. Bei Berathung des § 80 (die Vorlage zählt deren 116) wurde die Berathung abgebrochen und auf Mittwoch vertagt. Schandau. Der Bau einer Pferdebahn von Schandau nach dem Lichtenhainer Wasserfall i>. vor einigen Tagen fest beschlossen worden und will die Aktiengesellschaft mit dem Bau sofort beginnen. Burgstädt. Infolge des l.tzten großen Schnee falls wurde der auf benachbarter Moßdorfer Flur stationirte Bahnwärter Ehregott Emmrich ein Opfer seines Berufes. Er war am 12. März Vormittag mit seinem jüngsten Sohne und dem Hilfswärter auf der Strecke, um Schnee auszuwersen. „Ich wundere mich, wo der 10 Uhr-Zug heute bleibt", sagteEmmrich zu seinem Gehilfen, al« letzterer sich anschickte, zurück zugehen, um zu frühstücken. Kaum war der Gehilfe zur Seite getreten, als er auch den Zug dicht hinter sich sah. Noch ehe der entsetzte Gehilfe einen War nungsruf ausstoßen konnte, war Emmrich bereits von der Maschine ersaßt und hinweggesührt worden. Beim nächsten Wärterhaus fand man den verstümmelten Leichnams Emmrichs. Der Verunglückte hinterläßt Frau und vier Kinder, von denen aber die meisten erwachsen sind. Stollberg. Mit Genehmigung der Ministerien der Finanzen und des Innern wird von hiesiger Stadt eine mit 4 vom Hundert verzinsliche Anleihe im Betrage von 170,000 Mark ausgenommen worden. Zöblitz. Welche Schneemassen am vergangenen Donnerstag und Freitag hier gefallen sind, geht aus dem Umstande hervor, daß zwischen Ansprung und Rübenau der mit acht Pferden bespannte Schneepflug am Sonnabend stecken geblieben ist. Trotz des folgenden Sonnenscheins möchte man bei der herrschenden Tem peratur glauben, der Winter sei erst im Anzuge. Sollte ein plötzliches und anhaltendes Thauwetter ein treten, so wären Ueberschwemmungen unausbleibliche Folgen. Glauchau. Eine von 110 Personen besuchte Ver sammlung von Mitgliedern der alten Spar- und Kreditbank hier beschloß die endgiltige Konstiluirung der am 2. März gegründeten neuen Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht. Die neue Gesellschaft firmirt: Spar- und Vorschußverein zu Glauchau, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht und dem Sitz zu Glauchau. Zweck ihrer Thätigkeit ist die Aus einandersetzung mit den Gläubigern der alten Spar und Kreditbank zu Glauchau und ferner die Beschaffung von Mitteln zum Betrieb eines neuen Geldinstituts. Durch die erfolgten weiteren Zeichnungen hat der ge sicherte Grundstock die Höhe von ungefähr 400,000 M. erreicht. OrltniH im Vogtl. Der späte Nachwinter mit seinen Schneemaffen hat ganz beträchtlichen Schaden angerichtet; namentlich die Forstleute klagen darüber, daß durch Schnee- und Windbruch die Schwarz holzbestände gerade in den letzten Tagen schwer gelitten haben, auch Rebhühner, Hasen und anderes Wild dem I Hunger und der Kälte zum Opfer gefallen sind. Auch , ein Menschenleben forderte hier der Nachwinter, indem der 65 Jahre alte Korbmacher Wilhelm Bach von hier in der Nacht zum Sonnabend auf dem Wege zwischen Altmannsgrün und Hartmannsgrün, wahrscheinlich in Folge von Ermattung/ liegen blieb und am Sonnabend früh erfroren aufgefunden wurde. Johanngeorgenstadt. Für die hiesige Stadt ist die Schank steuer anderweit geregelt morden. Die Gemeindegewerbesteuer beträgt demnach für den Betrieb des Bierschanks oder der Herbergswtrthschast jährlich 9 M., für die Schankwirthschast (Bier- und Brannt weinschank) 60 M., den Kleinhandel mit Branntwein 50 M. und für den Betrieb der Gastwirthschast 60 M. Ebenso ist eine neue Ordnung für das Backen und den Brotverkauf zur Einführung gekommen. Tagesgefchichte. Berlin. Der den Abgeordneten vorgelegte Gesetz entwurf, betreffend die Aufhebung der am 2. März 1868 verhängten Beschlagnahme des Vermögens des Königs Georg bestimmt: Das Gesetz vom 15. Februar 1869 soll dahin abgeändert werden, daß die Wieder aufhebung der Beschlagnahme Königlicher Verordnung vorbehalten bleibt. Die Begründung hierzu besagt, daß die gegenwärtigen Verhältnisse die Wiederauf hebung der Beschlagnahme als zulässig und angezeigt erscheinen lassen. Die Zustände in der Provinz Han nover seien gegenwärtig so beruhigt und befestigt, daß es besonderer Mittel zur Abwehr etwaiger gegen die Zusammengehörigkeit der