Volltext Seite (XML)
Beilage zu Nr. 22. Donnerstag, den 19. Febmar 1891. 57. Jahrgang. Sismluihmfomkii m DentHllmd. Die schon seit längerer Zeit zwischen den bedeutend sten deutschen Eisenbahnverwaltungen, speziell zwischen den Verwaltungen der preußischen und der bayerischen Staatseisenbahnen, schwebenden Verhandlungen über eine Reform des Personentarifwesens scheinen, nach allen Meldungen hierüber zu urtheilen, ihrem Abschlüsse nahe zu sein. Hinsichtlich der Ergebnisse dieser Ver handlungen verlautet allerdings noch nichts Bestimmtes, vermuthlich wird aber die Personentarisreform, wie sie der Eisenbahnminister v. Maybach für Preußen plant, die Grundlage für das zu erzielende Einverständniß bilden. Ueber die Hauptpunkte dieser Pläne des Herrn v. Maybach sind letzthin von anscheinend unter- nchteter Seite Mittheilungen gemacht worden, denen zufolge die dritte Wagenklasse mit der vierten zu einer einzigen verschmolzen werden soll, mit einer Grund taxe von 2 Pfennigen pro Kilometer. Die Taxen für die zweite und erste Wagenklasse sollen nicht unwesent lich herabgesetzt werden, auch der Zuschlag zu den Taxen für die Schnellzüge soll eine Ermäßigung er fahren, nämlich aus einen Pfennig pro Kilometer. Dafür würden die Rückfahrt- und Eaisonfahrkarten, sowie die Nundreisebillets künftig wegfallen und auch die Beseitigung der Vergünstigung des Freigepäcks ist dem Vernehmen nach beabsichtigt. Hiermit lenkt also die Bewegung zu Gunsten von Eisenbahnresormen in Deutschland in bestimmte Bahnen ein und wenn hier bei in erster Linie eine erhebliche Herabsetzung der bisher in Geltung gewesenen Personentarife bezweckt ist, so kann man dies gewiß nur mit Genugthuung begrüßen. Allerdings stünde zu befürchten, daß eine solche Maßregel zunächst eine schädliche Wirkung auf die Einnahmen aus dem Eisenbahnverkehr haben müßte, indessen ist dem entgegenzuhalten, daß die Ver billigung der Tarife jedenfalls auch eine erhöhte Per- sonensrequenz auf den Eisenbahnen nach sich ziehen und somit den befürchteten Einnahmeausfall zum Min desten wieder wett machen wird. Was dagegen den geplanten Wegfall der Rückfahrtskarlen (Tagesbillets) u. s. w. anbelangt, so wäre dies wohl kaum als eine „Reform" zu begrüßen, denn all' die betrffenden Ein richtungen haben sich in unserem Eisenbahnverkehr so eingebürgert und eingelebt, daß schon deshalb ihr plötzlicher Wegfall nirgends Befriedigung erregen könnte. Außerdem würde aber diese Maßregel die beabsichtigten Preisermäßigungen für die einzelnen Wagcnklassen ziemlich illusorisch mache», denn die Herabsetzung der Grundtaxen für die letzteren würde keineswegs im ent sprechenden Verhältniß zu der Preisermäßigung stehen, welche das reisende Publikum bisher bei Lösung von Rückfahrtskarten, Sommer- und Nundreisebillets bisher genossen hat. Diese Preisermäßigung beträgt zwischen 25 und 35 Prozent und es ist klar, daß mit ihrem Wegfall das Publikum durch die geplanten Herab setzungen der Kilometertaxen für die einfachen Fahr karten um nichts bester gestellt wäre — vermuthlich aber auch nicht die Finanzen der Eisenbahnverwal tungen! Im Falle also wirklich die Reform der Per sonentarife in der angedeuteten Weise eingeführt werden soll, so stdht wohl zu erwarten, daß hierbei von allem Beiwerk abgesehen wird, welches, wie der Wegfall der Rückfahrkarten u. s. w., die beabsichtigten Neuerungen keineswegs als eine Wohlthat für das Publikum erscheinen lasten könnte. Es ließe sich über haupt darüber streite», ob nicht» Vie deutschen Eisen bahnverwaltungen bester thun würden, anstatt mit Er mäßigung der Kilometertaxen im Personenverkehr gleich mit Einführung des Zonentarifs vorzugehen, welcher sich ja in Ungarn und aus den österreichischen Staats bahnen so glänzend bewährt hat ; offenbar ist indessen die Stimmung in den maßgebenden Eisenbahnkreisen Deutschlands einer derartigen durchgreifenden Neuerung noch immer abgeneigt. Neben einer Reform der Per- sonentarise ließe sich aber wohl auch eine Reform der Gütertarife in Deutschland vornehmen, die in ihrer Gesammtheit ein ungemein buntscheckiges Bild ge währen, eine Vereinfachung derselben müßte mindestens anzustreben sein, und wenn sich die Eisenbahnverwal tungen über die Personentarissrage verständigen, warum sollte