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WWitz -MtW. Beilage zu Nr. 120. Sonnabend, den 10. Oktober 1891. 57. Jahrgang. Die nationalen Knndgcdnngen in Mik«. Das unbesonnene Benehmen einiger französischer Pilger vor dem Grabmale Viktor Emanuels in Rom, an der allen italienischen Patrioten heiligen Stätte, hat den Ausbruch nationaler Gefühle im gesammten Königreich Italien zur Folge gehabt, wie er stärker und imposanter kaum gedacht werden kann. Von Rom aus, wo ja der Eindruck der dem italienischen Nationalbewusstsein zugesügten Beleidigung zunächst am meisten empfunden werden mußte, verbreitete sich die gegen den Vorfall im Pantheon protestirende Be wegung lawinenartig durch die ganze Apenninenhalb insel und zeitigte überall kräftige Kundgebungen für das geeinte Italien und das Haus Savoyen, die zu gleich mit ebenso entschiedenen Demonstrationen gegen das Papstthum und gegen Frankreich gemischt waren. In vielen italienischen Städten, zumal in den größeren, haben diese Bethätigunhen des auswallenden dynastischen und nationalen Gefühles der Italiener tagelang ge dauert, selbst jetzt noch zittert die großartige Bewegung jenseits der Alpen hier und da nach und macht sich in patriotischen Aufwallungen der Bevölkerung immer wieder Luft. Diese Vorgänge sind nach zwei Rich tungen hin für die Stimmung, welche die ungeheuere Mehrzahl der Italiener beherrscht, überaus bezeichneyd. Zunächst geht aus ihnen klar und deutlich hervor, daß die Italiener unter keinen Umständen davon etwas wissen wollen, daß Rom, die Hauptstadt des nach schweren Kämpfen und Erschütterungen ins Leben ge tretenen italienischen Nationalstaates, wieder zur allei- uigenNesidenz des Papstes werde. „lioiuu intan^ibiltz", „Rom, die unantastbare Hauptstadt Italiens", das war gewissermaßen das Feldgeschrei, unter welchem sich überall in Italien die patriotischen Demonstrationen der letzten Tage vollzogen und welches bezeugte, daß jeder Versuch, der Siebenhügelstadt am Tiber diesen ihren politischen Charakter wieder zu nehmen, auf die leidenschaftlichste Zurückweisung seitens der Nation stoßen würde. Man wird in denjenigen Kreisen des Vatikans, in denen noch immer mit der Möglichkeit gerechnet wird, Nom dem Papste zurückgeben und hier mit seine weltliche Herrschaft wieder aufrichten zu können, gut thun, mit diesem einmüthigen Protest des italienischen Volkes künftig zu rechnen, dessen kräftige Sprache ja keine besondere Deutung mehr braucht. Weiter aber sind die nationalen Kundgebungen in Italien auch durch den hierbei in die Erscheinung ge tretenen Franzosenhab bemerkenswerth, der vielfach zu bedauerlichen Ausschreitungen der Menge gegen die sranzösischen Pilger führte. Die radikalen italienischen Blätter bemühen sich immer, darzuthun, daß im ita lienischen Volke überwiegend auch jetzt noch franzosen freundliche Gesinnungen vorhanden seien und daß da her auch die Betheiligung Italiens an dem mittel europäischen Bündnisse auf wachsenden Widerspruch des Landes stoße. Solche Versicherungen werden aber durch die Vorgänge, welche sich in den letzten Tagen auf italienischem Boden abgespielt haben, entschieden widerlegt; nicht nur tragen dieselben theilweise direkt einen antifranzösischen Charakter, sondern sie bildeten zugleich nicht mißzuverstehende Kundgebungen für den Dreibund, wie zahlreiche hierbei auf die Verbündeten Italiens ausgebrachten Hochrufe bewiesen. Es ist be greiflich, daß man im Vatikan wie in Paris vou den Folgen des Zwischenfalles im Pantheon auf das Un angenehmste berührt ist und der Vatikan als auch die französische Regierung haben sich beeilt, öffentlich zu erklären, daß sie das Benehmen der französischen Pilger auf das Schärfste mißbilligen. Mit besonderem Nach druck ist dies seitens Frankreichs durch die offiziellen Reden bei der Garibaldi-Feier in Nizza geschehen, in denen die Erklärung abgegeben wurde, daß Frankreich niemals für die weltliche Herrschaft des Papstes ein treten werde. Außerdem wurde in Nizza viel von der Stammes- und Interessengemeinschaft der Franzosen und Italiener gesprochen, und da diese Erklärungen in Italien eine günstige Aufnahme gefunden haben, so glaubt jetzt die französische Regierung, die Nach wehen des Vorfalles am Grabe Viktor Emanuels ge nügend paralysirt zu haben. Es mag nun allerdings zugegeben werden, daß die nationalen