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— 576 — stehende Häusergeviert angekauft, der Platz durch Riederlegung dieser Häuser frei gemacht und hier nun das neue Postgebäude errichtet werden. Der Kosten aufwand für Ankauf dieser Häuser und Freimachung deS Platzes soll über 3 l 1,000 M. betragen haben. Hohenstein. Das Gerücht von einem Morde durcheilte Mittwoch Vormittag die hiesige Stadt und bald fand dasselbe Bestätigung. Die Frau des Milch- HSndlerS Neubert war auf dem Wege von der Stadt nach Tirschheim in der Nähe des Forsthauses mit vielen Wunden bedeckt aufgefunden worden. Die am Oberkörper befindlichen 13 Wunden rührten, wie später die Untersuchung ergab, von einem Schrotschub her, der ganz in der Nähe des Opfers abgegeben sein muß. Die Ermordete hat sich dann wohl noch etwa 200 Schritte von dem Thatorte fortgeschleppt und ist dann , infolge inneren Blutverlustes zusammengebrochen. Am Thatorte wurde bei der Untersuchung ein schwarzer Filzpfropsen, von einer Gewchrpatrone herrührend, ge funden. Der Verdacht der Thätrrschaft ist auf den Bleichereiarbeiter Müller in Hüttengrund gefallen, da man bei einer in dessen Wohnung vorgenommenen Haussuchung einen Beutel mit 6 bis 8 solcher Filz pfropfen, Schrot und einen Ladestock vorfand. Auch ist der Betreffende in der Morgenstunde des Mittwoch von einer beerensuchenden Frau, welche ihn persönlich kannte, in der Nähe des Thatortes mit einem Gewehr gesehen worden. Habhaft ist man des Mörders noch nicht geworden; man vermuthet, daß derselbe auch sich umgebracht habe, um der irdischen Gerechtigkeit zu entgehen. Riesa. Das Kriegs-Ministerium hat am alten Paufitzec Wege bei Riesa außerhalb des Bebauungs planes ein Areal von 4400 Quadratmeter erworben, um dort ein großes Magazin zur Unterbringung von Artillerie-Munition zu errichten. Das Feld an der Lommatzsch-Nossener Bahn, welches nach dem Stadt bauplan zur Anlage von Fabriken, Niederlagen u. s. w. bestimmt ist, hat jetzt eine besondere Gleisanlage er halten, die in Verbindung mit dem Güterbahnhose und dem Elbquai steht. Eine gröbere Firma wird dem nächst mit der Erbauung eines Speichers dort beginnen. Trebsen. Der Fleischermeister M. hier kaufte in dem benachbarten Dorfe Oe. ein dem Verenden nahes, ungefähr 2 Zentner schweres Schwein für eine — sage und schreibe eine Mark, angeblich zu Hundefutter. Der Wachsamkeit des Gendarmen Böttger gelang es jedoch bald, zu ermitteln, daß M. das von diesem todtkranken Schwein gewonnene Fleisch mit einer gröberen Menge gesunden Fleisches in einem Fasse eingepökelt hatte. M. gestand diese saubere Mischung wohl zu, meinte aber, dies schlechte Fleisch trotzdem noch zu Hundefutter verwenden zu wollen. Eine Anzahl vorhandener frischer Leberwürste will M. nicht von der Leber rc. des gekauften halbtodten Schweines, überhaupt nicht von sogenannten Kleinodien, sondern lediglich aus Fleisch (?) und Fett (?) hergestellt haben. Das vor gefundene Fleisch ist unter gemeindeamtlichen Siegel verschluß, die Angelegenheit aber der Staatsanwalt schaft zur Anzeige gebracht worden. Borna. Ein am 23. Juli Mittags im Nordwesten der Amtshauptmannschaft Borna aufgetroffenes Hagel wetter hat in etwa fünfzehn ländlichen Gemeinden und in der Stadtflur Rötha den Keldfrüchten geradezu unberechenbaren Schaden zugefügt. Die Flur Rötha, besonders zwischen Espenhain und Muckern, ist wohl zum größten Theil verhagelt. In einigen Fluren schätzt man den Verlust der bis jetzt prächtig entwickelten Ernte auf 60—75 Prozent. Vom Getreide hat nament lich die Gerste, von den Futterpflanzen Nunkeln und Kraut schwer gelitten; den Obstbäumen und deren Heuer überaus reichlichem Anhänge, desgleichen den