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Beilage zu Nr. 88. Dienstag, dm 28. Juli 1891.57. Jahrgang. Zur Frage der Abzahlungsgeschäfte. Es ist eine längst anerkannte Thatsäche, daß die wie Pilze aus dem Boden schießenden sogenannten Ab zahlungsgeschäfte in ihrer jetzigen Einrichtung allmählich ganz zweifellos zu bedenklichen Mißständen geführt haben, deren Beseitigung dringend geboten erscheint, sollen nicht weite Kreise unserer Nation, namentlich der ärmeren Bevölkerungsklassen, empfindlich geschädigt werden. Wir wollen hier gar nicht davon reden, daß durch derartige Geschäfte mit ihrer häufig nur zu markt schreierischen Gebahrung ältere solide Geschäfte, in denen man nicht die Praktiken der Abzahlungsbazare be folgt, mitunter sogar in ihrer Existenz untergraben werden, solche Erscheinungen sind eben in dem wirth- schastlichen Konkurrenzkampf der heutigen Zeit unver meidlich. Wohl aber gilt es, den mancherlei ernsten Mißständen entgegenzutreten, welche mit der gegen wärtigen Einrichtung der Abzahlungsbazare verbunden sind. Hierher gehören vor Allem die Klauseln der zwischen den Inhabern oder Leitern der Abzahlungs geschäfte und ihren Kunden abgeschlossenen Kontrakte, welche Klauseln den Eigenthumsvorbehalt und den Ver fall der ganzen gezahlten Summe aussprechen, wenn der Käufer auch nur mit einer Rate über die kontrakt mäßig festgesetzte Zeit hinaus im Rückstände bleibt. Hierin liegt der wunde Punkt der ganzen Frage, denn der Käufer ist da ganz in die Hand des Verkäufers gegeben, und die Fälle, in denen der Käufer, weil er nicht rechtzeitig die völlige Nate aufzutreiben vermochte, die ganze schon gezahlte Summe und selbstverständlich den bedingt erworbenen Gegenstand wieder einbüßte, sind viel häufiger, als im Allgemeinen wohl ange nommen wird. Die Nachtheile, welche durch solche unläugbare Auswüchse des Abzahlungswesens weiten Bevölkerungsschichten zugefügt werden, sind auch von Seiten der Regierung erkannt worden und schon seit längerer Zeit wendet sich die Aufmerksamkeit der Bundesregierungen diesem Gegenstände zu. Im Laufe des Jahres 1889 war von sämmtlichen Einzelregie rungen auf eine Anregung der Reichsregierung eine Untersuchung über die im Abzahlungswesen herrschen den Mißstände und über die etwa zu ergreifenden Ab hilfsmittel veranstaltet worden und diese Untersuchung hatte ergeben, daß hier in der Thal ein Feld vorlag, auf welchem sehr wohl mit gesetzgeberischen Maßnahmen vorgegangen werden könnte. Zugleich aber stellte sich bei dieser Untersuchung heraus, daß die Abzahlungs geschäfte doch wiederum einem vorhandenen Bedürfnisse entsprechen, besonders haben sie sich dadurch ein un streitiges Verdienst erworben, daß sie wenigbemitttelten Leuten den Kauf von Werkzeugen und kleineren Ma schinen, die sie bei ihren Arbeiten nicht entbehren können, durch das System der Ratenzahlungen aller dings wesentlich erleichtern. Wenn z. B. eine Näherin für eine Nähmaschine 80, 100 und wohl noch mehr Mark auf einen Brett bezahlen sollte, so würde ihr dies gewiß in den allermeisten Fällen überaus schwer fallen, wenn nicht ganz unmöglich sein, während sie durch die Abzahlungsgeschäfte in den Stand gesetzt wird, in Folge Ratenzahlungen sich das für sie doch unentbehrliche Instrument mit verhältnißmäßiger Leichtigkeit zu er werben. Eben diese bedingte Nützlichkeit der i Ab zahlungsgeschäfte für große Klaffen unserer Bevölkerung macht die Behandlung der Frage zu einer äußerst schwierigen. Denn wenn es sich auf der einen Seite darum handelt, anerkannte Mißstände, welche das Wesen der Abzahlungsgeschäfte in seinem Gefolge hat, endlich zu beseitigen, so gilt es anderseits wiederum, gewisse Rücksichten gegen diese Institute zu üben, da ihre Hilfe für die „kleinen Leute" nun doch ein mal nicht gut zu läugnen ist. Es darf daher der Ge setzgeber in seinen etwaigen Maßnahmen zur Reform des Abzahlungswesens die Existenz der Abzahlungs geschäfte nicht geradezu gefährden, er soll jedoch zugleich auch die auf letztere mit angewiesenen unbemittelten Klaffen gegen die Ausbeutung durch die Abzahlungs bazare schützen, so daß es freilich sehr schwierig ist, hier den richtigen Mittelweg zu finden. Vielleicht wird dadurch ein Ausgleich in dieser Frage gefunden, daß der Verfall der geleisteten Abzahlungen, sobald dieselbe