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782 Netzschkau. Der hiesigen Polizei ist es gelungen, einen ledigen, aber selbstständigen Klempner von hier wegen Verdachts der Brandstiftung festzunehmen und der Königlichen Staatsanwaltschaft zu überliefern. Dieser Klempner ist gleichzeitig Feuerwehrmann und war immer einer der Ersten an den Brandstellen, ausfälligerweise aber stets in seiner Civilkleidung und nicht in Feuerwehrausrüstung. Eibenstock. Die Burschen, welche einen hiesigen Einwohner und dessen Sohn auf der Straße von Wildenthal nach Eibenstock überfallen und aufs Gröb lichste belästigt haben, wurden mit 19 bez. 17 und drei mit je 8 Monaten Gesängniß bestraft. Oschatz. Der Döllnitzdurchstich und die Ver bindung des alten Wasserbettes mit dem neuen am Schützenhause soll nächsten Freitag Vormittags 10 Uhr erfolgen. Oschatz. Ayr Mittwoch ereignete sich hier ein recht bedauerlicher Unfall. Als der 13 jährige Knabe des Portiers Golle in der Nähe des Bahnhofes das Reitpferd des Lieutenants v. Pflugk hielt, nahte der von Leipzig kommende Zug. Das Pferd erschrack und eilte mit dem Knaben, welcher die Zügel fest um die Hand gewickelt hatte, nach der Stadt zu. Unterwegs stürzte das Pferd und dabei erhielt der Knabe ver schiedene Schläge an den Kopf. Um die.Hand frei zu machen, mußten die Zügel durchschnitten werden. Die Verletzungen des Knaben waren derart, daß der Tod bald eintrat. Wurzen. Die Stadtfernsprechanlage ist am 5. Oktober dem öffentlichen Verkehr übergeben worden. In Verbindung mit dem Stadtsernsprechnetz ist eine Verbindungsleitung an das Stadtfernsprechnetz von Leipzig hergestellt worden. (Fortsetzung des Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Die Kommission für die zweite Lesung des Entwurfes eines Bürgerlichen Gesetzbuches wird am 12. Oktober wieder zu einer Gesammtsitzung im Reichsjustizamte zusammentreten. — Kaiser Wilhelm hat sich am Donnerstag früh mittels Sonderzuges nach Stuttgart zur Theilnahme an den Beisetzungsfeierlichkeiten begeben. — Der „Staatsanzeiger" veröffentlicht folgendes Telegramm des Kaisers an den König Wilhelm II.: „Tieferschüttert durch die Todesnachricht, beeile Ich Mich, Dir, Deiner Gemahlin und dem gesammten Volke Meine aufrichtigste Theilnahme auszudrücken. Einer der Mitstifter des Deutschen Reiches, ein Mit genosse Meines theueren Herrn Großvaters ist dahin. Ich komme persönlich, um Meinen Antheil an der Trauer Württembergs zu bethätigen. Mögest Du in Deinem neuen Amt mit Gottes Beistand für Dein Volk und unser deutsches Vaterland von Segen sein. Meiner wärmsten Freundschaft und innigsten Zunei gung bist Du allezeit sicher." — Die Antwort des Königs lautet: „Die Worte, welche Du an mich ge richtet hast, haben Meinem schwer gebeugten Herzen unendlich wohlgethan, Ich bin Mir der großen Ver antwortung, welche Gott Mir auferlegt hat, bewußt, hoffe aber, Mein Amt mit seiner Hülfe zum Wohle des gemeinsamen deutschen Vaterlandes und Meines Landes auszufüllen. Ich fühle Mich gestärkt durch die wohlwollenden Gesinnungen, welche Du Mir, wie immer, so auch jetzt kundgiebst. Aus tiefster Ueber- zeugung stehe Ich, wie seit Jahren, als ein Glied der preußischen Armee zu dieser und jetzt als deutscher Regent fest und treu zu Kaiser und Reich." — Neue Zwanzigmarkstücke, welche das Bild- niß des Kaisers mit Vollbart tragen, sind bereits viel fach in Umlauf. — Eine derjenigen Vorlagen, deren Erledigung dem Reichstage noch aus dem vorigen Tagungsab schnitte obliegt, ist die Krankenkassen-Novelle. Sie hat die erste Lesung im Plenum passirt und ist in einer besonders zu diesem Zweck