da ein gleiches Einverständniß nicht auch hin sichtlich der Gütertarife zu erzielen sein? Schließlich darf erwartet werden, daß die Eisenbahnverwaltungen ihr Augenmerk'auch auf mehr untergeordnete Fragen richten und hierin längst geäußerten Wünschen des reisenden Publikums endlich entgegenkommen. In dieses Kapitel gehören namentlich die Wünsche hin sichtlich einer besseren Beleuchtung und Ventilation der Personenwagen, gleiche Heizung — sei es nun Dampf- oder Gasheizung — für sämmtliche Wagen klaffen und somit Wegfall der noch immer vielfach an zutreffenden abscheulichen kleinen Oesen, Einführung von Restaurationswagen auch in die Personenzüge der größeren Strecken, Fensterpolster und Vorhänge auch für die dritte Wagenklaffe u. s. w. Es sind dies Alles so berechtigte Wünsche, daß die Bahnverwaltungen hoffentlich auch diese Seite der Reformfrage mit be rücksichtigen werden. Sächsisches. Klingrnberg. Das hier zu errichtende Sommer pfleghaus für schwache Kinder, welches der Aus schuß für das Ferienkolonienwesen im gemeinnützigen Verein zu Dresden plant, wird nunmehr mit Hilfe eines Legats erbaut. Der 3 Minuten von der Station Klingenbcrg, im Winkel, den die Bahnlinie und die Grillenburger Straße bilden, gelegene Bauplatz ist mit Fichtenholz bestanden. Dieser 8350 Quadratmeter große Bauplatz wurde vom Staatsfiskus für 3850 Mark unter Einrechnung von 1750 Mark für Holz billig abgelasten. Von dem Holzbestand wird N ge lichtet, dann gelangt auf dem freigelegten Platz ein aus steinernen, 1 m hohen Tragsteinen ruhender Bau von 30 w Länge und 10 m Tiefe zur Ausführung. Der auf Steinpsählen ruhende Bau wurde vorgesehen, damit die Luft überall hin frei cirknliren kann, da das Gebäude nur während der Sommermonate benutzt wird. Das Pfleghaus wird aus zwei solchen Flügel gebäuden bestehen, welche durch einen 40 in langen bedeckten Gang verbunden werden, an welch' letzteren die Wirthschaftsräume Anbau finden. Die Unter kunftsstätten sind für 120 Kinder so berechnet, daß aus jedes Kind 14 obm Luftraum im Schlafsaale kommt. 4 Führer erbalten kleine anliegende Zimmer mit Fenstern, durch welche sie die Schlafräume im Auge behalten können. Man will das Pfleghaüs jährlich von Mitte Mai bis Ende September dreimal belegen, so daß 360 Kinder Erholung genießen können. Der I m hohe Freiraum zwischen Erd- und Haus fußboden (unter den Häusern) dient als Aufbewah rungsort für das Inventar der Ferienkolonien, Decken, Matratzen rc. Man hofft den Bau und dessen Ein richtung mit 50,000 Mark zu bestreiten. Am Ein gänge des Grundstückes wird eine Psürtnerwohnung errichtet; auch ist auf genügende Kinderspielplätze Be dacht genommen. Der Bau beginnt sofort nach dem Eintritt günstiger Witterung. Roßwein. Am 28. Januar meldete sich die aus Pawlowitz bei Gleiwitz in Oberschlesien gebürtige Dienstmagd Monika Marondel beim hiesigen Polizei wachtmeister mit einem etwa acht Tage alten tobten Kinde, welches nach ihrer Angabe bei ihrer Ankunst aus hiesigem Bahnhofe verstorben sein sollte; sie sei nach hier gekommen, um das Kind nach Grunau in die Ziehe zu bringen. Da die Sektion des Kindes Erstickungstod ergab, wurde über die Marondel die Untersuchungshaft verhängt, doch mußte die Magd wegen ihres leidenden Zustandes im hiesigen Kranken haus untcrgebracht werden, wo sie sich noch befindet. Am Sonntag hat nun die Marondel der kgl. Staats anwaltschaft gegenüber ein offenes Geständniß ab gelegt, welches dahin lautete, daß sie das Kind durch Ersticken mittelst starken Andrückens an sich im Warte saal 2. Klaffe des hiesigen Bahnhofes getödtet habe. Ihre Uebersührung nach dem kgl. Landgericht Frei berg wird in den nächsten Tagen erfolgen. Netzschkau. Das hiesige malerische Schloß, welches ehedem mit seinen Wällen, Thürmen und Gräben einen imposanten Anblick gewährte, begeht in diesem Jahre das vierhundertjährige Jubiläum seiner Erbauung. Es war der letzte Rittersitz in den meißnischen Landen, welcher mit Befestigungen genannter Art an gelegt werden durste, denn die kleinen Dorsfestungen erwiesen sich nur zu ost als Landplagen. Als Kaspar von Metzsch vom Kurfürsten Friedrich dem Weisen im Jahre 1491 für sein Dors Netzschkau die Stadtgerechtig- keü erlangt hatte, wollte er daselbst auch ein Schloß erbauen. Nur