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717 schreihung gelange. Das Ministerium erkennt das Mißliche des Ausfalles wohl an, vermag aber aus prinzipiellen Gründen dem Gesuche der Stadt nicht nachzukommen. Schellenberg. Am vorigen Sonntag fand in Eppendorf abermals eine Versammlung von Inter essenten der die hiesige Gegend so aufregenden Mor- genstern'schen Erbschaft statt. Wie nunmehr festgestellt ist, soll der Erblasser, Johann Christoph Morgenstern, im vorigen Jahrhundert in Eppendorf geboren, von da ausgewandert und als sehr reicher Schiffskapitän zu Batavia gestorben sein. Tagesgeschichte. Berlin. Hirsch's Telegraphen-Bureau bringt die überraschende Meldung, daß in Berlin gerüchtweise verlautet, Fürst Bismarck werde demnächst eine große Genugthuung erhalten und eine vollständige Aussöhnung stehe bevor. — Die Bestätigung dieser Nachricht bleibt abzuwarten. — Der Kaiser wird in der nächsten Woche sich zu den Jagden nach Ostpreußen begeben. Die dies jährigen Jagdreisen des Kaisers werden sich nicht aus das Ausland erstrecken. Die Nachricht, daß der Kaiser eine Einladung des Herzogs von Koburg zu den Jagden in Tyrol angenommen habe, ist unbegründer. — Die Veröffentlichung des Trunksuchtsgesetzes mit dem Augenblick, wo dasselbe dem Bunoesrathe zu gegangen war, verfolgte die Absicht, den Entwurf mög lichst sofort nach dem Zusammentritt des Reichstages dem letzteren zu unterbreiten. Heute verlautet mit Bestimmtheit, datz der Entwurf jedenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt der Tagung des Reichstages zu gehen wird. Vielfach ist die Angabe verbreitet, daß die Regierung an eine völlige Umarbeitung der Vor lage denke. — Die zuerst aus privater Quelle stammenden Nachrichten über eine empfindliche Niederlage der deut schen Schutztruppe in Ostasrika haben leider ihre Bestätigung durch eine bezügliche offizielle Mittheilung des Auswärtigen Amtes in Berlin gefunden. Die unter Lieutenant Zelewski zur Züchtigung der räube rischen Wahehe abgesandte Expedition ist hiernach am Morgen des 17. August in Uheha, südlich vom Ruhaba- Flufle von den Wahehe überfallen und vollständig zer sprengt worden. Von weißen Mitgliedern der Ex pedition werden vermißt die Offiziere v. Zelewski, v. Zitzewitz, Pirch, vr. Duschow, sowie die Unteroffiziere Herrich I, Tiderwitz, Schmidt, Engelhaupt, Hemprich. Wohlbehalten sind die Offiziere v. Tettenborn und Heydebreck, sowie die Unteroffiziere Kay und Wutzer. Nach einer dem „Berl. Tagebl." aus Zanzibar zuge gangenen und von dem genannten Journale als Extra blatt ausgegebenen Meldung ist die Expedition Zelewski vollständig vernichtet. Als vermuthlich todt werden 10 Offiziere und 300 Mann gemeldet, die Zahl der ver mißten Weißen wird auf fünf angegeben. 3 Kanonen und viele Waffen gingen verloren. — Die Wahehe Hausen im Hinterlande des südlichen Theiles der deutsch- ostasrikanischen Küste und werden wegen ihrer Raub sucht und ihres kriegerischen Sinnes von allen benach barten Stämmen gefürchtet. Schon im vorigen Februar war eine deutsche Expedition unter Chef Ramsay gegen die Wahehe abgesendet worden, hatte sich aber unver richteter Sache wieder nach der Küste zurückziehen müssen; jetzt ist nun der mit stärkeren Kräften aufgetretenen Expedition des Lieutenants Zelewski von den Wahehe ein noch weit schlimmeres Schicksal bereitet worden. Selbstverständlich macht sich die Züchtigung dieses un botmäßigen Stammes nun erst recht erforderlich und darf man wohl annehmen, daß der zu erwartende dritte Vorstoß der deutschen Schutztruppe gegen die Wahehe mit zu deren Unterwerfung genügenden Kräften unter nommen werden wird. — Der deutsche Juristentag in Köln ist am Sonnabend geschloffen