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1036 Belgien. Die Regierungskreise halten Tagesgeschichle. Berlin. Die Eröffnung des preußischen Land tages soll am 14. Januar erfolgen. — Bekanntlich hat der Reichskanzler Graf Caprivi in seiner Rede vom 27. November bemerkt, daß hin sichtlich der TruppenanHäufungen an der West grenze Rußlands ost unnöthige Beunruhigung Platz greise, und schließlich vorgeschlagen, man möge sich eines Zirkels und einer Garnisonkarte-bedienen, um sich daooy zu überzeugen, daß auf einem Raume von I Theil der Vereinsthaler in Silberbarren umschmelzen. 300 Kilometer zu beiden Seiten der Grenze diesseits mehr Armeecorps lägen als jenseits. Die „Köln. Ztg." hat diesem Vorschläge entsprochen und ist daher zu folgenden Ergebnissen gelangt: In Deutschland kommen bet der Annahme von 300 Kilometer Grenzgebiet zur Berechnung: das Gardecorps (mit Au-nahme eines Infanterieregiments), das 1., 5., 6., 17. Armeecorps, größtentheils auch das 3., 3., 12. ArmeecorpS. Deren Stärke beträgt, wie man auS der Rangliste entnehmen kann: 190 Bataillone Fußtruppen, 136 Schwadronen, 154 Batterien. In die Fußtruppen sind Eisenbahn- und Pionierbataillone eingerechnet. Auf österreichisch ungarischer Seite liegen in jenem Grenzgebiete unge fähr: 136 Bataillone, 96 Schwadronen, 98 Batterien. Die deutschen und die österreichisch-ungarischen Grenz truppen betragen daher zusammen: 326 Bataillone, 232 Schwadronen, 252 Batterien. Dagegen zählt Rußland auf dem entsprechenden Raume: 471 Ba taillone. 300 Schwadronen, 175 Batterien. Es hat somit 145 Bataillone und 68 Schwadronen mehr, 77 Batterien weniger. Diese geringere Stärke der Ar tillerie ist jedoch nur scheinbar, denn die Minderzahl der Batterien gleicht sich durch die größere Geschütz stärke der russischen Batterien (8 Geschütze bei den fah renden Batterien) aus. Es befindet sich somit selbst in dem für Rußland so günstig abgemessenen Grenz gebiete von 300 Kilometer Halbmesser eine ganz be deutende russische Uebermacht. Wäre der Grenzstreifen schmäler gezogen, so würde dieselbe noch viel mehr zu Tage treten. — Das Kriegsministerium hat die Absicht, für Soldaten, welche bei Erstürmung der Düppeler Schanzen invalide geworden sind, Geldgeschenke zu verleihen. Es finden deshalb durch die Landräthe Feststellungen statt. — Das Centrum bereitet sich vor, seine Rechnung für die Leistungen bei Annahme der Handelsverträge zu überreichen. Die „Germania" hat nämlich aus gerechnet, daß der schon im Dezember 1890 einge brachte Antrag Windthorst wegen Aufhebung des Je suitengesetzes etwa im nächsten Februar auf die Tagesordnung des Reichstages kommen werde. An Stelle des inzwischen verstorbenen Windthorst werde Graf Ballestrem den Antrag in erster Linie vertreten. Das Gesetz, welches Niederlassungen des Jesuiten ordens in Deutschland untersagt, ist bekanntlich das letzte Ausnahmegesetz aus der Zeit des Kulturkampfs, welches gegenwärtig noch in Kraft ist. Die „Ger mania" leitet den Kampf um das Gesetz ein, indem sie dasselbe als Jesuitenverbannungsgesetz qualifizirt und als eine Beleidigung der katholischen Kirche dar stellt, welche nur durch die Rückberufung der Jesuiten, deren Hilfe in dem Kampf gegen die Umsturzmächte unserer Zeit unentbehrlich sei, gesühnt werden könne. Man wird mit berechtigter Spannung der Haltung entgegensehen, welche die Reichsregierung diesem An trag gegenüber einnehmen wird. Im Reichstag geben bei der Entscheidung über den Antrag die Stimmen der freisinnigen Partei den Ausschlag. Was im Falle der Annahme