gewählten Kom mission eingehend vorberathen worden. Es sind auch die verschiedensten Aenderungen an der Vorlage der verbündeten Regierungen vorgenommen worden, jedoch kann vorausgesagt werden, daß nicht alle ohne Wider spruch im Plenum bleiben werden. Es scheint sogar, als würden sich recht ausgedehnte Debatten an die Novelle knüpfen, schon deshalb, weil die Streitpunkte, um welche es sich dabei handelt, recht mannigfacher Art sind. Den Hauptgegenstand der Erörterungen wird natürlich die Stellung der freien Hülfskaffen bilden, die bekanntlich in der Novelle einer dreifachen Aende- rung betreffs An- und Abmeldepflicht, Gewährung von freiem Arzt und freier Arznei, sowie Berechnung des Krankengeldes unterworfen werden soll. Aber auch andere Punkte dürften einer eingehenden Diskussion unterzogen werden. Sa die Frage der Nichtgewährung des Unterstützungsanspruches nach Austritt aus der Kaffe an kontraktbrüchige Versicherte, die Bildung von Krankenkaffenverbänden, welche durch die Kommissions beschlüsse geradezu verhindert werden würde, die Aerzte- und Apothekenwahl, die Ordnung der fakultativen Auf hebung der dreitägigen Karrenzzeit, die Festsetzung gleichmäßiger Grundsätze für die Berechnung des orts üblichen Tagelohnes u. a. m. Es ist auch wahrschein lich, daß bei der Erörterung des sozialdemokratischen Antrages auf Verstaatlichung der Apotheken die ganze Apothekensrage wieder aufgerollt wird. Jedenfalls er sieht man aus dieser kurzen Aufzählung, daß es an einer Reichhaltigkeit des bei der Kcankenkaffennovelle zu behandelnden Stoffes nicht fehlen wird. Dem Ver nehmen nach haben übrigens bereits verschiedene der größeren wirthschaftlichen Vereinigungen Stellung zu den einzelnen Kommissionsbeschlüffen genommen und ihre Ansichten darüber in Petitionen an den Bundes rath und Reichstag niedergelegt, sodaß der letztere in der Lage ist, schon bei seinem Wiederzusammentritt die in der Praxis herrschenden Anschauungen kennen zu lernen. — Nach einer Aufstellung über die Vertheilung der kaiserlichen Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika vom 31. August d. I. war der Bestand derselben — ohne Berücksichtigung der jüngst erlittenen schweren Verluste, welche sich noch nicht genau übersehen ließen — solgender: 1 Kommandeur, I Oberführer (beur laubt), 10 Kompagnieführer (4 beurlaubt), 18 Lieute nants (I beurlaubt), 10 Aerzte, 15 Zahlmeisteraspiran ten, 10 Feldwebel (4 beurlaubt), 13 Sergeanten (4 beurlaubt), 20 Unteroffiziere, 17 Lazarethgehülfen (1 beurlaubt), 2 Schreiber. An Farbigen: 1580 Mann. Geschütze verschiedener Gattung: 43. — Dieser Be stand war vertheilt aus die verschiedenen Stationen an der Küste, die Station Mpuapua, Moschi (am Kilima-Ndscharo), sowie auf die Expeditionen von Ze- lewski, Schmidt und Emin Pascha. — Zur BerlinerGetreidespekulation, die gleich bedeutend mit Brodvertheuerung ist, schreibt die „L. Ztg.": Die Mittel, welche die Berliner Haussespekula tion für Abnahme der auf Berlin schwimmenden be deutenden Mengen Weizen, Roggen und Spiritus braucht, werden auf 15—20 Millionen Mark geschätzt. Erhält die bekannte leitende Firma (Ritter L Blumen- feldt) dieselbe nicht durch die Hilfe von Banken, die anscheinend in anerkennensmerther Würdigung dieser unmoralischen, die Volksernährung vertheuernden Spe kulation deren finanzielle Unterstützung verweigern, so müssen die Preise angesichts der außerordentlichen Mengen ankommenden Getreides fallen. — Vor einigen Tagen ging die Notiz durch die Blätter, in Hamburg seien die ersten Sendungen amerikanischen Schweinefleisches eingelroffen. Wie nun von Hamburg geschrieben