Volltext Seite (XML)
51L voigtländischen Ortschaften der erwünschte Aufschwung beschieden sein würde. Gleicher Ansicht ist man in den Otten Bayerns, die von der Bahn berührt werden sollen. Selbst in Hof haben sich die Vertreter der Großindustrie, die durch diese Eisenbahn ihr« Fabriken unmittelbar mit dem Bahnhofe verbinden und dabei besonders beim Bezug von Kohlen und Rohmaterialien viel Spesen ersparen könnten, für eine Staatsbahn ausgesprochen. Jedenfalls werden sich die Landtage Bayerns und Sachsens im nächsten Winter abermals mit diesem Bahnprojelte zu beschäftigen haben. Oschatz. In dem Dorfe Bornitz und anderen Ortschaften ist der Typhus nicht unbedenklich auf getreten. Dem Vernehmen nach sind ungünstige Wasserverhältnisse die Ursache der Erkrankung. Leipzig. Die Einwohnerzahl Leipzigs ist sür den l. Juli auf 362,555 Personen berechnet worden. — Anfang dieses Monats erschien bei einem Gast- wirth ein fein gekleideter Herr, welcher sich für den Stallmeister des Grafen Vitzthum von Eckstädt ausgab und vorgab, er sei beauftragt, für die gräflichen Pferde, welche in Leipzig trainirt werden sollten, geeignete Stallungen zu beschaffen. Die ihm von dem Gastwirth angebotenen Stallungen erschienen dem gräflichen Stallmeister als ziemlich geeignet, nur bedang sich der selbe, ehe er einen Miethvertrag auf längere Zeit mit dem Wirth abschloß, noch die Anbringung verschiedener ' Verbesserungen in den Ställen aus, welche der Wirth sofort mit einem Kostenauswande von ungefähr 100 Mark vornehmen ließ. Auch wurde dem liebens würdigen Stallmeister bereitwilligst ein Vorschuß von 100 Mark zur Bestreitung kleinerer Auslagen gewährt und auch der Kellner ließ es sich nicht nehmen, ihm mit Kreditirung seiner Zeche in Höhe von 30 Mark unter die Arme zu greifen. Im Laufe der Tage wurden denn auch die verschiedensten Gegenstände, Möbel, Schaukelstühle rc., Alles von dem Stallmeister zur bequemeren Einrichtung des Herrn Grafen bestellte Sachen, in dem Gasthofe abgeliefert. Als jedoch die Lieferanten, welche sämmtlich erklärten, von dem Stall meister beauftragt zu sein, sich die Kaufpreise vom Wirth auszahlen zu lassen, ihr Geld haben wollten, was auch zum Schluß noch ein Droschkenkutscher für eine Fahrt nach dem Thüringer Bahnhof, welche er dem Herrn Stallmeister Zagrabski — diesen Namen hatte sich der Herr Stallmeister beigelegt — geleistet, bezahlt sein wollte, stiegen in dem leichtgläubigen Wirthe doch Bedenken auf und er suchte sich der Person des Herrn Stallmeisters zu vergewissern. Dieser hatte jedoch bereits den Zeitpunkt, zu verduften für gekommen gehalten. Da die Spur des Gauners nach Berlin leitete, wurde derselbe durch Inanspruchnahme der dortigen Kriminalpolizei kürzlich dort in Person eines 24jährigen, aus Dresden gebürtigen, mehrfach vor bestraften Kutschers, Namens Klinger, ermittelt und an die Staatsanwaltschaft abgeliefert. (Fortsetzung deS Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Von diplomatischer Seite erhält die „A. R.-C." über die Erneuerung des Dreibundes fol gende Mittheilung: „Zwei Umstände unterscheiden das neue Bündniß von dem alten. Während das deutsch österreichische Bündniß in Wien abgeschlossen und unter fertigt wurde, die Verträge zwischen Italien und Oester reich-Ungarn einerseits, sowie Italien und Deutsch land andererseits aber in Rom zu Stande kamen, wurde diesmal ein einziger und einheitlicher Vertrag zwischen den drei Mächten vereinbart und als Ort der Unter zeichnung und des Austausches der Urkunden Berlin gewählt. —Wie allgemein angenommen wird, so schreiben die „B. P. N.", dürfte in dem nächsten Winterabschnitt der Reichstagstagung auch ein