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M V IklfsNlt! -I MM E. Beilage zu Nr. 83. Donnerstag, den 16. Juli 1891. 57. Jahrgang. Neue Streitigkeiten im sozialdemokratischen Lager. D e sozialdemokratische Partei Deutschlands gewährt, den übrigen Parteien wieder einmal das drastische Schauspiel erregter häuslicher Auseinandersetzungen, bei denen man sich gegenseitig ganz offen recht ange nehme Liebenswürdigkeiten sagt, mit welchen sonst die Sozialdemokratie nur die bürgerlichen Parteien zu be dienen pflegt. Einerseits ist es zu einem heftigen Streit zwischen Herrn von Vollmar und der Berliner Centralleitung der Partei, speziell den Herren Liebknecht und Bebel, gekommen, bei welchem es sich um die bekannte „patriotisch" angehauchte Rede des bayerischen Sozialistensührer handelt, anderseits ist im Lager der Berliner Sozialdemokraten ein neuer scharfer Zwiespalt entstanden. Herr v. Vollmar wird von den Berliner Generalgewaltigen seiner Partei öffentlich desavouirt und verdächtigt, weil er es wagt, den mit dem inter nationalen und revolutionären Charakter der Sozial demokraten allerdings unvereinbaren Satz aufzustellen und zu verfechten, ein Sozialist könne unbeschadet seines prinzipiellen Standpunktes national und patrio tisch gesinnt sein, wobei Herr v. Vollmar bekanntlich zu der Schlußfolgerung gelangt ist, die deutschen Sozialdemokraten würden bei einem feindlichen An griffe auf das Vaterland ebenso gut zu dessen Ver- theidigung bereit sein, wie die anderen Staatsbürger. Ob dieser ketzerischen Aeußerungen ist nun Herr von Vollmar von den Herren Bebel und Liebknecht ganz gehörig gerüffelt worden, was aber nur die Folge hatte, daß der bayerische Sozialistenführer den Berliner Führern in einer zweiten Rede tüchtig den Text las. Das hat wiederum die Berliner arg verschnupft, sie behandeln jetzt Herrn von Vollmar als einen höchst unsicheren Cantonisten und geben ihm ziemlich unver- blümt den guten Rath, doch lieber aus den sozial demokratischen Reihen auszuscheiden. Während der gestalt der Kampf zwischen so hervorragenden Persön lichkeiten der sozialdemokratischen Partei hin- und her- nwgt, bekämpfen sich erneut die taktisch vorsichtigen „Alten" und die radikalen „Jungen" aufs heftigste, wie die jüngsten Vorkommnisse in Berlin beweisen. I» einer großen sozialdemokratischen Volksversammlung, welche dieser Tage in der Reichshauptstadt behufs der endgültigen Wahl der Delegirten zum internationalen Sozialisten - Kongreß in Brüssel stattfand, platzten die durch die „Alten" einerseits, durch die „Jungen" unter Führung der Werner, Baginski, Wildberger und an derer sozialdemokratischer Größen zweiten und dritten Ranges vertretenen Gegensätze abermals scharf aus einander. Die Opposition der radikalen Stürmer und Dränger warf den alten Führern vor, durch deren zögernde Taktik und parlamentarische Leisetreterei würde die sozialdemokratische Partei in den Sumpf geritten und wenn es mit ihrer Leitung in der bis herigen Weise weiter gehe, werde die Partei in zehn Achren vollständig verflacht sein. Diesen Anschul digungen gegenüber versuchte es von den „Alten" haupt sächlich Herr Bebel, nachzuweisen,, daß die bisherige Haltung der offiziellen sozialdemokratischen Führung eine für die Partei durchaus ersprießliche gewesen sei und daß darum keine Veranlassung