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Wchmtz-MiW. Beilage zu SK. 55. Sonnabend, den S. Mai 1891. 57. Jahrgang. Der Abschluß deS deutsch österreichischen Handelsvertrages. In Wien sind am 3. Mai die letzten Formalitäten bei dem neuen deutsch-österreichischen Handelsvertrags durch Abfassung desselben in Paragraphen erfüllt worden und hiermit ist ein wichtiges Werk nach monate langen mühevollen Arb-iten zum endgültigen Abschluß gelangt. Es hat während dieser Zeit nicht an wieder holten und ernstlichen Versuchen gefehlt, Mißtrauen zwischen den beiden unterhandelnden Theilen zu säen, ja, die Verhandlungen womöglich zum Scheitern zu bringen, Versuche, die von mächtigen Interessenten kreisen ausgingen, welche für sich Nachtheile aus dem Zustandekommen des Vertrages befürchteten. Auch die Anschauungen und Forderungen der Vertrags-Kontra henten selbst standen sich häufig schroff gegenüber und mehr wie einmal stockten in Folge der entstandenen Schwierigkeiten die Unterhandlungen in bedenklicher Weise. Aber wie die Regierungen alle versuchten Beeinflussungen von dritter Seite zurückzuweisen wußten, so gelangten sie durch gegenseitiges Ent gegenkommen auch dazu, die zwischen ihnen bislang noch bestandenen Meinungsverschiedenheiten definitiv zu beseitigen, und nunmehr ist der erstrebte Vertrag glücklich vollendet worden. Ueber seinen Inhalt er fährt man zwar noch nichts Authentisches, da hierüber aus politischen Erwägungen bis auf Weiteres Still schweigen beobachtet werden soll, aber es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Ermäßi gung der Getreidezölle deutscherseits und die Herab setzung der Judustriezölle österreichischerseits die Kern punkte des neuen Vertrages bilden. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß gegen den Gesammtcharakter des selben, wie auch gegen seine Einzelheiten, sobald hier über erst Näheres bekannt sein wird, sich aus gewissen Interessengruppen in Deutschland, wie in Oesterreich- Ungarn Widerspruch erheben wird, aber ebenso steht schon jetzt fest, daß der weitüberwiegende Theil der Bevölkerung beider Länder über das endliche Zustande kommen des Werkes lebhafte Befriedigung empfindet. Macht er doch der Unsicherheit, welche seit länger als einem Jahrzehnt in den Handels- und wirthschafts- politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn obgewaltet hat, ein Ende, und setzt an deren Stelle feste Verhältnisse, eine Wandlung, die in weiten Kreisen beider Reiche mit tiefster Genug- thuung begrüßt wird. Denn schmerzlich genug wurde es bislang diesseits wie jenseits empfunden, daß der io innigen, nun schon fast zwölf Jahre alten, poli tischen Allianz der zwei mitteleuropäischen Kaisermächte ihr gegenseitiges wirthschaftlicheS Verhältniß keines wegs entsprach, daß gerade auf wirthschastlichem Ge biete sie sich förmlich von einander absperrten. Das wird nun, Gott sei Dank, in Folge des neuen Ver trages anders werden, dem politischen Bündnisse der zwei Reiche folgt jetzt die ökonomische Allianz und mit letzterer erfährt die politische Freundschaft, welche die Regierungen und Völker Deutschlands und des Donau reiches schon so lange verbindet, unzweifelhaft eine neue Kräftigung. Der neue deutsch-österreichische Handelsvertrag gewinnt aber noch eine weitere Be deutung, wenn man erwägt, daß er zur Grundlage für gleiche Abmachungen Deutschlands und Oesterreichs mit anderen Staaten, zunächst mit der Schweiz, Bel gien, Serbien und Rumänien, dann jedenfalls auch mit Italien, dienen soll. Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß die Unterhandlungen mit den genannten Ländern zu dem gewünschten Ziele führen, und dann würde man ein von Mitteleuropa bis zur Balkanhalbinsel reichendes Handelsgebiet entstehen sehen, groß genug, um ein Gegengewicht gegen die Abschließungspolitik auf wirthschastlichem Gebiete zu bilden, wie sie nament lich in Frankreich immer offener zum Durchbruch kommt. Das soeben zwischen Deutschland und Oester reich-Ungarn vereinbarte handelspolitische Ueberein- kommen stellt demnach eine Sache von höchster Be deutung dar, denn sie betrifft die wirthschaftliche Wohl fahrt des deutschen Reiches und verbindet mit ihr die wirthschastlichen Interessen anderer Länder. Hiermit wird durch den neuen Vertrag