wird, sind daselbst die bis jetzt eingetroffenen Sendungen von amerika nischem Schweinefleisch nicht zum Eingänge in das deutsche Zollgebiet zugelaffen worden. Von Seiten der Zollbehörde wurden die betreffenden amerikanischen Jnspektionscertifikate beanstandet; auch soll das An gebot, die Maare vorher auf Trichinen untersuchen zu lassen, vom Reichskanzler zurückgewiesen sein. „Unter diesen Umständen", so schreibt die „W. Z.", „steht die Aufhebung des Speckeinsuhrverbots also vorläufig nur auf dem Papiere. Abgesehen davon, daß der hohe Eingangszoll die Einfuhr ohnehin erschwert, wird bei der herrschenden Unsicherheit bezüglich der Ansprüche, welche die Behörden hinsichtlich der Jnspektionscerti fikate stellen, kein Geschäftsmann sich zu Unterneh mungen bereit finden, weil er sich der Gefahr aussetzt, daß die gekaufte Waare bei Ankunft zurückgewiesen wird, woraus dem Importeur natürlich große Ver luste entstehen werden. Klare und bündige Vorschrif ten, und zwar ungesäumt zu erlassen, ist unerläßlich, wenn die Verordnung, welche die Einfuhr bedingungs weise erlaubt, nicht ein todter Buchstabe bleiben soll." Württemberg. Die königliche Linie des Hauses Württemberg zählt außer dem jetzt zum Thron ge langten Könige kein männliches Mitglied. Es gehören derselben die Schwestern des verstorbenen Königs Karl an, nämlich die Prinzessin Katharina, die mit dem Prinzen Friedrich von Württemberg vermählt war und seit 1870 Wittwe ist, und die Prinzessin Auguste, Ge mahlin des Prinzen Hermann von Sachsen-Weimar, sowie die einzige, aus erster Ehe stammende Tochter des jetzigen Königs. Als nächste Agnaten sind, falls der Ehe des Königs kein Prinz entsprießen sollte, die Herzöge von Württemberg zur Thronfolge berufen, welche Nachkommen des Herzogs Friedrich Eugen (geb. 2l. Januar 1732, gest. 23. Dezember 1797) und dessen Gemahlin Friederike Dorothea Sophie Prinzessin von Preußen, Markgräfin Brandenburg-Schwedt, sind, und zwar Herzog Wilhelm, geboren 20. Juli 1828, österreichischer Feldzeugmeister und Korpskommandeur, und Herzog Nikolaus, geboren 1. März 1833, öster reichischer Feldmarschall-Lieutenant. Beide Herzöge haben keine Söhne. Nach den bisher genannten Ag naten ist der von dem Herzoge Alexander (geb. 1771, gest. 1833) abstammende Herzog Philipp, geboren am 30. Juli 1838, österreichischer Oberst und Gemahl der Erzherzogin Maria Theresia, thronberrchtigt. Herzog Philipp ist Vater dreier Söhne. Er ist im Gegensätze zu den übrigen Mitgliedern der Dynastie katholischen Bekenntnisses. Frankreich. Die Berichte der Schiedsrichter bei den großen Manövern liegen jetzt vor. Dieselben loben einstimmig die Infanterie, mit Ausnahme des vom General Negrier befehligten VII. Armeekorps, erklären die Artillerie für im Allgemeinen befriedigend, aber verbesserungsbedürftig, und kritisiren scharf die Kavallerie, welche den Aufklärungsdienst vernachlässigt habe. Der sehr wichtige Nachrichtendienst sei durch aus vernachlässigt gewesen. England. Der Führer der irischen Partei, Par- nell, ist in der Nacht zum 7. Oktober in Brighton völlig unerwartet gestorben. Der Tod trat ein in Folge einer Erkältung, die sich Parnell am letzten Freitag zugezogen hatte. Charles Stewart Parnell, der 1846 zu Avondale, Grafschaft Wicklow, als Sohn eines Gutsbesitzers aus englischer protestantischer Familie geboren wurde, hat somit nur ein Alter von 45 Jahren erreicht. Dem englischen Parlamente gehörte er seit 1875 an. Bald spielte er in der Partei der Home ruler die erste Rolle, und als die schlechte Ernte 1879 einen Nothstand in Irland befürchten ließ, trat Parnell an die Spitze der Landliga, für die er 1880 in Amerika große Geldmittel zur Agitation aufbrachte. 