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Mr „Weiseritz. Zeitung" erscheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich I M. 25 Pfg., zweimonatlich 8t Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1v Pfg. - Alle Postan flalten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be stellungen an. Mchmtz-IeitW. Amtsblatt Inserate, welche vei de» bedeutenden Auslage dei Blattes eine sehr wirk same Verbreitung finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Enme- sandt, »m redaktionelle« Theile, die Spaltenzeil» 20 Pfg. für die Königliche KmLshaupLmannschafL Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein Verantwortlicher Redactmr: Paul Ikhne in Dippoldiswalde. Mit achtseitigem „Jttustrirten Unterhaltungsblatt." Mit land- «nd hauSwirthschastlicher Monatsbeilage. Insmtk siir die „Wchmh-Kitsog" ^7, an: in Dippoldiswalde: die Expedition, — in Altenberg: Buchdindermstr. Schütze, — in Arauenstein: Nadlermstr. Hardt« — in Glashütte: Buchdindermstr. Schubert, —in Kreischa: Buchbinder Berger, — in Potschappel: Kaufmann Theu erkauf. Nr. 145. Dienstag, dm 8. Dezember 1891. 57. Jahrgang. Der mitteleuropäische Zollbund. Für die nächsten Tage ist im Reichstage die Vor legung der von Deutschland mit Oesterreich-Ungarn, Italien, Belgien und der Schweiz abgeschlossenen Handels- und Zollverträge angekündigt und erst mit der alsdann zu gewärtigenden Veröffentlichung des Inhalts der gedachten Dokuments wird sich die Be deutung und Tragweite dieser handelspolitischen Ab machungen vollständig beurtheilen lassen. Aber es steht schon jetzt fest, daß man es hierin unter allen Umständen mit einer bedeutsamen Aktion zu thun hat, denn die zwischen dem Deutschen Reiche und den ge nannten Staaten abgeschlossenen Verträge, denen gleiche Abkommen zwischen Oesterreich-Ungarn, Italien, der Schweiz und Belgien parallel laufen, schaffen in Mitteleuropa ein großes wirthschaftlich geeinigtes Ge- biel, welches an sich schon außerordentlich konsum- und produktionsfähig ist und das nunmehr durch die Ver träge ein vergrößertes Schwergewicht für den ge- sammten Welttheil erhalten wird. Daß ein solches mitteleuropäische Zollbündniß ungeachtet der vielen zu überwindenden Schwierigkeiten zu Stande kommen konnte, ist zu einem wesentlichen Theile mit auf Rech nung der in Frankreich zum Durchbruch gekommenen extremen schutzzöllnerischen Strömung zu setzen, welche schließlich zu dem neuen, zur Zeit der Berathung seitens des Senates unterliegenden, französischen Zolltarife führte. Derselbe bildet mit seinen gewaltigen Zoll erhöhungen eine schwere Bedrohung der wirthschaft- lichen Interessen zunächst der Nachbarstaaten Frank reichs, und es kann daher nicht Wunder nehmen, wenn sich dieselben auf handelspolitischem Gebiete nunmehr enger zusammenschließen und vereint den Bestrebungen der französischen Schutzzöllne^ die Spitze bieten. Die öffentliche Meinung in Deutschland ist den neuen Handelsverträgen längst günstig gesinnt, und es unter liegt keinem Zweifel, daß auch der Reichstag in seiner Mehrheit dieselben gutheißen und annehmen wird. Freilich dürfte es hierbei nicht ohne scharfe und leb hafte Debatten abgehen, denn die Handelsverträge haben auch ihre offenkundigen Gegner in den Reihen der deutschen Volksvertretung, welche diesen internatio nalen Abmachungen theils aus wirthschastlichen, theils aus politischen Gründen unfreundlich gegenüber stehen. Sicherlich werden die Gegner der Handelsverträge nichts unversucht lassen, um dieselben als den Ausfluß einer bedenklichen, ja verkehrten Politik hinzustellen und falls Fürst Bismarck wirklich noch im Reichstage erscheinen sollte, um seinen schon durch die „Hamb. Nachr." bekannt gewordenen ablehnenden Standpunkt in Sachen der neuen Handelsverträge des Näheren darzulegen, so würde der Ansturm auf die Verträge in der Person des Altreichskanzlers allerdings einen mächtigen Stützpunkt erhalten, aber selbst das