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57. Jahrgang. Der Kitsche md kr srmiMcht Arbeiter. Bei der am vorigen Dienstag erfolgten Eröffnung der neuen französischen Parlamentssession ist in der Deputirtönkammer ein Bericht des Vertreters Frank reichs am Berliner Hofe, Herbette, über die deutschen Arbeiterverhältniffe zur Vertheilung gelangt, der auch in Deutschland selbst Interesse erregen dürfte. Denn obwohl der Inhalt des Herbette'schen Berichts bislang nur durch einen dürftigen telegraphischen Auszug wiedergegebcn worden ist, so erhellt aus letzterem doch, daß der französische Botschafter in Berlin die wirth- schaftliche Lage der arbeitenden Klaffen in Deutschland einem fleißigen Studium unterzogen hat, natürlich nicht zu seinem Privatvergnügen, sondern im Auftrage seiner Regierung. Aber offenbar enthalten die Beobachtungen des Herrn Her bette manches Unrichtige und Ueber- triebene, was um so mehr zu einer Berichtigung heraus fordert, als der Berichterstatter einen Vergleich zwischen der wirlhschastlichen Lage des deutschen und des sran- zöstschen Arbeiters gezogen hat, der bedeutend zu Gunsten des letzteren aussällt. Vor Allem muß be stritten werden, daß der deutsche Arbeiter, wie Herr Herbette behauptet, mit „großer Passivität" behaftet sei, die ihn veranlaße, sich mit schlechter und unzu reichender Nahrung zu begnügen. Ganz abgesehen von der wachsenden lebhaften Betheiligung der deutschen Arbeiterschaft an den politischen Wahlen, so haben gerade die beiden letzten Jahre ungemein zahlreiche Streiks in Deutschland gezeitigt, welche die verschieden sten Gewerbszweige umfaßten, und diese Thalsache läßt sich doch schwerlich mit der angeblichen großen Passivität des deutschen Arbeiters vereinbaren. Wenn dann in dem Berichte behauptet wird, der deutsche Arbeiter müsse sich mit schlechter und unzureichender Nahrung begnügen, so muß wenigstens gegen diese allgemeine Fassung entschieden Protest eingelegt werden. So ge wiß- es leider ist, daß in einzelnen Gegenden Deutsch lands die arbeitende Bevölkerung sich in kümmerlichen Ernährungsverhältniffen befindet — man braucht sich nur der ergreifenden Schilderungen der Lebensweise der Weber im schlesischen Eulengebirge zu erinnern —, so gewiß ist es anderseits auch, daß im Großen und Ganzen die Lebensweise der deutschen Arbeiter schon seit Jahren eine steigende Besserung aufweist, was namentlich vom wachsenden Fleischverbrauch in den Kreisen der Industriearbeiter gilt. Ja, es läßt sich sogar behaupten, daß die Lebensführung in unserer Arbeiterschaft sich vielfach nicht sonderlich von der jenigen in unseren sogenannten mittleren Ständen unterscheidet und diese erfreuliche Erscheinung wider spricht doch sicherlich der angeblich so schlechten und unzureichenden Ernährung unserer Arbeiter. Dagegen wird dem Berichte des französischen Botschafters Recht zu geben sein, wenn es in demselben heißt, daß die Arbeitslöhne in Deutschland durchschnittlich niedriger seien als in Frankreich, welches dem deutschen Ar beiter ungünstige Verhältnisse selbst durch den niedrigen Preis, den die Lebensmittel in Deutschland im Ver gleiche zu Frankreich aufweisen, nicht ausgeglichen wird. Wenn ferner Herr Herbette zu Gunsten des fran zösischen Arbeiters ansührt, daß in der deutschen Ar