vorliege, die jetzt geltende Taktik zu ändern und in die von der Oppo sition der „Jungen" gewünschte entschieden-revolutio näre Bahn einzulenken. Die stürmischen Widersprüche, welche die Rede Bebels in ihrem Verlaufe wiederholt bei den Gegnern erregte, bekundeten indessen, daß Herr Bebel auch diesmal tauben Ohren gepredigt hat und daß die „Jungen" ihre Opposition gegen die „Alten" keineswegs aufgeben werden. Der innere Gährungs- und Zersetzungsprozeß, der sich in der sozialdemokratischen Partei Deutschlands hauptsächlich seit Erlöschen des Sozialistengesetzes bemerklich gemacht hat, wird also weiter gehen und sicherlich auf dem bevorstehenden sozialistischen Parteitag zu Erfurt nur eine neue Illustration erfahren. Daß bei diesen fort gesetzten Zänkereien der äußerliche Verband der sozial demokratischen Partei dieselbe in der jetzigen Weise noch lange zusammenhalten sollte, wird daher immer unwahrscheinlicher, vielleicht, daß schon der Erfurter Parteitag die längst in Aussicht stehende Sezession der „Jungen" und Vereinigung derselben zu einer be sonderen Parteigruppe zeitigt. Da indessen die An hänger Bebels im Grunde genommen denselben End ¬ zielen zustreben, wie die Radikalen der Partei, so würde eine derartige Spaltung in der Gesammtstellung der Sozialdemokratie gegenüber den bürgerlichen Parteien schwerlich eine Aenderung bewirken. Dagegen ist es nicht ausgeschlossen, daß die von Herrn von Vollmar vertretene besondere Richtung in der Sozialdemokratie Fortschritte macht und hierdurch eine Schwächung der selben als Gesammtpartei herbeiführt, welche den auf dem Boden der heutigen staatlichen und gesellschaft lichen Ordnung stehenden bürgerlichen Parteien nur zu Gute kommen könnte. Sächsisches. Chemnitz. Vom königl. Schwurgericht wurde am 13. Juli der am 5. Dezember 1853 zu Hainichen geborene, bereits 11 mal, zuletzt mit 4 Jahren Zucht haus vorbestrafte Tuchmacher und Cigarrenarbeiter G. A. Ludwig wegen Raubmordes, Urkundenfälschung und Betruges zum Tode und zu 6 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Der Angeklagte hatte am 12. März in dem zwischen Grünlichtenberg und Mosheim liegenden Nonnenwalde den 17jährigen Schlossergesellen Emil Fritzsch, Sohn des Gutsbesitzers Anton Fritzsch in Oelsnitz i. E., ermordet und beraubt, auch von dem Vater seines Opfers erhebliche Geldbeträge erschwindelt. Wurzen. Am Donnerstag voriger Woche wurde hier der schon bejahrte Rechtsanwalt Ramsch und sein Sohn wegen Unterschlagung verhaftet. Die Unschuld des Ersteren stellte sich bei dem sofortigen Verhöre heraus, daher der Vater entlassen, der Sohn aber in Haft gehalten wurde. Die Firma Monts in Hamburg hatte den Rechtsanwalt Ramsch mit der Einklagung einer Forderung von 400 M. an einen in Wurzen wohnhaft gewesenen Gastwirth betraut, und Ramsch hatte die Sache auch erfolgreich durchgesetzt. Da kommt nun der Reisende des betreffenden Hamburger Hauses kürzlich nach Wurzen und erkundigt sich nach dem Stande des Prozesses. Es wurde ihm eröffnet, die Forderung sei durch Zahlung beglichen und das Geld seinem Hause eingesandt worden. Der Reisende fragte darauf telegraphisch an, ob sein Haus das Geld er halten habe, und erhielt die Drahtantwort: „Geld nicht eingegangen." Darob zeigte er die Sache der Staatsanwaltschaft an, und es stellte sich heraus, das