Ein greifen eines Bismarck in die bevorstehenden zoll- und handelspolitischen Debatten des Reichstages würde das Schicksal der Verträge schwerlich gefährden, die Ueber- zeugung von ihrer Nützlichkeit und Nothwendigkeit ist im Reichstage eine so überwiegende, daß man ihre Annahme trotz aller zu erwartenden Angriffe bereits jetzt als feststehend betrachten kann. Ist es doch nur durch Handelsverträge, welche, wie die genannten, nach dem Prinzipe gegenseitigen Entgegenkommens ver einbart wurden, möglich, einerseits die schwierige wirth- schaftliche Lage auf dem Weltmärkte zu lindern und andererseits die vereinten Kampfmittel gegen die über alles Maß und Ziel hinausschießenden Schutzzölle Frankreichs und Amerikas zu finden. Für den zoll politischen Zusammenschluß der mitteleuropäischen Staaten spricht neben der extremen Schutzpolitik Frank reichs auch die gleiche Richtung der Bereinigten Staaten von Nordamerika, wie sie in der berüchtigten Mac Kinley-Bill so grell zum Ausdruck gelangt ist. Man prophezeit zwar von manchen Seiten den baldigen Zusammenbruch des von der Mac Kinley-Bill reprä- senlirten Systems, mit solchen Prophezeihungen ist es indessen immer eine unsichere Sache und jedenfalls kann heute und morgen noch nicht an eine durch greifende Wendung in der schutzzöllnerischen Richtung der nordamerikanischen Union gedacht werden. Die Theilnehmer an der mitteleuropäischen Zollunion rechnen sehr richtig mit den einstweilen in der großen trans atlantischen Republik nun einmal gegebenen Verhält nissen, welche eine scharfe Abwehr der zollpolitischen Maßnahmen Nordamerikas seitens Europas bedingen und vielleicht werden die Iankees in dieser Beziehung durch die Bildung einer einflußreichen mitteleuropäi schen Zoll- und Handelsliga gerade am ersten zur Umkehr auf dem betretenen Wege genöthigt. Ueber den Stand der auch zwischen Deutschland und Spa nien, sowie zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien eingeleiteten Handelsvertrags-Unterhandlungen liegen zur Zeit noch keine authentischen Nachrichten vor. In dessen ist wohl nicht zu zweifeln, daß diese Verhand lungen ebenfalls zu einem günstigen Ergebnisse führen werden und daß alsdann auch der Anschluß Spa niens und Serbiens an die mitteleuropäische Zollliga zu erwarten steht. Lokales «nd Sächsisches. Dippoldiswalde. Manchem unserer Leser dürste eine in vielen Schulbüchern enthaltene liebliche Er zählung, die den Vorzug hat, vollständig wahr zu sein, durch folgende kurze Mittheilung in Erinnerung kom men. Bei einem Volksfeste im Wiener Prater saß ein Invalide, auf einer nicht ganz schlechten Geige spielend, bettelnd am Weg, während ein neben ihm sitzender Pudel seinen Hut im Maule hielt, um etwaige Almosen darin aufzunehmen. Niemand achtete auf den Armen und sein Fiedeln, und immer trauriger blickte er drein. Plötzlich trat ein Herr an ihn heran und erbat sich in gebrochenem Deutsch die Violine. Ahnungsvoll reichte sie ihm der Bettler, und der fremde Herr stimmte und fing an zu spielen. Was waren das für Töne? Alles wurde aufmerksam. Wie war es möglich, aus diesem Instrumente solch' herrliche Melodien hervor zuzaubern? Immer mehr Zuhörer schaarten sich um den unbekannten Künstler, und Alle waren tief er griffen. Bald verstand man auch seine Absicht. Der Hut füllte sich erstaunlich rasch mit allerlei Münzen, so daß ihn der Invalide leeren mußte, und bald war er von Neuem gefüllt. Endlich leitete der Künstler in die Melodie über: Gott erhalte Franz, den Kaiser — da stimmten Alle begeistert ein. Nun gab der Fremde die Geige zurück und verschwand, ehe der hocherfreute Invalide ein Wort des Dankes stammeln konnte. Wer war das? frug sich die erstaunte Menge. Da rief Einer: Ich kenne ihn, das war der berühmte Geigen künstler Alexander Boucher aus Paris, der seit einigen Tagen als Gast in Wien weilt! — Boucher, Boucher! erklang es nun aus Aller Munde, aber nirgends war er zu sehen. Noch einmal