nicht ver sicherten Gartensrüchten, Gurken, Bohnen, Zwiebeln und dergleichen, ist ebenfalls schwerer Schaden zugefügt worden. Erfreulicherweise wird in der hiesigen Gegend die Gelegenheit zur Hagelversicherung in ländlichen Kreisen stark benutzt, so daß der Verlust für den Einzelnen wenig fühlbar wird. Angesichts des täg lichen Regens bedrücken allerdings das Herz unserer Landleute schwere Sorgen; Korn und Gerste sind reif bez. aus leichterem Boden bereits gemäht, und doch verheißt der Tag für Tag bewölkte Himmel kein glück liches Einbringen der Heuer in besonders reichlichem Maaße erwachsenen Feldfrüchte. Leipzig. Bis zu welchem Grade von Dreistigkeit der Versuch der hiesigen Sozialisten, die Ulrich'sche Brauerei zu boykottiren, gediehen ist, erhellt daraus, daß jetzt in Masse das Verzeichniß derjenigen Flaschen bierhandlungen und Gastwirthschasten verbreitet wird, welche das Ulrich'sche Bier verkaufen. Es ist die Aus gabe der Ordnungsparteien, die Ulrich'sche Brauerei in dem ihr aufgedrungenen Kampfe gegen die Sozial demokratie zu unterstützen. (Fortsetzung deS Sächsischen in der Beilage.) Tagesgefchichte. Berkin. Der „Reichsanzeiger" schreibt: Se. Maj. der Kaiser ist am 23. d. Mts. Abends an Deck der „Hohenzollern" auf dem durch den Regen glatten, feuchten Fußboden aus geglitten und Hai sich dabei leicht am rechten Knie verletzt, sodaß Schonung des Fußes erforderlich ist. Es werden aus diesem Grund in der nächsten Zeit Berg- und Landparthien nicht stattfinden können. Das Allgemeinbefinden des Kaisers ist gut. Der Kaiser nahm gestern (24.) an der ge meinschaftlichen Mittagstafel an Deck theil. — Die Entwürfe für das Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms werden im Lichthofe des Zeughauses ausgestellt. Bisher haben sich nur Begas, Schilling, Hilgers und Architekt Bruno Schmitz betheiligt. — Die „Neue Preußische (Kreuz) Zeitung" Nr. 336 vom 22. Juli dss. Js., Abendausgabe, enthält einen „Aus Ostpreußen" überschriebenen Artikel, in dem die Behauptung aufgestellt wird, „daß die Offiziere jener sächsischen Landwehren, die aus den sozialdemokratischen Jndustriebezirken im vorigen Jahre zur Uebung ein gezogen waren, mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, daß wiederholt auf die Führer ge schossen wurde.' Wir sind ermächtigt, schreibt das amtliche „Dresdner Journal", zu erklären, daß diese Behauptung den thatsächlichen Verhältnissen in keiner Weise entspricht. Weder hatten die betreffenden Offi ziere „mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen" noch ist auf diese Offiziere oder sonstige Führer ge schossen worden. Wie die „Neue Preußische Zeitung" dazu kommen konnte, eine derartige dreiste Erfindung in ihre Spalten aufzunehmen, erscheint räthselhast und bedauerlich. — Von den in den laufenden Reichshaushalt ein gestellten 29 Millionen Mack für den Nordostsee kanal sind bisher etwa 9 Millionen verausgabt. Die Arbeiten werden überall eifrig gefördert, so daß die Fertigstellung des Kanals zu dem in Aussicht ge nommenen Zeitpunkt mit Sicherheit zu erwarten ist. — Der Verband deutscher Bergleute hielt am Sonntag vor 8 Lagen in Bochum eine Delegirtcn- versammlung ab, in welcher über den Geschäftsbetrieb und das Kassenwesen des Verbandes Bericht erstattet wurde. Wir entnehmen dem „Vorwärts", daß die Mitgliederzahl der Vereinigung gegenwärtig bis auf 57,000 angewachsen ist und daß die Einnahme vom 1. Januar bis 15. Juli d. I., also in nicht viel mehr als 6 Monaten, rund 48,500 M. betragen hat. Man muß über die außerordentliche Geschicklichkeit der „Ge nossen" in der Handhabung des Klingelbeutels staunen, w-nn man namentlich in Betracht zieht, daß ihrerseits dabei