beiterwelt die Kinder zahlreicher seien und daß die Frauen als Hausfrauen wie als Familienmütter eine geringere Geltung hätten als in Frankreich, so kann man dies vielleicht ebenfalls passiren lassen. Wenn dann indessen der Botschafter in seinem Bericht zu dem Schlüsse gelangt, der deutsche Arbeiter friste sein Leben unter schwierigeren und unsicheren Bedingungen wie der französische Arbeiter und daß er überhaupt niemals auch unter den günstigsten Verhältnissen zu dem Wohlbefinden des letzteren gelangen könne, so kann diesem Schluffe wiederum nur sehr bedingte Richtigkeit zuerkannt werden. Allerdings, die all gemeinen Existenzbedingungen sind für den französischen Arbeiter etwas besser als für seinen deutschen Kamera den, wie ja überhaupt Frankreich im Vergleiche zu seinem großen Nachbarstaats in» Osten ein weit reicheres Land ist, deshalb hat in ihm aber noch lange nicht jeder Arbeiter „sein Huhn im Topfe", und im Uebrigen bleibt es jedem intelligenten und charakterfesten Ar beiter auch in Deutschland unbenommen, sich durch Fleiß und Tüchtigkeit zu einer besseren Lebenslage hinaufzuschwingen. Aber in einer Beziehung neigt sich hie Wagschale ganz entschieden zu Gunsten des deutschen Arbeiters, nämlich hinsichtlich der staatlichen Fürsorge für ihn, ein Gebiet, auf welchem das Deutsche Reich bis jetzt unerreicht dasteht. Noch ist der Reigen der Wohlthaten, auf welche der Arbeiter in Deutsch land gesetzlichen Anspruch besitzt, nicht vollständig ab geschlossen, schon jetzt aber sieht er sich in dieser Be ziehung weit besser gestellt, als der französische Ar beiter, und die zielbewußte Weiterentwickelung der deutschen Sozialpolitik bürgt dafür, daß dem deutschen Arbeiter dieser Vorsprung auf lange hinaus erhalten bleibt. Sächsisches. Markneukirchen. Einem feit der vor mehreren Jahren erfolgten Auflösung des hiesigen Eisklubs all gemein gefühlten Mangel hat unser Stadtrath in dankenswerther Wesse in diesem Winter abgeholfen, indem derselbe in der Nähe des Schulhausbauplatzes eine schöne Eisbahn hat Herstellen lassen. Ehrenfriedersdorf. Eine in Sachsen wohl einzig dastehende kirchliche Gesellschaft ist die hiesige „Thurm lautbrüderschaft", welche bis zur Stunde Pflicht und Recht hat, zu feierlichen Gelegenheiten, z. B. bei hohen Feiertagen, bei Anwesenheit fürstlicher Personen, bei nationalen Festen die Glocken zu läuten. Diese Thurmlautbrüderschast ist die älteste Vereinigung in der Gemeinde und dürste schon 3 Jahrhunderte be stehen. 1773 war dieselbe durch die Pestilenz auf 3 Mitglieder zusammengeschivunden. 596 Personen un- serer Gemeinde raffte damals die Seuche dahin und die überlebenden Frauen der Thurmlautbrüder über nahmen das Amt, die Heimgegangenen „Brüder" zu Grabe zu läuten. Das Amt eines Thurmlautbruders wird durchaus als Ehrenamt betrachtet. Der dies jährige, in herkömmlicher Weise am Tage nach dem Epiphanias abgehaltene» Konvent der „Thurmlaut- brüverschast" verlies in gewohnter würdevoller, brüder licher Weise. Die „Brüder" zogen in feierlichem Zuge vom neuerwählten Oberbruder zum Rathhaus, wo man sich unter Leitung des Pfarrers zu einer weihevollen Stunde unter Ansprache, Gesang und Gebet vereinigte. Darauf wurden bei offener Lade die geschäftlichen An gelegenheiten erledigt. Am Abend erfolgte gemein sames