worden, nachdem das Plenum sämmtliche Anträge der Abtheilungen gutgeheißen hatte. Bei der Trunksuchtsrage geriethen Freunde und Gegner des gesetzlichen Einschreitens noch einmal hart aneinan der; von den ersteren wurde gegen eine scherzhafte Auffassung und Behandlung des Gegenstandes lebhaftf protestirt und für ihre Ansicht das schwere Geschütz der Konkurrenzfähigkeit des deutschen Volkes auf wirth- schastlichem und geistigem Gebiete ins Feld geführt. Trotzdem unterlagen sie gegen einen Antrag des Rechts anwalts Beckh-Nürnberg, der kurz erklärt: „Besondere strafgesetzliche Bestimmungen gegen Trunksucht und Trunkenheit sind nicht geboten." — Die Frage wegen Einführung eines einheit lichen Buß- und Bettages womöglich für ganz Deutschland wird in nächster Zeit zu weiterer Er örterung gelangen. Es soll sich demnächst der evange lische Oberkirchenrath für Preußen mit einer Vorlage darüber beschäftigen. Man hofft, der Schwierigkeiten, die bisher den betreffenden Absichten entgegengetreten waren, Herr zu werden. 2luS Thüringen. Zwei Familien in der Stadt Lobenstein wurden am Mittwoch in die grüßte Auf regung und Bestürzung versetzt. Die beiden im 4. und 5. Lebensjahre stehenden Kinder derselben spielten auf den abgemähten Wiesen des Parkes. In einem unbewachten Augenblicke verkrochen sie sich im niederen Gestrüppe und sanden dort die strotzenden Früchte eines Tollkirsch st rauches (Atropa Lsllaäonna). Sie ver zehrten hiervon eine große Anzahl und bald zeigten sich Spuren einer Vergiftung. In den heftigsten Zuckungen und Krämpfen, ohne jegliche Besinnung verbrachten sie die Nacht und den folgenden Tag. Dem schnellen Eingreifen und der rastlosen Thätigkeit beider hiesiger Aerzte gelang es, durch angewendete Gegenmittel das Leben der Kleinen zu erhalten. Erfurt. Der Kaiser und die Kaiserin langten am 13. September, Abends 9 Uhr, auf dem festlich geschmückten Bahnhofe Hierselbst an, wurden von der Generalität empfangen und hielten unter unausgesetzten jubelnden Kundgebungen der Bevölkerung ihr»'» Ein zug in die überaus prachtvoll geschmückte und glänzend illuminirte Stadt. Am Anger wurden die Majestäten vom Oberbürgermeister Schneider begrüßt. Am 14. September früh '/sIO Uhr fuhren dieselben in vier- ! spänyigem Wagen durch die prächtig geschmückten Straßen, in denen verschiedene Vereine und Schulen Spalier bildeten, zur Parade bei Ganstädt. Beim Gasthof „Fürstenhos" wurden die bereitstehenden Pferde bestiegen. Der Kaiser trug die Uniform der Königs- Ulanen, die Kaiserin die der Pasewalker Kürassiere. Der Kaiker wurde von dem Grobherzog von Hessen zum Chef des hessischen Infanterie-Regiments Nr. 116 ernannt. Das Hauptinteresse bei der glänzenden Parade ward durch das prächtige Aussehen und die ausgezeich nete Haltung der Neservetruppen, welche auf'S Vor theilhafteste auffielen, in Anspruch genommen. Trotz der großen Hitze und der schweren Anstrengungen gab es heute wenige Marode. Alle thüringischen jFürsten waren anwesend, ausgenommen der Herzog von Coburg und der Fürst von Neuß ältere Linie. Das Parade feld liegt im Gothaischen. Der Kaiser sagte zu dem ihn an der Landesgrenze begrüßenden gothaischen Staats rath, er bedaure, den Herzog von Coburg nicht an der Spitze seines Regiments sehen zu können. Diese Äuße rung des Kaisers ward sehr bemerkt. — Gegen Abend war Paradediner, bei dem der Kaiser auf das Wohl des 4. Armeekorps trank. — Am 15. September fan den unter strömendem Regen Manöver zwischen Bien städt und Zimmernsupra statt. — Die Kaiserin wird Mittwoch nach Wilhelmshöhe zurückkehren und daselbst bis zum 1. Oktober verweilen. Rußland. Die Hungersnoth in einzelnen Gouvernements von Rußland zwingt die Petersburger