Provinz mit Preußen gerichteter Agitationen nicht mehr bedürfen werde. Se. Majestät der Kaiser habe daher — in der Absicht, der Bevöl kerung dieser Provinz einen Beweis vollen Vertrauens zu geben und zur weiteren Beruhigung beizutragen — Allerhöchst seinen Willen zu erkennen gegeben, die Beschlagname der Revenuen nicht weiter aufrecht zu halten. Die Begründung weist des weiteren auf die im „Reichsanzeiger" veröffentlichten Zusicherungen des Herzogs von Cumberland hin und schließt mit der Bemerkung, die Staatsregierung gebe sich der Hoffnung hin, daß die Beschlußfassung der Landesvertretung über den Gesetzentwurf in gleichem versöhnlichem Geiste erfolgen werde, von welchem sich die Regierung, dem Allerhöchsten Willen entsprechend, leiten ließ, und daß die etwa noch bestehenden, aus historischen Ereignissen ent sprungenen Schwierigkeiten in der Provinz Hannover endgiltig beseitigt würden. — Nach erfolgter Zustim mung dK Landtages sollen die erforderlichen vorbe reitenden Schritte zur Aufhebung der Beschlagnahme unmittelbar gethan werden. — Die so viel erörterte Frage desWelfensonds wird nach dem versöhnlichen Schreiben, welches der Herzog von Cumberland an Kaiser Wilhelm gerichtet hat, voraussichtlich sehr rasch ihre Lösung erfahren, lieber die Art derselben wird das Weitere indessen noch abzuwarten sein, namentlich darüber, ob der WelfenfondS, das inzwischen auf ca. 48 Mill. Mark angewachsene beschlagnahmte Privatvermögen des Königs Georg, selbst dem Herzog von Cumberland auszuzahlen ist oder nur die Zinsen desselben. Völlig unberührt von der finanziellen Seite der Angelegenheit bleibt vorerst deren politische, speziell, was die etwaige Thron folge des Sohnes des Herzogs von Cumberland in Braun schweig anbelangt. DieseFrage könnte erst nach der Voll jährigkeit des jetzt elfjährigen Prinzen Georg Wilhelm aktueller werden, und jedenfalls wird sie nicht gegen den bestimmten Willen des braunschweigischen Volkes zur Entscheidung gelangen können. Darmstadt. Die feierliche Beisetzung des ver storbenen Großherzogs findet Donnerstag, den 17. März, Vormittags 11 Uhr statt. Dem Vernehmen nach werden die Kaiserin Friedrich, die Prinzeß Mar garethe, sowie der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sachsen-Meiningen zu den Trauerfeierlichkeiten in Darmstadt eintreffen. Oesterreich-Ungarn. Die Zeitungsmeldungen, denen zufolge die Abberufung des Botschafters Oester reich-Ungarns beim Vatikan, des Grafen Reoerlera, wegen Zwistigkeiten mit dem Kardinal-Staatssekretär Rampolla bevorstehen sollte, werden jetzt in unterrich teten Wiener Kreisen als unbegründet erklärt. Es waren bereits verschiedene Persönlichkeiten als wahr scheinliche Nachfolger des Grafen Revertera auf seinem römischen Posten genannt worden; mit diesen Kombi nationen ist es nunmehr selbstverständlich nichts. — Der ungarische Honvedminister Baron Fejervary gedenkt nächstens zurückzutreten; als sein Nachfolger gilt der Brigadier Koloman Balla. Vielleicht ist der Rücktrittsentschluß des Ministers auf das Duell zurück- zusühren, welches Fejervary kürzlich mit einem Mit glieds der ungarischen Opposition gehabt hat. Frankreich. Das franzüsischeKriegsministerium gehört zur Stunde unbedingt zu den rührigsten Mili tärverwaltungen. Eine andere Frage ist es, ob die Armee-, Civilbehörden und die Bevölkerung dem Tempo der Frcycinet'schen Reformen folgen können. Aus dem Heere heraus fehlt es nicht an Stimmen, welche das I Segentheil behaupten. Ein von dem Kriegsminister I in letzter Zeit mit Vorliebe, aber auch mit viel System gerittenes Steckenpferd ist die Theorie des „Volkes in Waffen". Die Schülerbataillone waren ein mißglückter Versuch in dieser Richtung, sie stammten ja auch be kanntlich aus der vorfreycinetschen Zeit; gleichfalls älteren Datums und gleichfalls mißglückt sind die mi litärisch organisirten Schützengesellschaften; diese machen eigentlich jetzt nur noch von sich reden durch die Un- glückssälle, welche auf den Scheibenständen derselben passiren. Freycinet hat denn auch, seit er Minister ist, alle diese und ähnliche Spielereien bei Seite ge lassen, er hat dafür seine Aufmerksamkeit um so mehr den Reserven und der Territoriale zugewandt. Sein