Gesetzentwurf über die Bekämpfung der Trunksucht zur Berathung ge langen. Die Vorarbeiten für den Entwurf sind schon seit längerer Zeit im Gange. Sie wurden veranlaßt durch die Reichstagsverhandlungen vom Februar 1888, welche sich mit den auf Erlaß eines solchen Gesetzes gerichteten Petitionen beschäftigten. Damals wurden die dem Reichstage zugegangenen Eingaben dem Bundes rath als Material zur Gesetzgebung überwiesen. Der Bundesrath überwies den Reichstagsbeschluß bald da rauf seinem Vorsitzenden und nicht lange danach be gannen innerhalb der zuständigen Behörden kommissa rische Berathungen über die Ausstellung eines Ent wurfs zur Bekämpfung der Trunksucht. Es wurden auch die Gutachten der Einzelregierungen in dieser Frage eingeholt. Wenn die Vorarbeiten eine verhält- nißmäßig geraume Zeit in Anspruch nahmen, so liegt das hauptsächlich an der Schwierigkeit der Materie. Bei deren Behandlung müssen die verschiedenartigsten Gesichtspunkte beachtet werden. So kann man bei spielsweise sicher sein, daß mit dem zu erwartenden Entwürfe auch in eine Revision des Abschnittes der Gewerbeordnung über die Konzessionirung von Gast- wttthschaften, Echankwirthschafttn und Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus eingetreten werden wird. Die dort vorgeschriebene KonzessionSnachsuchung wird nämlich vielfach durch die Gründung von Konsumver einen umgangen. Schon bei der Berathung des neuen Erwerbs- und WirthschaftsgenossenschastSgesetzeS wurde diese Frage lebhaft erörtert und schließlich vom Reichs tage eine Resolution angenommen, in welcher die ver bündeten Regierungen aufgefordert wurden, bei Ge legenheit der Ergreifung gesetzgeberischer Maßnahmen gegen die Trunksucht und der Revision der gewerbe polizeilichen Vorschriften über den Vertrieb von Spiri tuosen auch Maßregeln gegen die Mißbräuche vorzu schlagen, welche der Vertrieb von Spirituosen durch die Konsumvereine mit sich gebracht hat. Das neue Genoffenschaftsgesetz hat die Mißbräuche durch die Schaffung der sonst so nützlichen Genossenschaften mit beschränkter Haftpflicht noch befördert. Bei Berathung des Genossenschaftsgesetzes wurde denn auch vornehm lich aus diesem Grunde beabsichtigt, Vorschriften auf zunehmen, welche den Vertrieb von Branntwein durch Konsumvereine einzuschränken bestimmt sein sollten. Es wurde jedoch davon Abstand genommen, nachdem seitens der Regierungsvertreter erklärt war, daß der Boden zur Regelung der Angelegenheit nicht das Ge noffenschaftsgesetz, sondern die Gewerbeordnung sei. Es wurde dabei ausdrücklich auf das zu erwartende Gesetz über die Bekämpfung der Trunksucht Bezug genommen. Danach kann man sicher sein, daß in dem zu erwartenden Trunksuchtsgesetz auch diese Frage einer Regelung zugeführt werden wird. — Mehr und mehr treten die zur Zeit schwebenden wichtigeren Fragender inneren deutschen Tages politik seit dem Schluffe der Parlamente des Reiches und Preußens in den Hintergrund und die inzwischen eingetretene hochsommerliche Temperatur trägt auch nicht gerade zur Belebung der politischen Tagesdiskussion bei. Wenn erst der Bundesrath seine Geschäfte voll ständig abgewickelt und hiermit gleichsam das Signal zum Beginn der Urlaubsreisen der Staatssekretäre des Reiches und der preußischen Minister gegeben haben wird — was in etwa 2 Wochen zu erwarten steht — so wird in den inneren deutschen Angelegenheiten völlige sommerliche Stille Platz greifen. Unter dem Einflüsse der jetzt herrschenden schier tropischen Hitze will offen bar auch die von den Freisinnigen und Sozialdemo kraten in Scene gesetzte Agitation gegen die Getreide zölle nicht mehr recht vorwärts gehen und da von dieser Bewegung ja