fortwährend über Nothstand und Unauskömmlich- keit geklagt wird. Dieses halbe Hunderttausend Mark bildet doch nur einen ganz geringen Bruchtheil der Einnahmen aller deutschen sozialdemokratischen Kassen und außerdem sind, wie in dem Berichte erwähnt ist, noch 11,500 Mitglieder mit ihren Beiträgen „länger als 3 Monate" rückständig. Aber wie in Einnahmen, so sind auch in Ausgaben die Delegieren sehr talent voll; denn die „Verwaltungskosten" betragen pro Mit glied etwa 95 Pfg., so daß also die oben als verein nahmt verzeichnete Summe gerade ausreicht, um die „Verwaltung" zu bezahlen. Wie man sieht, ist die sozialdemokratische Regierung keine billige; wollte oder könnte man genau bezeichnen, welche Beträge durch sämmt- liche Kassen der Sozialdemokratie Deutschlands gehen, so würde sich daraus ergeben, daß das sozialdemo kratische Budget den Kopf der — nehmen wir an — I V» Millionen „Genossen" höher belastet, als das Budget des deutschen Reiches seine Einwohner. Allen Respekt also vor der sozialdemokratischen Verwaltungs kunst! — Die sozialdemokratischen Budiker, die sich kaninchenartig vermehren, haben wieder einmal Klage lieder Jeremiae gesungen. Die „Genossen" sollen ihre Zahlstellen zum Theil in Kneipen verlegt haben, deren Inhaber freilich sozialdemokratische Blätter aus legten, aber nicht selbst sozialdemokratisch wären. Wahre Sozialdemokraten unter den Budikern wären nur in dem Verein der sozialdemokratischen Gastwirthe zu finden. Bei Letzteren soll die Leere im Lokal immer beängstigender werden, und sie wollen nun diese sozial demokratischen Budiker dadurch beseitigen, daß sie ein Mitgliederverzeichniß ihres Vereins drucken und das mit dem „Vorwärts" verbreiten lassen. Ob dieses Mittel genügen wird, die Genossen in die verräucherten Kneipen der mit ihrer sozialdemokratischen Gesinnung prahlenden ehemaligen Arbeiter, die für den Betrieb eines Schankgewerbes wohl kaum viel Berständniß haben, zu locken, möchten wir stark in Zweifel ziehen. — Alle Versuche der Sozialdemokratie, die Bewegung auf das platte Land zu tragen, sind bis her gescheitert. Auf allen Parteitagen wurde konstatirt, daß die bisherige Art der Agitation wesentlich daran schuld sei, daß die Sozialdemokratie auf dem Lande keinen festen Boden habe fassen können. Es sollen nun vorläufig die sozialdemokratischen Versammlungen auf dem Lande aushören, da sich herauSgestellt hat, daß die Redner, welche von der Stadt kommen, mit dem allergrößten Mißtrauen von den Bauern betrachtet werden; Letztere sollen in den JdeenkreiS der geschulten Agitatoren nicht etndringen können und die unge schulten, welche auf dem Lande wohnten, brächten die sozialdemokratischen Lehren so ungeschickt zum Vortrag, daß die Geistlichen und Lehrer leichtes Spiel hätten, um die sozialdemokratischen Agitatoren abzusühren. Darum also soll die Agitation durch das Wort auf hören bezw. stark beschränkt werden; dagegen gedenken die Leiter der Bewegung eine Agitation durch die Ver breitung billiger Schriften und Broschüren ins Werk zu setzen, wie sie bis dahin noch nicht stattgesunden haben soll. Eine Anzahl derartiger Schriften sind von „hervorragenden Genossen" auSgcarbeitet. Die zu be arbeitenden ländlichen Kreise sind derartig ausgewählt, daß sie von mehreren Seiten angefaßt werden können. — Der häusliche Streit im sozialdemokratischen Lager geht munter weiter, wie das in schärfster Sprache abgefaßte, sich gegen die Parlamentsfraktion der sozialvemokratlschen Partei wendende Flugblatt der radikalen „Jungen" beweist. Als „verantwortlicher Redakteur" des Flugblattes zeichnet ein gewisser Herr Müller, aber es ist unter den Berliner Genossen offenes Geheimniß, daß der Tapezierer