Negierung fortgesetzt zu Maßnahmen, über welche der Draht Folgendes berichtet: Nachdem die heilige Synode und die Gesellschaft des Rothen Kreuzes bereits zur Sammlung privater Spenden für die Nothleidenden in den von der Mißernte betroffenen Gegenden Ruß lands geschritten, hat sich nunmehr auch das Mini sterium des Innern veranlaßt gesehen, eine Verfügung betreffs derjenigen Gaben zu treffen, welche den ihm unterstellten Behörden zur Uebermittelung an Noth- leidende übergeben werden sollten. Gleichzeitig macht das Ministerium bekannt, daß die Regierung für die Nothleidenden 22 Millionen Rubel angewiesen habe und datz die Nothleidenden mit Saatkorn zur Bestellung der Winterfelder versorgt sind. Ein der Bekannt- : machung beigegebenes Verzeichuiß nennt schließlich 13 Gouvernements als durchweg von der Mißernte heim gesucht, während dies bei acht anderen nur theilweise der Fall ist. Frankreich. Die Beisetzung des früheren Präsi denten der Republik Grevy fand am 14. September in Mont-sous-Vaudrey statt. Unter Kanonendonner setzte sich der Zug in Bewegung. Der Chef des Militärstaates, General Brugöre, folgte als Vertreter Carnots unmittelbar hinter dem Sarge. Der Präsi dent des Senats, Le Noyer, sowie der Kammerpräsi dent Floquet und zwei Deputirte des Wahlbezirks hielten die Sargtuchzipfel. Eine große Menschenmenge folgte. Am Grabe wurden verschiedene Reden gehalten. Freycinel erinnerte in seiner Rede daran, wie der Verstorbene zur Festigung der Republik beigetragen und mit welchem Geschick er seine Aufgabe als Präsi dent erfüllt und es verstanden habe, eine unpersönliche Regierung in Frankreich zu schaffen. Vermischtes. (Der verschlossene Kirchenstuhl.) Bekanntlich be steht vielfach die Sitte oder vielmehr Unsitte, die Stühle in den Kirchen zu vermiethen und es kommt dann ost vor, daß manche Kirchenbesucher keinen Sitzplatz finden, während viel leicht eine Reihe Stühle leer sind und oft dazu auch noch verschlossen gehalten werden. Dies konnte nun der, jetzt ver storbene,, alte Domprediger T. in B. — ein schlichter Mann und ein Original in mancher Beziehung — nicht leiden. — Eines Tages bemerkt er während der Predigt, daß in der Nähe der Kanzel in einem verschlossenen, ein halbes Dutzend Plätze enthaltenden Kirchenstuhl nur ein Herr sitzt, während daneben ein älterer Herr stehen muß, weil er keinen Platz gefunden. Er unterbricht seine Predigt und redet den im Stuhle Sitzenden an: „Lieber Bruder in Christo, öffne doch Deinem Mitbruder die Thür!" Dann predigt er weiter. Als seine Anrede indeß erfolglos bleibt, unterbricht er noch zwei Mal seine Predigt, um den hartnäckigen Stuhlinhaher in der gleichen Weise aufzufordern. Nicht geringe Heiterkeit erregte es aber, als derselbe bei der dritten Aufforderung ausstand und verlegen sagte: „Ja, Herr Pastor, das kann ich nicht, ich bin ja selbst auch — herübergcklettert." Sparkasse zu Höckendorf. Nächster Expeditions-Tag: Sonntag, den 20. September. Nachmittags 3—6 Uhr. Amtlicher Theil. Pekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftszimmer der unterzeichneten Behör den bleiben dieselben Freitag, den L8. u. Sonnabend, den L». Septbr. I., für den allgemeinen Verkehr geschlossen und werden an diesen Tagen nur dringliche Sachen zur Annahme bezieh. Abfertigung gelangen. Dippoldiswalde, am 16. September 1891. Die Kgl. Bezirkssteuereinnahme und Kgl. Bauverwalterei das. Kretzschmar. Bekanntmachung. Der zweite diesjährige Jahrmarkt in Dippoldiswalde wird Ireitag, den 25. September und Sonnabend, den 26. September dieses Jahres, Vormittags, und der Roß und Niehmarkt Sonnabend, den 26. September dieses Jahres abgehalten. Dippoldiswalde, am 15. September 1891. Der Stadtrath. Voigt.