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124 unverschlossene Komptoirthüre und bemerke zu ihrem Entsetzen in letzterem einen fremden Menschen, der so fort bei ihrem Anblicke über eine Tafel hinwegsprang und die Flucht ergriff. Die Frau verfolgte den un bekannten Einbrecher, und durch ihr Hilfegeschrei aufmerksam gemacht, eilte auch ihr Mann herbei und setzte die Verfolgung des Verbrechers auf der Straße fort. Der Letztere eilte den Ritterplatz entlang nach der Göthestraße der Schwanenteichpromenade zu. Der Hausmann, ein rüstiger, jugendlicher Mensch, setzte je doch die Verfolgung fort und blieb dem Flüchtigen hart auf den Fersen. In der Nähe der Bahnhöfe wandte sich der Einbrecher um und feuerte aus einem Revolver einen Schuß auf seinen Verfolger ab, ohne jedoch denselben zu treffen. Ebenso waren zwei weitere auf seine Verfolger abgegebene Schüsse glücklicher Weise resultatlos. Nunmehr gab der Verbrecher einen Schuß auf sich selbst ab und stürzte, in die rechte Schläfe ge troffen, todt zu Boden. Die Persönlichkeit des Selbst mörders ist noch nicht ermittelt worden. In dessen Begleitung hat sich übrigens noch ein zweiter Unbe kannter befunden, welcher den Aufpaffer gemacht, an der HauSthüre obgedachten Grundstückes gestanden und die Flucht ergriffen hatte, als er merkte, daß man seinen Genoffen entdeckt hatte. Derselbe dürfte eben falls in den zwanziger Jahren stehen; er trug einen Hellen Ueberzieher. Vermuthlich dürsten die beiden Einbrecher diejenigen gewesen sein, welche in der letzten Zeit wiederholt am hiesigen Platze, namentlich in Buch händlergeschäften, nächtliche Einbrüche verübt haben. (Fortsetzung deS Sächsischen in der Beilage.) Tagesgeschichte. Berlin. Der Entwurf eines Gesetzes, die Ein richtung eines Reichsschuldbuches betreffend, soll dem Vernehmen nach nahezu festgestellt sein. Den Besitzern von Reichsanleihe würde dadurch die Um wandlung in Buchschulden des Reichs in gleicher Weise ermöglicht, wie diese bei preußischen und sächsischen Staatsschuldverschreibungen stattfindet. — Nach der neuesten im Reichstage ausgegebenen Fraktionsliste zählen sich zur deutschkonservativen Fraktion 68 Mitglieder und 3 Hospitanten (v. Mever- Arnswalde, Graf Schlieffen-Schlieffenberg und Frei herr Zorn v. Bulach); zur deutschen Reichspartei 18 Mitglieder; zum Centrum 104 Mitglieder und 7 Hos pitanten (Baron von Arnswaldt-Böhme, Baron von Arnswaldt-Hardenbostel, vr. Brüel, Frhr. von Hake, Goetz v. Olenhusen, Frhr. v. Schele, Frhr. v. Wangen heim); zu den Polen 16; zu den Nationalliberalen 40 Mitglieder und I Hospitant (vr. Petri); zur deutschfreisinnigen Fraktion 64 Mitglieder; zur Volks partei 9 Mitglieder; zu den Sozialdemokraten 35 Mit glieder. Zu keiner Fraktion gehören 28 Mitglieder (darunter 10 Elsaß-Lothringer). — In Regterungskreisen herrscht eine tiefe Ver stimmung gegenüber den fortgesetzten Drohungen der klerikalen Organe mit einem erneuten und wie sie sagen, unerhörten Kulturkampf für den Fall des Zu standekommens des Volksschulgesetzes. Es hat in Re gierungskreisen zu keiner Zeit an Stimmen gefehlt, welche vor einem zu großen Zurückweichen gegenüber den maßlosen Forderungen der katholischen Kirche ge warnt haben und um deswillen zeitweise stark in den Hintergrund gedrängt waren. Diese Stimmen erheben nun von Neuem ihre eindringlichen Warnungen und es scheint, daß man den bezüglichen Rathschlägen an entscheidender Stelle wieder Gehör zu geben geneigt ist. — Breit wogt der Redestrom im Reichstage und im preußischen Abgeordnetenhause Tag für Tag einher, seit dort wie hier wichtige Gesetze in der Einzel- berathung erörtert werden. Tag für Tag hat sich das Interesse an diesen