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„WLeiseritz.Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. 8b Pfg., zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Alle Postan- stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. Wcheritz-IMW. Amtsblatt Inserate, welch« bet de» bedeutenden Auflage des Blattes «ine sehr wirk« same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. di« Spaltenzeile oder veren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im revaltionellen Lheile, die Spaltenzeil« 20 Pfg. für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redacteur: Paul Ithne in Dippoldiswalde. Mit achtseitigem „Jllustrivten Unterhaltungsblatt." Mit land- und hauSwirthschastlicher MouatSbeilage. Nr. 38. Dienstag, den 29. März 1892. 58. Jahrgang. 77^7Mr!7»wWW«^—77^-777-177^- !H7777^ Zum Gedachtniß des Johann Amos Comenius. Heute, zum 28. März, erneut man allerwärts in pädagogischen und solchen Kreisen, die die hohe Be deutung Der Schule und ihrer Lehrer zu würdigen wissen, die Erinnerung an einen Mann, der bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts, in der verderblichen Zeit des 30 jährigen Krieges als Reformator des im Argen liegenden Erziehungsgeschäsles der Jugend aufgetreten ist und auf dem Wege zum Besseren als thatkräftiger Führer die Fahne vorangetragen hat. Wenn unter den Namen der Pädagogen jetzt ein Diesterweg, Herbert, Pestalozzi, August Hermann Franke genannt upd hoch geehrt werden, so soll nicht vergessen sein, daß die selben zum Theil auf den Schultern dessen stehen, dessen wir uns heute dankbar erinnern, der unter den schwierig sten Verhältnissen in der Neubelebung der Erziehung die nothwendige Vorbedingung zu neuem Erblühen des kirchlichen, des vaterländischen und politischen Lebens erkannt hat. Johann Amos Comenius oder Komensky ist ein Tscheche und wurde am 28. März 1592 zu Niwnitz in Mähren oder zu Komna bei Brünn, woher der Familienname Komensky, der übrigens bald in Come nius latinisirt wurde, geboren und gehörte nebst seinen Eltern der Brüdergemeinde (Hussiten) an. Erst im 16. Lebensjahre konnte der früh verwaiste Knabe eine lateinische Schule (zu Herborn in Nassau), später die Universität Heidelberg beziehen, um Theologie zu studiren. 1618 wurde er Rektor in Preran bei Olmütz, ging aber noch in demselben Jahre als Prediger und Schulleiter nach Fulnek bei Troppau. Um den nach der Schlacht am Weißen Berge über die böhmisch mährischen Brüder hereinbrechenden Leiden zu ent gehen, verließ er nebst der Mehrzahl der nichtkatholi schen Prediger Mähren und hielt sich verborgen; erst 1628 finden wir ihn nebst dem größten Theile seiner Fulneker Gemeinde zu Liffa in Polen wieder. Dort wurde er zum Bischof der zerstreuten Gemeinden der böhmisch-mährischen Brüder ernannt. In dieser Zeit entstand die köstliche Trostschrist des würdigen Bischofs: „Labyrinth der Welt und Paradies des Herzens". Aber auch als Organisator von Schulen gewann Come nius bald einen in die weite Welt gehenden Ruf, so daß er zunächst nach Schweden, 1641 nach England eingeladen wurde, das Schulwesen zu reformiren. Letzterer folgte er zunächst, konnte aber weder in dem einen, noch in dem anderen Lande viel erreichen. Von 1641—48 lebte er, schriftstellerisch thätig, in Elbing, errichtete in Saros-Patak in Ungarn eine Lateinschule, die sichtlich gedieh, was ihn jedoch über neue schmerz liche Schicksalsschläge nicht trösten konnte. Zunächst war es dec Tod seiner zweiten Gattin, sodann der abermalige Verlust seiner Bibliothek und seiner Manu skripte durch Feuer (schon in Fulnek war er abgebrannt). Nun begab sich C. zu einem seiner Gönner, einem reichen Holländer in Amsterdam, wo er Ruhe und Ehre fand bis zu seinem Tode, der am 16. November 1671 erfolgte. Es ist erstaunlich, wieviel und wie gediegene Werke der vom Schicksal in der Welt umhergeworfene C. uns hinterlassen hat. Man zählt gegen 100 von C. ver faßte Schriften, in welchen