ward für den Invaliden gesammelt, und Alle riesen: Boucher hoch! — Der Invalide aber faltete seine Hände und betete: Herr, lohne es ihm reichlich! — Zwei Enkelkinder dieses edlen Künstlers werden heute Dienstag bei uns concertiren (s. Inserat). — Ganz im Stillen wirkt der Wohlthätigkeitsver- ein „Sächs. Fechtschule". Ueber 100 M. sind im vorigen Jahre von dem Verband Dippoldiswalde an Arme unserer Stadt vertheilt worden. Dazu ist es noch bezüglich der Steuern der billigste Verein. Schon für 50 Pf. jährlichen Beitrag kann man sich die Mit gliedschaft erwerben, wofür man noch in Dresden ver schiedene Vergünstigungen genießt. Den größten Theil seiner Mittel erwirbt sich der Verein durch Veranstal tungen von Concerten. Ein solches fand auch Sonntag, den 6. d. M., in der Reichskrone statt, daS durch seinen zahlreichen Besuch der Kaffe des Vereins wieder die erwünschten Mittel zufließen ließ. Außer einigen ernsten Männerchören, vorgetragen vom Männergesangverein, bestand das Programm aus Jnstrumentalsätzen, Prolog, humoristischen Soloscenen und einem allgemeinen Fecht gesang, welcher Gelegenheit gab, auf den Protektor des Vereins, Se. Kgl. Hoheit Prinz Friedrich August und seine hohe Gemahlin ein Hoch auszubringen. Außerdem wurden zwei Lustspiele recht flott aufgeführt. — Auf die Entdeckung eines in der Nacht vom 28. auf den 29. November an der Malter-Dippoldis- waldaer Straße verübten Baumfrevels ist eine Be lohnung von 20 Mark gesetzt worden. — Der nächste Theaterextrazug wird voraus sichtlich Mittwoch, den 16. Dezember, von Hainsberg nach Kipsdorf abgelaffen werden. 4 Poffendorf. Der hiesige Frauenverein ver anstaltet auch dieses Jahr, am 3. Weihnachtsfeiertage, für Bedürftige unseres Ortes, 15 Erwachsene und 10 Kinder, eine Christbescheerung. — Bei hiesiger Tages Verpflegung für arme Reisende wurden im Monat November 146 Marken zu 20 Pfg. von der Verwaltung ausgegeben. — Die furchtbare DiphtheritiS hat abermals ein Opfer gefordert, und zwar hat es die Familie deS Windmühlenbesitzers Lorenz hier betroffen. Dresden. Die Zweite Kammer überwies am 4. Dezember in kurzer Sitzung den Bericht über die Verwaltung und Vermehrung der kgl. Sammlungen für Kunst und Wissenschaft in den Jahren 1888 und 1889 nach kurzer Debatte an die Rechenschaftsdeputa tion und ließ sodann mehrere Petitionen auf sich be ruhen. — Ueber die Perronsperre auf den sächsischen Bahnhöfen wird dem Landtage eine Vorlage von der Regierung zugehen. Es würden nach Einführung der Perronsperre nur diejenigen Personen den Bahnsteig betreten dürfen, die sich im Besitz einer Fahrkarte be finden, und zwar wird dann dieselbe beim Betreten des Perrons koupirt, so daß in Zukunft die Schaffner diese Arbeit nicht mehr während der Fahrt auf den Trittbrettern vorzunehmen brauchen. Außer den mit Fahrkarten Versehenen dürfen dann nur solche Per sonen den Bahnsteig betreten, die sich eine Perronkarte gelöst haben. — Die Sozialdemokraten sollen beabsichtigen, im sächsischen Landtage die Abschaffung aller Staats leistungen für kirchliche Zwecke zu beantragen. — Am Sonntag Nachmittag in der 2. Stunde entstand infolge noch unaufgeklärter Umstände in der Blindenanstalt ein Schadenfeuer, durch das der Dachstuhl des östlichen Flügels niederbrannte. Die Blinden waren rechtzeitig aus dem Gebäude entfernt worden, so daß ein Verlust von Menschenleben nicht eingetreten ist. — Die königl. Proviantämter der sächsischen Armee zu Dresden, Leipzig, Oschatz, Grimma, Geit hain und Borna haben Auftrag erhalten, von nun an auch Weizen zu dem Behufs der Brodbereitung aus > Roggen- und Weizenmehl anzukaufen. Auf Beschluß der kgl. Armeeintendantur soll diese Weizen beschaffung in erster Linie den inländischen Produzen ten zugute kommen, weshalb Interessenten auf die dargebotene neue Verkaufsgelegenheit für Weizen durch den landwirthschastlichen Kreisverein hingewiesen wer den, mit dem Bemerken, daß das Mindestgewicht liefer-