weil er ein Günstling des Kurfürsten war, durste er dem Schlöffe Burganlage geben, „doch sollte es hinfüro nicht wieder erlaubt sein, daß ein Edelmann eine neue Festung erbauete." Als solche hat sich das Schloß Netzschkau allerdings nie zu be währen Gelegenheit gefunden, und so ist ihm nur der Ruhm geblieben, trotz seines vierhundertjährigen Alters die jüngste und letzte Ritterburg Sachsens geblieben zu sein. * Leipzig. Hier ist ein Komitee sächsischer Krieger vom Jahre 1866 zusammengetreten, um im Verein alter Kriegskameraden im Laufe dieses Sommers zur 25jährigen Erinnerungsfeier eine gemeinschaftliche Reise nach den böhmischen Schlachtfeldern zu unter nehmen. In einer am 9. Februar d. I. einberufenen Versammlung wurden die Kameraden Opitz, Birkigt und Röber in den Vorstand gewählt und beschloß man zuvörderst ein ünterbreitungsschreiben an das hohe Ministerium des Innern zu richten, nach Rückgabe bez. Genehmigung desselben aber alle alten sächsischen Krieger des Jahres 1866 zur Theilnahme und Zeich nung an der gemeinschaftlichen Fahrt nach Oesterreich öffentlich einzuladen, zu welcher man die günstigsten Eisenbahn-Fahrpreis-Ermäßigungen erhofft. 4. Sitzung der Stadtverordneten zu Dippoldiswalde am 12. Februar 1891. Das Kollegium erledigte zunächst verschiedene Gesuche um Kapitalien aus der Sparkaste gegen hypothekarische Sicherheit. Davon wurden 3 mit einer Gesammlsumme von 10,800 M. genehmigt und I zur weiteren Erörterung der bezüglichen Grundbesitzwerthsverhältniffe ausgesetzt, 1 aber wegen Mangels genügender Sicherheit beanstandet. Anderweite Besprechung und Beschlußfassung fand dann statt über mehrere Punkte des Lokalschulordnung. Entwurfs zufolge der von schulinspektionswegen hierüber gemachten Be merkungen rc., worüber zu berichten hier zu weit führen würde, da daun auf den umfangreichen Gesammtinhalt des bereits früher ausgestellten Entwurfs zurückzukommen sein würde. Von der Mittheilung der Kgl. Forstverwaltung über deren Bereitwilligkeit zu Jortgewährung eines gewissen Quantums Reißig an Arme hiesiger Stadt nahm das Kollegium Kennt- niß und trat man sodann in anderweite Berathung in der die Jahr- und Viehmärkte betreffenden Angelegenheit. In dieser Beziehung hatte der Stadlrath beschlossen, „ven „Auguslmarkt aus die Zeil nach Michaelis zu verlegen und „die Viehmärkte an dem dem Jahrmarktmontag folgenden „Dienstag abzuhaltcn, die Jahrmärkte aber übrigens aus den „Montag zu beschränken, also an dem Dienstag Vormittag „nicht mehr, wie zeither, seilhalten zu lasten." Das Stadt- verordneten-Kollegium war diesen Beschlüssen beigetrcten mit Ausnahme jedoch der gleichzeitigen Beschränkung des Jahr marktes aus Montag, da man damit den Jahrmärkten ge wissermaßen den Todesstoß versetzen würde. Neuerdings ist der Stadtrath von seinen obgedachten Be schlüssen etwas abgewichen, insofern er es bezüglich der Früh- jahrsmärkle ganz bei der bisherigen Einrichtung bewenden lasten will, jedoch ebenfalls mit der Beschränkung des Jahr marktes auf Montag. Das Stadtverordneten-Kollegium hielt jedoch in heutiger Sitzung nach langer Debatte zur Wahrung der diesfalls waltenden vielseitigen Interessen der hiesigen Be wohnerschaft auf Vorschlag des Stadtv. Ludwig seine früheren Beschlüsse (Abhaltung des Jahr- und Viehmarktes hinterein ander und Gestattung hes Feilhaltens auch am Dienstag Vor mittag) ausrecht. Das Abstimmungsverhältniß war 6 zu 4. Für Ausrechthaltung der früheren Beschlüsse stimmten: Schmidt, Wendler, Ebert, Ulbricht, Ludwig und Berger: dagegen: Müller, Mende, Liebel und Lehnert: letztere 3 waren jedoch nicht prinzipielle Gegner der Beschlüsse des Kollegiums, son dern stimmten nur dagegen, um einem von diesen Beschlüssen nicht wesentlich abweichenden Anträge des Stadtv. Lehnert zur Annahme zu verhelfen, dahingehend, „daß der Frühjahrs- „markt wie bisher, mit Ausdehnung aus Dienstag Vormittag „und getrennt vom Viehmarkt abgehalten werde." Dieser Unterantrag erledigte sich jedoch durch die erste Abstimmung. Mit der Beschlußfassung über eine nöthige geringfügigere Herstellung im Rathhaus endete die Sitzung. Das Stadtverordneten-Kollegium. A. Ed. Mende, Vorsteher. Standesamtsnachrichten von Kreischa. Monat Januar. Geburten: Ein Sohn: Straßenwärter Friede. Henn.