überhaupt nicht das geringste praktische Ergebniß zu erwarten ist, so wird sie wohl demnächst von selber wieder einschlafen. Was die Angelegenheit der Neubesetzung der erledigten preußischen Oberpräsi dentenposten anbelangt, so sind die endgiltigen Er nennungen der hierbei in Aussicht genommenen Per sonen noch immer nicht erfolgt. Ueberhaupt steht es noch keineswegs fest, ob auch die Wicderbesetzung der vakanten Posten gemäß den hierüber allgemein gehegten Erwartungen vor sich geht. Wenigstens sollen sich bezüglich des zum Oberpräsidenten von Ostpreußen bestimmten Herrn v. Goßler Einflüsse aus konservativen ostpreußischen Kreisen zur Beseitigung dieser seiner Kandidatur geltend machen; ausfällig ist jedenfalls die Verschleppung der ganzen Angelegenheit. — Eine fortwährend wachsende Mißstimmung macht sich unter den „Genossen" über die Geschäfts sozialisten geltend. Es ist eine Thatsache, daß es eigentliche Arbeiter unter den in der Bewegung hevor- tretenden „Genossen" kaum noch giebt, sie sind ent weder Budiker, Cigarrenhändler oder haben einen Kram laden; alle diese Leute standen lange Zeit Nichts aus, die „Genossen" waren treue und gute Käufer, meistens erhielten sie für ihr schweres Geld recht minderwerthige Waare. Die Sozialdemokratie ist diesen Dutzenden von Kneipwirthen, Cigarrenfabrikanten, Krämern nur das Aushängeschild, um ein gutes Geschäftchen zu machen. In den jüngsten Wochen sind namentlich durch Kolpor teure und Stadtreisende die Arbeiterquartiere über- fluthet worden; dieser handelt mit Lassalienadeln, jener mit Bebelbildern, dieser wieder mit rothen Kravatten, ein anderer endlich mit Schmuckgegenständen für die Zimmer. Dabei haben diese zungenfertigen Stadt reisenden und Kolporteure hier und da den „Genossen" und „Genossinnen" vorgeschwindelt, daß ein gewisser Theil von dem Ertrag der abgesetzten Waare der Partei kaffe zufließt; die „Genossen" und „Genossinnen" haben gekauft, daß es so eine Art hatte. Endlich ist aber die Sache den „Genossen" doch zu bunt geworden, sie haben sich die gekauften Gegenstände näher angesehen und erkannt, daß sie viel Geld für Schundwaare ver ausgabt haben. Die Vorstände der sozialdemokratischen Vereine in Hamburg erlassen bereits einen Warnungs ruf vor diesen Geschäftssozialisten. Die „Genossen" werden aufgefordert, bei unbekannten Agenten und Geschäftsreisenden Nichts mehr zu kaufen. In Berlin ist in zahlreichen Versammlungen bittere Klage über die Geschäftssozialisten geführt worden, wiederholentlich wurde angekündigt, daß man endlich mit diesen Herren Abrechnung halten werde; es soll in den letzten Tagen auch das Geschäft in den Bebel?Liebknecht-Cigarren merklich nachgelassen haben, und trotz der großen Bilder der Göttin der Freiheit sieht eS in einzelnen ver räucherten Kneipen mehrerer mit großem Geräusch auf tretenden Parteigenossen ziemlich leer aus. — Zum internationalen Kongresse der Sozial demokratie in Brüssel sind bis jetzt in Deutschland zu Delegirten gewählt: Die Abgg. Bebel, Liebknecht, Singer (seitens der Fraktion), der Abg. Grillenberger (von den obersränkischen Wahlkreisen zusammen), der Schriftsteller vr. Lütgenau (in Thüringen), ferner seitens der beruflichen Organisationen: Der frühere Kaufmann jetzt Expeditionsvorsteher Auerbach (von den sozialistischen Berliner Kaufleuten), Bähr (von den thüringischen, bayerischen und württembergischen Textilarbeitern), Beier und Frau I. Ihrer (von den Brandenburgischen Textilarbeitern). Im Ganzen wird die Zahl der von Deutschland entsendeten Delegirten nicht sehr groß sein, weil die Kosten zu hoch werden. Für Berlin mit seinem gewaltigen Arbeitsheer besteht dieses Bedenken