zugleich auch die Sache des politischen Friedens in Europa gefördert, denn derselbe hängt wesentlich von dem Kredit derjenigen Staaten ad, welche den Frieden wünschen. Sicherlich erfährt aber der StaatSkredtt der beiden Kaiserreiche und derjenigen Staaten, die sich mit ihm handels politisch voraussichtlich verbinden werden, durch den soeben in Wien abgeschlossenen Handelsvertrag eine beträchtliche Stärkung und letzterer wird auch der Sache des Völkerfriedens zu Nutze kommen. Sächsisches. — Die Mannschaften des Beurlaubtenstandes werden in diesem Jahre wie folgt zu Hebungen herangezogen: Alle noch nicht mit Gewehr 88 aus gebildeten Mannschaften der Reserve und der Land wehr ». Aufgebots üben 10 bez. 11 Tage, behufs Ausbildung, vom 1. bezw. 2. bis 11. Juli d. I. der sämmtlichen Infanterie-Regimentern bezw. Jäger- Bataillonen. Die Kavalleristen der Reserve werden behufs Ausbildung mit der Lanze vom 1. Juli bis 28. Juli — 28 Tage zur Uebung herangezogen. Bei der Feldartillerie gelangen zu einer 12- bezw. 13tägigen Uebung die Jahrgänge 79/80 der Landwehr, sowie der Jahrgang 85/86 der Reserve zur Einziehung zum 13. bezw. 14. Juli bis 25. Juli. Die Pioniere üben vom 25. bezw. 26. Mai bis 6. Juni ----- 12 bezw. 13 Tage und zwar sämmtliche Reserve-Jahrgänge. Beim Train- Bataillon Nr. 12 gelangen sämmtliche Krankenträger der Reserve zu einer 12- bezw. 13tägigen Uebung, vom I. bezw. 2. bis 13. Juli, sowie die Unteroffiziere und Fahrer der Reserve zu einer 16- bezw. I7tägigen Uebung vom 24. bezw. 25. September bis 10. Oktober und vom 11. bezw. 12. Oktober bis 27. Oktober zur Einziehung. Die schiffsahrtlreibenden Mannschaften werden zu einer 12- bezw. 13tägigen Uebung vom 10. bezw. 11. bis 22. Januar 1892 herangezogen und zwar zum Pionier-Bataillon Nr. 12 nach Dresden. Die Volksschullehrer der Reserve werden für dieses Jahr, verbunden mit den Uebungen der Ersatz-Reserve, zur 1. (6wöchigen) Uebung vom 19. September bis 30. Oktober und zur 2. (4wöchigen) Uebung vom 6. Juli bis 2. August eingezogen. — Ferner gelangen bei allen Truppentheilen die ehemalig Einjährig-Frei willigen zu einer 55tägigen Uebung vom 8. Juni bis I. August zur Einziehung. An Stelle des zur Aus bildung der Ersatz-Reservisten erforderlichen Unter personals werden Unteroffiziere und Mannschaften der Reserve Mitte August zu einer 35tägigen Uebung (während des Herbstnianövers) herangezogen. Die als Reserve-Zahlmeister-Aspiranten ausgebildeten Unter offiziere des Beurlaubtenstandes werden vom 3. August bis 27. September einberufen. Endlich werden noch die Ersatz-Reservisten zur 1. (lOwöchigen) Uebung vom 22. August bis 30. Oktober, zur 2. (6wöchigen) Uebung vom 19. September bis 30. Oktober, sowie zur 3. (4wöchigen) Uebung vom 6. Juli bis 3. August einberufen. — Der Krankenunterstützungsverein säch sischer Lehrer veröffentlicht soeben seinen 40. Jahres bericht auf die Zeit vom 1. April 1890 bis 31. März 1891. Die Kasseneinnahme betrug 29,291.04 Mark; hiervon wurden allein an 437 Mitglieder (ca. 18'/, °/o) 10,735 M. Unterstützungen gezahlt. Acht Mitglieder genießen länger als ein volles Jahr die feiten des Ver eins verwilligte Unterstützung. 138 Mitglieder wurden ausgenommen, während der Verein 38 Mitglieder durch den Tod und 47 durch Austritt verlor; demnach ist die Mitgliederzahl um 53 gestiegen bis gegenwärtig auf 2371, welche sich auf 1105 Orte vertheilen. Der 50. (Dippoldiswaldaer) Vereinsbezirk zählt 25 Mitglieder. Da der Verein jetzt in fröhlichem Wachsen begriffen ist, so ist es wohl gerechtfertigt, demselben ein aufrichtiges „Glückauf" für die weitere Zukunft auszusprechen. Radeberg. Nachdem nunmehr die grünen und rothen Steuerzettel den Beitragspflichtigen ein gehändigt worden sind, zeigt sich, daß diesmal die auf denselben verzeichneten Beträge in solcher Höhe festgestellt worden sind, daß sich darüber eine allgemeine Über raschung unter der Einwohnerschaft kundgiebt. Unter Anderem sind diesmal auch verschiedene hiesige Ein wohner, weil sie nach Ansicht der Steuerbehörde ihr Einkommen in den früheren Jahren zu niedrig an gaben, mit Strafverfügungen bedacht worden, deren Höhe sich auf Tausende beläuft. Brand. Am 4. Mai, früh in der 6. Stunde, stürzte hier das 3'L Jahre alte Söhnchen der Familie Walter von