1880 wurde er der erklärte Führer der auf 68 Mitglieder ange wachsenen Homerulepartei und erlangte solchen Ein fluß, daß ihm bald der Beiname des „ungekrönten Königs" der grünen Insel beigelegt wurde. Seine Thätigkeit trug ihm mancherlei Verfolgungen seitens der Negierung ein, die ihn sogar wegen Landesveraths anklagen ließ. Bei den Wahlen von 1885 brachten es seine Anhänger, die nach ihm den Namen Parnelliten annahmen, auf 85 Sitze. Parnell spielte darauf im Parlament eine maßgebende Rolle. Gladstone fühlte sich bewogen, für wesentliche Punkte der Parnell'schen Forderungen einzutreten. Wie in der letzten Zeit die persönlichen Abenteuer Parnell's zu einer Spaltung der irischen Partei führten, ist noch in frischer Erinnerung; Frau O'Shea hat sich der legitimen Ehe mit dem Manne, der um ihretwillen seinen Ruf und das An sehen der irischen Partei auf's Spiel gesetzt hatte, nicht lange zu erfreuen gehabt. Auf die Zukunft dieser Partei wird der Tod Parnell's von großem Einfluß sein. Spanien. Eine umfassende Verschwörung ist in mehreren großen Städten Spaniens, wie Barcelona, Saragossa und Cartagena entdeckt und infolge dessen eine größere Anzahl von Verhaftungen vorgenommen worden. Da sich unter den Verhafteten viele Offiziere befinden, liegt die Annahme nahe, daß es sich um die Vorbereitung eines jener militärischen Pronunciamien- tos handelte, an welchen die politische Geschichte Spa niens so reich ist. Barcelona, wo ein großes Waffen depot aufgefunden wurde, scheint der Mittelpunkt der geplant gewesenen Erhebung zu sein. Die reichste Stadt Spaniens hat allerdings keinen Mangel an politisch und sonst unzufriedenen Elementen, und es gingen in den letzten Monaten wiederholt Gerüchte um, welche von dortigen Anzeichen revolutionärer Minirarbeit wissen wollten. Als treibende Kräfte wurden einmal die in den östlichen Jndustriebezirken besonders stark vertretenen Sozialisten und dann wieder die Republikaner Zorrillas genannt. Man erinnert sich des etwa vor Monatsfrist in Barcelona bei hell lichtem Tage während eines Jahrmarktes ausgesührten räthselhaften Anschlages auf eine der großen Kasernen und der Aufregung, welche dieser Vorfall hervorgerufen. Man war damals geneigt, die Schuld den Zorrillisten zuzuschieben, welche die Verdächtigung jedoch mit größter Entrüstung zurückwiesen. Die jetzt vorliegende Mel dung wird unzweifelhaft mit jenem Vorfälle in Bar celona in Verbindung gebracht werden und möglicher weise zur Lösung des Räthsels führen. Nordamerika. Die Wiedergestattung der Einfuhr amerikanischer Schweine und amerikanischer Schweine produkte nach Deutschland scheint den Vorläufer weiterer Handelserleichterungen zwischen Deutschland und Nordamerika zu bilden. Wenigstens sollen, wie eine New-Docker Meldung besagt, bezügliche Unterhand lungen im Gange sein; hoffentlich hat man sich deut scherseits vergewissert, daß Nordamerika für seinen Theil zu Milderungen der Mac Kinley-Bill gegenüber Deutschland bereit ist. Chile. Zwischen Nordamerika und der neuen chilenischen Negierung droht ein ernstlicher Konflikt auszubrechen. Der amerikanische Gesandte in San tiago, Mr. Egan, benachrichtigte die Kongreß-Junta, die Vereinigten Staaten würden die freundschaftlichen Beziehungen zu Chile abbrechen, wenn die jetzige chile nische Regierung ihre feindselige Haltung gegen die in Santiago lebenden Amerikaner nicht ändere. In Santiago herrscht allerdings eine gereizte Stimmung gegen die Dankees, die während des Bürgerkrieges eine ziemlich zweideutige Stellung gegen die Aufstän-