Hauptwerk wird in dieser Richtung bleiben die Orga nisation der Neserveregimenter, Brigaden, Divisionen und Korps, eine Organisation, die heute, selbst was die Spezialwaffen anlangt, nahezu vollendet ist. Die schwächste, mindestens eine der schwächsten Seiten dieser Reserveformationen ist der Mangel an Training der Mannschaften und Pferde. Das zwei- und vierbeinige Material aber schon im Frieden zu trainiren ist un möglich; das eben unterscheidet ja hauptsächlich die Reserve von den Linientruppen. Ein besonders er schwerender, die Leistungsfähigkeit der neuformirten Bataillone, Schwadronen und Batterien vermindernder Umstand liegt für die Truppen zu Fuß in der Unge wohnheit, in dem veränderten und neuen Schuhwerk zu marschiren, und für Artillerie und Kavallerie in der Schwierigkeit, sofort mit dem neuen, hart-» und spröden Sattel- und Sielenzeug die höchsten Anforde rungen an das Pferdematerial zu stellen. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, werden gegenwärtig auf dem Kriegsministerium zwei Ordonnanzen ausgearbeitet, welche nächstens in Kraft treten sollen. Die eine wird den Mannschaften der Reserve und der Territoriale vorschriftsmäßig gearbeitetes Schuhmaterial zu billigen Preisen schon im Frieden zur Verfügung stellen, in oer Hoffnung, daß diese Schuhe und Stiefel dann auch, von der ländlichen Bevölkerung wenigstens, getragen werden, und die andere giebt den Linien - Artillerie- und Kavallerie-Regimentern auf, zukünftig neben ihren eigenen Beständen an Sattel- und Riemenzeug auch das der Reseroeformationen insoweit in Gebrauch zu nehmen, daß die Kriegskammern kein ganz neues Ma terial mehr aufweisen. — Am 15. März früh 2 Uhr sand in Paris vor der gegenwärtig mit Garde republicaine belegten ehe maligen Kaserne „Lobau" eine durch eine wahrscheinlich mit Dynamit und Kugeln geladene Bombe veranlaßte Explosion statt, bei der eine sehr heftige Detonation vernommen wurde. Der Schaden beschränkte sich auf Mauerverletzungen an den Fenstern der Kaserne und der Nachbarschaft. Niemand wurde verletzt, obwohl die Räume oberhalb des zertrümmerten Fensters, wo hin die Bombe gelegt war, von Mannschaften bewohnt wurden. Eine Lunte und Kupfersplitter sind amThat- orte vorgefunden worden. Belgien.- Am 13. März Nachmittags sand das Begräbniß von 31 der Opfer des Grubenunglücks von Anderlouis in musterhafter Ordnung statt. Ueber 2000 Menschen, welche aus allen Landestheilen herbeigeströmt waren, defilirten vor den meist ge schlossenen Särgen, die vor dem Opferbecken aufge stellt waren. Das Begräbniß erfolgte wegen der Kleinheit der Kirche in drei Abtheilungen, welchen Gendarmen voraufmarschirten. Alle Särge waren völlig schmucklos; es wurden keine Leichenreden ge halten, keine Abordnung war zugegen; Blumen und Kränze fehlten. Voran wurde die Fahne des Vereins getragen, dessen Mitglieder sämmtlich Verunglückte waren. Die Gräber sind noch in der Nacht geschloffen worden, nachdem Kalkmaflen, welche die Verbrennung befördern, hineingeschüttet waren. Bis Sonntag Abend war es in den brennenden Schächte» relativ ruhig, da aber das Feuer auch die untersten Schächte ergriffen hat, wird jeden Augenblick eine neue furchtbare Kata strophe erwartet. Das ganze Bergwerk bildet einen flammenden Krater, und weiße und schwarze Rauch wolken dringen abwechselnd daraus hervor. Alle Werke und Schächte stehen unter Wasser, und doch konnte der Brand nicht gelöscht werden Rußland. In der letzten Zeit haben eine Anzahl Morde, welche von Soldaten des Garderegtments zu Pferde verübt worden sind, viel von sich reden gemacht und namentlich in militärischen Kreisen, sowie in der vornehmen Welt große Aufregung hervorgerufen. Zu erst war es der Buchhalter eines großen Handlungs hauses, welchen man ermordert auf dem Heuboden der Kaserne fand, dann ein junges Mädchen, eine englische Gouvernante, und als eine Untersuchung der Sache eingeleitet und es zweifellos festgestellt worden war, daß Soldaten des betreffenden Regiments die Verbrecher waren, da fand man allmählig noch sieben weitere Leichen, welche alle von denselben Soldaten umgebracht worden waren. Es hatte sich stets um Raubmord ge handelt, und zwar sind die Opfer desselben Personen