parlamentarischen Vorgängen jetzt zwischen Reichstag und Abgeordnetenhaus zu theilen und kaum weiß man hierbei, ob den Verhandlungen über die Arbeiterschutzfrage oder denjenigen über die Steuerreform in Preußen der Vorzug zu ertheilen sei. Aber jedenfalls macht sich das gleichzeitige Tagen beider Parlamente allmälig wieder einmal unangenehm geltend und es kann kaum fehlen, daß eine längere Dauer dieses Zustandes auch die Theilnahme an den parla mentarischen Verhandlungen ungünstig beeinflussen muß, was für das Publikum wie für die Abgeordneten selbst gilt. Es ist für den außerhalb der parlamentarischen Arena Stehenden keine Kleinigkeit, sich tagtäglich durch die Berichte über die stundenlangen Verhandlungen hindurchzuarbeiten, welche gegenwärtig im Reichstage wie in dem preußischen Abgeordnetenhause jeden Tag stattfinden. Aber auch an die Abgeordneten selbst stellen diese sich schier endlos abwickelnden Debatten nicht geringe Anstrengungen, zumal an diejenigen Herren, welche dem Reichstage und dem preußischen Abgeordnetenhause zugleich angehören, es wäre daher gerade nicht überraschend, wenn sich bei den Volks vertretern hie und da Zeichen von Ermüdung kund- gäben. Aber freilich, weder im Reichstage noch im Abgeordnetenhause lassen sich die schwebenden Arbeiten sonderlich abkürzen und wohl erst das Osterfest dürste für beide Parlamente eine längere Erholungspause bringen. — Es wurde bereits gemeldet, daß im Reichsamt ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Trunksucht aus gearbeitet worden sei und vielleicht noch in dieser Session dem Reichstage zugehen solle. Wenn es nun auch richtig ist, daß an allerhöchster Stelle die Be schleunigung der Vorlegung des Entwurfes gewünscht worden ist, so darf man doch annehmen, daß sie in dieser Tagung des Reichstags nicht mehr erfolgen wird. Mit dem Staatssekretär des Innern hatte das Kriegs ministerium und das Neichs-Marineamt den lebhaften Wunsch, weitere Gesetzvorlagen an den Reichstag ge langen zu lassen; man ist indessen übereingekommen, daß jetzige Arbeitsmaterial, dessen Erledigung noch mehrere Monate erfordert, nach keiner Richtung hin zu erweitern, sondern die Vorlagen der nächsten Tagung vorzubehalten. — Der neuerdings zum Gesandten Chinas in Berlin ernannte Hsü - Ching - Chöng ist sammt seinem neuen Personal und Gefolge am Freitag in Genua gelandet. Das neue Gesandtschaftspersonal, und zwar erster Legationssekretär, Gesandtschaftsattachös und Gesandt schaftseleven einschließlich zweier Polizeileute, besteht aus 19 Personen, von welchen etwa 6 zur Gesandt schaft in Petersburg ihre Zutheilung erhalten werden, während die übrigen beim Centralsitze des Chefs der Gesandtschaft, in Berlin, verbleiben. Bereits am letzten Mittwoch war der Dolmetsch-Sekretär der chinesischen Gesandtschaft vr. Kreyer nach Genua gereist, um seinen früheren Chef daselbst zu empfangen und demselben zur Weiterreise nach Berlin als Reisemarschall zu dienen. — Ein größerer unbekannter Dampfer sank bei Borkum; die Mannschaft ist wahrscheinlich ertrunken. Köln. Der am 16. Februar, Abends 8 Uhr, hier abgelaffene Personenzug stieß bei dem herrschenden starken Nebel auf dem Bahnhof in Brühl auf einen Güterzug. Einige Wagen wurden theils zertrümmert, theils beschädigt. Mehrere Personen sind leicht verletzt, ein Bremser starb in Folge schwerer Verletzungen. Hamburg. Ueber den seltenen Unfall, daß im hiesigen Hafen ein großes englisches Vollschiff „Caitloch" umgesunken ist, werden noch folgende Einzel heiten bekannt: „Das Schiff ist wahrscheinlich auf den an Grund liegenden Anker des Dampfers „Bunnerdale" aufgelaufen, so daß es leck wurde. Das Wasierstieg nun im Raum so