eine gewisse Höhe erreicht haben, gesetzlich für unzu lässig erklärt und dem Verkäufer nur das Recht ein geräumt wird, ein Drittel der geleisteten Zahlungen als Miethe zurückzubehalten, im Uebrigen aber der Verkäufer verpflichtet ist, die anderen zwei Drittel dem Käufer, sobald er außer Stande ist, weitere Abzah lungen zu leisten, herauszuzahlen. Sächsisches. — Ueber die Reform der Personentarife bringt das „Dresdner Journal" an leitender Stelle einen längeren Aussatz der mit folgenden verheißungsvollen Worten schließt: Ueberblickt man nun den vielgeglie derten und theilweise widerspruchsvollen Umgestaltungs prozeß, der sich im Personentarifwesen Oesterreich- Ungarns vollzieht, so empfängt man den Eindruck, daß in der Monarchie auf diesem Gebiete eine ganze Reihe von Versuchen unternommen ward. Man kann Oester reich-Ungarn heute kurzweg als ein Versuchsterrain der Personentarifreform bezeichnen; die Entwickelung der unternommenen Versuche muß das werthvollste Material für das Vorgehen anderer Länder zu Tage fördern. Die greifbaren Ergebnisse der dortigen Re- form-Aera lassen sich einstweilen dahin zusammensaffen, daß der Personenverkehr auf dem gesammten Schienen netze bedeutend, in einzelnen Relationen in geradezu überraschender Weise gehoben ward, während die Ein nahme der Verkehrsanstalten infolge der gleichzeitigen Preisherabsetzung nur eine verhäitnißmäßig geringe, die erhöhten Ausgaben nothdürftig deckende Steigerung erfuhren. Dieses Ergebniß leitet zu dem weiteren Schluffe, daß die Fahrpreisermäßigungen, in welcher Form sie auch erfolgen mögen, vem Vortheile kapita listischer Privatunternehmungen derzeit nicht entsprechen, daß sie aber die Interessen und das Verkehrsleben der Bevölkerung in außerordentlicher Weise fördern. Dem nach ist das natürliche Terrain für die Durchführung von Reformplänen bezüglich der Personentarife dort zu suchen, wo staatliche Bahnvermaltungen — unbe einflußt durch die Rücksicht auf hohe Dividenden und reiche Tantiemen — das Wohl der Gesammtheit zu wahren streben." — Der neue Neitersäbel, welcher jetzt probe weise bei der sächsischen Kavallerie getragen wird, ist bedeutend leichter und auch 3 Zoll kürzer, wie der bis her getragene. Die Scheide ist von Eisen, die Klinge, bester Solinger Stahl, ist ganz gerade, während die jenige des bisherigen Säbels am unteren Ende etwas gebogen war, um dem Hiebe mehr Wucht zu geben. Der neue Säbel ist mehr zum Stoß als zum Hieb be stimmt. Wie der bisherige Säbel, ist auch das neue Muster am Griff mit einem die Faust schützenden Korbe versehen, in welchem das alte sächsische Wappen mit der Königskrone eingestanzt ist. Der Griff, welcher beim alten Säbel mit Holz und Lederscheide umkleidet war, hat bei dem neuen Modell eine Umkleidung von Hartgummi. Befestigt wird der neue Säbel beim Reiten am Sattel. Der Mann trägt aber ein Kuppel umgeschnallt, welches mit Karabinerhaken versehen ist, mittels deren der Säbel umgehängt werden kann, wenn abgesessen wird. Wilsdruff. Die Umgebung hiesiger Stadt, be sonders auch von Grumbach, wurde in letzter Zeit durch eine Diebesbande, welche es besonders auf Eßwaaren und Kleidungsstücken abgesehen hatte, empfindlich heimgesucht. Am Dienstag Nacht gelang es nun der Polzei, der Diebe habhaft zu werden, in dem selbige in der Abendstunde der Stadt Wilsdruff einen Besuch abgestattet und nach ihrem Nachtlager wanderten, welches sie jedenfalls schon seit einigen Tagen in einem Schuppen der Schneiderschen Ziegelei daselbst ausgeschlagen hatten. Dort wurden sie ver haftet und durch den Gendarm unter zahlreicher Be gleitung von jugendlichen Männern in das Wilsdruffer Amtsgericht eingeliefert. Es sind dies ein 18jähriger Bursche und ein älterer in den dreißiger Jahren stehender Geselle. Das 18jährige Bürschchen hat 6 Diebstähle eingestanden. BurkhardSdorf. Da sich die Zahl der Arbeits losen des Strumfgewerbes beständig vermehrt, haben sich die Gemeinden BurkhardSdorf, Dittersdorf, Eibenberg und Kemtau, bei deren Ortsbehörden immer wieder um Arbeit nachgesucht wird, mit einem Gesuche an die kgl. Amtshauptmannschaft gewendet, in welchem ie um thunlichst baldige Inangriffnahme des Baues der Thalstraße von BurkhardSdorf nach Dittersdorf bitten, damit wenigstens diesem oder jenem verdienstlos Gewordenen wieder die