des Antrages der Bundesrath beschließen wird, muß dahingestellt bleiben. Oesterreich. Das österreichische Ministerium zählt nunmehr zehn Minister. So viel Minister, schreibt die „N. Fr. Pr.", hat man seit der Aera des Dualismus nicht auf der Regierungsbank beisammen gesehen. Man muß in die vordualistische Zeit, bis weit in die Aera der ungarischen und kroatischen Hof kanzleien zurückgehen, wo die Negierung eine gleich starke Besetzung der Ministerbank aufwies. Seit das Reich getheilt und jenseits der Leitha eine eigene Mi nisterbank mit neun Ministern etablirt wurde, zählte auch Cisleithamen, den böhmischen und galizischen Landsmannminister eingerechnet, neun Minister. — Vor Kurzem waren die Vertreter der öster reichisch-ungarischen Regierung für die Verhandlung Über die Einziehung der österreichischen Vereins- thaler abermals in Berlin, sind aber bereits wieder nach Wien und Pest zurückgereist. Ueber das Ergebniß der Besprechung hat die „N. Fr. Pr." Folgendes (in Erfahrung gebracht: Die österreichisch-ungarische Mo narchie ist bereit, für einen Theil der Vereinsthaler die Werthdifferenz auf sich zu nehmen. Die Gesammt- summe der in Deutschland befindlichen Vereinsthaler wird von der deutschen Negierung mit 75,000,000 M. beziffert. Es ist noch nicht gewiß,, wie hoch der Theil ist, für den die Monarchie die Werthdifferenz an Deutschland zahlen möchte. Es dürfte sich etwa um ein Drittel, also um beiläufig 25,000,000 M. handeln. In diesem Falle würde Oesterreich-Ungarn diese Ver einsthaler im Betrage von 25,000,000 M. mit einer fixen Einlösungssumme, welche eine Entschädigung von etwa 3,500,000 M. enthalten würde, von Deutsch land beziehen. Die deutsche Reichsbank würde diese Vereinsthaler in mehrjährigen Raten an die öster reichisch-ungarische Bank abliefern. Die deutsche Reichs bank dagegen würde den in Deutschland verbleibenden Kirchen-Rachrichten von Dippoldiswalde. Donnerstag, den 31. Dezember. Abends 6 Uhr Sylvester- ' feier. Die Predigt (Tert: Luc. 13, 6—9) hält Herr Diak. Büchting. Kirchenmusik: Der 121. Psalm für gemischten Chor von B. Hellriegel. Nenjahrstag (1. Januar). Vorm. 8 Uhr Beichte und heil. Abendmahl. Die Beichtrcde hält Herr Diak. Büchting. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst (Tert: Matth. 16 , 24 —26). Die Predigt hält Herr Suv. Meier. Nachm. 2 Uhr Neujahrsandacht: Herr Diak. Büchting. Dezember aus 38 verschiedenen Stiftungen an Raths stelle 3391 M. 80 Pf. an 449 hiesige bedürftige Per sonen ausgezahlt, ein Weihnachtsgeschenk, welches mit innigem Dank gegen die meist längst dahingeschiedenen Wohlthäter in Empfang genommen wurde. Außerdem gelangten im Laufe dieses Jahres aus ungefähr 40 Stiftungen über 2900 M. für Armenspenden, Stipen dien, Echulprämien, Freistellen im Krankenhause rc. zur Auszahlung. Daß aber auch die neuere Generation vom WohlthätizkeitStrieb beseelt ist, dafür legen die reichen Gaben Zeugniß ab, welche zur Weihnachtszeit hier von Vereinen und einzelnen Familien zur Ver- theilung kommen. Zwickau. Dem Vernehmen nach soll mit der im Juni 1892 hier staltfindenden Hauptversammlung der zur Sächsischen Wettin - Stiftung gehörigen Schützen vereine ein größeres Schießen abgehalten werden. Markneukirchen. Die hier bestehende Fachschule für Instrumentenmacher hatte im letzten Schuljahre 174 Schüler, nämlich 117 Vorschüler und 57 Fach schüler, welch' letztere in 3 Klassen unterrichtet wurden. Der Unterricht erstreckt sich auf Deutsch, Rechnen, ge werbliche Buchführung, Projektionszeichnen, Mechanik, Akustik, Geschichte des