nicht; hier werden heute Freitag in einer einzigen öffentlichen Versammlung die Delegirten gewählt werden, wie man hört drei oder vier. Crefeld. In Folge eines Wirbelwindes wurden am 1. Juli die gelegentlich des rheinischen Bundes schießens errichtete Festhalle, sowie die auf dem Fest platze befindlichen Buden weggeweht. In der Gegend zwischen Süchteln, Viersen und Dülken stürzten gegen 50 Häuser ein. Mehrere Personen wurden getödtet, einige mehr oder minder schwer verwundet. , Oesterreich. Die Führer des polnischen Turner- Klubs, die sich gegenwärtig in Prag zur Ausstellung aushalten, verließen das Sokolfest am 1. Juli und dann auch die Stadt Prag wegen der fortgesetzten politischen Demonstrationen zu Gunsten Rußlands. Oesterreich. Die Einbeziehung des Freihafen gebiets von Triest in das österreich-ungarische Zoll gebiet erfolgte am I. Juli in vollständiger Ordnung. Die Nachverzollung geht ohne Schwierigkeiten vor sich. Die Stimmung der Bevölkerung ist durchaus ruhig. — Bei dem Gewitter am 1. Juli schlug in Teplitz der Blitz in die Schlackenburg und tödtete daselbst einen Besucher. — Zur 25. Wiederkehr des Tages der Schlacht von Königgrätz wird heute Freitag auf dem Schlacht felde eine Feier stuttfinden, zu der von allen Seiten Theilnehmer sich einfanden. (Auch von Dippoldis walde aus haben sich Kampfgenossen dorthin begeben. Frankreich. Die verschiedensten geographischen Gesellschaften, besonders aber diejenige von Paris, haben in der letzten Zeit Berathungen über eine Sahara-Eisenbahn gepflogen. Alle Aussichten auf Erfolg hat das Projekt des Franzosen G. Rolland, welches auch die Billigung von Gerh. Rohlfs gefunden hat. Dieser will die Bahn als Fortsetzung der bereits bestehenden Linie Philippeville-Biskra über Tugozurl und Kargha im Bette des Jsharharr entlang, Temas- sinin berührend, bis zur Oase Amdschid führen. Die Bahn würde demnach eine Länge von ca. 1000 kin erhalten; von hier aus sollen dann Zweigbahnen nach dem Tsad-See und nach dem Niger angelegt werden. Französische Ingenieure sind bereits nach Rußland ge reist, um die Einrichtung der sibirischen Eisenbahn, be sonders ihre Vorrichtungen zum Schutze gegen Sand wehen zu studiren. Niederlande. Sobald am 1. Juli die Dacht „Hohenzollern" in Sicht kam, gab die Festungs artillerie den Kaisersalut von 33 Schuß. Eine etwa 50,000 Köpfe zählende Menschenmenge am Hasen be willkommnete die Majestäten mit ununterbrochenen Hochrufen. Der Kaiser, in Admiralsuniform mit dem Großkreuz des Wilhelmordens, die Kaiserin in schwarzer Robe, wurden bei der Landung von Jonkheer Casem- broot und anderen hohen Würdenträgern begrüßt. Die Kaiserin unterhielt sich aufs leutseligste und nahm zwei prachtvolle Bouquets entgegen, welche von den elfjährigen Fräuleins Vantuyl von Serooskerken und Boreel van Hogelanden überreicht wurden, von denen erstere auch eine kleine Ansprache an die Kaiserin richtete. Sodann begaben sich die Majestäten durch eine gedeckte, mit den deutschen Farben geschmückte Allee nach dem außerhalb der Schleuse liegenden Aviso „Jagd", wo ein Marine-MusikkorpS die deutsche Nationalhymne anstimmte. Unter tausendstimmigem Jubel der Zuschauerschaaren setzten die Majestäten die Fahrt nach Amsterdam fort. Artilleriesalven ertönten, als der Aviso „Jagd" mit dem deutschen Kaiserpaar das Weichbild der Hauptstadt erreichte. Der Fluß bot mit den zahlreichen Kriegsschiffen und Privat schiffen im Schmuck einen malerischen Anblick. An der Landungsbrücke wurde neben der holländischen Flagge die deutsche Reichsflagge gehißt, als das Kaiser paar, welchem die Königin und die Königinmutter entgegeneilten, sich ans Land begab. Es fand hierauf