Mahl und heiteres Beisammensein unter Be theiligung des Stadtraths, des Kirchenvorstandes und anderer Ehrengäste. Die aufgelegten Gaben sollen an 15 Arme und Alte vertheilt werden. Große Freude erregte die Mittheilung, daß ein nicht genannt sein wollender Gönner zu Gunsten der Thurmlautbrüder schast ein größeres Legat gestiftet hat. Vermischtes. (Briefumschläge.) Am Sorlirspind des Postbeamten befindet sich ein Korb, angesüllt mit 800—1000 Briefen, darunter über die Hälfte mit blauen, graublauen, grünlich grauen Umschlägen (Kouverts). Die Adresse ist mit grün licher oder röthlicher Tinte geschrieben. Derartige Adressen zu lesen, strengt die Auge» sehr an, besonders Nachts bei Gas- oder Lampenlicht, und solche Briefe bilden ein Attentat aus die Sehkraft der Postbeamten. Die Absender dieser Briese sind nur Kaufleute. Fragt man nach dem Grunde, weshalb farbige Umschläge verwendet werden, so wird man keine er schöpfende Antwort erhalten, man wird höchstens sagen, eS ist so Brauch, es ist Mode; daß aber durch diese Mode die Postbeamten sich die Augen verderben, bedenkm die Absender nicht. Es ergeht also an alle Kaufleute im Deutschen Reiche die dringende Bitte, zu den Briefumschlägen künftig nur weißes Papier und zur Aufschrift schwarze Tinte zu verwen den, denn weiße Briefe sind viel leichter zu sortiren, als blaue, graue und grüne. (Humoristisches.) Schwerer Zweifel. Angeklagter (nachdem ihm seine Freisprechung verkündet): »Jcssas, da hab' i' am End' gar nit den Diebstahl begangen!?" —— Ge hobene Sorge. Student (der in einer Gewcrbeausstellung einen Kaffenschrank gewonnen): „Gott sei Dank! Nun brauch' ich doch die zwei Zehn-Psennig-Marken, die ich zu Hause hab', nicht mehr so unverschlossen Herumliegen zu lassen!" — Freundesrath. Eckensteher (zu,einem „Standesgenoffen"): „Höre, Ede, morgen is meiner Ollen ihr JeburtStag, und da möcht' ick ihr 'ne janz besondere freudige Ueberraschung be reiten; weeßt Du vielleicht rne?" — Ede: „Häng' Dir uff!" Ein Trost. Frau: „Ach, Herr Doktor, mein armer Mann ist wohl schwer krank?" — Arzt: „Ja, aber trösten Sie sich, seine Krankheit ist von hohem wissenschaftlichen Werth." Druckfehlerteufel. Aus einem Festbericht: Eine besondere Weihe erhielt das Fest durch die Absingung des herrlichen Liedes: „Hoch, Deutschland, hoch, mein Vaterland, Dir weih' ich Herz und Leber!" TageS-Ord«u«g für die I. Sitzung btt Lrjikils-Ausschuss» -rr Oömßlichkll AultstzuuPt- mnnuschast lippitdirmtitzr, Sonnabend, den L4. Januar 1891, Borm. 19 Uhr, im amtshauptmaiinschaftlichcn Sitzungszimmer. 1. Wegcbauunterstützungsacsuche auss Jahr 1891. 2. Dismembration bei Fol. 83 von Reinhardtsgrimma, Besitzer Fischer in Cunnersdorf. 3. Dismembration bei Fol. 25 von Wendischcarsdorf, Besitzer Ullrich. -1. Dismembration bei Fol. 7 von Falkenhain, Bes. Löwe. 5. Schankkonzessionsgesuch Otto Bernhard Lorcnz's in Rein ¬ hardtsgrimma (Uebertragung). 6. Schankkonzessionsgesuch Ebuard GrieSbach's in Geising (Uebertragung). 7. Grundstückskäufe der Gemeinde Obercarsdorf. 8. Grundstücksverkauf der Gemeinde Rechenberg. 9 Regulativ der Gemeinde Quohren, Befltzveränderungsab- gabcn betreffend. 10. Schuldregelung der Gemeinde Röthenbach. II. Verordnung, das Abdcckereiwesen betreffend 12. Beitragsleistung des Bezirks zu den Entschädigungen für Unfälle bei Regicbauarbeiten. 