Instrumentenbauer und auf praktische Anleitung zum Spielen verschiedener In strumente. Eine Lehrwerkstätte für Geigenmacher ist schon längst geplant, konnte aber bis jetzt noch nicht verwirklicht werden. Welche erhebliche Opfer sowohl die Regierung, wie die Stadt für diese Fachschule bringt, geht daraus hervor, daß die Staatskasse 1800, die Stadtkasse 2000 M. Zuschuß zahlte; außerdem ge währte die Kaffe der vogtländischen Kreisstände 400 und der hiesige Gewerbeverein 50 M., während das Schulgeld (12, bez. 24 M. für jeden Schüler) nur eine Einnahme von 1672 M. ergab. Die Fachschule ist für die Jnstrumentenfabrikation des oberen Vogt- ' landeS von allergrößter Wichtigkeit. Eine solche be steht auch in Klingenthal, die etwa 100 Schüler zählt und auch 1600 M. Staatszuschuß erhält. Adorf. Ein recht trauriger Verunglückungsfall, um so trauriger, als der Verunglückte neun unver sorgte Kinder hinterläßt, ereignete sich in diesen Tagen bei der großen Kälte, indem der hier wohnende Blas instrumentenarbeiter Karl Stark auf freiem Felde er froren aufgefunden wurde, nachdem er schon einige Tage vom Hause weg gewesen war. Hartha. In der Nacht vom 2. bis 3. Feiertage kam eS in Grünbergs Gasthofe in Flemmingen zu einer blutigen Schlägerei. Einem Soldaten der Leisniger Garnison ist hierbei mit dessen Seitengewehr das Ge sicht zerstochen, eine Civilperson arg am Kopfe ver wundet worden. Eine Anzahl Anderer ist mit leichteren Verletzungen davon gekommen. Riesa. Eine Erneuerung unseres RathHaus- saaleS hat sich längst fühlbar gemacht und ist von beiden Kollegien anerkannt und beschlossen worden. Das Stadtverordneten-Kollegium hat dem Stadtrathe unter Bewilligung der erforderlichen Mittel die ent sprechende Ausführung überlassen. Wurzen. Ein hiesiger Handarbeiter mußte dieser Tage seine einzige alte Kuh schlachten, die seit 14 Tagen nicht mehr recht fressen wollte. Da die Flei scher für das Thier nur 60 Mark geben wollten, schlachtete er sie selber. Im Magen derselben fand man außer einer großen Anzahl Nägel 7 Stück 20- Mark- und 3 Stück 10-Markstücke, außerdem ver schiedene einzelne Markstücke und zwei kleine Schlüssel. Möglicherweise hat die Kuh einen Beutel mit dem In halt gefressen. Der Mann ist nun in der Lage, sich eine Kuh gegen Baar wieder kaufen zu können, denn wettn! auch die Goldstücke stark abgenutzt scheinen, sind sie dock ausgabefähig. Leipzig. Die einverleibte Gemeinde Plagwitz hatte vor dem Anschluß die Zinsen für eine von der Ktrchengemeinde aufgenommene Anleihe mit in den Haushaltplan der Gemeinde eingesetzt. Das wurde vom Stadtrath für unzulässig gehalten, weil dadurch der Allgemeinheit ein Theil der Steuer, welche die Kirchen gemeinde Plagwitz zu bezahlen hätte, mit ausgebürdet wurde. Es hatte sich darüber ein unangenehmer Streit erhoben, der nunmehr dadurch gütlich beigelegt wird, daß der Kirchengemeinde Plagwitz nachträglich aus städtischen Mitteln 50,000 M. zum Kirchenbau be willigt werden. Dadurch wird auch die Kirchensteuer für Plagwitz nicht so hoch, wie man befürchtet hatte. Belgien. Die Regierungskreise halten die An nahme des deutsch-belgischen Handelsvertrages für nicht verbürgt; der Ministerrath beschloß die Ka- binetSfrage zu stellen. Schweiz. Frau vr. jur. Kempin, .'geborene Spyri von Zürich, welche kürzlich die voni» siogvnäi als Privatdozentin an der juristischen Fakultät der Züricher Hochschule erhalten hatte, wandte sich an den Züricher KantonSrath mit dem Gesuch, sie zum Anwaltsberuf zuzulaffen; der KantonSrath aber hat das Gesuch ab gewiesen. Rußland. Wie