schnell, so daß Fs bald 16 Fuß erreichte. An statt nun selbstständig an die Rettung des Schiffes zu denken, richtete der Kapitän erst die telegraphische An frage an die englische Nhederei, was er thun solle. Durch die dadurch entstandene Verzögerung wurde die Katastrophe unvermeidlich, so daß am Montag früh 4 Uhr das gewaltige Schiff umsank. Da während des Unfalls der Flintsche Dampfer „Adolph" an Backbord lag, ge lang es der Mannschaft des „Caitloch" sich zu retten, während der auf der Fallseite liegende Leichter „Franz", welcher die Ladung übernehmen sollte, sich nur mit Mühe zu retten vermochte, als das Vollschiff sich lang sam zum Wasser neigte. Der Raum des Schiffes wird nun zunächst ausgepumpt und Alles angesetzt, um das den Verkehr im Hafen ungemein störende Schiff weg zuschaffen, was aber erhebliche Schwierigkeiten verursacht. Tausende von Menschen besichtigen täglich die Unfalls stelle. Bayern. Die Ueberschüffe des Staatshaushalts für das Jahr 1888/89 betragen ca. 43 Millionen. Schweiz. Der Früchte des liberalen Putsches im Kanton Tessin sind nicht besonders reichlich aus gefallen. Das Endresultat der liberalen Schilderhebung sollte in einem neuen Verfaffungs werke gipfeln, welches den liberalen Elementen neben dem Klerikal-Konser vatismus Licht und Luft zum Leben und Athmen ge währen sollte. Die mit so großen Mühen und Opfern unternommene Bewegung ist nun durch die abge schloffene Verfaffungsrevision scheinbar beendet worden, — allein das Facit lautet für den Liberalismus, oder besser gesagt für die Nichtultramontanen recht ungünstig. Der in Bellinzona tagende Verfaffungsrath bestand nur aus Klerikalen, und wenn auch ein gewisses Maß politischer Klugheit den revisionistischen Arbeiten und Vorschlägen zur Seite stand, so ist doch naturgemäß das Verfaffungswerk im klerikalen Sinne ausgefallen. Darüber herrscht nun in liberalen Kreisen, die sich von den Verfaffungswahlen und den Verhandlungen unkluger Weise demonstrativ fern hielten, große Un zufriedenheit, und der zwischen Klerikalen und Liberalen mühsam hergestellte Landfrieden scheint nicht sehr dauer hafter Natur zu sein. Belgien. In das klerikale belgische Ministerium soll nach der „Jndöpendance Beige" Bresche gelegt worden sein. Der Äriegsminister Pontus hat, wie das Brüsseler Blatt hervorhebt, seine Entlassung eingereicht, sich jedoch einverstanden erklärt, das Portefeuille bis zur Ernennung seines Nachfolgers zu behalte«. ^,Bis zur Ernennung", fügt die „Jndöpendance" hinzu, „welche einigen Schwierigkeiten begegnet, und zwar aus guten Gründen". Letztere liegen allerdings klar vor, da unter dem klerikalen Ministerium eine Demorali- sirung innerhalb der militärischen Streitkräfte Belgiens platzgegriffen hat, die geradezu unerhört ist. Es braucht nur an die jüngsten Meutereien von Miliztruppen, sowie in der Brüsseler Kaserne erinnert zu werden, um zu erhärten, in welchem Grade diese Demoralisi- rung unter dem klerikalen Ministerium im Allgemeinen und dem Regime deS Kriegsministers Pontus im Be sonderen fortgeschritten ist. Andererseits darf daran erinnert werden, daß dasselbe klerikale Kabinet in der Frage der „Lockspitzel" unheilvoll kompromittirt erschien, so daß damals alle Welt überzeugt war, eS müßte dem öffentlichen Unwillen weichen. Das ultramontane Ministerium stellte sich jedoch damals „todt", obgleich in öffentlicher Gerichtssitzung durch Zeugenaussagen erhärtet worden war, daß die Regierung sich aus An laß der Arbeiterunruhen der „Lockspitzel" bedient hatte. Bei der „Unempfindlichkeit" des belgischen Kabinets gegenüber der öffentlichen Meinung könnte es also leicht geschehen, daß trotz der unglaublichen Vorgänge inner halb der