13. Fortdcwilligung einer jährlichen Beihilfe für die Arbeiter ¬ kolonie Schneckengrün aus Bezirksmilteln. 14. Erhöhung des Anliefcrungslohns für daS Unterhaltungs ¬ material zur Bezirksstraße in Gomdsener Flur. 15. Gebattsregelung des Anstaltsausschers Wolf und andere An- staltssacheu. 16. Anderweite zinsbare Anlegung von Gelder» ausgelooster Staatspapiere des Bezirks-Vermögens 17. JnvatiditätS- und Altersversicherung des AnstaltsaufseherS. 18 Desgl. der Bezirksstraßenwärter 19. Die Naturalverpflegstation Frauenstein. 20. Einführung einer Polizeistunde für den Bezirk Dippoldis ¬ walde. 21. Gesuch Bernhard Krug's in Possendori um Erlaubuiß zum Branutweinklcinhandel. 22. Regulativ der Gemeinde Possendorf mit Rittergut um Er ¬ hebung von Stättegeld. 23. Dismembration bei Fol. 34 von Hänichen, Besitzer: Die Bürger'schen Erbe». 24. Dismembration bei Fol. 2 von Dönschten, Besitzer Göhleit. 25. Statut der freiwilligen Feuerwehr von Reichenau. 26. Abtretung des Benefizinms an» Altenberger Bergbegnadi- gungssond Seiten der Gemeinde Fürstenau an die Stadt Altenberg. 27. Erhöhung der Hundesteuer in Frauenstein. 28. Tödteu und Schlachten von Thicren in Gegenwart von Kindern. 29. Gesuch des Mühlenbesitzcrs Kaden in Rechenberg um Schank- konzession. 30. Festsetzung des Werths von Naturalbezügen für Zwecke der Jnvaliditäts- und Altersversicherung. Dresdner Produktenbörse vom 16. Januar. An der Börse: Weizen, deutsche und sächsische Landwaare pro 1000 k« netto: Weißweizcn . . 188-192 Braunweizen . . do. neu. 182—188 do. englisch Nuss. Weizen, weißer 205—212 do. rother . 205—212 do. gelb u. bunt 195-207 'do. braun . . Roggen, sächsischer 172—178 do. do. feuchter do. russischer do. preußischer 180—184 Gerste, sächsische . 160-173 do böhm. u. mähr. 180-190 Futtergerste. . 135-140 Hafer, sächsischer, neu 140—148 do. schief., »en 142—150 Mais, Cinquantine 140—145 do. rumänischer 138—140 do. ungar. neu — do. anierik., niired 140—142 Erbsen pro 1000 kx netto: weiße Kochwaare . 170- 180 do Futterwaarc 145 155 Saaterbsen. . . Bohnen, pro lOOOlc^ >70 - 200 Wicken, pro 1000 Icx Buchweizen, inltind. und mährisch . 155-160 Oelsaaten pro 1000 kp- netto: Winterraps, sächs. 230-250 do. russischer . 240—250 Winterrübsen, neuer 215-225 Auf dem Hafer (1,1) . . 7,00-8,40 , Kartoffeln (KI) 4,50-5,00 Butter (Icx) . 2,20-2,80 s Leinsaat, feinste . 235 -240 do. seine . 210—220 do. mittlere. 200 - 205 do. geringe . 180—190 Rüböl pro 100 kx netto (mit Faß): rafstnirt . 65,00 Rapskuchen pro 100 kx netto: lange .... 12,50 runde . . . 12,00 Leinkuchen, einmal gepreßte . . . 17,50 do. zweimal gepr. 16,50 Malz (ohne Sack) 22—28 Kleesaat pro >00 Ice Brutto lohne Sack) rothe 110—130 do. weiße . . 80-120 do. schwedische 100-140 Lhvmothee . . 45—56 Weizenmehl pro 100 kx netto: Kaiserauszug . . . 35,00 Gricslerauszug. . . 32,00 Semmelmehl . 31,00 Bäckermundmehl . . 29,00 Srieslermundmehl . 25,00 Pohlmehl .... 20,50 Roggenmehl Nr. 0 . 29.50 do. Nr. 0/1 . 28,50 do. Nr. 1 . 27,50 do. Nr 2 . 23,50 do. Nr. 3 . 21,50 Futtermehl . . . >5,00 Weizenkleie, grobe. . 10,40 do. seine . . 10,40 Roggenkleie.... 12,00 Spiritus . . . k-8,00 48,00 Markte: Heu pro Ctr. . 3,20—3,80 Strohvro Schock 28,00—30,00 Vergeßt die hungernden Vögel nicht!