sehr der Nothstand auch auf die Lage des Staatshaushalts einwirkt, davon giebt die Mittheilung eines russischen Blattes Kunde, das den Ausfall in den Steuereingängen der Provinz Woro nesch in den letzten Monaten behandelt. Darnach wurden im September nur 614,484 Rubel, oder 670,704 Rubel weniger als im September 1890, im Oktober 1891 nur 521,361 Rubel, das heißt 795,702 Rubel weniger als im Vorjahre, eingezahlt. Der Steuerausfall in der Zeit vom 1. Januar bis I. No vember beträgt gegen das Vorjahr allein in dieser Pro vinz Woronesch 1,558,497 Rubel. Sehr bedenklich ge stalten sich auch die Zustände in Finnland. Dort liegt der Handel schon im Allgemeinen sehr darnieder; dazu kommt außer dem Nothstand in Rußland noch eine be sondere Mißernte in den nördlichsten und östlichsten Theilen Finnlands. Vielfach herrscht Mangel an Brodkorn, der Geldwerth steigt, die Arbeitslöhne sinken stark, eine große Geldknappheit macht sich geltend und die Banken schränken die bisher gewährten Kredite empfindlich ein; kurz, die Zustände sind derart, daß die deutschen Kaufleute, welche nach Finnland Handel treiben, sehr wohl thun, mit großer Vorsicht, namentlich bei der Anknüpfung neuer Geschäftsverbindungen, zu verfahren. England. Im Theater Royal in Gateshead ent stand am Sonnabend während der Vorstellung der Pantomime „Aladin oder die Wunderlampe" durch falschen Feuerlärm eine Panik, durch die 9 Kinder, sowie ein Billeteinnehmer, welcher der Panik zu steuern suchte, todtgetreten oder erdrückt wurden. Eine Menge von Personen ward verletzt. Im Parquet starb ein Kind vor Schreck. — Ein dem Staats-Sekretär von Indien über mitteltes Telegramm aus Gilgit meldet die Einnahme des Forts Stilt durch hundert Mann der in Kaschmir liegenden Regimenter: die Feinde verloren 70 Tobte, außerdem befanden sich auf ihrer Seite viele Ver- wunoete, sowie 118 Gefangene. Die Engländer, welche 4 Mann verloren, nahmen ferner noch Mayun, Gul- mit, Pisan und Jafar ein. Der Khan von Nagar soll sich auch unterworfen haben. England. Nach dem militärischen Jahresberichte für 1890 hatte die englische Armee im vorigen Jahre eine Stärke von 209,221 Mann, nämlich 7527 Offi ziere, 829 Portepeeunterosftziere und 200,865 Unter offiziere und Gemeine. Die Kavallerie zählt 18,846, die Artillerie 35,379, das Jngenieurcorps 7208 und d'e Infanterie (mit Trainpersonal und Zeughausmann- schast) 147,788 Mann. Jetzt zählt die Infanterie 68 Regimenter zu je 2 Bataillonen, 2 Jägerbrigaden zu je 4 Bataillonen, im Ganzen 148 Bataillone, darunter 7 Bataillone Gardetruppen. Die Kavallerie zählt 3 Re gimenter Leibgarde, 10 Dragonerregimenter (darunter 7 Garderegimenter), 13 Husaren- und 5 Ulanenregi menter, zusammen 31 Regimenter. Die Artillerie be steht aus 20 reitenden, 80 Feld- und 10 Bergbatterien, zusammen 110 Batterien und 72 Kompagnien Garnison- (Festungs-) Artillerie. Das Jngenieurcorps umfaßt 45 uipagnien und 9 Depotkompagnien. Außer diesen giebt es noch 1 Bataillon Pontontruppen, 2 Telephon- abtheilungen und 1 Lustschifferabtheilung. Der Train zählt 37 Kompagnien. Von dieser Armee garnisoniren gegenwärtig 75,153 Mann in England, 3949 Mann in Schottland und 26,566 in Irland, die übrigen 103,553 befinden sich in den Kolonien, davon 72,698 Mann in Indien und 30,855 in Egypten. Schweden. Dem Kronprinzen ist während der Krankheit des Königs die Regentschaft übertragen worden. Brasilien. Einer Meldung aus Rio de Janeiro zufolge ist in der Provinz Desterro ein Auf st and, der die Absetzung des Gouverneurs bezweckt, ausge brochen.