Demonstrationen in Italien ohne weitere Wirkungen auf die italienisch französischen Beziehungen bleiben werden; aber auch dann noch sind sie bedeutungsvoll genug. Denn sie haben in lebendigster Weise von dem die italienische Nation durchwehenden Geiste echter Vaterlandsliebe und einigen Sinnes Zeugniß abgelegt und sicherlich würde dieser Geist in ernsten Zeiten wiederum glän zend zum Durchbruche kommen. Sächsisches. — Nach den Bestimmungen des Statuts für die Reuning-Stiftung, welche von sächsischen Land- wirthen zu Ehren des verstorbenen Generalsekretärs der landwirthschaftlichen Vereine, Geheimen Regierungs- Rath vr. Reuning, errichtet worden, ist der vornehm- lichste Zweck dieser Stiftung: „die Förderung der Wissen schaft für die landwirthschaftliche Praxis" und sollen die Zinsen derselben zunächst zur Honorirung von Preis aufgaben über wichtige Fragen der Volkswirthschasts- lehre und der Produktion auf dem landwirthschaftlichen Gebiete verwendet werden. Das Ministerium des Inneren, welchem über die Verwendung der verfüg baren Stiftungsmittel die Entschließung zusteht, stellt nach Gehör des Landeskulturrathes folgende Preis aufgaben: 1. Wie ist der Stalldünger zur Erhöhung seiner Wirksamkeit in Berücksichtigung der verschiedenen im Königreich Sachsen bebauten Ackerböden zu behan deln? und 2. Welches ist die zweckmäßigste Ernährung des Schweins? Für die Frage zu 1 ist ein Preis von Zweitausend Mark ausgesetzt und als Endtermin der Einlieferung der 31. Dezember 1894 bestimmt; als Preis für die 2. Ausgabe ist der Betrag von Drei tausend Mark festgestellt und sind die Arbeiten bis zum 31. Dezember 1895 einzuliefern. Meißen Der Gutsbesitzer Dietrich in Nimtitz erlitt kürzlich einen Unfall, der sehr schlimme Folgen hätte haben können. Dietrich ging auf das Feld und begegnete dort seiner weidenden Kuhherde; unter der selben befand sich auch ein junger starker Zuchtbulle. Der Besitzer ging auf ihn zu und streichelte das Thier, doch der Ochse verstand die Liebkosung falsch, faßte seinen Herrn mit den Hörnern und warf ihn in einem großen Bogen auf die Straße. Der also Geworfene blieb besinnungslos liegen und der Ochse war eben im Begriff, seinen Herrn nochmals anzukaffen, als er noch rechtzeitig von einem herbeieilenden Schweizer daran verhindert wurde. Dem Vernehmen nach soll Dietrich außer einigen Verstauchungen keine ernstlichen Verletzungen davon getragen haben. Oelünitz i. V. Ein seltenes Frachtstück wurde am Montag Vormittag zur Bahn gebracht und zwar ein Luftballon von Godard. Derselbe ist von einem französischen Journalisten, dem Besitzer des Ballons und einem Oesterreicher am Sonntag Abends '/i8 Uhr am Ausstellungsgebäude in Prag bestiegen worden und landete Nachts y-1 Uhr in Untertriebel. Die dor tigen Bewohner verweigerten den Luftschiffern jedwedes Unterkommen, so daß dieselben gezwungen waren, in der Gondel des Ballons auf freiem Felde zu über nachten. Die Lustreisenden fuhren mit dem Ballon nach Karlsbad ab. Falkenstein. Daß die Gardinen-Handwebere ihren Ausgangspunkt von Falkenstein i. V. genommen, beweist ein vom 9. Juni 1832 datirtes Dekret der königlich sächsischen Landesdirektion, nach welchem auf Antrag des damaligen Kreishauptmanns v. Zezschewitz in Zwickau den beiden Webermeistern Christian Fried rich Lepfert und Christian August Michael für ihr neu erfundenes Fabrikat eine Prämie von je 20 Thlr. aus dem vorhandenen Prämienfonds ausbezahlt wurde. Die Einführung der Weberei in unserer Stadt hat insofern einen geschichtlichen, bemerkenswerthen Hinter grund, als der oben erwähnte Webermeister Christian Friedrich Lepfert sich 5 Jahre lang unter den Besatzungs truppen in Frankreich in den Jahren 1813—1818 befand und während dieser Zeit in Lyon in einer Weberei mitgearbeilet, sich hierbei in die Jacguard- weberei eingearbeitet, dieselbe dann nach seiner Rück kehr in die Haimath in seiner Vaterstadt Falkenstein eingeführt und weiterverbreitet hat. Zwickau. Für den großen Platz des verweltlichten Friedhofes ist ein Bebauungsplan aufgestellt worden, der eine Verbindungsstraße nach dem Bahnhofe vor gesehen hat. Die Stadtverordneten haben aber für räthlicher erachtet, zwei Straßen über den Platz zur Bebauung anzulegen und haben deshalb, obwohl der Rath gemäß früherer Beschlüsse bereits für 7200 M. Aufwand eine Schleuß« durch diesen Grundstückskom