pädagogische Forderungen, die viele geneigt sind für etwas Neues zu halten, also schon vor nahezu 300 Jahren erhoben worden. Am berühmtesten und bekanntesten unter den Werken des gottbegnadeten Pädagogen ist seine »ckamin, lin- ßunrum rkkwruta", die aufgeschlossene Thüre zu den Sprachen, ferner ckiäaotion", große Unterrichts lehre und »Orbis piotun" — das berühmte Weltbilder buch, welches den Grundsatz der Anschaulichkeit des Unterrichts schon längst vor Pestalozzi gelehrt und praktisch dargestellt hat. Daß Comenius' Verdienste neidlos in Deutschland anerkannt und er, der Tscheche, von Deutschen in seiner Bedeutung gefeiert wird, ist gewiß erfreulich, wenig erfreulich ist es aber, wenn tschechische Studenten von Prag sich unterstanden haben, dem deutschen Kaiser den Dank für die in den Lehrer bildungsanstalten befohlene Feier in einem Telegramme in französischer Sprache zu übermitteln, von dem man hoffentlich hören wird, daß es entweder nicht ange nommen oder aber echt deutsch beantwortet worden ist. «Lokates und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am vergangenen Sonnabend gaben die Herren Böhme und Stammann, Besitzer der hiesigen Sächs. Holzwasren-Fabrik ihren Arbeitern ein Fabrikfest, zu welchem sich dieselben mit ihren Angehörigen, sowie auch viele Geschäftsfreunde, zahl reich eingefunden hatten. Der Tafel, die durch Trink sprüche, Vorträge und komische Szenen unterbrochen war, folgte ein flotter Ball. — Die Ausstellung der Schülerarbeiten derMüller- schule am vergangenen Sonntag war von Mitgliedern der städtischen Behörden und erfreulicherweise auch seitens der Bürgerschaft recht zahlreich besucht und fanden sämmtliche Arbeiten die gebührende Beachtung. — Es erübrigt noch, über die Vertheilung der Ehrenpreise bei der Geflügel-Ausstellung zu be richten. Es waren 3 Ehrenpreise gestiftet worden. Der erste, im Betrag von 10 Mk., gestiftet vom Ge flügelzüchterverein, war für die beste Gesammtleistung bestimmt, welche dadurch ermittelt wird, daß die erhaltenen Preise in Punkten (I. Preis —3, 2. Preis — 2, 3. Preis—1 Punkt) addirt werden. Da nun Hr. O. Lotze hier mit 15 Punkten allen übrigen Ausstellern voranstand, wurde ihm auch der erste Ehrenpreis zu theil, während Herr Leuteritz - Reinholdshain mit 13 Punktenden 2. Ehrenpreis, ein von Hrn. H. Näser ge schenktes wollenes Frauenkleid, d. h. Stoff dazu, erhielt. Der dritte Ehrenpreis, für Andalusier bestimmt, konnte wegen Mangels an geeignetem Material nicht zur Vertheilung gelangen. Was den Besuch der Aus stellung anbelangt, so war derselbe gegen frühere Jahre schwach; bei-der gestrigen Nerloosung war das Ausstellungslokal jedoch in geradezu beängstigender Weise überfüllt. (Die Gewinn-Liste befindet sich im Jnseratentheil dieser Nummer. — Dem Concert der „Sächs. Fechtschule" merkte man es an, daß es der letzte Tanzsonntag vor der stillen Osterzeit war, denn der Schiebhaussaal war bis zum letzten Platz gefüllt, und zwar meist von jungen tanzlustigen Leuten. Das Programm wurde in beiden Theilen durch Orchestersätze eingeleitet, denen humoristische Szenen folgten. Besonderes Gefallen fand das „Exerzieren in der Kaserne" mit seinen Ka- sernenhofblüthen. Der zweite Theil brachte auch die hier allgemein beliebten Zithervorträge auf 4 Instru menten. Die Hauptnummern bildeten „Alles durch den Fechtorden" und „Eine gründliche Kur", zwei recht hübsche Einakter, die auch recht lebhaft und spaßig aufgesührt wurden. Wie aber schon angedeutet, sand der hierauffolgende Ball so starke Betheiligung, daß die Paare ost einen geschlossenen Ning bildeten. Viele aber athmen frei auf, daß die Vergnügungszeit endlich ihr Ende erreich', hat. — Nächsten Dienstag Nachts verkehrt bekanntlich ein Theaterextrazug von Hainsberg nach Kips dorf. — Im Altstädter Hoftheater wird an diesem Abende die Oper „Aida", im Neustädter dagegen das Trauerspiel „Hamlet", Anfang ch»7 Uhr, gegeben werden. — Herr Ober-Steuer-Kontroleur