Wildberger das Flug blatt verfaßt hat. Wildberger leitet im Verein mit dem Buchdrucker Werner die Opposition der „Jungen" gegen die sozialdemokratische Reichstagsfraktion und stellen sich die Herren so, als ob sie keinen Pfifferling auf den ganzen Parlamentarismus gäben, im Grunde ihres Herzens aber streben sie ebenfalls nach einem Reichstagsmandat. Denn Wildberger wie Werner haben in dem letzten Reichstagswahlfeldzuge eine sehr rührige Agitation entfaltet und auf ihre Namen bei den Berliner Wahlen auch eine bedeutende Stimmen zahl vereinigt. Wenn sie daher in dem erwähnten Flugblatte gegen die parlamentarischen Vertreter der Partei eisern, daß dieselben durch ihre Betheiligung an den gesetzgeberischen Arbeiten dem revolutionären Prinzip der Sozialdemokratie untreu würden, so sind dies Redewendungen, welche nur aus die denkfaule breite Masse der sozialdemokratischen Wählerschaft be rechnet sind. Denn wenn den Herren Wildberger und Werner d'e Theilnahme der Sozialdemokraten an den parlamentarischen Geschäften als eitel Firlefanzerei gilt, so hätten sie sich doch nicht selbst als Kandidaten für den Reichstag aufstellen lassen dürfen. Nun, sei dem, wie ihm wolle, jedenfalls wird es aus dem bevor stehenden sozialdemokratischen Parteitag in Erfurt zu neuen heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Führern der „Alten" und der „Jungen" kommen, während zugleich eine Abrechnung zwischen der offi ziellen Parteileitung und Herrn v. Vollmar wegen der „patriotischen Anwandlungen" des bayerischen Sozia- listenführers zu erwarten steht. — Seit längerer Zeit schweben bekanntlich zwischen den deutschen Bundesstaaten Verhanvlungen über ein einheitliches Militär - Straspr ozeß - Verfahren. Authentische Nachrichten sind bisher über den Stand dieser Verhandlungen nur insoweit bekannt geworden, daß mit ziemlicher Bestimmtheit die Erreichung eines Einverständnisses unter den Bundesstaaten mitgetheilt werden konnte. Selbst über die Grundzüge des Ueber- einkommens sind bisher unzweifelhaft feststehende An gaben nicht bekannt geworden, doch ging die über wiegende Meinung dahin, daß das Ergebniß der Ver handlungen ein den bayerischen Einrichtungen — Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens — allzu günstiges nicht sei. Dieser Auffassung wider spricht nun eine Korrespondenz, die dem „Fränkischen Kurier" aus Berlin zugeht. Es heißt in diesen „an der Quelle geschöpften" Informationen: „Es soll den durch die Stimmen der bayerischen und nichtbayerischen Presse unterstützten Bemühungen der bayerischen Ver treter gelungen sein, die Unerläßlichkeit von Zugeständ nissen an die össenlliche Meinung hier, namentlich an höchster Stelle, begreiflich zu machen, den Beweis zu liefern, daß Bayern unter keinen Umständen sein jetzt bestehendes, im großen Ganzen vorzüglich bewährtes Prozeßverfahren zu opfern geneigt sei, dadurch den Widerstand gegen die zwei Grundprinzipien des baye rischen Militärstrafprozeffes, gegen die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, zu überwinden und sogar den Ver zicht des Kriegsherrn aus das Bestätigungs- oder Verwerfungsrecht als Kriegsherr zu erlangen. Nach dem diese bisher als unerreichbar gehaltenen Zu geständnisse gebilligt worden sind, bieten die weiteren Fragen der Organisation der Militärgerichte keine un besiegbaren Schwierigkeiten mehr, obschon die Ver handlungen darüber sich noch ziemlich in die Länge ziehen dürften. Voraussichtlich werden die bayerischen Einrichtungen als Muster dienen, also Untergerichte bei den einzelnen Abtheilungen als Schöffengerichte und Bezirksgerichte für jedes Armeekorps als Ge schworenengerichte eingesührt werden, nur wird vor-