belgischen Streitkräfte schließlich alles beim Alten bleibt. Rußland. Nicht geringes Aussehen machte jetzt die Thatsache, daß im Kreise Krassnowodsk 5000 Kibitken Turkmenen mit einer Bevölkerung von 25,000 Seelen entdeckt wurden, die nirgends in den Zähl und Steuerlisten eingetragen waren und daher auch keine Abgaben zahlten. Durch Zufall wurde dieses Faktum bei einer vom Gebietschef angeordneten Revision der Bevölkerung des erwähnten Kreises festgestellt, und jetzt sind die neuentdeckten Unterthanen bereits mit einer Spezialsteuer im Betrag von jährlich 6 Rubeln per Kibitke belegt worden. — Pobedonoszeff und seine Leute sind unermüd lich im Erfinden neuer Russifizirungsmaßregeln. Wie die „Mosk. Ztg." meldet, wird im Departement für die Angelegenheiten ausländischer Konfessionen eine wichtige „Reform" vorbereitet. Es wird eine Ver ordnung geplant, wonach in der Landgemeinde der Prediger resp. Priester aus derjenigen Nationalität gewählt werden soll, zu welcher die Mehrheit der Ein- gepfarrten gehört. Man will durch diese Maßregel in Littauen die polnischen katholischen Priester durch littauische und in den baltischen Provinzen die deut schen lutherischen Landprediger durch lettische und estnische ersetzen. Italien. Die programmatischen Erklärungen, welche am letzten Sonnabend vom Ministerium Nudini in beiden Häusern des italienischen Parlaments abgegeben wurden, sind im Senat wie in der Kammer ziemlich wohlwollend ausgenommen worden. Aber dieses Wohl wollen kann doch nicht darüber Hinwegtäuschen, daß es mit der parlamentarischen Stellung des neuen italie nischen Kabinets keineswegs günstig bestellt ist, denn schon rüsten sich die Gegner des Kabinets zu einem Feldzuge gegen dasselbe. Am Sonnabend Abend sand eine Versammlung von etwa 85 Mitgliedern der „kon stitutionellen Opposition" der Deputirteukammer unter Vorsitz Merzario's statt, darunter Crispi, Zanardelli und andere frühere Minister. Es wurde beschlossen, ein leitendes Parteikomitee unter Vorsitz Merzario's zu bilden, und offenbar soll dieses Komitee die Auf gabe haben, die neue Opposition in der italienischen Deputirtenkammer zu organisiren. Vorerst wird in dessen Waffenstillstand herrschen, da sich die Kammer bis zum 2. März vertagt hat; nach dem Wiederbeginne der parlamentarischen Verhandlungen aber dürfte jeden falls ein erster Vorstoß der neuen Opposition gegen das Ministerium Nudini zu erwarten sein. Inzwischen hat sich dasselbe wenigstens vervollständigt, indem der Vize-Admiral San Bon das Marine-Ministerium über nahm, welches bislang noch nicht definitiv besetzt war. Bulgarien. Die „Agence Balcanique" meldet aus zuverlässiger Quelle über ein angebliches Kom plott gegen den Prinzen Ferdinand und die Minister, daß ein bei einem Streite durch einen Messerstich Ver wundeter aus Rache gegen zwei Kameraden die An zeige von einem gegen den Prinzen gerichteten Kom plotte machte. Die Untersuchung habe jedoch die voll ständige Grundlosigkeit der Anschuldigung ergeben. Die beiden Verdächtigen seien freigelaffen und der An geber vor Gericht gestellt worden. Spanien. Die Regierung hat beschlossen, anläß lich der Feier des vierten Jahrhunderts der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus in Madrid eine Weltausstellung zu veranstalten, welche am 12. September 1892 eröffnet werden soll. Diese Aus stellung wird nur solche Objekte in ihren Rahmen ziehen, welcher einerseits den Zustand der Völker Amerikas zur Zeit der Entdeckung dieses Erdtheils und der ersten europäischen Ansiedelungen zu kennzeichnen und anderseits ein Bild von den Anfängen und den Fortschritten der Civilisation in Amerika zur Anschau ung zu bringen geeignet sind.