Ranisch jun. das Geld in seinem Interesse verausgabt hatte. Schönheide. Die obere Mulde, deren eigentliches Bett fast das ganze Jahr hindurch meist trocken gelegt ist, da das Wasser gewöhnlich von einer gewerblichen Anlage (Holzschleiferei, Papierfabrik, Sägewerk rc.) zur andern geleitet wird, ohne daß es das Flußbett mehr als auf die Länge einiger Meter berührt, zeigt gegenwärtig, infolge des fast unausgesetzt anhaltenden Regenwetters einen verhältnißmäßig hohen Wasser stand; die Fabriken rc., auch die in größerem Maß stabe angelegten, sind eben nicht im Stande, den ganzen Wassersegen zu verbrauchen. Außer diesem Vortheil gewährt die nasse Witterung noch den Nutzen, daß die Pilze vortrefflich gedeihen. Während sonst die eigent liche Pilzzeit erst Ende Juli beginnt, so haben Heuer die Pilzsammler schon seit Anfang des Monats eine gute Ausbeute gemacht. Für die Landwirthe jedoch gestaltet sich das Wetter nachgerade zum Verzweifeln. Das während des günstigen Wetters noch gemähte Gras ist vollständig verdorben und das noch anstehende hat schon längst angefangen, von unten an abzufaulen. Lengenfeld. Die hiesige Stadtgemeinde kam jüngst dem Wunsch der hiesigen Einwohnerschaft dadurch ent gegen, als sie beschlossen hat, das der hiesigen Brau genoffenschaft gehörige alte, inmitten der Stadt stehende und derselben nicht mehr zur Zierde gereichende Brau- Ha us käuflich zu erwerben und dasselbe vermuthlich niederreißen zu lassen, um den dadurch entstehenden freien Raum zu einem schmucken Platze umzugestalten. Die Braugenoffenschaft wird das Gebäude noch bis Ende Oktober dieses Jahres benutzen. Burgstädt. Der seit mehreren Jahren hier be gründete „Bürgerasylverein", dessen Bestrebungen dahin gehen, für würdige, bedürftige Bürger in den Tagen des Alters und der Noth eine geeignete, freund liche, bisher hier mangelnde Zufluchtsstätte in unserer Stadt zu errichten, kommt seinem Ziele immer näher. Gegenwärtig. besitzt der Verein ein Vermögen von 11,622 Mark 56 Pf. außerdem ein ihm vom Stadt- 150-165 162—172 160-165 147—150 do. do. do. 66,00 " 13,00 12,50 18,00 17,00 22-28 Aus dem Markte: Heu pro Ctr. . 3,20—3,80 Stroh pro Schock 26,00—27,00 gemeinderath als Baustelle für das künftige Asyl schenkungsweise überlassenes großes Grundstück in der Nähe des TaurasteineS. Vermächtnisse im Betrage von-200 M. stehen noch aus. 105 Mark antheilige Zinsen der Feustel-Stiftung und 42 Mark Zinsen der Kantor Meister-Stiftung jährlich sind dauernde Zu schüsse. Der dieser Tage stattgefundenen Generalver sammlung lag bereits ein Plan über die Anlage und Bauausführung des Asyls vor und wurde beschlossen, einen Bauausschuß zu wählen, welchem die weitere Ausarbeitung des vorliegenden Planes nach Einziehung von Erkundigungen, Besichtigung anderer derartiger Anstalten und Zuziehung von Sachkundigen obliegen soll. Grimma. Gegenwärtig sind die Gehaltsver hältnisse der Lehrer an den hiesigen Bürgerschulen geregelt worden. Der Anfangsgehalt ist wie bisher auf 1200 M. festgesetzt worden; derselbe wird erhöht nach einer Dienstzeit von zweimal drei Jahren um je 150 M., dreimal vier Jahren um je 200 Mark und zweimal 5 Jahren um je 150 Mark, bis ein Höchst gehalt von 2400 Mark erreicht ist. Es findet somit gegenüber den bisherigen Bestimmungen ein schnelleres Aufrücken in den unteren