Erbe wird vom I. April in gleicher Eigenschaft nach Plauen i. Vogtl. versetzt. K Glashütte. Für gestern, Sonnabends war von Dohna ein Trupp Zigeuner signalisirt worden, der auch Nachmittags 5 Uhr unter Gendarmerie-Begleitung hier ankam und auf dem Schießplan sein Lager auf schlug. Es waren anscheinend 5 Familien mit gegen 30 Köpfen, die ihre 5 Zelte schnell ausschlugen und nicht nur die Nacht, sondern auch noch den Sonntag über hier blieben. Um das Lager der braunen Ge stalten war gar bald ein gröberer Zuschauerkreis ver sammelt, Jungdeutschland selbstverständlich am stärksten vertreten, und es war wirklich interessant, das Leben und Treiben dieser im Scheine der Lagerfeuer so un heimlich aussehenden Gesellschaft kennen zu lernen. Auch am Sonntag hatte sich viel Publikum eingefunden. Die Zigeuner stammen angeblich aus Greifenberg, sind also deutsche Landeskinder. Von Belästigungen der Einwohner, wie Betteln u. dergl. hat man nichts gehört, vielmehr gingen sie eifrig ihrer Profession, dem Keflelflicken, nach. Hänichen. Vom Gemeinde-Vorstand Graf in Bannewitz ist eine Versammlung auf Mittwoch, den 30. März, Abends 6 Uhr, nach der goldenen Höhe einberufen worden, um über eine Eisenbahnlinie Strehlen-Reick über Nöthnitz, Bannewitz, Possendorf nach Kreischa und weiter Dippoldiswalde, Frauenstein und Landesgrenze zu berathen. Dresden. In der Sitzung der Zweiten Kammer am 25. März ließ dieselbe zunächst eine Petition des Rechtsanwalts Thiemer in Zittau um Ertheilung der ExpropriationSbesugniß zut Erbauung einer Eisenbahn Johnsdorf - Landesgrenze, dem Antrag der Finanzdeputation 8 entsprechend, auf sich beruhen, bewilligte auf Antrag der Finanzdepu tation L Kapitel 105 und 106 des Staatshaushalts etats, Reichstagswahlen und Vertretung Sachsens im Bundesrath betreffend, nach der Vorlage und ertheilte auf Antrag derselben Deputation dem Gesetzentwürfe über Aufnahme einer dreiprozentigen Rentenanleihe mit den von der Deputation beantragten Aenderungen, daß außer den in der Vorlage bezeichneten Abschnitten auch solche im Nennwerth von 100 Mk. auSgeferiigt werden sollen, ihre Zustimmung. Eine längere Debatte schloß sich an den Bericht der Gesetzgebungsdeputation über das Königliche Dekret Nr. 15, den Separatfonds für das Eisenhüttenwesen betr. Die Anträge der De putation liefen darauf hinaus, daß statt der von den Besitzern der Hammerwerke Erla und Schönheide an gebotenen Vergleichsummen von 145,527 Mk. 27 Pf. eine soche von 150,000 M. und obendrein die Ver zinsung dieser Summe bez. dec jeweiligen Schuldreste vom 1. Juli 1892 an gefordert werden soll. Abg. Wehner beantragte die Erhöhung der Vergleichssnmme auf 180,000 M. Die Abgg. v. Oehlschlägel, Klemm und Opitz empfahlen dagegen die Annahme des von den Hammerwersbesitzern gemachten Vergleichsvor schlages, um die heikle Angelegenheit aus der Welt zu schaffen, welcher Empfehlung sich Staatsminister von Metzsch anschloß. Beide Anträge wurden gegen 11 bez. 24 Stimmen abgelehnt, worauf der Deputations antrag zur Annahme gelangte. — Neueren Bestimmungen zufolge erfolgt der Schluß des Landtages erst Montag, den 4. April. — Aus Anlaß eines neuerdings vorgekommenen Falles, wo ein Geistlicher wegen einer Rede am Grabe eines Trinkers, die er vergeblich abzulehnen versucht hatte, öffentlich angegriffen worden war, hat, wie das „Sächs. Kirchen- und Schulblatt" mittheilt, das evangelisch-lutherische Landeskonsistorium den nicht nur für die Geistlichen, sondern auch für weitere Kreise bemerkenswerthen Bescheid ertheilt, „daß cs vom Gesichtspunkte der Kirchenzucht und der Seelsorge aus nicht für ausgeschlossen erachtet, daß die Geistlichen in Fällen, wie dem vorliegenden, das Halten einer Grabrede, auch wenn dieselbe von den Hinterlassenen ausdrücklich begehrt wird, nach ihrem seelsorgerlichen Ermessen ablehnen und bei dem kirchlichen Beerdigungs akte auf die Anwendung der in der Agende darge botenen Formulare sich beschränken."