dem Fenster der Schlafkammer aus dem 2. Stock auf die Straße. Die Kinder waren noch schlafend in der Kammer allein gelassen, als die Eltern an ihre häuslichen Arbeiten gingen. Nach dem Er wachen hatte der Knabe die Fenster geöffnet und war herausgestürzt. Als die sehr erschrockene Mutter den stark am Kopfe blutenden Knaben aufhob, vermuthete man, derselbe sei todt, aber er kam wieder zu sich und hofft man, daß er wieder vollständig genesen wird. Crimmitschau. In Folge der energischen Thätig- keit, welche die freiwillige Feuerwehr bei dem Brande der Beyer'schen Fabrik entfaltete, gelang eS, die angrenzenden Gebäude und namentlich die sehr ge fährdete Fabrik der Firma Karl Spengler vor dem verheerenden Element zu schützen. In dankbarer An erkennung der geleisteten aufopfernden Hilfe hat nun die Firma Karl Spengler dem Kommando der frei willigen Feuerwehr ein Geschenk von 300 Mark über wiesen. Zwickau. Nach einem im hiesigen RathSarchive aufgefundenen Aktenstücke ereignete sich zu Anfang des 16. Jahrhunderts hier ein Bürgeraufstand, der sich gegen den neugewählten Bürgermeister Stühler, bekannt als Lügenchronist Stella, richtete. Der Inhalt dieses Aktenstückes ist hochinteressant. Ein weiter auf gefundenes, eine Nachlaßregulirung vom Jahre 1529 betreffendes Aktenstück giebt Auskunft über die Ein richtung, Ausstattung und Möblirung des jetzt Bö- neck'schen Hauses an der inneren Schneeberger Straße zur Zeit der Reformation. Dieses Aktenstück besitzt einen hervorragenden kulturhistorischen, wie sprach geschichtlichen Werth. — In Folge der vorzüglich organisirten Feuer wehr Hierselbst und der für Feuerlöschzwecke günstigen Wasserleitung gewähren die Landesbrandverficherung, sowie die Privatfeuerversicherungsgesellschaften je 4 Prozent Beitrag zu den Kosten des hiesigen Feuer löschwesens. In hiesiger Stadt sind bei FeuerSgefahr 9 öffentliche und Privatfeuerwehren mit 20 Spritzen und im Falle eines Großfeuers 5 Vorortfeuerwehren verfügbar. Die Mannschaften der ersteren 9 Feuer wehren beziffern sich auf etwa 1600 Mann. Rochlitz. Eine ähnliche Frevelthat, wie an unserer Bismarckeiche ist an der Lutherlinde in Noßwitz verübt worden. Der Baum steht im Schulgarten und ist seit seiner im Jahre 1883 dahin erfolgten Ver pflanzung prächtig gediehen. In der Nacht zum Sonn abend nun ist er eines seiner stattlichsten Aeste beraubt worden. Fortschritte des Deutschthurns auf den Sandwichinseln. Es ist von höchster Wichtigkeit, auch in solchen Ländern, die mit dem Deutschen Reiche zunächst in keinem anderen Verhältnisse, als in völkerrechtlichen und handelspolitischen Beziehungen stehen, mit auf merksamem Auge alle Wandlungen zu beobachten, welche in dortigen Regierungskreisen wie in den öffent lichen Meinungen vorgehen. Nur indem sie den Erd kreis als ihr Arbeitsfeld betrachtet, erlangt die Kolonial politik die breite und gesunde Grundlage, deren sie zu gedeihlicher Weiterentwickelung bedarf. Alle seemäch tigen Nationen sind diesen Weg gegangen und beson ders England beschreitet ihn heute noch mit gutem Er folge. Ueberall, wo wirthschaftliche Fragen in Betracht kommen, hat es seine Hand im Spiele. Jeder britische Seemann, Arbeiter, Händler ist ein Pionier deS großen Britanniens, das die Meere beherrscht. Ist es, fragen wir, mit uns Deutschen auch also? — Leider müssen wir die Frage verneinen, aber es sollte so sein, und mit gutem Willen kann es wohl so werden. Dann wird es sich zeigen, daß deutsche Arbeit, Geisteskraft und Geduld viel mehr beitragen zur Entwickelung und zum Reichthum der Länder als britische Brutalität und Ausplünderungslust. Das hawaiische Königreich giebt uns dazu ein greifbares Beispiel an die Hand. In demselben leben 1600 Deutsche. Die eine Hälfte da von sind Arbeiter in den deutschen Zuckerpflanzungen von Hawaii, die andere Hälfte befindet sich in der Hauptstadt Honolulu selbst, wo sie als Grobkaufleute, Gewerbtreibende, Forstbeamte, Polizisten sich meist in sehr guten Verhältnissen befinden. Kürzlich hat Königin Liliuokalani Herrn H. A. Wiedemann, einen gebornen Thüringer, wieder zum Ftnanzminister ernannt, wel chen Posten er unter König Kalakaua schon einmal be kleidete. Er lebt schon seit geraumer Zeit tm Lande und fist mit einer einheimischen Fürstentochter ver-