und mittleren Gehaltsklaffen statt, auch ist der zu erreichende Höchstgehalt von 2250 » Mark auf 2400 M. erhöht worden. Hilfslehrer und Vikare erhalten 1000 Mark, im dritten Jahre, jedoch nur bei ganz besonders guten Leistungen, 1100 M. Der Direktorgehalt beträgt 3000 M., steigt aber von fünf zu fünf Dienstjahren um je 200 Mark bis auf 3600 M. netto: 39,50 36,50 36,00 35,00 31,00 26,50 34,50 33,00 32,00 28,00 26,00 16,00 12,00 12,00 13,40 69,00 49,00 russischer 210-215 preussischer 210—215 Gerste, sächsische . 150-170 do böhm. u. mähr. 168—180 Futtergerste. . . Hafer, sächsischer . do. schlesischer. Mais, Einqu. alt do. rumänischer do. neu . . . do. amcrik., weiß Erbsen pro 1000 kx netto: weiße Kochwaare . 170—180 do. Futterwaare 150-165 Saaterbsen. . . Bohnen, prolOOOKw 170—200 Wicken, pro 1000 k^ 130—160 Buchweizen, inländ. und mährisch . 170—180 Oelsaaten pro 1000 kx- netto: Winlerraps, sächs. do. russischer . — Winterrübsen, neuer do. do. do. do. Futtermehl Weizenkleie, qrobe do. feine Roggenkleie. . Spiritus. . . Hafer (KI) . . 8,20-9,20 Kartoffeln (KI) neue 9,60—10,60 Butter (kg) . . 2,20—2,70 Dresdner Produktenbörse vom 13. Juli. An der Börse: Leinsaat, feinste . 255 —270 seine . 230—245 mittlere. 220—235 geringe . Rüböl pro 100 kg netto (mit Faß): raffinirt . 66,00 Rapskuchen pro 100 kg netto: lange .... runde . . . Leinkuchen, einmal gepreßte . . . do. zweimal gepr. Malz (ohne Sack) Kleesaat pro 100 kg Brutto (mit Sack) rothc — do. weiße . . — do. schwedische — Thymothce . . — Weizenmehl pro 100 kg Kaiserauszug . . . Grieslerauszug. . . Semmelmehl . . Bäckermundmehl . . Grieslermundmchl Pohlmehl .... Roggenmehl Nr. 0 . Nr. 0/i. Nr. 1 . Nr. 2 . Nr. 3 . Weizen, deutsche und sächsische Landwaare pro 1000 kg netto: Wcihweizen . . 235—245 Braunweizcn . . 230—235 do. neu. do. englisch Nuss. Weizen, weißer 235—240 do. rother . 235—240 do. gelb u. bunt 230—235 do. braun . . — Roggen, sächsischer 200—210 do. do. feuchter do. do. Dresdener Schlachtviehmarkt vom 13. Juli. Am Schlachlviehmarkte waren 424 Rinder, 98 Bullen und 14 österreich. Rinder cingcschlosse», 735 Hammel, 900 Schweine und 325 Kälber, zusamnicn 2384 Stück Vieh (294 mehr wie am Vormarkte), zum Verkaufe aufgetrieben. Das Verkaufsgeschäst trug durchgängig ein lebhaftes Gepräge. Es erzielten Rinder 65—70 M., in AusnahmcfäNe» auch noch mehr, Mittclwaare und gute Kühe 58—63 und dritte Qualität 45—55 M. pro 50 Kilo Schlachtgewicht. Bullen wurden zwischen 56 und 65 M. die gleiche Quantität Schlachtgewicht gehandelt. Englische Lämmer kosteten 62—68, sowie von Landhammeln die erste Sorte 50 bis 61 M. pro Paar zu 50 Kilo Fleischgcwicht, während die andere gänzlich fehlte. Landschweine bester Qualität wurden mit 54—57 Mark und darüber bezahlt, die andere dagegen mit 50—53 M. abgenommen, und zwar je pro 50 Kilo Fleischgcwicht 74 Stück vorräthigc fremde Landschweine erreichten 54—55 M. pro 50 Kilo Lebendgewicht, neben 20 Kilo Tara auf das Stück, und 10 hier ausgeschlachtete Bakonicr wurden zu 55—56 M pro 50 Kilo Fleischgcwicht gekauft. Kälber gingen je »ach Fleischwcrth zu 100—120 Pf. das Kilo Fleisch und in bester Qualität auch noch thcurer ab. — In, Eentralschlachthofe fanden in voriger Woche 2786 Schlachtungen statt, welche 330 Rinder, 468 sammel, 1123 Schweine und 865 Kälber betrafen.