Möglichkeit des Broderwerbes geboten wird. Frankenberg. Nach einer Mittheilung der hie sigen Gendarmeriestation ist die kürzlich in Ditters bach vorgebrachte Erzählung von einem Raubanfall bei Frankenberg vollständig erlogen gewesen. Die be treffende Person ist ermittelt und es ist festgestellt, daß dieselbe aus Versehen in den Graben gefallen und Hut und Stock verloren und nicht wiedergesunden hat. Da durch die lügenhaften Angaben die ganze Gegend in Aufregung versetzt ist und den Polizeiorganen un nütze Arbeit und dem Staate Unkosten verursacht worden sind, wird der Urheber jedenfalls zur Verant wortung gezogen werden. Zwickau. Der Bau der Industriebahn Zwickau- Mosel ist von der Staatsregierung genehmigt. Die Bahn erhält 7,5 km Länge und durchschneide; die Fluren Zwickau, Pölbitz, Niederhohndorf, Crossen, Oberrothenbach und Mosel und mündet hier wie in Mosel in die Staatsbahn ein. Der Bau und Betrieb der Bahn erfolgt für Rechnung einer zu gründenden Aktiengesellschaft. Das Gründungskapital beträgt 650,000 Mark. Es werden 650 Aktien zu 1000 Mark ausgegeben. Je 200 Aktien übernehmen die Stadtgemeinde Zwickau und Mühlenbesitzer Leonhardt in Crossen. Der Rest wird vergeben. Die Bahn be kommt Anschlußweichen für die Crossener Etablissements, den hiesigen Schlachthof und das Gaswerk. Crimmitschau. Ueber die gegenwärtigen Ernte aussichten läßt sich, soweit die hiesige Gegend in Betracht kommt, fast nur Erfreuliches berichten. Ließ das Winterkorn in diesem Frühjahre recht viel zu wünschen übrig, so hat die nasse Witterung der letzten Wochen geradezu Wunder gewirkt, indem die einzelnen Stöcke meist doppelte und dreifache Aehren getrieben haben. Dabei sind letztere voll und kräftig und ver sprechen einen reichen Ertrag. Ebenso sind Sommer korn, Gerste und Hafer gut entwickelt. Die Kartoffeln, welche gegenwärtig in voller Blüthe stehen, haben, bisher wenigstens, von der Nässe noch nicht gelitten, lassen vielmehr, wenn namentlich die trockene Witte rung der letzten Tage eine Zeit lang anhält, auf eine ergiebige Ernte hoffen. Nur die Heuernte hat durch die Niederschläge zu leiden gehabt, da sie hier gerade in die Regenperiode fiel. Dafür hat sich aber der Ansatz des Grummets erfreulicher entwickelt. Adorf. Bon unseren vogtländischen Perlen fischern wurden im Jahre 1890 (im Vergleich mit dem Vorjahre) an Hellen Perlen 1 (9), an halbhellen Perlen 18 (25), an Sandperlen 1 (6), an verdorbenen Perlen 7 (31), zusammen 27 (71), sowie 11 Muscheln mit angewachsenen Perlen gefunden. Diese geringe Ausbeute wird zum Theil mit auf die ungünstige regnerische Witterung zurückgesührt, im Uebrigen ist die Perlenfischerei wohl noch für mehrere Jahre als erschöpft anzufehen. Für später hat man wieder insofern bessere Hoffnung, als Perlen in unreifem Zu stande, d. h. in einem Alter von 40—50 Jahren, jetzt noch in großer Anzahl gefunden werden, die vielleicht in 10—20 Jahren ihre volle Reife erlangen werden. Mylau. Nachdem die Quellenfassung zur hiesigen Wasserleitung beendet und auch die Kostenanschläge zur Röhrenleitung, überhaupt zum Bau der ganzen Anlage gemacht worden sind, will man mit dem Bau der Röhrenleitung, des Sammelbassins rc. noch bis zum Frühjahr 1892 warten, um im Laufe dieses Sommers und des kommenden Winters die Ergiebig keit der Quellen unter den verschiedenen Witterungs verhältnissen beobachten und darnach weitere Maß nahmen treffen zu können. Das Sammelbassin wird in die Nähe des Weges nach Rotschau hoch zu liegen kommen, um das Wasser auch in die hochgelegenen Stadtheile treiben zu können. Leipzig. Ein peinliches Aufsehen erregt hier die polizeiliche Schließung des „Marien bad es" und die Verhaftung des Bademeisters. Vor einigen Tagen hat sich ein junger Mensch nach absolvirtem Schwimm unterricht zum ersten Male ohne Leine versucht. Da )er Schwimmmeister, der diesen Versuch überwachen ollte, abberufen wurde, versank der Knabe, ohne daß )ie Mitbadenden es bemerkten. Erst nachdem die Mutter dreimal nach dem Verbleib des Knaben nach ragen ließ und dessen hängende Kleider seinen Abgang bezeugten, hat man das Bassinwaffer abgelaffen und den Leichnam gefunden. Da seit der Eröffnung des Bades in dessen Bassin bereits 5 Menschen ertrunken rnd^ dürfte die Fahrlässigkeit von den Gerichten sehr streng beurtheilt werden.