plex hat führen lasten, die Sache zur nochmaligen Er wägung an den Rath zurückgegeben. — Für das zu erbauende Bürgerhospital Hier selbst ist beschlossen worden, die Hospilaliten nicht in mehreren kleinen Häuschen, sondern in einem Gesammt- gebäude unterzubringen, das Hospital zunächst für 20 Insassen einzurichten, jedoch die Möglichkeit einer Ver größerung der Anstalt zur Aufnahme bis zu 60 In sassen vorzusehen, im Gebäude Centralheizung ein- sühren und rings um die Anstalt einen großen Garten anlegen, auch eine Aula zur Abhaltung von Festlich keiten, Gottesdiensten rc. Herstellen zu lasten. Groitzsch. Am Sonntag veranstaltete der Reit klub zu Altengroitzsch das seit einigen Jahren beliebte Flurabreiten. Auf dem Altengroitzsch-Groitzscher Kommunikationswege schlug ei» vielleicht durch die Musik scheu gewordenes Pferd aus und traf den mit- betheiligten Gemeindevorstand Emil Voigt aus Alten groitzsch so unglücklich an das Schienbein, daß er das selbe anscheinend gebrochen hat. Vermischtes. (Unreines Brod.) Unter den Verhandlungen des Aerztetages verdient allgemeine Beachtung eine Mitthellung von Prof. Lehmann (Würzburg), welche sich auf „die Be schaffenheit des Brodes in Deutschland" bezieht: der besagte Gelehrte hat 80 Sorten Brod, die er sich aus verschiedenen mederrheinischen Städten und Ortschaften verschafft hatte, chemisch und mikroskopisch untersucht und dabei gesunden, daß die Verunreinigung dieses wichtigsten Volksnahrungsmittels durchschnittlich nicht weniger als 10 Proz. betrug. Außer ekelerregendem Schmutz wurde in den besagten Proben eine Beimischung von Körnern der Rade (^obrostowa Oitbaxo), in vielen Fällen auch Mutterkorn nachgewiesen. Die Bei mischung der giftigen Radekörner war in mehreren Proben eine derartige, daß schon der Genuß von 100 A Brod ge nügen mußte, um schädliche Wirkungen hervorzurufen. Nach Lehmann unterliegt es keinem Zweifel, daß viele Magen katarrhe und sonstige Gesundheitsstörungen, über deren Ursachen man bisher nicht recht im Klaren war, auf die besagte Brod» Verunreinigung zurückzuführen sind. Auch bedarf es keiner be sonderen Auseinandersetzung, daß eine strenge Kontrole der Brodbeschaffenheit seitens der Sanitätspolizei im Interesse des Volkswohles unerläßlich ist. (Eisensplitter.) Ein Berliner Augenarzt hat einen äußerst kräftigen Magneten, von einer Tragfähigkeit von drei ßig Pfund, erfolgreich dazu verwendet, um Eisensplitter aus den Augen wieder zu entfernen. Der Arzt berichtet über dreizehn Fälle, in denen er den Magneten anwendele. In drei Fällen war der Erfolg gut, in vier Fällen mittel, in sechs Fällen gering. Ohne die Anwendung des Magneten würde ein Erfolg überhaupt nicht zu erzielen gewesen sein. Bemerkenswerth ist die Mittheilung des Doktor H., daß solche Eisensplitter, wenn sie im Auge keine Eiterung erzeugen (asep tisch sind), zwanzig Jahre liegen können, ohne ein Eingreifen nöthig zu machen. Anders gestaltet sich die Sache, wenn dem Eisensplitter etwas Rost anhaftet. In diesem Falle stellt sich sofort eine Eiterung des ganzen Auges ein, die in 24 bis längstens 48 Stunden den ganzen Augapfel aussüllt und ungesäumt einen Eingriff nöthig macht. Eine wirkliche Tigerjagd setzte die Umgegend von Oberhausen (Regierungsbezirk Düsseldorf) in nicht geringe Auf regung. Aus der Menagerie Weidauer, die am Neumarkt ihre Schaubude errichten wollte, entsprang am Freitag Abend gegen 8 Uhr der prächtige Königstiger. Zur Verfolgung des Thieres, das seinen Weg in der Richtung nach Borbeck nahm, wurden sofort die Polizei- und Feuerwehrmannschasten, denen sich noch andere Leute anschloffen, aufgeboten. Der bei Fackel- und Laternenbeleuchtung unternommene Streiszug hatte aber trotz der genauesten Nachforschungen und Ausdehnung kein Ergcbniß auszuwcisen, so daß die Leute endlich gegen 12 Uhr Nachts mit ihren Nachforschungen Einhalt machten, in der Annahme, daß das Thier vielleicht schon weiter geflohen sei. Da gelangte des Morgens zwischen 2 und 3 Uhr die Nach richt zur Polizei, der Entflohene habe dem Gärtner Tourncur an der Mühlheimer Chaussee einen Besuch abgestattet, dessen Hund todtgebissen und sei dann in den Hos des Anstreicher meisters v. Jelbert eingedrungen, dort in den Stall gesprungen, habe da ein Schwein zum Theil verschlungen und lagere jetzt im Garten. Abermals begaben sich Polizeimannschasten, Feuer»